Friedrich Wilhelm Hesse

Friedrich Wilhelm Hesse

Friedrich Wilhelm Hesse (* 1948 in Geseke) ist ein deutscher Psychologe. Er ist Gründungsdirektor des Leibniz-Instituts für Wissensmedien in Tübingen und Leiter der Arbeitsgruppe „Wissensaustausch“.[1] Zudem war er Wissenschaftlicher Vizepräsident der Leibniz-Gemeinschaft (2010–2018).[2]

Leben

Nach seinem Psychologiestudium an den Universitäten von Marburg und Düsseldorf arbeitete er zwischen 1976 und 1982 als Wissenschaftlicher Assistent an den Instituten für Psychologie der Universität Düsseldorf und der RWTH Aachen. An der RWTH Aachen promovierte er 1979 zum Dr. phil.[3] Von 1982 bis 1983 war er als Research Fellow am Learning Research and Development Center (LRDC) der Universität Pittsburgh und an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh (USA). Von 1983 bis 1990 lehrte er als Akademischer Rat am Institut für Psychologie der Universität Göttingen, wo er sich auch habilitierte (Dr. rer. nat. habil.).

Seit 1990 ist er Professor an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Von 1993 bis 2000 war er Leiter der Abteilung für Angewandte Kognitionspsychologie am Deutschen Institut für Fernstudienforschung (DIFF) in Tübingen. In der Zeit von 1995 bis 1997 war er zusätzlich Direktor des Europäischen Laborverbands LERANT (Laboratoire Européen de Recherche sur les Apprentisages et les Nouvelles Téchnologies). Von 1999 bis 2019 hatte er den Lehrstuhl für Angewandte Kognitionspsychologie und Medienpsychologie im Fachbereich Psychologie an der Universität Tübingen[4] inne. 2001 wurde unter seiner Leitung das Leibniz-Institut für Wissensmedien gegründet, dessen Direktor er von 2001 bis 2016 war.[5]

Forschungsinitiativen

Hesse initiierte zahlreiche interdisziplinäre Forschungsverbünde zur empirischen Bildungsforschung am Standort Tübingen. Von 1999 bis 2008 war Hesse Initiator und Sprecher des ersten von der DFG geförderten virtuellen Graduiertenkollegs[6] und von 2001 bis 2006 des DFG-Schwerpunktprogramms „Netzbasierte Wissenskommunikation in Gruppen“.[7] Seit 2006 ist er Sprecher der DFG-Forschergruppe „Analyse und Förderung effektiver Lehr-Lernprozesse“ (ehemals „Orchestrierung computerunterstützter Lehr-Lern-Prozesse“).

2009 initiierte er den bundesweit ersten WissenschaftsCampus, den WissenschaftsCampus „Bildung in Informationsumwelten“ in Tübingen, deren Sprecher er war (2009–2016).[8] Hesse ist außerdem Mitglied im Lenkungskreis der Graduiertenschule „Learning, Educational Achievement, and Life Course Development: An Integrated Research and Training Program (LEAD)“ im Rahmen der Exzellenz-Initiative des Bundes.

Beratungstätigkeiten

Hesse ist Mitglied in verschiedenen Kommissionen und Beiräten zu Bildungsthemen. Unter anderem ist er Mitglied des wissenschaftlichen Beirates Berufsbildungsforschung, Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI, Schweiz, Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung e.V. (DIE), Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Alexander von Humboldt-Instituts für Internet und Gesellschaft i. G. (HIIG), Berlin,[9] Vorsitzender des Beirates E-Learning Academic Network (ELAN) e.V., Vorsitzender des Bewertungspanels für die Bildungsforschung in Österreich, Mitglied im Advisory Board des Swiss Leading House on Technologies for Vocational Training sowie Mitglied im School Board der Tübinger School of Education der Eberhard Karls Universität Tübingen. Ferner ist Hesse Mitglied im Scientific Advisory Board of the European Training Network (ETN) etabliert durch ANIMATAS (gefördert durch HORIZON 2020, koordiniert durch die Universität Sorbonne, Paris), Mitglied des Scientific Advisory Committee des Centre for Research on Learning and Innovation (CRLI) der University of Sydney, Australien, Scientific Co-Chair des Global Learning Councils (GLC) und ist beratend beim Aufbau des Forschungsschwerpunktes “Digitale Hochschulbildung” an der Fernuniversität Hagen tätig.

Hesse ist Mitglied in den Editorial Boards internationaler Fachzeitschriften(u. a. Journal of Computer Assisted Learning,[10] Zeitschrift für Psychologie/Journal of Psychology, International Journal of Computer-Supported Collaborative Learning (ijCSCL), Journal of Computer Assisted Learning (jCAL), Zeitschrift Technology, Instruction, Cognition and Learning (TICL)) und ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Zeitschrift für Medienpsychologie/Journal of Media Psychology.

Wissenschaftliche Schwerpunkte

Hesses Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Lernens mit digitalen Medien, insbesondere der netzbasierten Wissenskommunikation und des computer-unterstützten kollaborativen Lernens (computer-supported collaborative learning, CSCL). Er befasst sich damit, wie digitale Medien eingesetzt werden können, um die Interaktion von Gruppen zu fördern. Besonderes Augenmerk richtet er dabei auf die Frage, ob digitale Werkzeuge in der Lage sind, Verzerrungen der Informationsverarbeitung (z. B. Majoritäteneinfluss, Bestätigungsfehler) entgegenzuwirken. Ebenso widmet er sich der Frage, wie verschiedene Group Awareness Ansätze zu einer verbesserten computerunterstützten Zusammenarbeit beitragen können, und interessiert sich für die Einflüsse neuer digitaler Tools auf das kollaborative Lernen im Schulunterricht. Seit 2010 arbeitet Hesse verstärkt zu der Frage, wie Gruppen lernen können, deren Zusammenarbeit durch den Einsatz von Multi-Touch-Screens unterstützt wird. Viele der Forschungsarbeiten Hesses befassen sich mit dem informellen Lernen von Gruppen, z. B. beim Einsatz von digitalen Medien in Museen, in Bibliotheken, oder im Web 2.0.

Schriften (Auswahl)

  • I. M. Bause, I. R. Brich, A. K. Wesslein, F. W. Hesse: Using technological functions on a multi-touch table and their affordances to counteract biases and foster collaborative problem solving. In: International Journal of Computer-Supported Collaborative Learning. Band 13, Nr. 1, 2018, S. 7–33. doi:10.1007/s11412-018-9271-4.
  • F. W. Hesse, E. Care, J. Buder, K. Sassenberg, P. Griffin: A framework for teachable collaborative problem solving skills. In: P. Griffin, E. Care (Hrsg.): Assessment and teaching of 21st century skills: Methods and approach. Springer, New York 2015, S. 37–56.
  • D. Ray, J. Neugebauer, K. Sassenberg, J. Buder, F. W. Hesse: Motivated shortcomings in explanation: The role of comparative self-evaluation and awareness of explanation recipient knowledge. In: Journal of Experimental Psychology: General. Band 142, 2013, S. 445–457. doi:10.1037/a0029339.
  • K. Krauskopf, C. Zahn, F. W. Hesse: Leveraging the affordances of YouTube: The role of pedagogical knowledge and mental models of technology functions for lesson planning with technology. In: Computers and Education. Band 58, 2012, S. 1194–1206.
  • C. Zahn, K. Krauskopf, F. W. Hesse, R. Pea: How to improve collaborative learning with video tools in the classroom? Social vs. cognitive guidance for student teams. In: International Journal of Computer-Supported Collaborative Learning. Band 7, Nr. 2, 2012, S. 259–284.
  • J. Dehler, D. Bodemer, J. Buder, F. W. Hesse: Guiding knowledge communication in CSCL via group knowledge awareness. In: Computers in Human Behavior. 27, 2011, S. 1068–1078.
  • T. Engelmann, F. W. Hesse: How digital concept maps about the collaborators’ knowledge and information influence computer-supported collaborative problem-solving. In: International Journal of Computer-Supported Collaborative Learning. Band 5, Nr. 3, 2010, S. 299–320.
  • J. Kimmerle, U. Cress, F. W. Hesse: An interactional perspective on group awareness: Alleviating the information-exchange dilemma (for everybody?). In: International Journal of Human-Computer Studies. Band 65, 2007, S. 899–910.

Weblinks

Commons: Friedrich Wilhelm Hesse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Leibniz-Institut fuer Wissensmedien: IWM ma.html. In: www.iwm-tuebingen.de. Abgerufen am 13. Januar 2017.
  2. Leibniz-Jahrestagung 2018. Leibniz-Gemeinschaft, abgerufen am 22. Januar 2019.
  3. iwm-kmrc.de
  4. uni-tuebingen.de
  5. iwm-kmrc.de - AG Wissensaustausch (Memento vom 3. Juli 2013 im Internet Archive)
  6. vgk.de
  7. Koordination im Schwerpunktprogramm "Netzbasierte Wissenskommunikation in Gruppen". (wissenskommunikation.de (Memento vom 27. Februar 2016 im Internet Archive))
  8. WissenschaftsCampus Arrow Struktur. (wissenschaftscampus-tuebingen.de (Memento vom 6. März 2016 im Internet Archive))
  9. Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft: Wissenschaftlicher Beirat (hiig.de (Memento vom 11. Januar 2017 im Internet Archive))
  10. onlinelibrary.wiley.com (englisch)

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Friedrich W. Hesse- Digitale Lehre ist keine Postkutsche mit Motor.jpg
Autor/Urheber: Stifterverband, Lizenz: CC BY 3.0
Was man nicht im Kopf hat, muss man halt im digitalen Speicher haben. Was heißt das fürs Lernen? Da muss man ganz neue Wege gehen, meint Friedrich W. Hesse von der Universität Tübingen. Und wirft eine spannende Frage auf: Wann ist man künftig eigentlich Experte, wenn das mühsam angesammelte Kopf-Wissen weniger zählt? Weitere Videos zum Thema: Sönke Knutzen: Freies Wissen gegen Googles Algorithmen https://www.youtube.com/watch?v=K2gA7drIghg Rolf Granow: Digitale Bildung - zukünftig ohne Lesen und Rechnen? https://www.youtube.com/watch?v=RRvNxWz2ErI Gunter Dueck: Zur Digitalisierung der Bildung https://www.youtube.com/watch?v=HOjuWbCZWMI Jede Woche neu beim Stifterverband: Die Zukunftsmacher und ihre Visionen für Bildung und Ausbildung, Forschung und Technik Produktion: Corina Niebuhr, Webclip Medien Berlin für den Bildungskanal des Stifterverbandes: http://www.stifterverband.info