Generalvikar
Ein Generalvikar (lateinisch vicarius generalis, vicarius „Stellvertreter“) ist in der römisch-katholischen Kirche sowie der altkatholischen Kirche (hier auch als Generalvikarin) der Stellvertreter eines residierenden Bischofs und ist für die Verwaltung der Diözese zuständig. Er leitet das Generalvikariat, die zentrale Verwaltungsbehörde der Diözese.
Geschichte
Bereits im Mittelalter setzten Diözesanbischöfe Generalvikare oder Bischofsvikare, seinerzeit Archidiakon oder Erzdiakon genannt, ein, die mit der Verwaltung des entsprechenden bischöflichen Gebiets betraut wurden. Sie konnten auch Aufgaben des Bischofs ausüben, etwa das Abhalten von Liturgien (beispielsweise bestimmte Heilige Messen, Andachten, Wallfahrten), das Weihen von Kirchen oder das Einsetzen von Pfarrern.
Römisch-katholische Kirche
Aufgabe und Vollmacht
Der Codex Iuris Canonici (CIC), das kirchliche Gesetzbuch, widmet den Generalvikaren und Bischofsvikaren einen eigenen Artikel (cann. 475–481 CIC).
Der Generalvikar (vicarius generalis) „unterstützt den Diözesanbischof bei der Leitung der ganzen Diözese“ (Can. 475,1 CIC) und ist dazu nach Maßgabe des geltenden Kirchenrechts mit stellvertretender ordentlicher Gewalt oder Vollmacht (potestas ordinaria vicaria, im Sinne von Can. 131,2 CIC) ausgestattet.
In aller Regel ist nur ein Generalvikar zu ernennen, es sei denn, die Größe der Diözese, die Zahl der Einwohner oder andere pastorale Gründe legen etwas anderes nahe (can. 475 §2 CIC).
Dem Generalvikar kommt kraft Amtes in der ganzen Diözese die ausführende Gewalt (potestas executica) zu, die der Diözesanbischof von Rechts wegen hat, um alle Verwaltungsakte erlassen zu können, ausgenommen jene, die sich der Bischof selbst vorbehalten hat oder die von Rechts wegen ein Spezialmandat des Bischofs erfordern (can. 479 §2 CIC).
Dem Generalvikar kommt also von Amts wegen die Erledigung der allgemeinen Verwaltungsangelegenheiten zu, wie auch außerdem die Erledigung der Aufgaben, die ihm vom Bischof übertragen worden sind (potestas executica a ordinario delegata, im Sinne von can. 479 §1 CIC). Die Aufgaben und Amtsbefugnisse des Generalvikars sind also immer auch von der Definition und Delegation des jeweiligen Diözesanbischofs abhängig.
Die Aufgaben und Vollmachten eines Generalvikars werden teilweise interpretativ ausgeweitet, indem er als „persönlicher“ Stellvertreter des Diözesanbischofs oder gar als dessen Alter Ego bezeichnet wird. Beide Auffassungen widersprechen jedoch der objektiv-funktionalen Aufgabenstellung, aus der kein persönliches Näheverhältnis abgeleitet werden kann. Trotzdem hat ein Generalvikar als Stellvertreter noch vor den Weihbischöfen das zweithöchste Amt in einer Diözese nach dem des Diözesanbischofs. Er ist jedoch stets von diesem abhängig und hat seinen Anordnungen und Weisungen Folge zu leisten.
Das Amt des Bischofsvikars (vicarius episcopalis) ist dem Generalvikar administrativ gleichgesetzt, hat aber eine jurisdiktionelle Einschränkung auf ein bestimmtes Segment innerhalb einer Diözese. Der Diözesanbischof kann einen oder mehrere Bischofsvikare einsetzen, die in einem genau festgelegten Gebietsteil der Diözese, in einem näher umschriebenen Geschäftsbereich oder für die Gläubigen eines bestimmten Ritus oder eines bestimmten Personenkreises dieselbe ordentliche Gewalt haben, die dem Generalvikar zukommt (can. 476 CIC).
Ein Offizial ist der Vorsteher eines Kirchengerichtes (tribunal ecclesiasticum) und als Gerichtsvikar Vertreter des Diözesanbischofs am Gericht, in dessen Namen er Recht spricht.
Erfordernisse und Amtszeit
Ein Generalvikar muss Priester sein, mindestens 30 Jahre alt und Doktor oder Lizentiat (Lic. theol.) im kanonischen Recht oder der Theologie, oder wenigstens in diesen Disziplinen wirklich erfahren, „ausgewiesen durch Rechtgläubigkeit, Rechtschaffenheit, Klugheit und praktische Verwaltungserfahrung“ (can. 478 §1 CIC) und mit dem Bischof höchstens im fünften Grad blutsverwandt (can. 478 §2 CIC).
In jeder Diözese ist vom Diözesanbischof ein Generalvikar zu ernennen, der dem Bischof bei der Leitung der ganzen Diözese zur Seite steht (can. 475 §1 CIC). Der Generalvikar wird gemäß can. 477 CIC vom Diözesanbischof frei ernannt und kann von ihm abberufen werden. Die Gewalt des Generalvikars erlischt mit Zeitablauf der Beauftragung, mit Amtsverzicht oder mit Abberufung durch den Diözesanbischof. Da der Generalvikar der Stellvertreter des Diözesanbischofs ist, verliert er bei Tod, Verzicht, Versetzung, Absetzung oder Suspendierung des Diözesanbischofs ebenfalls sofort sein Amt (can. 481 CIC).
Generalvikare in den deutschen Bistümern
Bistum | Kirchenprovinz | Generalvikar | seit |
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Erzbistum Bamberg | Bamberg | Georg Kestel | 1. April 2006 |
Bistum Eichstätt | Bamberg | Michael Huber | 1. September 2019 |
Bistum Speyer | Bamberg | Andreas Sturm | 10. Juni 2018 |
Bistum Würzburg | Bamberg | Jürgen Vorndran[1] | 21. September 2020 |
Erzbistum Berlin[2] | Berlin | Manfred Kollig[3] | 1. Februar 2017 |
Bistum Dresden-Meißen | Berlin | Andreas Kutschke | 12. November 2013 |
Bistum Görlitz | Berlin | Alfred Hoffmann | 1. September 2012 |
Erzbistum Freiburg | Freiburg | Axel Mehlmann | 1. Februar 2015 |
Bistum Mainz | Freiburg | Udo Bentz | 27. August 2017 |
Bistum Rottenburg-Stuttgart | Freiburg | Clemens Stroppel | 1. Januar 2005 |
Erzbistum Hamburg | Hamburg | Ansgar Thim | 8. April 2013 |
Bistum Hildesheim | Hamburg | Martin Wilk | 27. Juni 2019 |
Bistum Osnabrück | Hamburg | Ulrich Beckwermert | 20. September 2020 |
Erzbistum Köln | Köln | Markus Hofmann | 1. Mai 2018 |
Bistum Aachen | Köln | Andreas Frick | 9. Januar 2015 |
Bistum Essen | Köln | Klaus Pfeffer[4] | 1. November 2012 |
Bistum Limburg | Köln | Wolfgang Rösch | 23. Oktober 2013 |
Bistum Münster | Köln | Klaus Winterkamp | 1. Oktober 2018 |
Bistum Trier | Köln | Ulrich Graf von Plettenberg | 1. Juli 2016 |
Erzbistum München und Freising | München und Freising | Peter Beer | 1. Januar 2010 |
Bistum Augsburg | München und Freising | Harald Heinrich | 7. Juni 2020 |
Bistum Passau | München und Freising | Josef Ederer | 30. Mai 2020 |
Bistum Regensburg | München und Freising | Michael Fuchs | 26. Januar 2013 |
Erzbistum Paderborn | Paderborn | Alfons Hardt | 2004 |
Bistum Erfurt | Paderborn | Raimund Beck | 1. September 2010 |
Bistum Fulda | Paderborn | Gerhard Stanke | 15. Oktober 2008 |
Bistum Magdeburg | Paderborn | Bernhard Scholz | 1. September 2016 |
Generalvikare in den österreichischen Bistümern
Bistum | Kirchenprovinz | Generalvikar | seit |
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Erzdiözese Salzburg | Salzburg | Roland Rasser | |
Diözese Feldkirch | Salzburg | Hubert Lenz | 1. September 2019 |
Diözese Graz-Seckau | Salzburg | Erich Linhardt | |
Diözese Gurk-Klagenfurt | Salzburg | Johann Sedlmaier | 3. Februar 2020 |
Diözese Innsbruck | Salzburg | Florian Huber | |
Erzdiözese Wien | Wien | Nikolaus Krasa | 2011 |
Diözese Eisenstadt | Wien | Martin Korpitsch | |
Diözese Linz | Wien | Severin Lederhilger | 18. September 2005 |
Diözese St. Pölten | Wien | Eduard Gruber | 1. September 2008 |
Generalvikare in den schweizerischen Bistümern
Bistum | Kirchenprovinz | Generalvikar | seit |
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Bistum Basel | Exemtion | Markus Thürig | |
Bistum Chur | Exemtion | Martin Grichting | 8. Dezember 2009 |
Bistum Lausanne, Genf und Freiburg | Exemtion | Rémy Berchier | |
Bistum Lugano | Exemtion | Ernesto Storelli | |
Bistum Sitten | Exemtion | Richard Lehner Pierre-Yves Maillard | |
Bistum St. Gallen | Exemtion | Guido Scherrer | |
Kloster Einsiedeln | Exemtion | Dekan: Daniel Emmenegger | 9. April 2018 |
Abtei Saint-Maurice | Exemtion | Roland Jaquenoud |
Generalvikare in Ordensgemeinschaften
Ordensgemeinschaften, die an ihrer Spitze einen Generaloberen haben, kennen für dessen Stellvertreter ebenfalls den Titel Generalvikar. In diesem Kontext gibt es in einigen Schwesternkongregationen auch Generalvikarinnen.
Militärseelsorge
Da die Militärseelsorge einem Militärbischof unterstellt ist, hat dieser einen Generalvikar.
Anglikanische Kirche
In der Anglikanischen Kirche ist ebenfalls die Amtsbezeichnung vicar general üblich. Im Gegensatz zur Römisch-katholischen Kirche wird ein anglikanischer Generalvikar jedoch nur bei Verhinderung des Bischofs tätig.
Altkatholische Kirche
Die Generalvikarin des katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland ist Anja Goller.[5][6] Die Generalvikarin ist ständige Stellvertreterin des Bischofs.
Weltliche Generalvikare
Im Mittelalter und der frühen Neuzeit bezeichnete man mit Vikar auch die Stellvertreter weltlicher Machthaber. Der Generalvikar insbesondere war der Stellvertreter des Königs oder Kaisers in einem Gebiet, das keiner direkten herzoglichen Gewalt unterstand.
Ähnliche Amtsbezeichnungen
Literatur
- Vikar/Vikarin I. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 35, de Gruyter, Berlin/New York 2003, ISBN 3-11-017781-1, S. 85 f.
- Heinrich Molitor: Der Kompetenzbereich von Generalvikar und Offizial der Erzdiözese Köln während des 17. und 18. Jahrhunderts. Köln 1960.
Weblinks
- Was ist ein Generalvikar?, Radio Vatikan, 23. Oktober 2013.
Einzelnachweise
- ↑ Jürgen Vorndran tritt Amt des Generalvikars in Würzburg an. Abgerufen am 20. Dezember 2020.
- ↑ siehe auch: Liste der Berliner Generalvikare
- ↑ Erzbistum Berlin: Generalvikar. Abgerufen am 15. März 2017.
- ↑ https://www.bistum-essen.de/presse/artikel/domkapitular-klaus-pfeffer-erst-journalist-dann-priester/
- ↑ https://www.alt-katholisch.de/unsere-kirche/das-bistum/generalvikarin/, abgerufen am 15. September 2020
- ↑ Erstmals eine Generalvikarin – Katholisches Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland. Abgerufen am 15. September 2020 (deutsch).