Friedhelm Busse (Politiker)

Friedhelm Busse beim NPD-Bundesparteitag 2006

Friedhelm Busse (* 4. Februar 1929 in Bochum; † 23. Juli 2008 in Passau) zählte zu den führenden Köpfen der militanten Neonaziszene in Deutschland.[1] In den 1970er-Jahren prägte er die Entwicklung der militanten extremen Rechten entscheidend mit.[2] Bis zu ihrem Verbot war er Vorsitzender der rechtsextremen FAP.

Leben

Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus

Busse als Redner bei einer Demonstration der Freien Kameradschaften in Hagen am 10. Februar 2001

Der gelernte Schriftsetzer stammte aus einem stark nationalsozialistisch geprägten Elternhaus: Sein Vater, ein späterer SA-Sturmbannführer,[3] war bereits 1920 Mitglied der NSDAP und einer der ersten SA-Männer im „roten“ Ruhrgebiet. Im Jahre 1944 meldete sich der damals 15-jährige Friedhelm Busse nach zwei Jahren Adolf-Hitler-Schule freiwillig zur Waffen-SS und kam Anfang 1945 zur 12. SS-Panzer-Division „Hitlerjugend“.[4] Als Panzerjäger kämpfte er bis April 1945 gegen die vorrückenden Alliierten.[5]

1945–1965

In den 1950er Jahren wurde Busse Mitglied und Funktionär des rechtsextremen Bundes Deutscher Jugend (BDJ).[6] Am 31. Mai 1952 wurde er auf dem Pfingsttreffen des BDJ zum ersten Mal wegen gefährlicher Körperverletzung verhaftet und 1953 wegen Beihilfe zur Freiheitsberaubung und Amtsanmaßung zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt.[7] Nach seiner Haftentlassung stieß er durch die Vermittlung von Wilhelm Meinberg und Rudi Krüger zur Deutschen Reichspartei (DRP), in der er verschiedene Funktionärsposten übernahm, unter anderem als Kreisvorsitzender in Wattenscheid.[7]

Noch in seiner Zeit bei der DRP engagierte sich Busse für den „Südtiroler Freiheitskampf“. 1963 fand die Polizei bei Busse ein Kilogramm Dynamit; er wurde später zu drei Monaten auf Bewährung wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz verurteilt.[8] Nach seiner Haftentlassung trat er 1965 der NPD bei, in der die DRP aufgegangen war.[7] Er führte den Kreisverband Bochum-Wattenscheid und gehörte dem Landesvorstand in NRW an. Er wurde Leiter des Referates „Sozialpolitik und Gewerkschaftsfragen“.[9]

1969–1983

Als die NPD 1969 an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, entbrannte ein Richtungsstreit. Während die offizielle Parteilinie eine „bürgerliche“ NPD anstrebte, drängte die innerparteiliche Opposition, der auch Busse angehörte, auf eine Radikalisierung der politischen Aussagen. Vor allem der an SA-Schlägertruppen erinnernde Ordnerdienst der NPD, der Ende der 60er Jahre die öffentliche Wahrnehmung der Partei dominierte, polarisierte die Partei.[10] Busse war 1970 an der Gründung der Aktion Widerstand beteiligt, die vor allem aktionistisch orientierte Rechte organisieren und mobilisieren sollte. In den Wintermonaten 1970/1971 beteiligte er sich an zahlreichen gewalttätigen Ausschreitungen der Deutsch-Sozialen Aktion (DSA) von Dirk Schwartländer, den er aus der DRP kannte. Aufgrund seiner Festnahme und Beteiligung an einer gewaltsamen Aktion der DSA am 16. Januar 1971 vor der sowjetischen Botschaft in Rolandseck bei Bonn wurde Busse im Mai 1971 aus der NPD ausgeschlossen.[11] Seit 1969 wurde Busse bei seinen Aktionen und Gründungen von seinem Freund, dem ehemaligen Polizeibeamten Peter Weinmann, begleitet. Wie sich später herausstellte, spähte Weinmann als V-Mann „Werner“ für das Bundesamt für Verfassungsschutz die Neonazi-Szene in Busses Umfeld aus.[12] Ab 1976 war Weinmann gleichzeitig für den italienischen Militärgeheimdienst SISMI tätig.

Nur kurz nach seinem Ausschluss aus der NPD gründete Busse mit anderen 1971 in Krefeld die Partei der Arbeit / Deutsche Sozialisten (PdA/DS). Hier sammelten sich die Aktivisten der Deutsch-Sozialen Aktion und der Aktion Widerstand. Unter Busses Führung trat die PdA/DS im Januar 1972 in die Aktion Neue Rechte (ANR) von Siegfried Pöhlmann ein. Busse wurde Landesbeauftragter für Nordrhein-Westfalen, 1973 Mitglied des Bundesvorstandes und Leiter des „Referats Strategie“. Nach einem Richtungsstreit, in dessen Konfliktgegenstand drei Strömungen um die inhaltliche Dominanz konkurrierten, setzten sich die „Nationalrevolutionären“ durch. Im Sommer 1973 verließ Busse daher mit seinen „Volkssozialisten“ die ANR.

Im Jahr 1972 verlegte Busse seinen Wohnsitz von Bochum nach Neubiberg bei München.[13]

1975 war er gemeinsam mit anderen einschlägigen Neonazikadern an der Gründung der NSDAP-Aufbauorganisation beteiligt.[14] Busse bezeichnete 1978 den 9. November als „Explosion des deutschen Volkes gegen die jüdische, antideutsche Hetze, gegen die jüdisch-bolschewistische Propaganda“.[15]

Am 20. April 1976 trat er als Redner bei einer Geburtstags-Gedenkfeier für Adolf Hitler vor dessen Geburtshaus auf und wurde deshalb mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot für Österreich belegt.[16]

Bei einer Veranstaltung der Humanistischen Union am 24. März 1981 in München kam es zu massiven Störungen von VSBD-Anhängern unter der Leitung von Busse, diese gipfelten in gewalttätigen Auseinandersetzungen.[17] Am 20. Oktober 1981 wurde Busses Wohnung in Neubiberg zum Ausgangsort für einen versuchten Banküberfall von fünf schwerbewaffneten VSBD-Aktivisten. Zwei von ihnen, Nikolaus Uhl und Kurt Wolfgram, wurden durch die Münchner Polizei erschossen, die anderen festgenommen.[18][19] 1983 wurde Busse wegen Hehlerei, Strafvereitelung, Begünstigung von Bankräubern und Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.[20]

1983–2000

Nachdem die ANS/NA 1983 verboten worden war, schlossen sich Busse und weitere Anhänger der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) an. Die FAP entwickelte sich zur Sammlungspartei militanter Neonazis. Es entwickelten sich zwei Lager in der FAP: die Fraktionen um Jürgen Mosler und um Michael Kühnen. Busse wurde als Kandidat der Mosler-Fraktion im November 1988 zum Bundesvorsitzenden der FAP gewählt, der er auch bis zum Ende der Partei blieb; Kühnen verließ 1990 mit seinen Anhängern die Partei. Im Frühjahr 1991 trennte sich auch Jürgen Mosler aufgrund eines Streits mit Busse von der FAP.[21]

Wegen seines Führungsstils schwand Busses Einfluss innerhalb der Neonaziszene seit Anfang der 1990er. Die FAP war nicht mehr die wichtige Sammlungspartei, die sie früher darstellte. Die Ablösung des Kühnen-Flügels und anderer wichtiger Funktionäre hatte einen deutlichen Mitgliederschwund zur Folge gehabt. 1995 wurde die FAP verboten.

1994 war Busse an der Gründung der „Stuttgarter Kameradschaft“ beteiligt. Die Versammlung, an der 187 Neonazis teilnahmen, wurde von der Polizei aufgelöst. Busse wurde im Dezember wegen Weiterführung der verbotenen ANS/NA zu zwanzig Monaten auf Bewährung verurteilt.

Ab Dezember 1997 war Busse Betreiber des „Nationalen Infotelefons“ Bayern und Leiter seiner „Katakomben-Akademie“, die als Kaderschmiede und Schulungseinrichtung fungieren sollte. Er betrieb den „Deutschen politischen Presse- und Informationsdienst“ (dpi) und gab verschiedene Publikationen heraus, wie die Nachrichten – Informationen – Meinungen (NIM), die sich als „Theorieorgan des Nationalen Widerstandes“ versteht, und seit 1999 eine Schriftenreihe Zeitgeschichtliche Dokumente. Auch im Internet war er aktiv und für die Website www.ffranken.com verantwortlich.

Letzte Jahre

Busse wurde wieder Mitglied der NPD und war regelmäßiger Redner bei Aufmärschen, worauf er von der Polizei mit Redeverboten belegt wurde. Am Tag der Arbeit 2001 wurde er wegen des Satzes „Wenn Deutschland judenfrei ist, brauchen wir kein Auschwitz mehr“ von der Polizei aus einer Demonstration ausgeschlossen. Im Juni 2001 bezeichnete er während einer Kundgebung in Karlsruhe die Gründung der Bundesrepublik Deutschland als kriminellen Akt, forderte die Wiedereinsetzung der NS-Diktatur und belegte Bundesaußenminister Joschka Fischer in antisemitischer Absicht mit dem Namen „Jossele“. Wegen beider Vorfälle wurde er 2002 u. a. wegen Volksverhetzung und Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole zu 28 Monaten ohne Bewährung verurteilt.

In einem Rundschreiben aus dem Gefängnis im Februar 2004 ernannte er Norman Bordin zu seinem Nachfolger in der „Führung des Nationalen Widerstandes“. Bordin hatte er nach eigenen Angaben während seiner „bisherigen Haftzeit in der JVA Bernau“ als „zuverlässigen und unbeugsamen Kameraden“ kennengelernt. In dem Rundschreiben rief er zur Zusammenarbeit mit der NPD auf, die „als Phalanx des nationalen Befreiungskampfes eines Tages die Mitverantwortung für die Gestaltung unseres künftigen Staates tragen“ werde.

Am 16. April 2007 trat der mittlerweile schwerkranke Busse eine Restfreiheitsstrafe von 68 Tagen in der Justizvollzugsanstalt St. Georgen-Bayreuth an. Wegen einer Krebserkrankung war die Freiheitsstrafe vorübergehend ausgesetzt worden. Er musste aufgrund seiner körperlichen Gebrechen im Rollstuhl ins Gefängnis gebracht werden.

Tod und Beerdigung

Friedhelm Busse starb in der Nacht zum 23. Juli 2008. Unter den 90[22] Gästen der Trauerfeier auf dem Friedhof im Passauer Ortsteil Patriching am 26. Juli 2008 befanden sich die NPD-Politiker Thomas Wulff, Udo Voigt, Sascha Roßmüller, Uwe Meenen und Matthias Fischer, die Kameradschaftsaktivisten Christian Worch und Siegfried Borchardt, die ehemalige Wiking-Jugend-Aktivistin Edda Schmidt, Daniela Wegener von der Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige und der Deutsche-Partei-Politiker Ulrich Pätzold. Die Polizei griff vier Anhänger Busses und sechs Gegner auf.[22]

Thomas Wulff wurde festgenommen, da er eine Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz über dem Sarg ausbreitete.[23] Am Tag nach der Beisetzung wurde das Grab auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Passau geöffnet, um die Flagge als Beweismittel sicherzustellen.[24] Wegen des Offizialdeliktes Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB); wurde Wulff am 16. Juni 2009 vom Passauer Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt.[25]

Filme

  • Helden für Deutschland? – Rechtsradikale in der Offensive. Film von Rainer Fromm und Christian Bock, Tele 5, 1992

Literatur

  • Terror von rechts. In: Der Spiegel. Nr. 44, 1981, S. 27–29 (online).
  • Dieter Rucht (Hrsg.): Berlin, 1. Mai 2002. Politische Demonstrationsrituale (= Bürgergesellschaft und Demokratie. Band 11). Leske + Budrich, Opladen 2003, ISBN 3-8100-3792-3.
  • Christine Hewicker: Die Aussteigerin. Autobiografie einer ehemaligen Rechtsextremistin. 2., überarbeitete Ausgabe Auflage. Acabus Verlag, Hamburg 2012, ISBN 978-3-86282-176-1 (Erstausgabe: Igel Verlag, Oldenburg 2001).
  • Spion aus Leidenschaft. Die unaufhaltsame Karriere des Mehrfachagenten Peter Weinmann. In: Der Spiegel. Nr. 7, 1994, S. 36–40 (online).
  • Richard Stöss: Rechtsextremismus im vereinten Deutschland. 3., aktualisierte Auflage. Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2000, ISBN 3-86077-940-0 (uni-hamburg.de (Memento vom 11. Juni 2007 im Internet Archive) [PDF; 422 kB; abgerufen am 28. September 2011]).

Einzelnachweise

  1. Thomas Grumke, Bernd Wagner: Handbuch Rechtsradikalismus. Leske und Budrich, 2002, S. 243. Ausführliche Biografie auf den Seiten 241–243.
  2. Jens Mecklenburg: Handbuch deutscher Rechtsextremismus. Elefanten Press, 1996, S. 449; Ausführliche Biografie auf den Seiten 448 und 449.
  3. Uwe Backes, Eckhard Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Propyläen, 1993, S. 293 (ausführliche Biografie Busses)
  4. Jens Mecklenburg: Handbuch deutscher Rechtsextremismus. Elefanten Press, 1996, S. 448.
  5. Guido Knopp: Die SS: eine Warnung der Geschichte. Bertelsmann, 2002, S. 321.
  6. Jan Zobel: Volk am Rand: NPD: Personen, Politik und Perspektiven der Antidemokraten. Edition Ost, 2005, S. 60.
  7. a b c Uwe Backes, Eckhard Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Propyläen, 1993, S. 293.
  8. Rudolf Schneider: Die SS ist ihr Vorbild – Neonazistische Kampfgruppen und Aktionskreise in der Bundesrepublik. Frankfurt am Main 1981, S. 97.
  9. Pressedienst demokratische Initiative (Hrsg.): Bericht über neonazistische Aktivitäten 1978. München 1979, S. 117.
  10. Thomas Assheuer, Hans Sarkowicz: Rechtsradikale in Deutschland – Die alte und die neue Rechte. München 1994, S. 22f.
  11. Manfred Rowold: Im Schatten der Macht. Droste Verlag, 1974, S. 262.
  12. Hans-Gerd Jaschke, Birgit Rätsch, Yury Winterberg: Nach Hitler: Radikale Rechte rüsten auf. Bertelsmann-Verlag, 2001, S. 72.
  13. Uwe Backes, Eckhard Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Propyläen Verlag, 1993, S. 293.
  14. Drahtzieher im Braunen Netz. 1996, S. 143.
  15. Pressedienst demokratische Initiative (Hrsg.): Bericht über neonazistische Aktivitäten 1978. München 1979, S. 26 sowie 107.
  16. Herbert Lackner: Terrorchef war „Ehrengast“ bei Burgers NDP-Parteitag. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 23. Oktober 1981, S. 02.
  17. Peter Dudek: Jugendliche Rechtsextremisten – Zwischen Hakenkreuz und Odalsrune 1945 bis heute. Köln 1985, S. 168.
  18. Drahtzieher im Braunen Netz. 1996, S. 85.
  19. Feuergefecht in München: Polizei erschoß zwei Neonazi. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 22. Oktober 1981, S. 01.
  20. Ulrich Chaussy: Eine Nazi-Operette wird ernst. In: Wolfgang Benz: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-596-24259-2, S. 13ff und Peter Dudek: Jugendliche Rechtsextremisten – Zwischen Hakenkreuz und Odalsrune 1945 bis heute. Köln 1985, S. 170.
  21. Drahtzieher im Braunen Netz. 1996, S. 160.
  22. a b Massive Ausschreitungen von Rechtsextremisten nach Beerdigung des verstorbenen Rechtsextremisten Friedhelm BUSSE. (Memento vom 29. Juli 2008 im Internet Archive) Pressemitteilung der PD Passau
  23. Hakenkreuzfahne in’s Grab. In: ND. 7. April 2010.
  24. Eklat um NPD-Chef Voigt: Justiz lässt Hakenkreuzfahne aus frischem Grab holen. In: Spiegel Online. 31. Juli 2008.
  25. Hakenkreuzfahne ist keine Grabbeigabe. (Memento vom 11. September 2012 im Webarchiv archive.today) auf: sueddeutsche.de, 16. Juni 2009.

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