Gegenreformation

Johann Michael Rottmayr (1729): Der katholische Glaube besiegt die protestantischen Häresien; Wiener Karlskirche, Kuppelfresko, Ausschnitt

Als Gegenreformation wird allgemein – im Anschluss an den protestantischen Historiker Leopold von Ranke – die Reaktion der römisch-katholischen Kirche auf die von Martin Luther in Wittenberg ausgehende Reformation bezeichnet. Sie spielte sich im Bereich der Theologie und der Kirchen ab und blieb nur formal auf geistige Auseinandersetzungen beschränkt. Denn in der weltlichen Politik versuchte die katholische Kirche offensiv oder repressiv die Rekatholisierung protestantischer Regionen mit Hilfe des katholischen Kaisers und abhängiger Herrscher durchzusetzen.

Kirchlich bestimmte Machtpolitik

Der Begriff Gegenreformation bezeichnet einen Prozess in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche, die im Zuge des Konzils von Trient seit etwa 1545 versuchte, den sich sowohl politisch als auch politisch und institutionell etablierenden Protestantismus, auch gewaltsam mit Hilfe des von ihr gestützten katholischen habsburgischen Kaisers, zurückzudrängen (siehe Katholische Reform), nachdem die theologische Argumentation beendet war. Die Maßnahmen des Katholizismus erstreckten sich sowohl auf den kirchenpolitischen als auch auf den weltlichen politischen Bereich und umfassten Maßnahmen der Rekatholisierung protestantisch dominierter Territorien. Sie führten im Zusammenspiel mit einer Reihe weiterer Faktoren zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges.

Der Prozess der Gegenreformation reichte bis ins 18. Jahrhundert. Ihre Mittel waren die Bekämpfung protestantischer Machthaber und Länder, Diplomatie, staatliche Repression und missionarische Rekatholisierung. Eine wichtige Rolle in der gegenreformatorischen Propaganda (von lat. propaganda fidei, zur Verbreitung des Glaubens) spielte auch die Kunst (barocker Kirchenbau, Laien- und Barocktheater, Malerei, Musik) und die Marienverehrung.

Bezeichnung

Der Begriff Gegen-Reformation als Bezeichnung einer von der katholischen Kirche ausgehenden Bewegung ist umstritten. Grund ist die Vielzahl von Erneuerungsbewegungen innerhalb der katholischen Kirche als Antwort auf die Reformation, die durchaus auch eine innere Kirchenerneuerung anstrebten. Laut der Enzyklopädie der Neuzeit gibt es noch keinen Konsens über einen Begriff, der sowohl die innerkatholischen Reformbemühungen des 16. Jahrhunderts (katholische Reform) als auch den Versuch umfassend kennzeichnen würde, das verlorene politisch-gesellschaftliche Terrain zurückzugewinnen (Rekatholisierung). Mitunter ist deswegen von „katholischer Konfessionalisierung“ die Rede.[1]

Begriffsgeschichte

Den Ausdruck Gegenreformation führte 1776 der Göttinger Jurist Johann Stephan Pütter in die Literatur ein. Darunter verstand er „die gewaltsame Rückführung von Protestanten zur katholischen Religionsausübung“. Die Verwendung des Begriffes Gegenreformation im Sinne eines Zeitalters prägte 1889 Moriz Ritter; er dehnte ihren Zeitraum bis zum Dreißigjährigen Krieg aus. Allerdings war es schon Leopold von Ranke, der 1843 vom „Zeitalter der Gegenreformation“ unter Berücksichtigung der tiefgreifenden katholischen Bewegung sprach. Ranke ist bereits die innerkirchliche Reformbewegung bewusst gewesen, die Wilhelm Maurenbrecher schließlich als „katholische Reformation“ bezeichnete. Durch die Kritik insbesondere von Hermann Baumgarten und in weitaus stärkerem Maße von Hubert Jedin wurde dieser Begriff durch den der Katholischen Reform ersetzt.

Der Begriff setzte sich nur langsam durch, weil hierbei konfessionelle Vorbehalte geltend gemacht wurden. Ein Teil der katholischen Historiker lehnte die beiden Ausdrücke entschieden ab, da sie ihnen Werturteile zugunsten des Protestantismus zu enthalten schienen, andere suchten einen Ausgleich, indem sie zwischen katholischer Selbstreform und politischer Gegenreformation unterschieden und als Epochenbezeichnung „Zeitalter der Glaubensspaltung“ (1517–1555) und „Zeitalter des konfessionellen Absolutismus“ (1555–1648) gebrauchten. In der modernen Geschichtswissenschaft wird dafür der von Wolfgang Reinhard und Heinz Schilling eingeführte Begriff „Konfessionalisierung“ verwendet.

Entwicklung der Gegenreformation

Klerus

Sebastiano Ricci: Papst Paul III. beseelt vom Glauben an das Konzil von Trient, Öl auf Leinwand, 1688

Vorreiter der Gegenreformation ist der im Jahre 1534 durch Ignatius von Loyola gegründete Jesuitenorden. Überhaupt hatten die Jesuiten, die von Papst Gregor XIII. entschieden gefördert wurden (siehe auch Reformpapsttum), bedeutsamen Anteil an der Gegenreformation in Europa. Den Ausgangspunkt der Gegenreformation bildete das Konzil von Trient (von 1545 bis 1563 mit Unterbrechungen). Es betonte die dogmatischen und liturgischen Differenzen zum Protestantismus und nahm sich der gravierendsten Missstände in der damaligen katholischen Kirche an (Bestimmungen über die Priesterausbildung und Beseitigung von Pfründen- und Ablassmissbrauch).

Bußbruderschaften

Als Reaktion auf die Reformation entstanden in den Jahren nach dem Trienter Konzil in der Provence, und hier vor allem in der Stadt Avignon, zahlreiche ultrakonservative Bußbruderschaften, beispielsweise die – nach der Farbe ihrer Gewänder benannten – „Grauen Büßer“ (Pénitents gris), „Weißen Büßer“ (Pénitents blancs), „Schwarzen Büßer“ (Pénitents noirs) oder „Blauen Büßer“ (Pénitents bleus); selbst „Violette Büßer“ und „Rote Büßer“ gab es. In Andalusien, aber auch in anderen Regionen im Süden der Iberischen Halbinsel sind, derartige Bruderschaften (vor allem im Rahmen der Karwoche) immer noch aktiv.

Literatur und Bildungswesen

Die Gegenreformation wurde in der zeitgenössischen Literatur vor allem durch scharf polemisierende jesuitische Autoren wie Jakob Gretser, Caspar Schoppe sowie Conrad Vetter vorangetrieben. Der Publizist und Übersetzer Aegidius Albertinus wurde 1593 durch Herzog Wilhelm den Frommen eigens für die Belange der Gegenreformation aus Spanien nach München gebracht.

Ein nicht zu unterschätzendes Medium der Gegenreformation bildete das Jesuitentheater, dessen zentrale Rolle im jesuitischen Schulprogramm erst in neuerer Zeit erforscht wurde. Abertausende von Theaterstücken (Jean-Marie Valentin verzeichnet 7650 Titel), von denen heute teilweise nur noch die „Periochen“ (Programmhefte) erhalten sind, wurden zur streng katholischen Indoktrinierung in sämtlichen jesuitischen Lehranstalten aufgeführt, und namhafte katholische Barockdichter wie Avancini und Bidermann traten als Autoren dieser Stücke an die Öffentlichkeit.

Die Fürsten

Im Heiligen Römischen Reich bildete der Augsburger Religionsfriede 1555 mit seiner Bestimmung, dass der Landesherr über die Konfession seiner Untertanen entschied (cuius regio, eius religio), die Grundlage, auf der gegenreformatorische Bestrebungen basierten. Ein erster Höhepunkt war der Truchsessische Krieg von 1583 bis 1588, durch den der Kölner Bischofssitz und das zugehörige Kurfürstentum sowie im Gefolge auch andere Fürstbistümer erneut katholisch wurden. Ein weiterer Konflikt, in dem konfessionelle Lagerbildung und gegenreformatorische Bestrebungen eine große Rolle spielten, war der Jülich-Klevische Erbfolgestreit, der 1609 beim Tode Johann Wilhelms, des letzten Herzogs von Jülich-Kleve-Berg, ausbrach.

Direkter Machtbereich der Habsburger

In den habsburgischen Erblanden, die bis auf Tirol überwiegend protestantisch geworden waren, begann die Gegenreformation im großen Stil mit Kaiser Rudolf II. ab 1576 und wurde mit besonderer Schärfe gegen die Zivilbevölkerung durchgeführt. Die in der böhmischen Konföderation zusammengeschlossenen protestantischen Stände rebellierten dagegen. Diese Revolte ging als sogenannter Zweiter Prager Fenstersturz in die Geschichte ein, der 1618 den Anlass für den Dreißigjährigen Krieg bildete. Die böhmische Konföderation wurde 1620 in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag von Ferdinand II. geschlagen.

Der protestantische Adel sowie die protestantische Geistlichkeit Böhmens und Österreichs wurden des Landes verwiesen oder zum Konfessionswechsel gezwungen. Unter diesen „Exulanten“ fanden sich bedeutende Adelige die Jörger, Strein von Schwarzenau und die Grabner zu Rosenburg sowie deutsche Dichter wie Sigmund von Birken, Catharina Regina von Greiffenberg, Wolf Helmhardt von Hohberg und Johann Wilhelm von Stubenberg, die vor allem im Raum Regensburg-Nürnberg einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Barockliteratur ausübten.

Andere zogen nach Sachsen oder in die Mark Brandenburg. Salzburger Exulanten zogen ab 1731 vor allem nach West- und Ostpreußen. Andere wurden in das östliche, habsburgische Siebenbürgen deportiert (siehe Landler und Transmigration). Schon als Thronfolger sprach sich Joseph II. 1777 vehement gegenüber seiner Mutter Maria Theresia gegen eine Vertreibung von Protestanten aus Mähren aus. Sein Toleranzpatent von 1781 kann als Ende der Gegenreformation angesehen werden. Danach gab es noch einzelne Vertreibungen und Repressalien gegenüber Protestanten (siehe Zillertaler Inklinanten). Migrationen zu einer Toleranzgemeinde konnten aber nun innerhalb der Erblande erfolgen.

Internationale Politik

In Frankreich versuchten ab 1559 die bis dahin im Untergrund agierenden Hugenotten, eine Anerkennung ihres Glaubens zu erreichen. Dabei wurden sie auch durch die englische Königin Elisabeth I. und deren Agenten Nicholas Throckmorton – offiziell Botschafter am französischen Hof – und William Cecil, 1. Baron Burghley gegen den katholischen Herzog François de Lorraine, duc de Guise unterstützt. Die englische Krone versuchte, auch unter Ausnutzung des Aufstandes der Zivilbevölkerung in den spanischen Niederlanden, die französischen Katholiken in die Defensive zu drängen und ihre 1559 verloren gegangenen Besitzungen in Frankreich wiederzuerobern. Besonders lag den Engländern dabei an Calais, wo ihnen die Kontrolle über den Ärmelkanal verloren gegangen war.

Die Verweigerung der Rechte der Hugenotten und ihre staatliche Verfolgung begannen mit der Bartholomäusnacht am 24. August 1572 und führten zu konfessionell ausgerichteten Bürgerkriegen zwischen Gruppen der Zivilbevölkerung, die 1598 mit dem Edikt von Nantes endeten. Ab 1661 wurden immer neue Maßnahmen gegen Hugenotten innerhalb Frankreichs eingesetzt. Am 23. Oktober 1685 wurde das Edikt von König Ludwig XIV. im Edikt von Fontainebleau widerrufen. Hierdurch veranlasst flohen viele Hugenotten aus Frankreich nach Nordamerika sowie in protestantische Länder wie England, die Niederlande oder deutsche Reichsstädte und Fürstentümer wie Kurbrandenburg, das unter dem „Großen Kurfürsten“ Friedrich Wilhelm den flüchtigen Hugenotten mit dem Edikt von Potsdam Asyl gewährte.

Siehe auch

Literatur

  • Stefan Bauer: The Invention of Papal History. Onofrio Panvinio between Renaissance and Catholic Reform. Oxford 2020, ISBN 978-0-19-880700-1.
  • Karl Brandi: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation. 5. Auflage. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3-7973-0341-6.
  • Gustav Droysen: Geschichte der Gegenreformation. Magnus, Stuttgart 1983, ISBN 3-88400-110-8.
  • Heinrich Lutz: Reformation und Gegenreformation. Oldenbourg, München 2005, ISBN 3-486-49585-2 (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Band 10).
  • Gerhard Oestreich: Geist und Gestalt des frühmodernen Staates. Ausgewählte Aufsätze. Duncker & Humblot, Berlin 1969 DNB 457730978.
  • Moriz Ritter: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des Dreissigjährigen Krieges. 3 Bände, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1974 (Reprint der Ausgabe Stuttgart 1889–1908).
  • Philipp M. Soergel: Wondrous in His Saints. Counter Reformation Propaganda in Bavaria. University of California Press, Berkeley, Calif. 1993, ISBN 0-520-08047-5.
  • Dieter J. Weiß: Katholische Reform und Gegenreformation. Ein Überblick. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, ISBN 3-534-15121-6.
  • Rudolf Leeb, Susanne Claudine Pils, Thomas Winkelbauer (Hrsg.): Staatsmacht und Seelenheil. Gegenreformation und Geheimprotestantismus in der Habsburgermonarchie. Oldenbourg, Wien / München 2007, ISBN 978-3-7029-0546-0.
  • Klaus Ganzer: Gegenreformation. In: Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. 1995, Band IV, Sp. 346–350.
  • Heribert Smolinsky: Katholische Reform und Gegenreformation. In: Evangelisches Kirchenlexikon. 3. Auflage. 1989, Band II, Sp. 1003–1007.
  • Rudolf Hoke: Gegenreformation. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. 2. Auflage. 2008, Band I, Sp. 1996–2001.
  • Peter Thaler: Protestant Resistance in Counterreformation Austria. Routledge, New York 2020.
Wiktionary: Gegenreformation – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Rolf Decot, Gerrit Walther, Roland Kanz: Katholische Reform”. In: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 6, J.B. Metzler, Stuttgart 2007, online, Zugriff am 11. November 2023.

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