Friedrich-Wolf-Theater (Eisenhüttenstadt)

Friedrich-Wolf-Theater
Frontalansicht des Theaters

Frontalansicht des Theaters

Daten
OrtEisenhüttenstadt
BaumeisterArchitektenkollektiv
BauherrRat der Stadt Stalinstadt[1]
BaustilSozialistischer Klassizismus
Baujahr1955
Koordinaten52° 8′ 56,5″ N, 14° 37′ 51,1″ O

Das Friedrich-Wolf-Theater in Eisenhüttenstadt ist ein Bauwerk im Stil des sozialistischen Klassizismus aus dem Jahr 1955. Es entstand im Zusammenhang mit der Verbesserung des Kulturangebotes für die Arbeiter und Angestellten der Stahlwerksiedlung, die zu den ersten Bewohnern gehörten. Die Kultureinrichtung besitzt vier verschieden große Spielstätten an zwei Standorten.

Lage

Lindenallee (bis 1991 Leninallee) 23 im Zentrum der Stadt ist die Adresse des Kulturbauwerks. Der Verkehrsweg führt auf der östlichen Seite am Haupteingang vorbei. Auf der westlichen Seite, wo sich die hinteren Bühneneingänge befinden, schließt sich der Bauernmarkt an, welcher bis zur Fritz-Heckert-Straße führt. Der Bauernmarkt wird durch die sogenannten Bandläden begrenzt, welche das Theater teilweise umschließen, ohne baulich mit selbigen verbunden zu sein.[2] Bis zur Fertigstellung der Magistralbebauung Anfang der 1960er Jahre stand das Gebäude frei.

Dem Theater vorgelagert ist eine ringsumlaufende Terrasse mit fünfstufiger Freitreppe.[1]

Geschichte

Vorgeschichte

Auf Empfehlung und Beschluss der staatlichen Leitung der Hochofen-Erbauer gründete sich ein kleines Kulturensemble mit Tanz- und Gesangsgruppen und trat im eigenen Werk auf. Weil dies gut angenommen wurde und sich viele Arbeiterinnen und Arbeiter des Werkes in ihrer Freizeit dem Ensemble anschlossen, wurde der Bau einer eigenen Kulturhalle notwendig. Ein Kulturdirektor wurde eingestellt. Mit den vorhandenen Materialien und nach der Grundsteinlegung im Jahr 1951 errichtete eine Kolonne Zimmerleute auf den gemauerten Fundamenten den inneren Holzpfeilerbau. So entstand ein erstes einfaches Kulturhaus, das eher einer Scheune ähnlich sah und keinen Fassadenschmuck aufwies. Die Eröffnung erfolgte am 20. Dezember 1951 mit einem großen Kulturprogramm.[3]

Ein Multifunktions-Kulturbau entsteht

Frühe Entwürfe des zur Planungszeit noch Kino Stalinstadt genannten Theaters stammen aus dem November 1953.[4] Baubeginn war am 1. März 1954, der Rohbau war bereits im Juli 1954 abgeschossen. Das Richtfest fand am 20. August 1954 statt. Um die Bauarbeiten auch in der kalten Jahreszeit fortführen zu können, wurden mittels einer auf dem Bauernmarkt aufgestellten Heizlokomotive die Innenräume während des Ausbaus warm gehalten.[5] Die Inbetriebnahme des Filmtheaters wurde ab Januar 1955 vorbereitet; die Freitreppe war im Februar 1955 fertiggestellt. Zum ersten Direktor des nun Kulturhaus „Friedrich Wolf“ genannten Theaters wurde Fred Haas berufen.[6]

Die Einweihung des Kulturgebäudes erfolgte am 6. März 1955 mit einem Gastspiel des Deutschen Theaters mit dem Stück Viel Lärm um nichts im Beisein der Witwe Friedrich Wolfs. Es folgten bald neben den Kinovorführungen weitere Gastspiele von Theaterensembles aus Frankfurt (Oder), Cottbus und aus mehreren Ländern.[5] So entwickelte sich die Einrichtung zu einem bedeutenden Kulturzentrum des EKO und der Einwohner.

(c) Bundesarchiv, Bild 183-61967-0001 / CC-BY-SA 3.0
1959: Bau der Leninallee in Stalinstadt, das Theater steht noch frei
Fotograf: Ulrich Kohls, Quelle Bundesarchiv, Bild 183-61967-0001

Die Versorgung mit Warmwasser und Heizung garantierten nach der Eröffnung drei Lokomobilen, welche ein provisorisches Kesselhaus bekamen.[7] Sie ersetzten die bis dahin genutzte Heizlok auf dem Bauernmarkt. Zum Winter 1957 erhielt das Kulturhaus Anschluss an das Fernheiznetz der Stadt durch die Inbetriebnahme des Heizkraftwerkes II.[8]

Im Jahr 1957 erhielt das Theater eine Cinemascope-Kinoanlage zur Projektion von 35 mm-Breitbildkinofilm.[9] Bereits 1958 wurde die Anlage auf Totalvision vom VEB Carl-Zeiss-Jena umgebaut.[10]

Kulturensemble Friedrich Wolf

Später entstanden in Eisenhüttenstadt weitere Kulturstätten, von denen sich vier zu einem Kulturensemble zusammenschlossen, das den Ehrennamen des Schriftstellers Friedrich Wolf übernahm. Es handelt sich um den großen Theatersaal, ein Rang-Foyer, eine kleine Spielstätte (die kleine bühne) und eine in der Bergstraße Ecke Diehloer Straße in einem Park gelegene Freilichtbühne.

Programm

Im Lauf der Zeit wandelte sich der Charakter des Hauses zu einem städtischen Theatergebäude, in dem alle Kunstgattungen vertreten sind. In der DDR-Zeit diente es auch als Veranstaltungsort für Feste wie die Jugendweihe, den Internationalen Frauentag oder den Tag der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft.[11]

Nach dem Mauerfall und der deutschen Wiedervereinigung blieb das Theater erhalten. Es entstanden neue kommunale Zuständigkeiten, und die Kulturbedürfnisse änderten sich. Seit den 1990er Jahren werden im Friedrich-Wolf-Theater Theaterstücke, Tanzshows, Musicals und klassische Konzerte bis hin zu Comedy, Schlager und Volksmusik aufgeführt.[12]

Jährlich im März findet seit 1993 die vom Theaterensemble ins Leben gerufene TanzWoche statt, ein Festival, das den künstlerischen Nachwuchs der Stadt und des Umlands sowie altbekannte Meister des Bühnentanzes zu gut besuchten Auftritten vereint. Beteiligt sind unter anderem die städtischen Ensembles Tanzensemble kuz, Tanzlust Jung und Alt e.V., Fire & Flame e.V. sowie CarMa e.V.[12]

Theaterleiter

  • 1955–1969: Fred Haas
  • 1970–1975: Eckhardt Gabriss
  • 1976–1979: Harald Puschmann
  • 1979–1988: Werner Swenshorn
  • 1988–1991: Volker Nehring
  • 1991–1999: Roswitha Ramm
  • 1999–2009: Isabell Dobisch-Döhmer
  • 2009–2011: Steffen Kaye
  • 2012–2020: Regina Richter-Piehl
  • seit 2020, März: Jens Zörner[13]

In der Umgebung

In der Lindenallee, in Sichtweite des Theatergebäudes, wurde im Jahr 2000 eine metallene Skulptur aufgestellt, die zwei aufgerichtete konkav gebogene Metallplatten zeigt, die der Bildhauer Christian Roehl geschaffen hat.[14] Die Skulptur aus zwei Brammen aus dem Stahlwerk entstand im Ergebnis eines Metallurgie-Pleinairs, an dem sich 15 Künstler beteiligten. Sie erhielt den Namen EnergieErfahrung.[15]

Architektur und technische Daten

Bei dem Gebäude handelt es sich um einen 3-geschossigen massiven, vollunterkellerten Mauerwerksbau, teilweise mit Einbauten aus Stahlbeton und Bitumendachdeckung[1] im Stil des sozialistischen Klassizismus mit sechs Säulen mit rechteckigem Querschnitt sowie einem Dreiecksgiebel.[16] Der Entwurf ist eine Kollektivarbeit der Architekten Peter Schweizer, Walter Palloks, Hans Klein, Heinz Scharlipp und Hermann Enders[1] auf Basis der Stadtplanung des Kollektivs um Kurt W. Leucht.

Die Fassade ist rundherum abgeputzt, in den Farben gelb und weiß gestaltet. Der Haupteingang wird durch die mit weißer Farbe hervorgehobenen Säulen markiert. Zwischen den sechs Säulen sind jeweils eine rechteckige Tür und darüber ein hochrechteckiges Acht-Sprossenfenster eingebaut. Auf den Wandflächen zwischen den gleich großen Türen und den Fenstern befinden sich achteckige zylinderförmige Wandleuchten mit Milchglas verkleidet.

Beidseitig an den Baukörper des Theaters sind leicht zurückgesetzt symmetrisch ausgeführte flache Flügelbauten aus Glas, Stahl und Beton errichtet worden, die die bauliche Verbindung zu den Wohngebäuden herstellen. Sie beherbergen Dienstleistungseinrichtungen.

Ausstattung

Zur Ausstattung des Kulturgebäudes gehören:

  • der Große Saal mit 711 Sitzplätzen, davon 477 im Parkett und im ersten Rang, zusätzlich Stellplätze für 8 Rollstuhlfahrer[17][18]
  • das Rangfoyer im Obergeschoss[19]
  • die Kleine Bühne im Flügelbau für 120 Zuschauer[17]
  • die Freilichtbühne in den Diehloer Bergen mit Platz für 2130 Personen und barrierefreiem Zugang[17]

Nutzung

Im Jahr 1994 fanden am Friedrich-Wolf-Theater mit seinen 17 Mitarbeitern fast 800 Filmveranstaltungen, Kabarettabende, Konzerte, Theateraufführungen und Lesungen vor mehr als 100.000 Besuchern statt.[5]

In den 2020er Jahren bieten alle vier Spielstätten entsprechend ihrer Größe und ihrer Lage abwechslungsreiche Veranstaltungen für Interessenten aller Altersgruppen.[20]

Weblinks

Commons: Friedrich-Wolf-Theater Eisenhüttenstadt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Problemlink

Einzelnachweise

  1. a b c d Bautechnischer Erläuterungsbericht zum Entwurf Kino Stalinstadt vom 15.03.1954; Stadtarchiv Eisenhüttenstadt, Bestand C 11 Stadtbauamt.
  2. Lageplan zum Bauvorhaben Bauernmarkt Stalinstadt, 23. November 1956; im Stadtarchiv Eisenhüttenstadt, Bestand C 11 Stadtbauamt.
  3. Hans Marchwitza: Roheisen. Verlag Tribüne Berlin 1955. Roman um die Entstehung von Eisenhüttenstadt. In einem Abschnitt sind konkrete Angaben zu den Baugrundlagen enthalten: S. 412/413.
  4. Vorentwurf der Vorderansicht für das Kino Stalinstadt vom 7.11.1953; im Stadtarchiv Eisenhüttenstadt, Bestand C 11 Stadtbauamt.
  5. a b c Erich Schech: Festwoche würdigt das Jubiläum. In: www.nd-aktuell.de. 4. März 1995, abgerufen am 27. August 2023.
  6. Protokoll über die 45. Sitzung des Rates der Stadt Stalinstadt am 20.01.1955; Stadtarchiv Eisenhüttenstadt, Bestand C 07, Sekretär des Rates.
  7. Lageplan des provisorischen Kesselhauses für das Kino Stalinstadt vom 03.05.1954; Stadtarchiv Eisenhüttenstadt, Bestand C 11 Stadtbauamt.
  8. Protokoll über die 6. Sitzung des Rates der Stadt Stalinstadt am 31.08.1957; Stadtarchiv Eisenhüttenstadt, Bestand C 07, Sekretär des Rates.
  9. Protokoll über die 123. Sitzung des Rates der Stadt Stalinstadt am 16.11.1956; Stadtarchiv Eisenhüttenstadt, Bestand C 07, Sekretär des Rates.
  10. Protokoll über die 16. Sitzung des Rates der Stadt Stalinstadt am 06.12.1957; Stadtarchiv Eisenhüttenstadt, Bestand C 07, Sekretär des Rates.
  11. Brigitte Vogel: Kulturelles Leben zwischen Stadt und Werk. In: Deutsches Historisches Museum. Abgerufen am 8. November 2022.
  12. a b Über uns. In: Website des Theaters. Archiviert vom Original am 26. September 2022; abgerufen am 27. August 2023.
  13. Das neue Gesicht des Theaters; Märkische Oderzeitung, 18./19. Januar 2020.
  14. Michael Bussmann, Gabriele Tröger: DDR-Architekt(o)ur – Spaziergang durch die sozialistische Planstadt Eisenhüttenstadt. In: hierdadort.de. Abgerufen am 28. August 2023.
  15. Private Künstlernachlässe in Brandenburg. Abgerufen am 4. Oktober 2023.
  16. Theater in Eisenhüttenstadt. In: archINFORM; abgerufen am 27. August 2023.
  17. a b c Informationen zum Theater. Archiviert vom Original am 26. September 2022; abgerufen am 27. August 2023.
  18. Großer Saal des Friedrich-Wolf-Theaters und Freilichtbühne. Archiviert vom Original am 11. April 2016; abgerufen am 28. August 2023.
  19. Das Friedrich-Wolf-Theaters als Gastspielpartner. Abgerufen am 5. Oktober 2023.
  20. Aktuelle Veranstaltungen. In: Tourismusinformation Eisenhüttenstadt. Abgerufen am 29. August 2023 (Veranstaltungsort „Friedrich-Wolf-Theater“ anklicken).

Auf dieser Seite verwendete Medien

Bundesarchiv Bild 183-61967-0001, Eisenhüttenstadt, Friedrich-Wolf-Theater, Rohbau.jpg
(c) Bundesarchiv, Bild 183-61967-0001 / CC-BY-SA 3.0
Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
Eisenhüttenstadt, Friedrich-Wolf-Theater, Rohbau Zentralbild Krueger Kohls-Sommer Ho.2.2.1959 1500 Wohnungen für Eisenhüttenstadt. Im Jahre 1959 werden in Eisenhüttenstadt, der ersten sozialistischen Stadt der DDR, 750 Wohnungen schlüsselfertig übergeben und weitere 750 Wohnungen im Rohbau fertiggestellt werden. Wie im Volkswirtschaftsplan vorgesehen, werden vorrangig Wohnungen mit einer Grundfläche von durschschnittlich 55 qm gebaut. Außerdem sind zahlreiche Sonderbauten in Angriff genommen, u.a. ein Textilkaufhaus, ein Möbelkaufhaus, zahlreiche Läden und eine Grundschule. UBz: Übersicht aus dem Baukomplex IV, der sich rund um das Friedrich-Wolf Theater erstreckt. Blick auf eines der Punkthäuser, daß Mitte Februar 1959 im Rohbau fertiggestellt sein wird.
Eisenhüttenstadt Friedrich-Wolf-Theater, Lindenallee (1).jpg
Autor/Urheber: Peter Kaminsky, Berndroth, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Eisenhüttenstadt, Friedrich-Wolf-Theater in der Lindenallee