Gemmenicher Platt

Das Gemmenicher Platt ist der im Gemmenicher Raum in der Gemeinde Plombières (Deutsch: Bleyberg) gesprochene Dialekt, eine kontinentalwestgermanische Sprache aus der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgiens Osten, der Gemmenich und Umgebung allerdings politisch nicht angehören.

Das Gemmenicher Platt nennt sich selbst Jömelejer Plat.

Dies ist einer der zahlreichen Übergangsdialekte aus dem Dialektkontinuum des Rheinlands. Er weist Ähnlichkeiten auf zum benachbarten Stolberger Platt und zum benachbarten Aachener Dialekt (Öcher Platt) in Deutschland sowie dem davon kaum zu unterscheidenden ebenfalls benachbarten Vaalser Platt (Vöölsj) in den Niederlanden ferner einige Einflüsse des umhüllenden Französischen der Wallonie, zu der die heute belgischen Gemeinden des ehemaligen Vierländerecks um Moresnet gehören. Auch Ähnlichkeiten zu den weiter südlich verbreiteten Moselfränkischen Dialekten der Eifel, des Saarlands und dem Luxemburgischen und Pfälzischen sind erkennbar. Aufgrund seines Lautstandes lässt es sich relativ klar dem niederfränkischen Sprachraum zuordnen und gehört damit zu den sogenannten Limburgischen Dialekten, die zwischen den Ripuarischen, wozu der Aachener noch gehört, und den Kleverländischen Dialekten vermitteln. Es gehört allerdings zum sogenannten platdietsen Bogen, dessen Zuordnung sowohl zum Limburgischen, wie zum Ripuarischen möglich ist, je nachdem, welche der verschiedenen möglichen Abgrenzungskriterien als dominierend angesehen werden. Offiziell gehört es jedoch mehr zum Niederfränkisch/Limburgischen Sprachraum.

Beispiele

Einige Beispielsätze[1] mögen ein Gefühl für das Gemmenicher Platt vermitteln:

  • de aanköndejong van de trow, dat is at dree joor lää.
    De aankondiging van de trouwerij, dat is al drie jaar geleden! (NL)
    Die Ankündigung der Trauung, das ist schon drei Jahre her!

Zu lää vgl. engl. late oder Niederländisch geleden

  • dä kümüliet singe beroop än et amt va börjemeester; poletiker kümüliere jear.
    Die/Hij verbindt/cumuleert zijn beroep met/aan het ambt van burgemeester; Politici doen dat graag. (NL)
    Er verbindet seinen Beruf und das Amt des Bürgermeisters auf lukrative Weise, Politiker haben gerne mehrere gewinnbringende Beschäftigungen
  • dat malöör hau ech vörutjesie än et es och äjetrofe.
    Dat ongeluk had ik vooruitgezien en het is ook uitgekomen. (NL)
    Das Unglück habe ich kommen sehen (vorausgesehen) und es ist auch eingetroffen.
  • et aue guvärnemänt verlangt van de lüj vööl äschränkunge än alewil es et lääve düür.
    Het ouwe/oude gouvernement verlangt van de lui/mensen/lieden veel inperkingen/bezuinigingen en allewijl/heden-ten-dage is het leven duur. (NL)
    Die alte Regierung verlangt von den Leuten viele Einschränkungen und heutzutage ist das Leben teuer.
  • ene lierer mot jeder daaĝ aufjaabe verbeatere, mä wän ech der tiit ha, koom ech noch hüj verbee.
    Een leraar moet iedere dag opgaven verbeteren/korrigeren, maar wanneer ik de tijd heb, kom ik nog heden/vandaag voorbij/langs. (NL)
    Ein Lehrer muss jeden Tag Aufgaben korrigieren, aber wenn ich die Zeit habe, komme ich heute noch vorbei.
    Zu vgl. ndl. maar
    Sinngemäß auch: „Als Lehrer muss ich …“
  • dat wädt schoon jue, ech sal dat möreje metbrenge.
    dat sal schoon jue, ech wädt dat möreje metbrenge.
    Dat zal schoon/mooi/wel gaan, ik zal dat morgen meebrengen. (NL)
    Das wird schon gehen, ich werde das morgen mitbringen.
  • vör hant os an et spatseerender jät vertoot, än du hat dä Scharel sech der voot vertroon.
    We hebben ons onder het wandelen iets verteld, en toen vertreedde Karel zich de voet. (NL)
    Wir haben uns beim Spazieren etwas erzählt, und dann hat der Karl sich den Fuß vertreten.
    Zu vertoot von vertele vgl. ndl. vertellen, rip. verzälle, pfl. verzeehle, engl. to tell; zu vertroon vgl. Kölsch vertrodde.

Sprachliche Eigenschaften

Aussprache und Schreibung

Konsonanten

Das Gros der Mitlaute des Gemmenicher Platt unterscheiden sich weder nach Intonation noch in der Schreibung von ihren standarddeutschen Verwandten.

Drei der gemmenicher Mitlaute kennt das Standarddeutsche nicht, sie werden mit „ĝ“ und „w“ notiert. Die beiden stimmhaften Varianten des ĝ entsprechen in etwa der berlinerischen und rheinischen Aussprache des mittelständigen Konsonanten der Worte „sagen“, „waren“, „wagen“, „Wagen“, „Waage“, „Ware“, sowie der norddeutschen von „Gebiet“ (Rebeet), sie ähneln auch dem stimmhaften „g“ des Niederländischen etwa in „gracht“ (Gracht); die stimmlose Version des „ĝ“ vor stimmlosen Konsonanten und am Wortende klingt mit dem deutschen „ch“ aus „Dach“ gleich. Der Buchstabe „w“ wird ausschließlich für das nicht geriebene „w“ wie in den englischen Wörtern "way", "work", "Howard" benutzt.

Der Buchstabe „v“ steht ausschließlich für den geriebenen Konsonanten, der wie in den deutschen Wörtern „Wasser“ und „Vase“ klingt, niemals für das „v“ aus „Vater“, „Vogel“, das einheitlich als „f“ geschrieben wird. Für das stimmhafte „sch“ aus deutschen Fremdwörtern, wie „Dschunke“, „Journalist“, „Blamage“ wird „ĵ“ geschrieben. An Stellen, an denen nicht aus dem Buchstabenumfeld unmittelbar ersichtlich ist, dass ein „s“ stimmlos gesprochen wird, ist es stimmhaft; ansonsten wird es wie im Französischen als „ç“ geschrieben.

Die hochdeutschen Ausspracheregeln für „sp“ und „st“ mit einem „sch“-Laut gelten am Wortanfang, sonst nicht. Abweichend vom Deutschen sind doppelt geschriebene Konsonanten unnötig und kommen deswegen auch nicht vor, siehe lange Vokale. Das Gleiche gilt für ein alleinstehendes „c“ (geschrieben als „k“ oder „ts“), das „x“ („ks“), „z“ und „tz“ („ts“) und verschiedene weitere Buchstabenkombinationen wie „qu“ („kw“), „chs“ („ks“) und ähnliche, einschließlich fremdsprachlicher, wie „ph“ („f“) oder „-tion“, und so weiter.

Die Mitlaute im Gemmenicher Platt[1]
ZeichenBeispielwortDeutscheStandarddeutsche 
    IPASchreibung IPAÜbersetzungLautbeispieleBemerkung
bbbaal[bɑ.l]BallBall
chçechichich, Honig, Chemie
chχlaache[ˈla.χə]lachenlachen
dddom[dom]dummdumm
ffflot[flot]flott, schnell, flink, hurtig, eiligflink, Phase, voll
gɡgraasGrasGras
ĝsääĝesägen
ĝɣsaaĝe[ˈzaːɣə]sagen
hhhüerehörenhören
jjjootgutjählings
ĵʒwaĵele[ˈwaʒələ]schwatzen, schnatternJournal, Garage, Dschungel
kkkap[kap]KappeKappe, Café, Christ, Qualm
kskshäks[hɛ.ks]HexeWechsel, Hexe, häckseln
lllap[la.p]Lappen; Taugenichts; Geldschein; SchuhsohleLappen
mmmäm[mɛm]Memme; HängebusenMemme
nnnat[na.t]nassnass
ngŋping[piŋ]SchmerzDinge
nkŋkdank[da.ŋk]DankDank
ppponä[ˈponɛ]PonyPony
rrolRolleRolle
szsaaĝe[ˈzaːɣə]sagensagen
çshoç[hos]Hosebloß, das, fassen, fasten, Wespe
sswaas[wa.s]Grasnarbe, wachsenbloß, das, fassen, fasten, Wespe
schʃschön[ʃøn]schönschön, Chef, spät, stellen
spʃpspie[ʃpiə]spätspätnur am Wortanfang
spspwespelWespeWespe, Mußpott, Messperlenur im Wortinnern
stʃtstäle[ˈʃtɛlə]stellenstellennur am Wortanfang
ststvaaste[ˈvaːstə]fastenfasten Stoßton, Messtellernur im Wortinnern
ttteeke[ˈte.kə]Zeichentun, Theke
tststsukerZuckerRatsherr, trotzdem, zehn
tschmatsch[matʃ]Die Trumpfkarte Treff Dame beim „mitsche“Matsch, Catchen, Cembalo, Ciao
vvval[val]FallWall, Vase, Wade
wwwat[wat]waswie w in engl. way

Quellen

  1. a b Alle aus oder nach: Aldenhoff, Gerrekens, Straat: Diksjonäär van et Jömelejer Plat, siehe Literatur

Literatur

  • Jules Aldenhoff, Jean Gerrekens, Pierre Straat: Diksjonäär van et Jömelejer Plat, GEV - Grenz-Echo Verlag, Eupen, 1. Auflage, 2003. 392 Seiten. ISBN 90-5433-182-8

Weblinks