Fachwerkschwelle

Fachwerk-Fachbegriffe: 1 Eckständer, 2 Strebe, 3 Rähm, 4 Ständer, 5 Kopfwinkelholz, 6 Kopfband, 7 Gegenstrebe, 8 Strebe, 9 Riegel, 10 Sturzriegel, 11 Brüstungsriegel, 12 Andreaskreuz, 13 Schwelle, 14 Fußwinkelholz, 15 Fußband, 16 Schwellriegel[1]

Die Fachwerkschwelle ist der unterste, waagerecht liegende Holzbalken in Fachwerkkonstruktionen. Die Schwelle oder das Schwellholz[2] (österreichisch: Schweller[3]) läuft im Gegensatz zum Riegel durch, auf ihr ruht die Fachwerkwand mit ihren Ständern, Streben und Bändern. Den oberen Abschluss der Fachwerkwand bildet das ebenfalls waagerecht verlaufende Rähm, darauf liegen die Balkenköpfe der Deckenbalken, und auf den Deckenbalken folgt wieder die Schwelle des nächsten Stockwerks.

Begriffsunterscheidungen und Abgrenzung

Die Schwelle direkt auf der Grundmauer oder dem Sockel bzw. dem Fundament heißt Grundschwelle (Grundbalken).

Die in den oberen Stockwerken auf den Deckenbalken liegende Schwelle ist die Stockschwelle, Saumschwelle oder Fußschwelle.

Das der Schwelle entsprechende Bauteil in der Dachkonstruktion ist die Fußpfette. Wenn die Schwelle bzw. die Pfette auf einer massiven Wand aufliegt, wird sie gelegentlich auch als Mauerlatte bezeichnet.

Als Türschwelle wird das unterste Querholz einer Tür deswegen bezeichnet, weil sie eigentlich eine Fachwerkschwelle in einer Außen- oder Innenwand ist, über die man hinwegsteigen muss.

Zwei Arten von Fachwerkschwellen: 1 Grundschwelle, 2 Stockschwelle

Fehlt im Fachwerk die Grundschwelle, dann stehen die Ständer unmittelbar auf dem Haussockel auf. In diesem Fall kann zwischen den Ständerfüßen auf dem Sockel jeweils ein horizontales Holz eingebaut werden. Diese kurzen Hölzer anstelle einer Schwelle werden analog zu höher gelegenen zwischen den Ständern eingefügten horizontalen Wandriegeln als Schwellriegel (Schwellenriegel[4]) bezeichnet.[5][6][7][8] Eine solche Bauweise ist über tausend Jahre alt und archäologisch bereits in den frühmittelalterlichen Siedlungen in der Stellerburg und in Haithabu nachweisbar;[9] weitere hochmittelalterliche Baubefunde sind aus dem 13. Jahrhundert bekannt.[10] Schwellriegel mit Hakenblattanschlüssen sind im Fachwerkbau vereinzelt noch bis Ende des 19. Jahrhunderts verwendet worden.

Wortherkunft

Die Wurzel des Wortes Schwelle liegt nach dem Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm nicht in schwellen, sondern geht auf eine besondere gleichlautende Wurzel (svelo-) in der Bedeutung gründen zurück.[11]

Fachwerkschwelle auf einem Sandsteinsockel, in der Mitte mit einem Schwellriegel, hier als Folge einer nachträglich geschlossenen Türöffnung (Hedemünden, Oppertor 24)

Diese Wortherkunft aus der Fundamentgründung mag die Erklärung dafür sein, dass auch die einzelnen Elemente eines hölzernen Rosts bei schlecht tragendem Baugrund Schwellen heißen[12]; vgl. auch die Schwellen als Teile des Eisenbahnoberbaus.

Konstruktion und Gestaltung

In historischer Fachwerkarchitektur wurde die Grundschwelle in der Regel rein konstruktiv als einfaches Kantholz mit rechteckigem Querschnitt ausgebildet, mit wenigen Abweichungen. So kommen in Südniedersachsen beim Fachwerkbau um 1600 ein paar Zentimeter vorstehende Grundschwellen mit obenliegender Fase vor. Sie bilden gestalterisch also zusätzlich einen vorspringenden Steinsockel nach.

Die höher liegenden und gut sichtbaren Stockschwellen waren seit Beginn der Verzierung von Fachwerkhäusern im 15. Jahrhundert bevorzugter Ort für Hausinschriften, d. h. Sprüche, Datums- und Bauherrenhinwiese, aber auch für mehr oder weniger repräsentative, verzierende Schnitzereien. Der Brauch versiegte bei städtischen Bauten Ende des 18. Jahrhunderts,[13] bei ländlichen Bauten verzögert im 19. Jahrhundert.

Vgl. auch Artikel → Bibelverse an Fachwerkhäusern

Fachwerkschwelle auf eingesunkenem Sockel mit typischen Fäulnisschäden

Typische Schäden

Die Grundschwellen stellen das empfindlichste Bauglied des Fachwerks dar. Bei älteren Bauten liegt die Schwelle oft ohne darunter liegende Abdichtung direkt auf einem wechselnd feuchten Fundament oder Sockel. Noch problematischer ist das mit jeder Tiefbaumaßnahme ansteigende Bodenniveau, das viele Schwellen buchstäblich „im Dreck versinken“ lässt[15], woraufhin die Belastung durch Feuchte und Spritzwasser zu Holzfäulnis führt. Weitere Schadensursachen können dichte Anstriche sein, welche die Austrocknung behindern.[16] Die Holzschädigung der Schwelle geschieht zunächst im nicht sichtbaren unteren Bereich, wo die Schwelle auf dem Fundament oder Sockel aufliegt, und schreitet dann im Inneren fort, während die Außenseiten meist noch lange Zeit keine sichtbaren Schäden zeigen. Eine so geschädigte Schwelle muss in ihren geschädigten Bereichen ersetzt werden. Dafür ist eine Abstützung der aufsitzenden Fachwerkwand erforderlich.[17][18] Die neue Schwelle sollte gegen stauendes Wasser geschützt eingebaut werden und eine Verdunstung anfallenden Wassers zu beiden Seiten ermöglichen. Ersatzhölzer sollten aus wiederverwendeten Althölzern bestehen, um schadensträchtigen Schwund neuer Hölzer zu vermeiden.[19]

Literatur

  • Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 20. April 2024), S. 424: Schwelle.
  • Johann Friedrich Penther: Ausführliche Anleitung zur bürgerlichen Bau-Kunst. Band 1: Enthaltend ein Lexicon Architectonicum oder Erklärungen der üblichsten Deutschen, Französischen, Italiänischen Kunst-Wörter der Bürgerlichen Bau-Kunst (...). Augspurg 1744, S. 140: Schwellen. (Digitalisat)

Einzelnachweise

  1. Modifizierte Zeichnung und Begriffe nach Manfred Gerner: Fachwerk. Entwicklung, Instandsetzung, Neubau. Deutsche Verlagsanstalt, München 2007, S. 13.
  2. Oscar Mothes (Hrsg.): Illustrirtes Bau-Lexikon, Band 4: Q bis Z. Leipzig 1884, S. 177: Schwellholz. (Digitalisat)
  3. Oscar Mothes (Hrsg.): Illustrirtes Bau-Lexikon, Band 4: Q bis Z. Leipzig 1884, S. 177: Schwelle. (Digitalisat)
  4. Günther Binding, Udo Mainzer, Anita Wiedenau: Kleine Kunstgeschichte des deutschen Fachwerkbaus. 2. erweiterte und veränderte Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1977, ISBN 3-534-06900-5, S. 224.
  5. Günther Binding, Udo Mainzer, Anita Wiedenau: Kleine Kunstgeschichte des deutschen Fachwerkbaus. 2. erweiterte und veränderte Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1977, ISBN 3-534-06900-5, S. 15, Abbildung Z 8 (m und n).
  6. Schwellriegel. In: Thesaurus Traditioneller Holzbau. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  7. Thomas Eißing, Benno Furrer, Christian Kayser, Stefan King, Ulrich Klein, Ulrich Knapp, Burghard Lohrum, Tilmann Marstaller, Claudia Mohn, Heinz Pantli, Hans-Hermann Reck, Daniel Reicke: Vorindustrieller Holzbau. Terminologie und Systematik für Südwestdeutschland und die deutschsprachige Schweiz (= Südwestdeutsche Beiträge zur historischen Bauforschung, Sonderband.) 2., überarbeitete Auflage. Universität Heidelberg / Universitätsbibliothek, Heidelberg 2023, ISBN 978-3-96929-223-5 (Digitalisat auf journals.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 13. Juni 2024), S. 95: Schwellriegel.
  8. Heinrich Walbe: Das Hessisch-Fränkische Fachwerk. Brühlscher Verlag, Gießen 1954, S. 51 f. (Walbe beschreibt auf S. 52 auch den Sonderfall der „Fußriegel“.)
  9. Adelhart Zippelius: Vormittelalterliche Zimmertechnik in Mitteleuropa. In: Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde, Jg. 5, 1954, S. 7–52, hier S. 49.
  10. Vgl. ein 2006–2008 rekonstruiertes Beispiel aus der Zeit um 1230; näher dazu Hubertus Michels: Projekt: Mittelalterhaus Nienover, auf historisches-bauen.de, abgerufen am 19. Mai 2024. - Eine Rekonstruktion an archäolgischer Stelle, auf mittelalterhaus-nienover.de, abgerufen am 19. Mai 2024 (mit Fotos der Zimmermannsbaustelle).
  11. schwelle. In: dwds.de (Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm). 1893, abgerufen am 3. Januar 2024.
  12. Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 20. April 2024), S. 424: Schwelle.
  13. Hans-Günther Bigalke: Geschnitzte Bilder und Figuren an Fachwerkhäusern in Deutschland 1450–1700. Deutscher Kunstverlag, München 2008, ISBN 978-3-422-06820-9.
  14. Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Bd. 5.1 Stadt Göttingen. Bearbeitet von Ilse Rüttgerodt-Riechmann. Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig / Wiesbaden 1982, ISBN 3-528-06203-7, S. 32, f. (Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 6. Juni 2024)
  15. Stephan Dreier: Typische Schadensbilder und Möglichkeiten der Instandsetzung. In: Gebäude aus Fachwerk. Konstruktion – Schäden – Instandsetzung. Dokumentation zum 27. Kölner Gespräch zu Architektur und Denkmalpflege in Brauweiler, 12. November 2018 (= Mitteilungen aus dem LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Heft 34). Köln 2019 (Digitalisat), S. 51–59, hier S. 55.
  16. Adrian Bogie: Farbe im Fachwerk. In: Gebäude aus Fachwerk. Konstruktion – Schäden – Instandsetzung. Dokumentation zum 27. Kölner Gespräch zu Architektur und Denkmalpflege in Brauweiler, 12. November 2018 (= Mitteilungen aus dem LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Heft 34). Köln 2019 (Digitalisat), S. 60–64, hier S. 64.
  17. Wolfgang Rug, H. Held, Ch. Stützer, Karl Schulz: Erneuerung von Fachwerkbauten (= Informationsdienst Holz, Holzbau Handbuch 7.3.1, Hrsg. Absatzförderungsfonds der deutschen Forst- und Holzwirtschaft). Bonn 2004, ISSN 0446-2114 (Digitalisat), S. 16, mit Abbildung eines zur Erneuerung der Schwelle abgestützten Fachwerkgerüsts.
  18. G. Ulrich Großmann: Der Fachwerkbau in Deutschland. Das historische Fachwerkhaus, seine Entstehung, Farbgebung, Nutzung und Restaurierung. 3. erw. Aufl., Dumont, Köln 2004, ISBN 978-3-8321-7463-7, S. 176.
  19. Stephan Dreier: Typische Schadensbilder und Möglichkeiten der Instandsetzung. In: Gebäude aus Fachwerk. Konstruktion – Schäden – Instandsetzung. Dokumentation zum 27. Kölner Gespräch zu Architektur und Denkmalpflege in Brauweiler, 12. November 2018 (= Mitteilungen aus dem LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Heft 34). Köln 2019 (Digitalisat), S. 51–59, hier S. 55 f.

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– Der Giebel des Wohnteils zeigt einen Halbwalm mit vorgekragtem Obergeschoss. Unter der Walmschwelle sind verzierte Konsolen angebracht. Das Giebelobergeschoss ist als Fachwerk ausgeführt mit Ziegelmustern in den Tafeln. Folgende Inschrift ist im Schwellbalken eingeschnitten:

DITRICH STAHL GESKE STAHLS 30. IVLY ANNO 1663

GROSSER GOTT VON KRAFT MIT DEINER GNADEN HANDT

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