Funny Games

Film
OriginaltitelFunny Games
ProduktionslandÖsterreich
OriginalspracheDeutsch
Erscheinungsjahr1997
Länge104 Minuten
Altersfreigabe
Stab
RegieMichael Haneke
DrehbuchMichael Haneke
ProduktionVeit Heiduschka
MusikGeorg Friedrich Händel,
Pietro Mascagni,
Wolfgang Amadeus Mozart,
John Zorn
KameraJürgen Jürges
SchnittAndreas Prochaska
Besetzung

Funny Games ist ein österreichisches Filmdrama von Michael Haneke aus dem Jahr 1997 mit Ulrich Mühe und Susanne Lothar in den Hauptrollen.

Die Urlaubsidylle einer dreiköpfigen Familie wird durch das Erscheinen zweier junger Männer jäh zerstört.

Die Genrezuordnungen und Überschriften schwanken mit Lesart und Haltung der Rezensenten. So wird Funny Games einerseits als Medienreflexion,[2] als Skandalfilm[3] oder Versuchsanordnung,[4] andererseits als Horrorfilm, aber auch als (Psycho-)Thriller bezeichnet.[5][6][7]

Der Film wurde von Jugendschützern als „sozialethisch desorientierend“ bezeichnet.[7]

Handlung

Das Ehepaar Anna und Georg bezieht mit Sohn Schorschi in ihrem Ferienhaus am See Quartier. Kurz nach ihrem Eintreffen erscheint der schüchterne Peter an ihrer Türe, der sich im Auftrag der Nachbarn ein paar Eier erbittet. Während er Anna bedrängt, tötet sein Begleiter Paul den Hund der Familie. Der hinzukommende Georg wird bei dem Versuch, die Eindringlinge hinauszukomplimentieren, niedergeschlagen. Als die Bekannten Gerda und Fred mit ihrem Boot vorbeikommen, achtet Paul darauf, dass Anna sie wieder wegschickt, ohne Verdacht zu erregen. Paul und Peter quälen und demütigen ihre Gefangenen. Schorschi gelingt die Flucht ins Nachbarhaus, wo er auf die Leiche der Nachbarstochter stößt. Paul ergreift den Jungen und bringt ihn zurück ins Haus der Eltern, wo ihn Peter erschießt. Die beiden jungen Männer verlassen das Haus. Anna versucht, Hilfe zu holen, wird aber von ihren Häschern aufgegriffen und zurück zum Haus gebracht. Sie erschießen Georg und nehmen Anna gefesselt und geknebelt mit auf das Segelboot des Ehepaares. Auf der Fahrt ans andere Ufer werfen sie Anna über Bord und lassen sie ertrinken. Sie fahren weiter zum Haus von Gerda und Fred, wo Paul höflich um ein paar Eier bittet…

Struktur

Die auf den ersten Blick sehr linear wirkende Handlung wird wiederholt durch die direkte Ansprache des Betrachters gebrochen. So kommt es in dem Film mehrmals vor, dass einer der Psychopathen bei besonders makaberen Szenen (zum Beispiel wird die Ehefrau aufgefordert nach dem toten Hund zu suchen) grinsend in die Kamera schaut und den Zuschauer anzwinkert. Zudem wird der Zuschauer bei der Verkündung des ersten Opfers mit einem fragenden Blick in die Kamera und dem Satz „Sie wollen doch auch wissen, wie es weitergeht, oder?“ konfrontiert. Später gelingt es Anna, einen der beiden Psychopathen zu erschießen. Daraufhin spult der andere kurzerhand den Film wieder zurück, um dies ungeschehen zu machen. Hinzu kommt das überzeichnet höfliche Benehmen der beiden Bösewichte, welches in krassem Gegensatz zu ihren Handlungen steht. Einer der beiden empört sich sogar über die Gewaltbereitschaft der Jugend von heute, während der andere nur verständnislos und scheinbar betroffen den Kopf schüttelt.

Der Regisseur Michael Haneke erläuterte sein Vorgehen im Presseheft zu Funny Games: „Ich versuche Wege zu finden, um Gewalt als das darzustellen, was sie immer ist, als nicht konsumierbar …“. Ziel von Haneke war es, einen radikalen, nihilistischen Gegenentwurf zur leicht verdaulichen, aber eben omnipräsenten Gewalt des Fernsehens und des Mainstream-Kinos zu entwerfen. Haneke will mit seinem drastisch-lakonischen Stil und der beinahe banalen Gewaltdarstellung das Leiden der Opfer betonen.

Hintergrund

Funny Games wurde erstmals im Mai 1997 auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes gezeigt und lief ab dem 11. September 1997 in den deutschen Kinos.[5][2]

Kritik

Funny Games polarisierte schon bei seiner Premiere in Cannes Publikum und Kritiker.[8][9] Hanekes französischer Regiekollege Jacques Rivette bezeichnete den Film als „Schande“ und „schlimmer als Uhrwerk Orange“.[10]

Das Urteil in der angloamerikanischen Presse schwankte zwischen „kaum glaubwürdig und in höchstem Maße unangenehm“ (Leonard Maltin)[11] und „brillant, radikal, provozierend“ (Time Out Film Guide).[12] Ed Gonzalez schrieb im Slant Magazine: „Hanekes Rügen sind nur deswegen verstörend, weil sie jede Selbstkritik missen lassen, und beim Anschauen seiner Werke drängt sich immer der Eindruck auf, er glaubt, seinen Figuren, seinem Publikum und seiner Studie überlegen zu sein.“[13]

Claus Philipp vom österreichischen Standard urteilte: „Haneke hat recht, wenn er manche Verherrlichungen von Gewalt eng mit der gegenwärtigen Praxis der Massenmedien zusammendenkt – aber sein polemischer Ingrimm, mit dem er Grausamkeiten noch zuspitzt, beliefert letztlich nur einen Markt, der tatsächlich immer härteren ,Stoff‘ sucht. Ein bisschen erinnern die Kontroversen rund um Funny Games an die Natural Born Killers von Oliver Stone. Auch dort gab jemand vor, mediale Gewalt zu dekonstruieren. Auch das wurde letztlich nur modisch begrüßt – für schwere Denke bei kulturpessimistischen Selbstgeißlern bzw. als Schauwert für MTV-Freunde.“[14]

In Deutschland sah das Lexikon des Internationalen Films eine „schockierende, nur schwer erträgliche Medienreflexion, die anhand der Strukturmerkmale des Thrillers übliche Sehgewohnheiten in Frage stellt und den Zuschauer als heimlichen Mittäter der filmischen Grausamkeit entlarvt“.[2] Thomas Willmann kritisierte in artechock: „FUNNY GAMES ist Michael Hanekes neueste, ach-so-tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Gewalt. […] Den schwarzen Peter bekommen […] die Zuschauer zugeschoben, die der Film ständig für das, was er zeigt, haftbar machen will. Das erspart ihm, über die eigene Fasziniertheit von der Gewalt reflektieren zu müssen.“[15]

TV Spielfilm schrieb, „Michael Haneke (‚Caché‘) liefert keine Erklärungen für die Brutalität seiner Folterknechte. Einen moralisch Schuldigen macht er dennoch aus: Es sind die Medien, der abgestumpfte Konsument, letztlich wir. Diese Sicht mag man teilen oder nicht: ‚Funny Games‘ ist ein fast unerträgliches Kunst-Experiment irgendwo zwischen Tobe HoopersThe Texas Chainsaw Massacre‘ und Stanley KubricksUhrwerk Orange‘.“[6]

„Michael Haneke macht in seinem beklemmenden Psychothriller die Zuschauer zu hilflosen Voyeuren einer radikalen und realistischen Gewalteskalation. […] Wenn es je eine Tortur gab, der zu unterziehen sich lohnt, dann ist es dieser Film.“

Auszeichnungen

Nachwirkung

2007 drehte Haneke eine amerikanische Neuverfilmung mit dem Titel Funny Games U.S. Das Ehepaar spielen Tim Roth und Naomi Watts.

Literatur

  • Günter Helmes: „An einem Tag wie jeder andere“ … in einem Film wie kein zweiter. Michael Hanekes Funny Games (1997) als Reflexion auf Gewalt, den Film und den Zuschauer. In: Visualisierungen von Gewalt. Beiträge zu Film, Theater und Literatur, hrsg. von Dagmar von Hoff, Brigitte E. Jirku und Lena Wetenkamp. Berlin: Peter Lang 2018, S. 81–99. ISBN 978-3-631-71763-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Freigabebescheinigung für Funny Games. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, März 2011 (PDF; Prüf­nummer: 77 759 V).
  2. a b c Funny Games. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 19. April 2021.
  3. Thomas Assheuer, Die Zeit, abgerufen am 11. November 2007.
  4. Thomas Willmann, Artechock Film, abgerufen am 11. November 2007.
  5. a b Funny Games. Internet Movie Database, abgerufen am 19. April 2021 (englisch).
  6. a b Funny Games. In: TV Spielfilm. Abgerufen am 27. Januar 2022.
  7. a b c Funny Games. In: cinema. Abgerufen am 19. April 2021.
  8. Rezension auf Spiegel.de vom 8. September 1997, abgerufen am 3. November 2012.
  9. Die Foltern des Auges: Bericht vom 50. Filmfestival in Cannes in: Die Zeit, Nr. 22/1997 vom 23. Mai 1997, abgerufen am 3. November 2012.
  10. Interview mit Jacques Rivette in Les Inrockuptibles, 1998, und auf Sensesofcinema.com, 2001, abgerufen am 3. November 2012.
  11. Leonard Maltin’s 2008 Movie Guide. Signet/New American Library, New York 2007, S. 500.
  12. Time Out Film Guide, Seventh Edition 1999. Penguin, London 1998, S. 326.
  13. Ed Gonzalez: Funny Games. In: Slant. 3. Mai 2006, abgerufen am 24. April 2019 (englisch): „Haneke’s admonishments are disturbing only in the sense that they’re never self-critical, and while watching one of his films, there’s always a sense that he thinks he’s above his characters, his audience, and scrutiny.“
  14. Der Standard vom 12. September 1997.
  15. Thomas Willmann: Funny Games. In: Artechock. Abgerufen am 4. Juni 2008.