Friedrich Reinhold Kreutzwald

Friedrich Kreutzwald
(von Johann Köler).

Friedrich Reinhold Kreutzwald (* 14. Dezemberjul. / 26. Dezember 1803greg. in Jõepere (Jömper) in der heutigen Gemeinde Kadrina (Sankt Katharinen), Lääne-Viru (West-Wierland); † 13. Augustjul. / 25. August 1882greg. in Tartu (Dorpat)) war ein estnischer Arzt und Schriftsteller.

Leben

Friedrich Reinhold Kreutzwald wurde als Sohn der estnischen Leibeigenen Juhan Reinholdson und Ann Michelson auf dem Gut Jõepere bei Rakvere geboren.[1] Ab 1816 konnte er die Schule besuchen, nachdem in Estland 1815 die Leibeigenschaft aufgehoben und die Einrichtung von Dorfschulen für die Kinder der Bauern verfügt worden war.[2] Sein Vater war der Speicherverwalter und Schuster (kingsepp) des Gutshofes. Seine Mutter war Hauswirtschafterin. In estnischer Mundart wurde er „Vidri Rein Ristimets“ genannt (Ristimets = Kreuzwald). Seine Vorfahren kamen vom Ristimets Talu (Kreuzwald-Hof). In der Schule von Rakvere wurde der Name in „Kreutzwald“ eingedeutscht.

Nach Tätigkeiten als Grundschullehrer (von 1820 bis 1824) in Tallinn und Hauslehrer (1824/1825) in Sankt Petersburg studierte er ab 1826 Medizin[3] in Tartu.[3] Dort schloss er sich einem Kreis estnischer Studenten an, der von Friedrich Robert Faehlmann geleitet wurde und sich der Pflege und Wiederbelebung der estnischen Sprache und Kultur widmete.[3] 1838 entsteht daraus die Gelehrte Estnische Gesellschaft, von der Kreutzwald 1849 zum Ehrenmitglied gewählt wurde.[4] 1854 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Finnischen Literaturgesellschaft gewählt.

Von 1833 bis 1877 war Kreutzwald Stadtarzt von Võru im Südosten Estlands und behandelte hauptsächlich arme Leute. Trotz der geografischen Distanz von den Zentren der estnischen Kulturbewegung in Tartu und Tallinn hielt er durch intensiven Briefwechsel Kontakt zu seinen Mitstreitern.

Als Schriftsteller orientierte er sich an deutschen Vorbildern, die er auch – in teilweise sehr freien Adaptionen – ins Estnische übersetzte. Nach dem Tod Faehlmanns im Jahre 1850 wurde ihm die Aufgabe übertragen, dessen begonnene Sammlung estnischer Sagen und Volkslieder zu Ende zu führen. Diese Nachdichtung von Volkssagen und -liedern, der Kalevipoeg, gilt heute als das estnische Nationalepos. Daneben sind vor allem seine Bearbeitungen estnischer Märchen von 1866 zu erwähnen.

Kreutzwald zu Ehren bezeichnet das Estnische Literaturmuseum seine alljährlich im Dezember veranstalteten Konferenzen für Literatur und Volkskunst als „Kreutzwald-Tage“.

Er war zu Lebzeiten Mitglied der deutsch-baltischen Studentenkorporation Estonia Dorpat.[5]

Schriften

Märchen

In: Reinhold Kreutzwald: Estnische Märchen.[6]

  • Die Goldspinnerinnen
  • Die im Mondschein badenden Jungfrauen
  • Eilfuß, Flinkhand und Scharfauge
  • Der Tontlawald
  • Des Waisenkindes Handmühle
  • Die zwölf Töchter
  • Wie eine Waise unverhofft ihr Glück fand
  • Bäumling und Borkeline
  • Die schnellfüßige Königstochter
  • Loppi und Lappi
  • Das Patenkind der Grottennymphen auch Maasika
  • Schlaukopf
  • Seltene Frauentreue
  • Aschentrine (vgl. Aschenputtel)
  • Der Springinsfeld
  • Des Pikne Dudelsack
  • Die reichlich vergoldete Wohltat
  • Der Streit der Zwerge
  • Die Galgenmännlein
  • Wie eine Königstochter sieben Jahre geschlafen hat (vgl. Schneewittchen)
  • Der Nordlandsdrache
  • Der mächtige Krebs und das unersättliche Weib (vgl. Vom Fischer und seiner Frau)
  • Der dankbare Königssohn (vgl. Das singende springende Löweneckerchen)
  • Die Stiefmutter
  • Rougutajas Tochter
  • Die Meermaid (vgl. Die kleine Meerjungfrau und Melusine)
  • Die Unterirdischen (vgl. Märchenmotiv: Zwerge)
  • Der Kluge in der Tasche (vgl. Tischchen deck dich)
  • Der Findling
  • Das Glücksei
  • Wie sieben Schneider in den Türkenkrieg zogen
  • Der Glücksrubel
  • Des Nebelberges König
  • Der beherzte Riegenaufseher
  • Wie ein Königssohn als Hütejunge aufwuchs
  • Der närrische Ochsenverkauf
  • Dudelsack-Tiidu
  • Die aus dem Ei geschlüpfte Königstochter
  • Der mildherzige Holzhauer
  • Die nächtlichen Kirchgänger
  • Der mildherzige Holzhauer
  • Der nächtliche Kirchgänger
  • Des Jägers verlorenes Glück
  • Der der Gefahr entkommene Königssohn wird Retter seiner Brüder

Sonstige Publikationen (Auswahl)

Literatur

  • L. Tohver: Kreutzwaldi väliskirjanduslikust eruditsioonist. Mit einem deutschen Referat: „Kreutzwalds Belesenheit in den fremden Literaturen“ (= Akadeemilise Kirjandusühingu toimetused, Band 8). Akadeemilise Kirjandusühingu Kirjastus, Tartu 1932 OCLC 796217161 (estnisch).
  • Tiiu Jaago: Friedrich Reinhold Kreutzwald and the Cultural Bridge. In: Kristin Kuutma, Tiiu Jaago: Studies in Estonian Folkloristics and Ethnology. A Reader and Reflexive History. Tartu University Press, Tartu 2005, ISBN 9949-11-110-2, S. 19–36 (englisch).
  • Friedrich Reinhold Kreutzwald 1803–1882. Personaalnimestik Koost. Hrsg. von Vaime Kabur. Eesti NSV Kultuuriministeerium. Fr. R. Kreutzwaldi nim. Eesti NSV Riiklik Raamatukogu, Tallinn 1982, OCLC 248957617 (estnisch).
  • Fr. R. Kreutzwaldi bibliograafia 1982–2003. Eesti Rahvusraamatukogu, Tallinn 2004, OCLC 249788027 (estnisch).
  • Wilhelm Schott: Die estnischen Sagen von Kalewi-Poeg. F. Dümmler’s Verlags-Buchhandlung Harrwitz und Gossmann, Berlin 1863, OCLC 6720905 (estnisch).
  • Endel Nirk: Kreutzwald ja eesti rahvusliku kirjanduse algus. Monograafia. Eesti Raamat, Tallinn 1968, OCLC 16764838 (estnisch).
  • Herbert Laidvee: Fr. R. Kreutzwaldi bibliograafia 1833–1969 (= Personaalbibliograafiad. Bd. 1). Eesti Raamat, Tallinn 1978, OCLC 5479586 (estnisch).
  • Cornelius Hasselblatt: Kalevipoeg Studies. The Creation and Reception of an Epic (= Studia Fennica Folkloristica. Bd. 21). Finnish Literature Society – SKS, Helsinki 2016, ISBN 978-952-222-711-9 (englisch).
  • St. Petersburg und Livland – und die Entwicklung der estnischen Literatur. Anton Schiefner (1817–1879) und Friedrich R. Kreutzwald (1803–1882) im Briefwechsel (= Orientalistik-Bibliographien und -Dokumentationen. Bd. 22). Bearbeitet von Hartmut Walravens. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-447-06933-5.
  • Carola L. Gottzmann / Petra Hörner: Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs. 3 Bände; Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2007. ISBN 978-3-11-019338-1. Band 2, S. 757–761
  • L. Tohver: F. R. Faehlmanni ja F. R. Kreutzwaldi elust ja loomingust (= Keel ja kirjandus. 13). Loodus, Tartu 1934, OCLC 180456773 (estnisch).
  • Gustav Suits: Nuori Kreutzwald. Viron kielestä suomentanut Helvi Katajavuori. Sumalaisen Kirjallisuuden Seura, Helsinki 1953, OCLC 503973341 (schwedisch).
  • Endel Nirk: Friedrich Reinhold Kreutzwald (= Eesti kirjamehi). Lauluisa elulugu. Eesti Riiklik Kirjastus, Tallinn 1961, OCLC 253482400 (estnisch; „des Dichters Lebensgeschichte“).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Abschrift der Geburtsurkunde aus dem Jahr 1903. In: kreutzwald.kirmus.ee, abgerufen am 26. September 2016.
  2. Friedrich Scholz: Die Literaturen des Baltikums. Ihre Entstehung und Entwicklung (= Abhandlungen der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 80). Westdeutscher Verlag, Opladen 1990, ISBN 3-531-05097-4, S. 269.
  3. a b c Anne-Marie Thiesse: La création des identités nationales – Europe XVIIIe–XXe siècle. In: Richard Figuier (Hrsg.): Points Histoire. 2. Auflage. H296. Éditions du Seuil, Paris 2001, ISBN 2-02-034247-2, S. 118 ff.
  4. Cornelius Hasselblatt: Geschichte der estnischen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. De Gruyter, Berlin u. a. 2006, ISBN 978-3-11-018025-1, S. 224.
  5. Album Estonorum. Hrsg. vom Philisterverbande der Estonia, Nr. 119. Tallinn 1939.
  6. Diese Märchen in Friedrich Reinhold Kreutzwald: Estnische Märchen. Aus dem Estnischen übertragen von Ferdinand Löwe, bearbeitet von Aivo Kaidja, illustr. von Peeter Ulas. Verlag Perioodika, Tallinn 1981, OCLC 23187244.

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