Geheimoperation Aleppo

Schautafel aus dem ehemaligen Traditionszimmer des JG-8 mit den Namen der an der Aktion beteiligten Geschwaderangehörigen, heute im Flugplatzmuseum Cottbus

Mit der Geheimoperation Aleppo stellte die DDR der arabischen Seite im Jom-Kippur-Krieg militärisches Gerät und Personal zur Verfügung.

Politische Lage

Ausgangssituation und Entwicklung

Im Sechstagekrieg verloren die arabischen Staaten mit der Sinai-Halbinsel, dem Gazastreifen, dem Westjordanland, den Golanhöhen und der Altstadt von Jerusalem die Kontrolle über große Gebiete an Israel. Bis zum 11. Juni 1967 wurde das letzte Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet.

Die Führer acht arabischer Staaten legten sich in der Khartum-Resolution jedoch am 1. September 1967 auf eine Fortsetzung des Kampfes gegen Israel fest.

Beziehungen der DDR mit den arabischen Staaten

Anfang der 1970er-Jahre kam es zu einer Vertiefung der politischen und militärischen Beziehungen der DDR mit den arabischen Staaten. Bereits 1971 ließ der Vizepräsident der Vereinigten Arabischen Republik, Ali Sabri, eine DDR-Delegation wissen, dass militärische Aktionen gegen Israel geplant seien. Bereits unmittelbar vor Beginn der Kampfhandlungen hatte die DDR am 23. September Handwaffen, wie etwa Sturmgewehre vom Typ Kalaschnikow, im Hafen Latakia an Syrien übergeben.[1]

Angriff auf Israel

Nach einer Absage der arabischen Staaten an Verhandlungen und die Festlegung darauf, die an Israel verlorenen Gebiete auf militärischem Weg zurückzugewinnen, kam es am 6. Oktober 1973 mit dem Angriff Syriens und Ägyptens zum Jom-Kippur-Krieg.

Kriegsverlauf

Nach dem Überraschungsangriff kam es zu Anfangserfolgen der Araber mit Geländegewinnen auf dem Sinai und den Golanhöhen. Nach der Mobilmachung gelang es der israelischen Armee relativ schnell, die angreifenden Truppen hinter ihre Ausgangsstellungen zurückzuwerfen.

Haltung der DDR während des Kriegs

Über die Angriffspläne Syriens und Ägyptens auf Israel war die politische Führung der DDR frühzeitig unterrichtet. Nachdem sich der Kriegsverlauf zunächst zugunsten der arabischen Staaten entwickelte, wurde in der DDR auf Initiative von Erich Honecker zu antiisraelischen Protestveranstaltungen aufgerufen. Nachdem sich die militärische Lage zugunsten Israels veränderte und auf arabischer Seite enorme Verluste an Menschen und Material erkennbar waren, dachte die politische Führung der DDR über Unterstützung für die angreifenden Staaten nach.

Durchführung

Eine MiG-21M der NVA

Verteidigungsminister Heinz Hoffmann wurde von Erich Honecker aufgefordert, die Bereitstellung von Kampftechnik aus Beständen der Nationalen Volksarmee zu prüfen. Hoffmann erteilte daraufhin dem Kommando der LSK/LV am 14. Oktober 1973 den Auftrag, zwölf Abfangjagdflugzeuge vom Typ MiG-21M samt Bewaffnung, Bordausrüstung und Bodengeräten bereitzustellen. Die Maschinen stammten aus dem Bestand des in Marxwalde stationierten JG-8 und wurden für den Lufttransport demontiert. Die Begleitung des Transports übernahmen 63 ausgewählte Angehörige des JG-8, darunter 14 Piloten. Die Betroffenen trugen Zivilkleidung und erhielten Pässe, in denen bürgerliche Berufe angegeben waren. Die Überführungen erfolgten vom 18. bis zum 21. Oktober durch vier bis sechs An-12-Transporter der sowjetischen Luftstreitkräfte, die aus Gründen der Geheimhaltung als zivile Aeroflot-Maschinen ausgewiesen wurden. Die An-12 starteten in Richtung Ungarn, wo in Tököl eine Zwischenlandung mit Übernachtung in Budapest erfolgte. Erst hier wurde den Geschwaderangehörigen das tatsächliche Reiseziel, der Flughafen Aleppo mit der Option bekanntgegeben, ohne Folgen für die jeweilige Person vom Einsatz zurücktreten und mit einer Maschine der Interflug die Heimreise antreten zu können, was von allen Beteiligten abgelehnt wurde. Am Zielort angekommen wurde dem technischen Personal ein Shelter für die Montage der Jagdflugzeuge zugeteilt, während die Unterbringung im Hotel „Tourism“ in Aleppo erfolgte. Ursprünglich war vorgesehen, das Einfliegen der Maschinen für den Fall eines überraschenden Angriffs israelischer Kampfflugzeuge mit Abwehrbewaffnung, bestehend aus Luft-Luft-Raketen, durchzuführen. Diese Anweisung wurde jedoch verworfen und die Flugzeugführer starteten unbewaffnet, allerdings auch ohne jegliche Dokumente zur persönlichen Identifizierung, zu den Testflügen. Am 28. und 29. Oktober wurden die zwölf einsatzbereiten MiG-21M an sowjetische Instrukteure übergeben und von diesen an ihre jeweiligen Einsatzorte überführt. Kurz darauf wurden die Angehörigen des JG-8 zu ihrem Geschwaderstandort rücküberflogen.[2]

Zum Einsatz von DDR-Militärangehörigen kam es im Jom-Kippur-Krieg nicht.[3] Die immer wieder geäußerte Vermutung, die Angehörigen des JG-8 seien auch für Kriegseinsätze vorgesehen gewesen, entspricht nicht den Tatsachen.

Waffenlieferungen anderer Staaten

Die Lieferung von Kampfflugzeugen der NVA an die syrischen Streitkräfte fand im Rahmen eines ursprünglich von der Sowjetunion initiierten Hilfsprogramms statt, in das auch andere Staaten des Warschauer Pakts involviert waren. So lieferten Ungarn, Polen und die ČSSR jeweils zwölf MiG-21 der älteren Version F-13. Die polnischen Flugzeuge stammten vom 4. PLM (Pułk Lotnictwa Mysliwskiego, Jagdfliegerregiment) in Goleniów, die ungarischen Maschinen wurden zu jeweils vier Stück vom 47. VE (Vadászrepülő Ezred) in Pápa, vom 59. VE in Kecskemét und dem 31. HVE (Honi Vadászrepülő Ezred, Heimatverteidigungsregiment) in Taszár abgegeben. Die elf bis zwölf tschechoslowakischen MiG-21F-13 waren zum größten Teil Lizenzbauten Avia S-106.[4] Der Abschlussbericht der JG-8-Angehörigen erwähnt ein gutes Verhältnis und eine gute Zusammenarbeit zwischen der deutschen und polnischen Spezialistengruppe in Aleppo.

Literatur

  • Klaus Storkmann: Geheimoperation Aleppo 1973. In: Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung des Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. 2016, Heft 1, S. 22 f., ISSN 0940-4163 (online, abgerufen am 21. Februar 2017)

Einzelnachweise

  1. Klaus Storkmann: Geheimoperation Aleppo 1973. In: Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung H. 1/2016, ISSN 0940-4163 S. 22
  2. Siegfried Lahmer: Piloten des JG-8 fliegen in Syrien eine Hilfsaktion. (Bericht eines beteiligten Piloten) In: Fliegergeschichten. Vom Start bis zur Landung. Tatsachen und Erlebnisse – aufgeschrieben von Angehörigen der Fliegerkräfte der NVA. Fliegerstammtisch Strausberg (Hrsg.), Berlin 2013, ISBN 978-3-9814822-3-2, S. 124/125 und 385/386
  3. Stefan Meining: Geheimoperation Aleppo: die geheime Beteiligung der DDR am Oktober-Krieg 1973. (PDF; 52 kB) In: report MÜNCHEN. Bayerischer Rundfunk, 6. Oktober 2008, abgerufen am 10. Oktober 2019.
  4. Holger Müller: MiG-21. Motorbuch, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-613-03460-0, S. 159, 201 und 217

Auf dieser Seite verwendete Medien

MiG-21M Drewitz (22210898804).jpg
Autor/Urheber: Rob Schleiffert from Holland, Lizenz: CC BY-SA 2.0

The East Germans operated the MiG-21M next to the MF-version. The MF had an upgraded engine and a better radar. You can easily distinguish them by looking at the canopy: the MF has a rear-view mirror and the M doesn't.

Many M's were based at Drewitz with Fighter Squadron JG-7 and Reconnaissance Squadron TAFS-47.

August 1990
JG-8 Schautafel.jpg
Autor/Urheber: Billyhill, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Schautafel aus dem Traditionszimmer des ehemaligen Jagdfliegergeschwader-8 zur Lieferung von zwölf MiG-21-Jagdflugzeugen der Einheit an Syrien während des Jom-Kippur-Krieges 1973 mit Namen der beteiligten Geschwaderangehörigen.