Friedenskirche (Eupen)

Friedenskirche Eupen

Die Friedenskirche in Eupen, Provinz Lüttich, Belgien, ist ein Kirchengebäude der evangelischen Kirchengemeinde Eupen-Neu-Moresnet im Verbund der Vereinigten Protestantischen Kirche von Belgien. Sie wurde zwischen 1851 und 1854 nach Plänen des Aachener Königlichen Regierungs-Baurats Theodor August Stein im neugotischen Stil erbaut und am 5. Dezember 1855 eingeweiht. Die Friedenskirche, ihre Kanzel sowie die Einfriedungsmauer und 22 historische Grabplatten wurden 1987 unter Denkmalschutz gestellt. Darüber hinaus wurde im Jahr 1996 die 1907 angefertigte pneumatische Orgel aus der Werkstatt des Orgelbauers Eberhard Friedrich Walcker als erste ihrer Art in Belgien ebenfalls unter Schutz gestellt.

Geschichte

Die Geschichte der evangelischen Pfarre und ihrer Kirche ist eng verbunden mit der wechselvollen Geschichte der Stadt Eupen und der vom jeweiligen Landesherrn abhängigen Glaubensfreiheit. Mitte des 16. Jahrhunderts bekannten sich in Eupen, erst noch vereinzelt, mehrere Familien zu den Lehren des calvinistischen Reformators Franciscus Junius. Sie wurden jedoch in der Zeit, als Eupen und seine Umgebung von den Spanischen Niederlanden regiert wurde, in der Ausübung ihrer Religion unterdrückt und teilweise mit der Reichsacht belegt. Daraufhin hielten sie ihre regelmäßigen sonntäglichen Messfeiern, aber auch Tauf- und Hochzeitsandachten in der im Jahr 1660 eingeweihten Waalse Kerk in Vaals ab, zu der sie jeweils in einem rund vierstündigen Fußmarsch über den so genannten „Geusenweg“ pilgerten.

Evangelisches Pfarrhaus

Nachdem zu Beginn des 18. Jahrhunderts im Rahmen des Spanischen Erbfolgekrieges das Gebiet aber vorübergehend an die Vereinigte Niederlande fiel, war es den evangelischen Gläubigen nun möglich, sich unter bestimmten Bedingungen zu ihrer Religion zu bekennen. So wurde es ihnen erlaubt, 1707 eine Gebets- und Versammlungsstätte in der Eupener Hookstraße zu erbauen, die nach außen den Charakter eines repräsentativen Bürgerhauses hatte, innen aber als Kirche mit Betsaal sowie als Pfarr- und Lehrerwohnung eingerichtet war.

Bereits wenige Jahre später, als ab 1714 die Österreichische Niederlande die Herrschaft über die Gebiete übernommen hatte, mussten die evangelischen Gläubigen wieder in den Untergrund rücken. Erst durch den Toleranzedikt von 1781 durch Kaiser Joseph II. wurden die Protestanten zunächst geduldet und erhielten schließlich in der Zeit der französischen Besatzung Eupens von 1797 bis 1815 vollständige Gleichstellung, die ab 1815 von der nun selbst überwiegend protestantisch preußischen Regierung unterstützt wurde. Seit dem 27. November 1831 war die Gemeinde Eupen Glied im unierten Kirchenkreis Aachen, ihr Bekenntnis ist dagegen eher der Reformierten Kirche zuzuordnen.[1]

Es dauerte jedoch bis Mitte des 19. Jahrhunderts, bis die Protestanten sich mit Unterstützung des Bürgermeisters Peter Becker und durch Spendensammlungen einen eigenen Kirchenbau leisten konnten. Im Jahr 1851 wurde der Grundstein für die neue Kirche gelegt, die nach vierjähriger Bauzeit am 5. Dezember 1855 als Friedenskirche eingeweiht wurde. Nachdem der preußische Kreis Eupen im Rahmen des Versailler Vertrags am Ende des Ersten Weltkriegs dem belgischen Staat angegliedert wurde, schlossen sich die evangelischen Christen Ostbelgiens nun der Union des Églises protestantes évangéliques de Belgique mit Sitz in Brüssel an, die wiederum 1978 in die „Vereinigte Protestantische Kirche von Belgien“ eingegliedert wurde.

Das 1707 erbaute alte evangelische Pfarrhaus, das die Wirren der Zeit überstanden hatte und im Besitz evangelischer Bürger geblieben war, diente noch über viele Jahrzehnte hinweg als evangelische Schule und fungiert in der heutigen Zeit als Gemeindehaus für zahlreiche Aktivitäten sowie als Ersatzraum für Gottesdienste in kleinerem Rahmen. Im Jahr 2005 wurde es ebenfalls in die Liste der denkmalgeschützten Bauten Eupens aufgenommen.[2]

Baubeschreibung

Die in Bruchsteinbauweise errichtete Friedenskirche besteht aus einem dreischiffigen Chor mit einer fünfseitigen und angebauten niedriger gehaltenen Apsis an der Ostseite sowie einem vorgesetzten dreigeschossigem Turm auf quadratischen Grund an seiner Westseite. Die Ecken des Chores werden durch Stützpfeiler aus Blaustein mit aufgesetzten Fialen betont, die an der West- und Ostseite des Gebäudes in einen dem Verlauf des Satteldachs angepassten Zinnengiebel übergehen. Der vordere westseitige Zinnengiebel ist beiderseits des Turmes durch fünf schmale Spitzbogennischen mit einer kleinen Maßwerköffnung in der Spitze versehen. Zwei weitere bis zum Dachsims ragende Stützpfeiler, ebenfalls aus Blaustein, geben dem Gebäude an den seitlichen Chorwänden den nötigen Halt.

Für das Licht im Kircheninneren sorgen an jeder Seite des Chores sechs paarig zwischen den Stützpfeilern sowie drei in der Apsis angeordnete Spitzbogenfenster. Es handelt sich hierbei um in Grisaille gestaltete Fenster, die in der Apsis von einem rot gestaltetem Maßwerk umrandet sind. Die Apsisfenster sind noch die Originalanfertigungen aus der Bauzeit der Kirche, wogegen die Schiffsfenster nachträglich angefertigt worden sind.

Diakonengräber

Das Areal um das Kirchengebäude ist weiträumig mit einer alten Bruchsteinmauer umgeben, innerhalb dieser ein kleiner alter Friedhof integriert ist, auf dem noch 22 alte Grabplatten erhalten geblieben sind, die an Eupener Diakone aus dem 17. und 18. Jahrhundert samt ihren Wappen und Hausmarken erinnern.

Turm

Der hohe dreigeschossig abgestufte Glockenturm aus Bruchsteinen wird vorderseitig an den Ecken von Stützpfeilern aus Blausteinquadern stabilisiert, die in verschlankter Form mit ihren Fialenspitzen über das obere Gesims des ersten Obergeschosses hinausragen und mit diesem mit kleinen angedeuteten Strebebögen verbunden sind. Das Untergeschoss ist im Eingangsbereich ganz aus Blaustein gefertigt und wird ausgefüllt von einem mit vier Blausteinstufen erhöhtes Spitzbogenportal. In diesem ist eine Doppelflügeltür mit Spitzbogenornamenten und einem spitzbogenförmigen Oberlicht mit doppeltem Maßwerk eingelassen, das mit eingesetztem Buntglas versehen ist. In der darüberliegenden rechteckigen Wandfläche zwischen dem baulich hervorgehobenen Portalsturz und dem mit kleinem Maßwerk versehenen rundum verlaufenden Gesims zum ersten Obergeschoss ist die Schrift: „EHRE SEI GOTT IN DER HÖHE – FRIEDE AUF ERDEN UND DEN MENSCHEN EIN WOHLGEFALLEN“ eingraviert.

Das flächenmäßig leicht zurückgesetzte erste Obergeschoss beherbergt im unteren Bereich die Orgelempore, für deren Licht an den drei freien Außenseiten jeweils ein kleines Spitzbogenfenster sorgt. Die obere Hälfte dieses Geschosses, das chorseitig nur leicht über den Dachfirst hinausragt, dient dem unteren Glockengestühl. Dazu sind in den freien Außenwänden jeweils paarig zwei kleine Spitzbogenöffnungen mit Lamellen als Schallöffnungen eingelassen, über denen die Kirchturmuhren eingebaut sind.

Dachaufbau Turm

Das erste Obergeschoss schließt mit einem weiteren rundum verlaufenden Gesims ab, über dem das flächenmäßig leicht verkleinerte zweite Obergeschoss für die Glockenaufhängung aufgebaut ist, das an seinen vier Ecken mit eigenen über die Geschosshöhe hinausgehenden Stützpfeilern aus Blaustein mit aufgesetzten Fialen versehen ist. Alle vier Seitenflächen sind mit jeweils einem großen Spitzbogenfenster mit integriertem Maßwerk ausgestattet, die ebenfalls mit Lamellen zur Schallweiterleitung für die drei Glocken ausgestattet sind. Diese sind auf die Namen „Glaube“, „Liebe“, und „Hoffnung“ getauft und wurden im Jahr 1939 von dem Bochumer Verein gegossen. Sie ersetzten die alten, im Kriegsjahr 1917 beschlagnahmten Glocken, die in der Werkstatt von Joseph Beduwe hergestellt worden waren.

Das zweite Obergeschoss schließt mit einem Flachdach ab, das von einer steinernen neugotisch ornamentierten Brüstung zwischen den Stützpfeilern umgeben ist. In dessen Mitte wurde die eiserne oktogonale durchbrochene Turmspitze aufgesetzt, deren Gerippe aus Schmiedeeisen besteht, das mit geschlagenem unbehandeltem Zinkblech überzogen sowie mit Krabben bestückt ist.

Ausstattung

Innenraum

Die dreischiffige Hallenkirche ist nach calvinistisch-puritanischer Auffassung schlicht und ganz in weiß gehalten sowie einfach ausgestattet. Lediglich die Wände des Chores sind im unteren Bereich mit einer schmalen rundum verlaufenden Stuckleiste verziert. Je Schiff ist die Kirche in drei Joche gegliedert, deren Kreuzrippengewölbe mit farblicher Pflanzenornamentik verziert sind. Die in Blaustein gefertigten und blau gestrichenen Gewölberippen münden mittig des Chores in vier monolithische oktogonale Pfeiler und an den seitlichen Wänden in Wandkonsolen. Die Pfeiler sind mit Kapitellen versehen, die ebenso wie die Wandkonsolen mit maßwerkartigen Nischen und blau-gelben Einfärbungen verziert sind.

Eine verputzte und weiß gestrichene Wand trennt den breiteren Chor zur schmaleren und niedrigeren fünfseitigen Apsis ab, die mittig über eine große, in Breite der Apsis gefasste Spitzbogenöffnung durchschritten werden kann. Vom zentralen Schlussstein im dortigen Kreuzrippengewölbe verlaufen sechs Rippen, die in mit Blendmaßwerk versehenen Konsolen münden. Rippen, Gewölbefelder und Konsolen entsprechen in ihrer Ausfertigung denen im Chor. Der Schlussstein ist zugleich die Aufhängung für den oktogonalen neugotischen Leuchter aus Eichenholz, der mit acht Lampenschirmchen aus neuerer Zeit bestückt ist.

Kanzel

Zentrum der Apsis bildet der rechteckige Altartisch aus Eichenholz, der rundum mit profiliertem Blendmaßwerk versehen ist. Hinter dem Altar ist an der Apsiswand unter dem zentralen Fenster ein schlichtes Holzkreuz angebracht. Links des Altares ist der Platz für den Taufstein, der der Pfarre zum 100-jährigen Jubiläum gestiftet wurde. Er ist ca. 1 Meter hoch und vollständig aus Blaustein angefertigt. Er gliedert sich in einen quadratischen Sockel, eine oktogonale Säule und ein oktogonales Becken mit der außen eingravierten Jahreszahl 1855/1955. In dem Becken ist eine blaue Keramikschale eingelassen, auf der in goldenen Buchstaben die Inschrift: „wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden. Marc 16.16“ eingraviert ist.

An der linken Chorwand vor der Apsis befindet sich die neugotisch kunstvoll geschnitzte hölzerne Kanzel, über der ein ebenso wertvoller Schalldeckel montiert ist. Dieser ist mit fünf hölzernen Bügeln bekrönt, die in einer verzierten Kreuzblume münden. Beiderseits des Mittelganges sind im Chor jeweils 12 Eichenholzbänke aufgestellt, die an ihren Außenseiten mit Blendmaßwerk und durchbrochenen Vierpässen ausgestattet sind. Mittig des Chores sorgen zwei weitere oktogonale Leuchter im Stile des Apsisleuchters für die nötige Beleuchtung. Der Fußboden des Chores ist im Schachbrettmuster abwechselnd mit dunklen und hellen Steinplatten ausgelegt.

Orgel

Walcker-Orgel

Zur Eröffnung wurde für die Friedenskirche eine einmanualige Orgel mit 15 Registern aus der Orgelwerkstatt Franz Wilhelm Sonreck in Köln angeschafft. Zur Finanzierung diente unter anderem der Verkauf der alten Orgel aus dem Betsaal im Pfarrhaus in der Hookstraße. Bereits zur Wende zum 20. Jahrhundert entsprach die Sonreck-Orgel trotz einer Restaurierung in der Orgelwerkstatt Stumm in Kirn nicht mehr den gestiegenen modernen Anforderungen und die Pfarre ließ eine neue Orgel von der Firma Walcker in Ludwigsburg anfertigen. Diese wurde unter der Opus-Nummer 1371 als zweimanualige und rein pneumatische Orgel gebaut und nach einer kurzen Zwischenstation beim Stuttgarter Musikfest im Jahr 1907 in der Friedenskirche endgültig aufgestellt.

In den 1960er-Jahren wurde eine erste umfangreiche Sanierung notwendig, die vom Eupener Orgelbauer Ernst Kühn vorgenommen wurde. Dieser nahm dem Instrument durch verschiedene technische Eingriffe den spätromantischen Klang. Er versuchte sie im neobarocken Stil umzugestalten, indem er beispielsweise das Aufhellen des Klanges durch Abschneiden der vorhandenen Orgelpfeifen oder durch das Verrücken der Pfeifen um mehrere Halbtöne vornahm. Einige Jahre später stellten sich Probleme mit der Pneumatik ein und schließlich wurde anlässlich einer Fernsehübertragung der freistehende Spieltisch abgetragen und später entsorgt.

Nach der Aufnahme der Orgel in das Denkmälerverzeichnis im Jahr 1996 wurde es möglich, der Orgel eine notwendige umfassende Restaurierung und Sanierung zukommen zu lassen. Diese wurde in der Werkstatt Orgelbau Schumacher in Baelen in Zusammenarbeit mit der Orgelbauerwerkstatt Jan Drozdowicz aus Posen vorgenommen. Dabei wurde die Orgel weitestgehend wieder in ihrem Ursprungszustand zurückgeführt, mit original Walcker-Ersatzteilen polnischer Herkunft versehen sowie mit einem neuen Spieltisch nach dem Vorbild der Orgel in der Herz-Jesu-Kirche in Posen-Jeżyce von 1900 ausgestattet. Zudem wurden die Pneumatik komplett ausgebaut und modernisiert sowie neue Winderzeuger in einem Schallschutzkasten im Bereich der Turmkammer mit einem Ansaugkanal zum Kirchraum aufgestellt. Schließlich wurde die Intonation wieder den spätromantischen Gepflogenheiten angepasst, im Jahr 2005 wurde der gesamte Umbau abgeschlossen.

Literatur

  • Jean-Jacques Bolly, Norbert Kreusch: Photographisches Verzeichnis sakraler Kunst in Belgien. Königliches Institut für Kunsterbe, Eupen 1981, S. 29–30. (Digitalisat)
  • Alfred Minke: Das Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Eupen-Neu Moresnet (1621–2000). Staatsarchiv Belgien. (Digitalisat)
  • Franz-Josef Vogt: Die Walcker-Orgel der evangelischen Friedenskirche in Eupen. In: Ars Organi, 55. Jhrg., Heft 3, 2008, S. 185–189. (Digitalisat)
  • Alfred Minke: 1707–2007 Festschrift anlässlich des 300jährigen Bestehens des Eupener Pfarrhauses. Die Evangelische Kirchengemeinde Eupen – Neu-Moresnet. ein geschichtlicher Rückblick. Eupen 2007.

Weblinks

Commons: Friedenskirche (Eupen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Klaus Schlupp: Konservativ und offen: Evangelische Christen in Belgien, auf evangelisch.de vom 22. Dezember 2011.
  2. Evangelisches Pfarrhaus Eupen auf ostbelgienkulturerbe.be

Koordinaten: 50° 37′ 51,2″ N, 6° 2′ 4,2″ O

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