Gaswerk

Gaswerk Valby (1952) im Westen von Kopenhagen

Ein Gaswerk, veraltet auch Gasanstalt oder Gasfabrik, ist eine Anlage zur Herstellung, Speicherung und Bereitstellung von technischen Gasen, insbesondere von solchen für Heiz- und Beleuchtungszwecke.

Ein Gaswerk setzt sich zusammen aus der Anlage zur Erzeugung und Reinigung des Gases, den Anlagen zur Messung der Gasmenge, zur Speicherung, etwa in einem Gasbehälter, sowie den Kompressoren und Ventilen für die Verteilung und Bereitstellung des Leitungsdruckes.

Neben der Anlage zur Produktion von Stadtgas werden mit dem Gaswerk auch kommunale Unternehmen bezeichnet, die für den Aufbau und Betrieb des Gasnetzes sowie den darüber stattfindenden Vertrieb des Gases zuständig waren. Gaswerke wurden im Sinne des Munizipalsozialismus oft mit Elektrizitätswerken und Wasserwerken zu Stadtwerken zusammengefasst. Teilweise hat sich ihr Name auch nach der Wandlung vom Produzenten von Stadtgas zum Distributor von Erdgas im Firmennamen gehalten, wie z. B. bei der GASAG Berliner Gaswerke Aktiengesellschaft oder der Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln AG.

Nach der Umstellung der Gasversorgung auf Erdgas wurden die Gaswerke außer Betrieb genommen.

Geschichte

Die Gasanstalt Glocksee (links der Bildmitte mit Schornstein) der ICGA im hannoverschen Vorort Linden
kolorierter Stahlstich nach einer Lithografie von Friedrich August Schmidt, um 1830

Am 2. März 1810 entstand in London das erste Gaswerk, das Gas durch Kohlevergasung in einer Kokerei erzeugte. Als erste Stadt auf dem europäischen Kontinent ging am 26. Februar 1825 das rund 19.000 Einwohner zählende Hannover, Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs, einen Gasliefervertrag mit der Imperial Continental Gas Association (ICGA) ein.

Erhaltene Gaswerke

Zwei Gasbehälter des Gaswerks Wien-Simmering, 1901

Als man in den 1950er und 1960er Jahren dazu überging, Erdgas-Verbundnetze zu schaffen, hatte dies die Schließung zahlreicher Gaswerke und den Abriss eines großen Teils ihrer Bauten zur Folge. Die Gasometer blieben jedoch oft erhalten, weil sie noch immer eine Funktion erfüllen. Der älteste erhaltene Gasometer stammt aus der Zeit um 1830 und befindet sich in Fulham. Das 1854 erbaute Point Breeze-Gaswerk in Philadelphia ist noch immer in Betrieb und enthält außergewöhnlich viele Anlagen aus dem 19. Jahrhundert. Beispiele für gut erhaltene Anlagen in Deutschland sind das Gaswerk Neustadt (Dosse) und das Gaswerk Augsburg.

Durch den oft jahrzehntelangen Gaswerksbetrieb sind viele der ehemaligen Betriebsgelände im Boden und im Grundwasser durch Phenole, Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und andere Kohlenwasserstoffe sowie Cyanide belastet. Die Sanierung dieser Altlasten gestaltet sich mitunter aufwändig.

Funktion

Schematische Darstellung der Gaserzeugung mit Retorten
Schematische Darstellung der Gaserzeugung mit Retorten
(c) Chris Allen, CC BY-SA 2.0
Retortenöfen waren im Ofenhaus, einem zentralen Gebäude im Gaswerk, untergebracht
Kammeröfen dienen in neueren Gaswerken zur Rohgaserzeugung

In einem Gaswerk wird meist Steinkohlegas oder eine der folgenden Gassorten im Ofenhaus durch Kohlevergasung hergestellt. Wird statt Kohle das schlechter zu vergasende Holz verwendet, spricht man auch von der Holzvergasung. Das Ofenhaus besteht aus mehreren Öfen, welche das sogenannte Rohgas liefern. In älteren Gaswerken waren zur Vergasung Retortenöfen im Einsatz, später die wirtschaftlicher zu betreibenden Kammeröfen, wie sie auch in Kokereien Verwendung finden. Dabei entsteht als festes Produkt im Ofen Koks. Dieser wird pro Retorte oder Ofenkammer etwa einmal täglich ausgestoßen, gelöscht und anschließend verkauft oder im Gaswerk selbst als Brennstoff verbraucht.

Das im Rahmen der Kohlevergasung entstandene Rohgas wird abgekühlt und im Waschhaus einer Gaswäsche unterzogen, um unerwünschte Anteile wie Teer, Ammoniakwasser und Naphthalin abzutrennen. Daneben bestehen Gaswerke aus verschiedenen Zusatzbauten wie Wassertürmen, Messeinrichtungen, dem Generatorenhaus zur Erzeugung von Generatorgas, um damit die Öfen im Ofenhaus zu versorgen, und einem Gassaugerhaus, in welchem Exhaustoren, technisch frühe Formen von Ab- bzw. Ansaugapparaten, untergebracht sind. Sie leiten das erzeugte Gas in die Gasometer oder in das Rohrleitungsnetz weiter.

Hergestellte Gassorten

In Gaswerken werden unter anderem folgende Gase hergestellt:

  • Holzgas, das aus Holz hergestellt wird
  • Braunkohlegas, statt Steinkohle wird Braunkohle verwendet
  • Stadtgas oder Leuchtgas, Steinkohlegas, das als offene Flamme heller leuchtet
  • Blaugas oder Ölgas, wird aus Öl hergestellt, das Gas wird in Flaschen abgefüllt[1]
  • Acetylengas, ein aus Wasser und Karbid hergestelltes Gas
  • Aerogengas oder Luftgas, hergestellt aus flüchtigen Kohlenwasserstoffen (Gasolin, Petroleumäther, Benzin u. a.) und Luft[2]
  • Wassergas, welches aus Koks und Wasserdampf hergestellt wird
  • Generatorgas, ähnlich Wassergas, nur zusätzlich mit Luft
  • Ebenso kann man auch aus Knochen, Pech, Torf, Harz, Fett usw. brennbare Gasgemische herstellen.[3]

Beispiel Leuchtgasproduktion

Die Leuchtgasproduktion aus Steinkohle gliedert sich in folgende Schritte:[4]

  • Rohgaserzeugung durch Trockendestillation der Steinkohle bei ca. 600 °C bis 1200 °C in der Ofenanlage
  • Reinigung des Rohgases von

Danach wird das Gas über die als Puffer für Verbrauchsschwankungen wirkenden Gasbehälter und die Gasregulierung zu den Verbrauchstellen geleitet.

Nebenprodukte

Neben den Hauptprodukten Gas und Koks fielen in Gaswerken eine Reihe von Nebenprodukten an. Die wichtigsten sind Rohteer, Benzol, Naphthalin, Toluol, Ammoniak und Schwefel. Diese Stoffe wurden je nach Marktlage direkt oder nach einer Aufbereitung verkauft und in der chemischen Industrie weiterverarbeitet oder wie das in durch Verarbeitung entstandene Ammoniumsulfat als Dünger in der Landwirtschaft verwendet.[4] Durch den Verkauf der Nebenprodukte konnte der Verkaufspreis des Stadtgases reduziert werden.

Literatur

Commons: Gaswerke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Die Gasbereitung – Quellen und Volltexte
Wiktionary: Gaswerk – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Oelgas. In: Luegers Lexikon der gesamten Technik. 2. Auflage. Band 6. Deutsche Verlags-Anstalt, Leipzig / Stuttgart 1908, S. 765–766 (Digitalisat. zeno.org).
  2. Luftgas. In: Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon. 5. Auflage. Band 2. Brockhaus, Leipzig 1911, S. 89 (Digitalisat. zeno.org).
  3. Leuchtgas. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 12: L–Lyra. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1908, S. 460–471 (Digitalisat. zeno.org).
  4. a b Rainer Fellenberg-Grahl: Kontamination und Sanierung ehemaliger Gaswerke und Kokereien. Berlin 1989.

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1830 circa Hannover, Blick auf die Glocksee vom späteren Küchengartenplatz Linden, Imperial Continental Gas Association, D. Völker nach Friedrich August Schmidt.jpg
Autor/Urheber: Stahlstecher: D. Völker (?) nach einer Lithografie von Friedrich August Schmidt, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Handkolorierter Stahlstich

Hannover

mutmaßlich von dem Stahlstecher D. Völker nach einer um 1830 gefertigten Lithographie des Künstlers Friedrich August Schmidt. Der Blick geht hier von der "Zoll Straße mit dem Grenzstein am Zusammentreffen der (heutigen) Blumenauer Straße und der Limmerstraße am ehemaligen Küchengarten(-Platz) in Linden hinüber zur Gasanstalt der Imperial Continental Gas Association in der Glocksee. Im Hintergrund ist die Silhouette von Hannover zu sehen, die der Stahlstecher - aus Unkenntnis der tatsächlichen Gebäude(verhältnisse) - zum Teil frei nach der Vorlage interpretiert hat ...
Steinkohlengas schematisch.jpg
Herstellung von Steinkohlengas (schematisch) nach Ph. Delahaye: L'Eclairage
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Gasometer Simmering: Figur 24. Ansicht einer Behältergruppe
Fakenham Gas Works - geograph.org.uk - 335298.jpg
(c) Chris Allen, CC BY-SA 2.0
Fakenham Gas Works Last horizontal retort gas works in England (another at Biggar, Scotland and one in Ulster)
Valby gasværk 1952.jpg
Valby Gasværk 1952
Koksofenbat-vorlauf hh.jpg
Autor/Urheber: Dr.Ing. Heinrich Hoffmann, Lizenz: CC BY 3.0

Coking plant:

Source and Citation: Hoffmann, Heinrich (1953). Die chemische Veredlung der Steinkohle durch Verkokung, In: Stauber, Konstantin (ed.) Band "Steinkohle" der Westdeutschen Wirtschafts-Monographien, Verlag Köln-Lindenthal, Folge 1, 164 pp, 1, 1-27, Error: Bad DOI specified!

-Koksofenbatterie mit Vorlauf