Georg Scheurlin

Georg Scheurlin

Georg Scheurlin (* 25. Februar 1802 in Mainbernheim; † 9. Juni 1872 in München) war ein deutscher Schriftsteller.

Biografie

Scheurlin wurde als zweiter Sohn des Chirurgen Wolfgang Scheuerlin und dessen Ehefrau Margarete Katharine (geb. Wernberger) im heutigen Haus Scheuerleinsplatz 2 in Mainbernheim geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters mangelte es der Mutter an Geld für die Ausbildung der Kinder. Scheurlin entschied sich für den Beruf des Volksschullehrers und besuchte die Mainbernheimer Rektoratsschule, anschließend das Liederkronsche Institut in Erlangen. Am 1. Februar 1826 wurde er als Hilfslehrer nach Ansbach berufen. Von seinem bescheidenen Gehalt versorgte er noch die kranke und eine jüngere Schwester. Am 20. April 1828 heiratete Scheurlin Anna Babette Wendler (1804 Erlangen – 1875 München), die ihm zwischen 1827 und 1844 insgesamt acht Kinder (sieben Töchter und einen Sohn) gebar, von denen jedoch vier früh starben. Erst 1830 wurde er vom Hilfslehrer zum Lehrer befördert.[1] Um sein Einkommen zu verbessern, gab Scheurlin neben dem Schulunterricht noch Privatunterricht in Musik und Zeichnen, außerdem übernahm er die Leitung der Gesangsschule und den Organistendienst in der Kirche und redigierte mehrere Jahre das Ansbacher Morgenblatt. Im Jahr 1852 wurde Scheurlin auf Veranlassung des bayerischen Königs als zweiter Kanzlist in das Königliche Protestantische Oberkonsistorium nach München berufen, wohin er mit seiner Familie übersiedelte.[2] 1854 kam er als Sekretär an das Staatsministerium des Handels und der öffentlichen Arbeiten, wo er verschiedene Registraturdienste versah. Dazu gehörte z. B. die Zusammenfassung verstreut vorliegender Konzessionen, die erst eine verlässliche Bewirtschaftung und letztlich seine Beförderung bewirkte.[3] 1864 wurde er zum Geheimen Ministerialsekretär befördert, 1871 in Innenministerium versetzt. Am 9. März 1872 trat er in den Ruhestand.

Politisch engagierte sich Scheurlin seit seiner Gründung 1862 und überwiegend in München aktiven, rechts-liberalen Großdeutschen Reformverein.[4]

Seine Tochter Johanna (* 1834) war mit dem Volkskundler und Reiseschriftsteller August Becker verheiratet, seine Tochter Sophie (* 1844) mit dem humoristischen Zeichner und Maler Adolf Oberländer.

Im Münchner Stadtteil Pasing erinnert seit 1947 die „Scheurlinstraße“ an ihn.

Anmerkungen zu Scheurlins Namen

Als Namensvarianten kommen neben Scheurlin 'Scheuerlin', seltener 'Scheuerlein' vor. Getauft wurde er auf den Namen „Johann Georg Scheuerlin“. Bei den unter dem Pseudonym Wernberger (Geburtsname seiner Mutter) von 1831 bis 1834 in Nürnberg von Bauer und Raspe verlegten Kinder- und Jugendbüchern wurde in mindestens einem Fall vom Verlag selbst der Realname „G. Scheuerlin“ angegeben, so dass dieser bis heute in einschlägige Lexika für die frühen Kinderbücher Scheurlins einging. Bürgerlich und amtlich, vor allem als Lehrer in Ansbach und später in München, wie auch für seine Gedichtbände, steht der Name Scheurlin.[5]

Schriftsteller

Ab 1831 betätigte Scheurlin zunächst als Kinder- und Jugendbuchautor. Der Verlag Bauer und Raspe in Nürnberg veröffentlichte unter dem Pseudonym „Wernberger“ sechs diesbezügliche Werke.[6] Ebenso muss Scheurlin, allerdings unter der Autorenangabe „G. Scheuerlein“, das mehrstrophige Gedicht eines in Nürnberg verlegten, illustrierten Einblattdrucks mit dem Titel „Kaspar Hausers Grab zu Ansbach“ von 1834 zugeschrieben werden.[7] Eine um mehrere, den vermeintlichen Mord andeutende Strophen gekürzte Version wurde im selben Jahr verlegt.[8]

Im Jahr 1837 sandte Scheurlin eine Anzahl Gedichte an Friedrich Rückert, verbunden mit der Bitte um Abdruck in einem Musenalmanach. Die „einfachen und gefühlten Lieder“ (Rückert) fanden seinen Zuspruch und er vermittelte sie an den von Chamisso und Schwab herausgegebenen Deutschen Musenalmanach, in dem sie 1838 abgedruckt wurden. Sechs weitere übernahm Rückert in den von ihm zusammengestellten Erlanger Musenalmanach.[9] Weitere Gedichte und Erzählungen Scheurlins erschienen in dem von Carl Fernau herausgegebene Almanach Charitas der Jahre 1846 und 1847 sowie in der 1851 von dem Verlag Braun & Schneider verlegten Haus-Chronik. Scheurlin war seit seine Ansbacher-Lehrerzeit aktiver Sänger und nahm u. a. am Ersten Deutschen Sängerfest 1845 in Würzburg teil.[10]

Seine Gedichte wurden immer wieder nachgedruckt oder fanden wie „Schneeglöckchen“, „Treuer Tod“ oder „Die Sonnenblume“ Eingang in Schullesebücher.[11] Wegen seines volkstümlichen Tons „bei großer Sprachmelodik“ und „ungemeiner Zartheit und Innigkeit der Empfindung“[12] gehörte er bald auf Empfehlung von Justinus Kerner und Ludwig Uhland zu der "neue(n) Dichterschule, welche in Schwaben aufgeblüht ist, (die) die sprachlich-formalen Verdienste der Romantiker gleichfalls, vielleicht noch in höherem Maßen, in Anspruch" nehmen konnte.[13] Innerhalb der Schwäbischen Dichterschule, gehörte er zu den wenigen, die sich nicht grundsätzlich gegen Heinrich Heine stellten. So hat Scheurlin Heines „Fichtenbaum und Palme“ 1838 in einer romantischen Schauerballade verarbeitet.[14] Später wurde diese populäre Ballade durch Richard Wagner mit der Absicht vertont, die Konzertsäle zu füllen.[15][16] 1846 erscheint die historische Erzählung „Der Scharfrichter und sein Sohn. Oder: Tilly in Rothenburg“. Sie thematisiert die Einnahme Rothenburgs durch die Kaiserlichen Truppen unter Tilly im Jahr 1626 im Dreißigjährigen Krieg. 1851 versammelt der Band Gedichte seine bis dahin verstreut veröffentlichten lyrischen Werke. 1858 erfolgte die Veröffentlichung des Gedichtbandes „Heideblumen“ und dann erst 1862 wieder eine patriotische Gelegenheitsdichtung für Männerchor: ein freies Volk ist ein Volk das singt, geführt von siegender Fahne[17]. 1869 erschien die epische Dichtung „Edwin“. Die Fabel ist in der Zeit von Heinrich der Löwe und auf Rügen angesiedelt. 1872 kommen die drei Erzählungen umfassenden „Musikernovellen“, darunter die bereits 1851 in der Haus-Chronik erschienenen „Studien eines verabschiedeten Waldhornisten“, in den Buchhandel – am selben Tag, als Scheurlin im Alter von 70 Jahren in München starb.

Trotz einer gewissen Anerkennung und Bekanntheit hatte Scheurlin kein Auskommen durch die gelegentlichen Veröffentlichungen, so dass er zeitlebens seiner Tätigkeit im Staatsdienst nachging. In der zeitgenössischen 'Anthologie Deutscher Dichter' wird er vom Herausgeber als „innig, gemüthvoll und in eigenthümlicher Schönheit empfindener Poet“ beschrieben.[18] Ein Glückwunschschreiben des bayerischen Königs Ludwig II. zu Scheurlins 70. Geburtstag wenige Wochen vor seinem Tod pries „den Reiz des Inhalts und den reinen Wohlklang der Form“ seiner Werke, mit denen Scheurlin „einen ehrenvollen Platz unter den vaterländischen Dichtern errungen“ habe.

Werke

  • Emiliens Kinder-Jahre oder der Kindheit Lust und Leid. Zur Unterhaltung und Belehrung der Jugend, (unter dem Ps. Heinrich Wernberger), Bauer u. Raspe, Nürnberg 1831.
  • Rudolph's Reise durch Europa. In getreuen Schilderungen der vorzüglichsten Städte, merkwürdigsten Natur-Ansichten, Sitten usw. Ein Panorama für die heranreifende Jugend. In 2 Bänden (unter dem Ps. Heinrich Wernberger), Bauer, Nürnberg 1832. Digitalisat
  • Bilder aus dem Jugendleben. Mit 6 illuminirten Kupfern, (unter dem Ps. Heinrich Wernberger), Bauer u. Raspe, Nürnberg 1834.Digitalisat
  • Otto's Lebens-Morgen, oder der Kindheit Lust und Leid. Zur Unterhaltung und Belehrung der Jugend, (unter dem Ps. Heinrich Wernberger), Bauer u. Raspe, Nürnberg 1837.
  • Der Scharfrichter und sein Sohn. Oder: Tilly in Rothenburg, zuerst in Charitas. Festgabe für 1846, später als Der Scharfrichter von Rothenburg, Otto Janke, Berlin 1869. Digitalisat
  • Das Kreuz im Altmühlthale. Eine Volkssage in einem Kranze von Liedern und Romanzen, in: Charitas. Festgabe für 1847, S. 83–142. Digitalisat
  • Der Perle Wort. An Ihre Majestät die Königin Marie von Bayern. Widmungsgedicht, Ansbach, ca. 1850.
  • Gedichte, E. H. Gummi, Ansbach 1851. Digitalisat.
  • Heideblumen, Karl Winter, Heidelberg 1858.Digitalisat.
  • Zur Fahnenfeier. Festgesang für 4stg Männerchor mit Begl. von Blech-Musik oder Pianoforte. Komposition Karl Friedrich Baumann (op. 12) nach einer Dichtung von G.Scheurlin. Aibl, München 1863.Digitalisat
  • Edwin, Seidelsche Buchhandlung, Sulzbach 1869. Digitalisat.
  • Der Tannenbaum. Ballade von Scheuerlin, Musik von Richard Wagner, Adolph Fürstner, Berlin 1871.Digitalisat
  • Musiker-Novellen, Carl Rümpler, Hannover 1872.Digitalisat.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Heinrich Kurz: Geschichte der deutschen Literatur. Mit ausgewählten Stücken aus den Werken der vorzüglichsten Schriftsteller, mit vielen nach den besten Originalen und Zeichnungen ausgeführten Illustrationen in Holzschnitt. Band 4. Teubner, Leipzig 1872, S. 268–271
  2. Otto Lange (Hrsg.): Literaturgeschichtliche Lebensbilder und Charakteristiken. Biographisches Repertorium der Geschichte der deutschen Literatur. Gaertner, Berlin 1875, S. 286
  3. Vgl. Satzungen der Königl. Bayerischen Gesellschaft der Pfälzischen Ludwigs-Bahn Ludwigshafen a. Rh., 1836–1865, hier S. 104
  4. Satzungen des großdeutschen Reform-Vereines in München. Straub, München 1862, S. 7
  5. Vgl. Allgemeine Schul-Zeitung vom 10. September 1853, S. 943, in der gegen den Namen Scheuerlin ausdrücklich Scheurlin geltend gemacht wird.Digitalisat
  6. Aiga Klotz: Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland 1840–1950. Gesamtverzeichnis der Veröffentlichungen in deutscher Sprache, Band 5: T–Z, Stuttgart 1999, ISBN 3-476-00706-5, S. 216. Vergleiche das Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums 1700–1910, Bd. Wein – Wer, S. 155 ISBN 978-3-11-120782-7, S. 476
  7. Text in Monika Schmitz-Emans: Fragen nach Kaspar Hauser. Entwürfe des Menschen, der Sprache und der Dichtung, Würzburg 2007, S. 47f.
  8. Abgedruckt im Literatur-Blatt auf das Jahr 1835, Nr. 87 vom 28. August 1835, S. 347.Digitalisat
  9. Konrad Beyer: Neue Mittheilungen über Friedrich Rückert, 1. Teil, Leipzig 1873, S. 124ff. Digitalisate: [1]; für den Deutschen Musenalmanach: [2]; für den Erlanger Musenalmanach: [3]
  10. Album des ersten deutschen Sängerfestes zu Würzburg am 4. 5. u. 6. Aug. 1845, S. 45[4]
  11. Vgl. Das Buch für fromme Kinder in Bildern und Liedern. Braue & Schneider, München 1855, S. 17 und Die Poesie in der Volksschule. Eine Sammlung von Gedichten älterer und neuerer Zeit zur Förderung der Sprach- und Gemüthsbildung, Bädeker, Essen 1863, S. 57
  12. Karl Barthel: Die deutsche Nationalliteratur der Neuzeit. In einer Reihe von Vorlesungen dargestellt. Leibrock, Braunschweig 1855, S. 556–559
  13. Karl Hugo Holtsch: Eigenheiten des Sprachgebrauches in unseren neuesten Dichtungen. Beiträge zur neuhoch. Deutschen Onomatik. Wollmann, Görlitz 1869, S. 34
  14. Heines Titel „Der Tannenbaum“ und einigen Textstellen wurde für Scheurlins Gedichtsammlung 1851 geändert.
  15. Vgl. Franz Muncker: Richard Wagner. Eine Skizze seines Lebens und Wirkens. Buchner, Bamberg 1891, S. 22
  16. Kathrin Wittler gibt an, dass Wagner die Scheurlin-Version dem Deutschen Musenalmanach entnommen hatte, siehe Morgenländischer Glanz. Eine deutsche jüdische Literaturgeschichte, Tübingen 2019, S. 467, Anm. 27
  17. s. 'Fahnenfeier', S. 14
  18. Emil Kneschke (Hrsg.): Anthologie Deutscher Lyriker seit 1850, hrsg. mit literarhistorischer Einleitung und biographisch-kritischen Notizen .... C. B. Lorck, Leipzig 1865, S. 435

Weblinks

Wikisource: Georg Scheurlin – Quellen und Volltexte


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Georg Scheurlin. In: Geschichte der deutschen Literatur: Mit ausgewählten Stücken aus den Werken der vorzüglichsten Schriftsteller. Band 4, Leipzig: Teubner, 1872. S. 269