Gehorsam (Gelübde)

Das Gehorsamsgelübde ist in der römisch-katholischen Kirche Teil des Ordensgelübdes und „eine Stütze des katholischen Systems.“[1] Nach modernem Verständnis „geht es im Lichte des Weiheversprechens und auch im Lichte des bischöflichen Treueeides um einen mit dem Willen und dem Verstand verantworteten Gehorsam.“[2]

Kodifikation im Kirchenrecht

Can. 212 – § 1 lautet: „Was die geistlichen Hirten in Stellvertretung Christi als Lehrer des Glaubens erklären oder als Leiter der Kirche bestimmen, haben die Gläubigen im Bewußtsein ihrer eigenen Verantwortung in christlichem Gehorsam zu befolgen.“ Mit dem vor jeder Weihstufe gegenüber dem Diözesanbischof abgelegten Gehorsamsversprechen gilt für katholische Geistliche der Gehorsam gegenüber dem Papst und ihrem Bischof als erste Klerikerpflicht: „Die Kleriker sind in besonderer Weise verpflichtet, dem Papst und ihrem Ordinarius Ehrfurcht und Gehorsam zu erweisen (Can. 273).“

Can. 1371 stellt den Ungehorsam unter Strafe: „Mit einer gerechten Strafe soll belegt werden wer sonst dem Apostolischen Stuhl, dem Ordinarius oder dem Oberen, der rechtmäßig gebietet oder verbietet, nicht gehorcht und nach Verwarnung im Ungehorsam verharrt.“

Praktisches Beispiel

Nachdem Papst Franziskus im Juni 2021 das Rücktrittsgesuch von Kardinal Marx abgelehnt hatte,[3] erklärte Marx: „Im Gehorsam akzeptiere ich seine Entscheidung, so wie ich es ihm versprochen habe.“[4]

Bedeutung

Das im christlichen Sinne eines Evangelischen Rates bzw. eines in einer Ordensgemeinschaft oder dem Bischof gegenüber abgegebene Gelübde geht davon aus, dass nur die dem Willen Gottes gegenüber gehorsame Person wirklich frei wird für andere Menschen, offen wird für neue Perspektiven und verfügbar für Aufgaben in der Gemeinschaft.

Gehorsam ist demgemäß die freie Antwort auf das Wort Gottes („Hören“) und Gottes Schöpfungsakt („Gehören“), die aber verantwortliches Mitdenken und Mithandeln in aller Offenheit und Ehrlichkeit mit einschließt. Dieser Gehorsam spiegelt sich in den natürlichen oder gesetzten Autoritäten, zum Beispiel von Diözesanpriestern gegenüber ihrem Bischof, von Ordenschristen ihren Oberen gegenüber.

Es handelt sich dabei nach christlichem Verständnis also nicht um einen blinden Gehorsam oder um ein aus der Verantwortung genommen sein. Außerdem verlangt es von der Autorität, die den Gehorsam entgegennimmt, Umsicht und Respekt vor der Würde des Menschen.

Ein so verstandener Gehorsam weist vier grundlegende Dimensionen auf:

  1. Apostolischer Aspekt: Ein gehorsamer Christ, der dem freien und gehorsamen Christus nachfolgt, nimmt Abstand von sich selbst und seinen eigenen Bedürfnissen, um aktiv, kreativ und gewissenhaft Verantwortung in Kirche und Welt zu übernehmen.
  2. Eschatologischer Aspekt: Ein gehorsamer Christ, der am Kommen des Reiches Gottes mitwirkt, vertraut sein Leben ganz Gott an, auch wenn seine eigenen Pläne dabei durchkreuzt werden. Dies geschieht in der Überzeugung, dass Gott es ist, der erhebt und befreit.
  3. Politisch-solidarischer Aspekt: Ein gehorsamer Christ, der mit seinen Mitmenschen solidarisch ist, setzt sich für die Unterdrückten, die am Rand der Gesellschaft stehen, ein und steht somit für eine Option für die Armen ein. Es handelt sich dabei nach Johann Baptist Metz um eine praktische Nähe zu denen, für die Gehorsam gerade keine Tugend, sondern Zeichen der Unterdrückung, der Bevormundung und Entmündigung ist.
  4. Familiär-gemeinschaftlicher Aspekt: Ein gehorsamer Christ, der sich der christlichen Familie oder der Ordensgemeinschaft mit ihren von Gott gewollten Zielen und Strukturen zur Verfügung stellt, lässt sich daher in diese Gemeinschaft einbinden und ordnet den eigenen Willen und die eigenen Überzeugungen in das größere Ganze ein, ohne jedoch vollständig darin aufzugehen.

Siehe auch

Literatur

  • Josef Fuchs: Das Gehorsamsgelübde gegenüber dem Seelenführer. Geist und Leben 1953, S. 142–148.
  • Thomas Frings, Emmanuela Kohlhaas: Ungehorsam – Eine Zerreißprobe. Herder-Verlag, 2021. ISBN 978-3-451-38798-2.[5]
  • Antje Schnoor: Gehorchen und Gestalten. Jesuiten zwischen Demokratie und Diktatur in Chile (1962-1983). Campus-Verlag 2016. ISBN 9783593506258.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gehorsam als Stütze des katholischen Systems? Zentrale Kategorie im Kirchenrecht domradio.de, 11. Juni 2021.
  2. Kirchenrechtler Pulte: Gehorsam in Kirche ist kein Kadavergehorsam katholisch.de, 14. Juni 2021.
  3. Papst lehnt Rücktritt von Kardinal Marx ab Deutsche Welle, 10. Juni 2021.
  4. Gehorsam als Stütze des katholischen Systems? Zentrale Kategorie im Kirchenrecht domradio.de, 11. Juni 2021.
  5. Andreas Otto: Neues Buch über den Gehorsam in der Kirche: „Ungehorsam – Eine Zerreißprobe“ domradio.de, 16. Juni 2021 (Rezension).