Gedenkstätte Mümliswil

Gedenkstätte Mümliswil

Die Gedenkstätte Mümliswil ist die erste nationale Gedenkstätte der Schweiz für Heim- und Verdingkinder. Eingerichtet ist sie in Mümliswil in einem ehemaligen Kinderheim.

Seit 2013 beherbergt sie eine Ausstellung über die Geschichte von Heimkindern, Verdingkindern und anderen Opfern fürsorgerischer Zwangsmassnahmen in der Schweiz bis zur Jahrtausendwende[1][2][3][4].

Im Jahr 2013 hat sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga offiziell bei den Verdingkindern entschuldigt[5]. Diese mussten unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten. In den Heimen kam es regelmässig zu Gewalt- oder sexuellen Übergriffen[6]. Bereits 2010 hatte sich Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf bei den Opfern fürsorgerischer Zwangsmassnahmen entschuldigt[7]. Bis in die 1970er Jahre waren in der Schweiz Tausende von Kindern und Jugendlichen in Heimen und Anstalten untergebracht, weil sie als schwer erziehbar galten, ihnen ein gesetzeswidriger Lebenswandel nachgesagt wurde und sie unehelich waren[8].

Besitzerin der Gedenkstätte ist die Guido Fluri Stiftung.

Schwerpunkte

Geschichte der Gedenkstätte

Das ehemalige genossenschaftliche Kinderheim Mümliswil-Ramiswil wurde 1939 erbaut. Den Anstoss dazu gab das kinderlose Ehepaar Bernhard und Pauline Jäggi. Bernhard Jäggi war Politiker und langjähriger Leiter des Verbands der schweizerischen Konsumvereine – heute Coop. Mit dem 1937 gestifteten Heim wollte er körperlich geschwächten Kindern Ferien- und Erholungsaufenthalte ermöglichen. Das Heim war als zeitweiliger oder dauerhafter Ersatz für Elternhaus und Familie gedacht. Architekt war das ehemalige Heimkind Hannes Meyer (1889–1954), der zweite Bauhaus-Direktor. 1973 wurde das Kinderheim geschlossen[9], bis 2003 war im Gebäude ein Kurszentrum untergebracht. 2011 hat die Guido Fluri Stiftung das Heim gekauft[10].

Architektur

Das Kinderheim Mümliswil gilt als eines der herausragendsten Beispiele sozial engagierter Architektur, was durch die Herkunft der Architekten unterstrichen wird. Das Gebäude sollte dem Wesen von Kindern entsprechen und keine Hierarchien abbilden. Erbaut wurde es von Hannes Meyer, einem Schweizer Architekten und zweiten Bauhaus-Direktor, der selbst einen Teil seiner Jugend im Bürgerlichen Waisenhaus Basel verbrachte. Das Gebäude gilt als architektonisch bedeutungsvoll und steht unter Denkmalschutz.

Politik

Eng verknüpft mit der ersten nationalen Gedenkstätte für Heim- und Verdingkinder in Mümliswil ist die schweizerische Volksinitiative "Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen"[11], die so genannte Wiedergutmachungsinitiative. Diese wurde am 19. Dezember 2014 mit 110'000 Stimmen eingereicht[12] und ist am 12. Januar 2015 zustande gekommen. Der Bundesrat hat im Januar 2015 beschlossen, einen indirekten Gegenvorschlag auszuarbeiten[13]. Ein wichtiger Schritt zur Entschädigung der Opfer war die fast einstimmige Annahme des Gegenvorschlages zur Wiedergutmachungsinitiative durch den Ständerat.[14][15][16]

Sonstiges

Im Jahr 2014, anlässlich des ersten Jahrestages der Gedenkstätte[17] hat der Schweizer Künstler Stephan Schmidlin die Skulptur "Wegschauen" präsentiert[18]. 2015 fand in Mümliswil ein Treffen ehemaliger Verdingkinder statt[19].

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. SRF, Mai 2013, Mümliswil wird zur Gedenkstätte für Heim- und Verdingkinder
  2. SRF, Juni 2013, Mümliswil - Mahnmal wider das Vergessen
  3. SRF, 1. Juni 2013, Bericht zu neuer Gedenkstätte Mümliswil
  4. Nationale Informationsstelle zum Kulturerbe Nike zur Gedenkstätte Mümliswil
  5. NZZ, April 2013, Bundesrätin Simonetta Sommaruga entschuldigt sich bei Verdingkindern
  6. Schweizer Fernsehen SRF, Sendung 10vor10, Oktober 2011, Das Schicksal der Verdingkinder
  7. Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf entschuldigt sich, ursprüngliche Quelle Interview Opfer Bündner Tagblatt, Januar 2015 (Memento desOriginals vom 2. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.fremdplatziert.ch
  8. Beobachter, März 2011, Fürsorgerische Zwangsmassnahmen
  9. Nationale Informationsstelle zum Kulturerbe, Ehemalige Vorzeigeinstitution wurde aufgrund von Misshandlungen an Kindern geschlossen
  10. SRF Regional, Juni 2015, Treffen ehemaliger Heimkinder
  11. Initiativ-Seite der Initianten
  12. NZZ, Januar 2015, Einreichung der Wiedergutmachungsinitiative
  13. Schweizer Fernsehen SRF, 14. Januar 2015
  14. SRF, September 2016, Die Vergangenheitsbewältigung eines Initianten
  15. Tagesanzeiger, September 2016, Jetzt können wir das Elend begraben
  16. SRF Tagesschau, 30. Juni 2018, Ausgenutzt und missbraucht
  17. Schweizer Fernsehen SRF, Juni 2014 zum Jahrestag der Gedenkstätte Mümliswil
  18. Solothurner Zeitung, Juni 2014, Mahnmal wider das Vergessen
  19. SRF, Juni 2015, Treffen ehemaliger Verdingkinder

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2016 Gedenkstätte Mümliswil.jpg
Autor/Urheber: Boniboni, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Nationale Gedenkstätte für Heim- und Verdingkinder