Funkeninduktor
Der Funkeninduktor, auch als Rühmkorff-Spule bezeichnet, ist ein historisches elektrisches Gerät zur induktiven Erzeugung von Hochspannungsimpulsen und wird in älterer Literatur auch als Induktorium bezeichnet.[1] Vor dem Funkeninduktor stand nur Reibungselektrizität in vielfältigsten Variationen und durch Influenz getrennte Ladungen z. B. mit dem Elektrophor, der Wimshurst-Maschine oder dem Bandgenerator zur Verfügung.
Das Gerät wurde insbesondere im 19. Jahrhundert und beginnenden 20. Jahrhundert vielfältig eingesetzt, um
- Hochspannungsimpulse bis etwa 250 kV zu erzeugen,
- elektrische Entladungsvorgänge auf höherem Energieniveau durchführen zu können,
- Vergleiche mit elektrostatischen Entladungen wie Blitzen anzustellen.
Aufbau und Funktionsweise
Der Funkeninduktor besteht aus einem Transformator mit hohem Übersetzungsverhältnis, also mit wenigen Windungen aus dickem Draht als Primärwicklung und mit vielen Windungen als Sekundärwicklung. Der Stromfluss durch die Primärwicklung wird durch einen sogenannten Wagnerschen Hammer gesteuert: Ein elektrischer Kontakt ist magnetisch mit dem Transformatorkern verbunden. Bei geschlossenem Kontakt baut sich ein Strom durch die Primärwicklung auf. Das so erzeugte magnetische Feld öffnet seinerseits den Kontakt, wodurch der Stromfluss in der Primärwicklung unterbrochen wird (im Diagramm rechts blau dargestellt). Das magnetische Feld im Transformatorkern baut sich ab, der Kontakt im Wagnerschen Hammer fällt in seine Ausgangsposition zurück und schließt den Stromkreis wieder, womit der Vorgang von neuem beginnt.
Beim Unterbrechen des Stromkreises sinkt der Stromfluss innerhalb kürzester Zeit auf null, wodurch es zu einer starken Änderung des magnetischen Feldes kommt. Gemäß Induktionsgesetz kommt es daher beim Absinken von in der Sekundärwicklung zu einem sehr hohen Spannungsimpuls (im Diagramm ist der Verlauf in rot dargestellt). Die Höhe des Hochspannungsimpulses ist durch das Übersetzungsverhältnis und die Geschwindigkeit der Stromabschaltung gegeben.
Parallel zum Kontakt des Wagnerschen Hammers wird zur Optimierung auch ein Kondensator geschaltet, in Form eines Snubbernetzwerkes, welcher einerseits die Funkenbildung verringert und andererseits mit der Induktivität der Primärspule einen Schwingkreis bildet, der die gleiche Resonanzfrequenz wie die Sekundärspule zusammen mit ihrer parasitären Kapazität hat. Auf diese Weise wird ein Resonanztransformator gebildet, welcher die Energieübertragung vom Primär- auf den Sekundärkreis optimiert. Parallel zur Stromquelle werden Kondensatoren eingesetzt, um die bei schließendem Schalter auftretenden Stromstöße von der Stromversorgung fernzuhalten.
Der Wagnersche Hammer ist weder für größere Leistung geeignet, da der Schaltkontakt dabei in kurzer Zeit abbrennt, noch können damit bei kleinen Leistungen Schaltfrequenzen über 200 Hz erreicht werden. Für größere Leistungen kamen elektrolytische Wehnelt-Unterbrecher oder Quecksilberschalter zum Einsatz, welche vom magnetischen Kreis des Transformators getrennt waren und Schaltfrequenzen bis zu einigen kHz erlaubten. In dieser Konfiguration geht die Funktion des Funkeninduktors zu den ersten drahtlosen Sendeeinrichtungen in Form der Löschfunkensender über.
Geschichte
Die geschichtliche Entwicklung ist durch eine Vielzahl von parallelen und einzelnen Entwicklungen von Details der Apparatur gekennzeichnet. Der erste Funkeninduktor wurde nach Vorarbeiten von Michael Faraday im Jahr 1836 von dem irischen Geistlichen und Wissenschaftler Nicholas Callan am St Patrick’s College in Maynooth entwickelt.[2] Die Bauform entsprach nicht der später üblichen zylindrischen Bauform, sondern war in Form eines Hufeisens gestaltet. Eine Verbesserung stellte der ein Jahr später entwickelte Funkeninduktor von William Sturgeon dar, welcher als Schaltkontakt ein Zahnrad nutzte, welches von Hand angetrieben werden musste und so den elektrischen Stromkreis periodisch unterbrach.
Der elektrische Kontakt in Form des Wagnerschen Hammers wurde 1838 von den Iren James William MacGauley und unabhängig davon im Jahr 1839 von dem Deutschen Johann Philipp Wagner entwickelt.[3][4] Im Jahre 1853 erfand der Franzose Hippolyte Fizeau die Verbesserung des zum Schaltkontakt parallel geschalteten Kondensators, heute unter dem Begriff des Snubbernetzwerks bekannt.[5] Heinrich Daniel Rühmkorff gelang es, den Aufbau der Sekundärwicklung durch eine Verlängerung zu verbessern, um so mit ca. 10 km Drahtlänge Spannungsimpulse um die 100 kV aus einer Batterie mit 5 V Gleichspannung zu erzeugen.[6] Rühmkorff stellte seinen Funkeninduktor erstmals auf der internationalen Industrieausstellung in Paris 1855 aus.
Erster Funkeninduktor von Nicholas Callan, 1836
Funkeninduktor von William Sturgeon, 1837, mit einem Zahnrad zur Steuerung des Unterbrecherkontaktes
Funkeninduktor von Charles G. Page, 1838, welcher eine Schale mit Quecksilber und eine darin befindliche Metallnadel als elektrischen Unterbrecherkontakt nutzt
Funkeninduktor von Heinrich Daniel Rühmkorff, um 1850. Neben dem Wagnerschen Hammer nutzt dieser Funkeninduktor ebenfalls einen Unterbrecherkontakt aus Quecksilber
Einer der weltweit größten Funkeninduktoren, 1877 von Alfred Apps gebaut. Mit über 350 km Drahtlänge könnten Spitzenspannungen um die 1 MV erzielt werden.
Anwendung
Neben wissenschaftlichen Anwendungen durch Physiker dienten Funkeninduktoren im 19. Jahrhundert zur Volksbelustigung auf Jahrmärkten sowie als Kinderspielzeug in Form von Elektrisiermaschinen.
Weiterhin speisten Funkeninduktoren die ersten Sendeanlagen – mit ihrer Hochspannung wurde eine Schwingkreis- oder die Antennenkapazität geladen, bis die Zündspannung einer im Kreis oder der Antenne liegenden Funkenstrecke erreicht war. Die abrupt gezündete Funkenstrecke wirkte wie ein plötzlich geschlossener Schalter, über den die Ladung sich oszillatorisch ausgleichen konnte und so gedämpfte hochfrequente Schwingungen in Schwingkreisen und Antennen erzeugte. Bereits Heinrich Hertz verwendete einen Funkeninduktor als Hochspannungsgenerator für seinen Nachweis der elektromagnetischen Wellen, die wegen ihrer ursprünglichen Erzeugungsart auch Funkwellen genannt werden.
Funkeninduktoren gehören auch heute noch zur Ausstattung des Physikunterrichtes an Schulen, Hochschulen und Universitäten, werden aber aufgrund der Bremsstrahlung (bei diesen Spannungen in Form von Röntgenstrahlung), die beim Auftreffen der Elektronen auf die Anode frei wird, nur noch selten eingesetzt. Sie dienen der Demonstration von Entladungen hoher Spannungen, z. B. auch der Speisung von Geißlerschen Röhren.
Der Entwicklungsweg des Funkeninduktors führte zu den ebenso aufgebauten Zündspulen von Ottomotoren, wie sie auch heute noch eingesetzt werden. Der anstelle des Wagnerschen Hammers dort zunächst eingesetzte mechanische Zündunterbrecher wurde inzwischen durch Transistorschalter ersetzt.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Heinrich Hertz: Ueber den Einfluss des ultravioletten Lichtes auf die electrische Entladung. In: Ann. Phys. Verlag J. A. Barth, Leipzig 1887, Band 267, Heft 8, S. 984.
- ↑ William Sturgeon (Hrsg.): The Annals of Electricity, Magnetism, and Chemistry, Vol. 1. Sherwood, Gilbert, and Piper, London 1837, S. 229–230.
- ↑ J. W. McGauley: Electro-magnetic apparatus for the production of electricity of high intensity. In: Proceedings of the British Association for the Advancement of Science. 7. Jahrgang. BAAS, 1838, S. 25.
- ↑ Charles Grafton Page: History of Induction: The American Claim to the Induction Coil and Its Electrostatic Developments publisher = Intelligencer Printing House. Washington, D.C. 1867, S. 26–27, 57 (google.com).
- ↑ H. Fizeau: Note sur les machines électriques inductives et sur un moyen facile d'accroître leurs effets. In: Comptes rendus. 36. Jahrgang. Elsevier, 1853, S. 418–421 (bnf.fr [abgerufen am 14. Februar 2013]).
- ↑ R. C. Post: Stray sparks from the induction coil: The Volta prize and the Page patent. In: Proceedings of the IEEE. 1976 (64), 9, S. 1279–1286. (Digitalisat)
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A large induction coil made in 1877 by British instrument maker Alfred Apps for British scientist William Spottiswoode. One of the largest induction coils ever constructed, it could produce a spark 42 inches (106 cm) long, corresponding to a voltage of roughly 1,200,000 volts. It was 44 in. in length, 20 in. in diameter, mounted on 3 insulating wood posts. This drawing shows the coil only; the interrupter, capacitor and liquid batteries needed to generate the primary current are not shown. Its primary winding, seen extending from the ends of the secondary coil, consisted of 1344 turns of .096 in. copper wire wound on a 3.56 in. core made of parallel iron wires. There were actually two primary windings, which could be exchanged; the other was for higher current work. The secondary consisted of 280 miles of wire wound in 341,850 turns. Powered with 5 quart-sized liquid Grove cells, it gave a spark of 28 in., with 10 cells 35 in. and with 30 cells 42 in. Information from William Spottiswoode, "Description of a large induction coil". The London, Edinburgh, and Dublin Philosophical Magazine, Vol. 3, No. 15, Jan 1877, p. 30. Image alterations: cropped out caption.
Heinrich Daniel Ruhmkorff's induction coil. The mechanisms at the ends are interrupters, vibrating switches that interrupt the DC current flowing in the primary winding of the coil to create the flux changes necessary to induce high voltage in the secondary winding. This coil has two interrupters; the one at the right end is a common "hammer" interrupter with metal contacts. The one on the left is a type invented by Fizeau that uses a metal needle dipping into mercury, covered by a layer of alcohol to suppress the formation of sparks, resulting in higher voltages.
Drawing of one of the first induction coils, built by British physicist William Sturgeon in 1837. The primary of the coil (B) was 260 ft. of bell wire wound on a wooden bobbin with an iron core, and the secondary was 1300 ft of thinner wire, insulated with a wax coating, wound on top, and soldered to the primary wire to make an autotransformer. The primary was powered by a liquid battery cell (0). The zinc sawtooth interrupter wheel (D) dipping in mercury was turned by hand to break the primary current, to create the flux changes necessary to induce a voltage in the secondary. The magnitude of the voltage produced was judged by how strong a shock it gave when the copper handles (H) were held.
Drawing of an induction coil from a 1920 book on radio apparatus, with the outer surfaces drawn transparent, to show the construction.
Funkeninduktor. 1838, Charles G. Page (US). National Museum of American History, Washington, DC, USA.
Autor/Urheber:
- Induction_coil_waveforms.svg: Chetvorno
- derivative work: Wdwd
Beispielhafter Stromverlauf in Primärspule (i_1) und sekundärseitiger Spannungsverlauf (u_2) an einem Funkeninduktor
Autor/Urheber: Chetvorno, Lizenz: CC0
Waveforms of voltage and current in an induction coil, demonstrating how the coil's interrupter works to generate the high voltages.
The first induction coil, built by Irish scientist and Catholic priest Nicholas Callan in 1836 at St. Patrick's College, Maynooth, Ireland. It is still preserved by the college. It consisted of a horseshoe-shaped piece of iron with two windings of wire around it, a short winding and a long winding. Callan found that when he sent pulses of electricity from a battery through the short winding, higher voltage pulses were produced by the longer winding. This was the first step-up transformer, and with it Callan discovered the principle that the voltage ratio in a transformer is equal to the turns ratio.