Friedensgericht Osthofen

Das Friedensgericht Osthofen (bis 1822: Friedensgericht Bechtheim) war ein Friedensgericht zunächst in Frankreich und dann in der Provinz Rheinhessen des Großherzogtums Hessen mit Sitz in Bechtheim, später dann in Osthofen.

Vorgeschichte

Das Gebiet um Osthofen gehörte am Ende des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation zu großen Teilen der Kurpfalz sowie einer Reihe anderer Territorialherren.[1] Verwaltung und Rechtsprechung waren noch nicht getrennt und wurden auf unterer Ebene von Ämtern wahrgenommen. Der Amtmann entschied in Rechtsstreitigkeiten als Einzelrichter.

1792 eroberten die Truppen des revolutionären Frankreichs die Rheinlande. Dort entstand die Mainzer Republik. Auf deren Antrag annektierte der französische Nationalkonvent mit Gesetz vom 30. März 1793 die Mainzer Republik. Bedingt durch die Koalitionskriege kam es aber erst ab 1795 zu einer dauernden Neuordnung des Gebiets – auch auf dem Gebiet der Justiz.

Gründung

Durch das Gesetz über Verwaltung und Justizorganisation in den vier linksrheinischen Départements vom 5. Dezember 1795 (14 frimaire IV) wurde das französische Gerichtsverfassungsgesetz Loi des 16 et 24 août 1790 sur l'organisation judiciaire auch hier verbindlich.[2] Dieses Gesetz sah die Einrichtung von Friedensgerichten für die streitige Gerichtsbarkeit und von Notariaten für die Freiwillige Gerichtsbarkeit in allen Kantonen vor. Inwieweit das damals schon in die Praxis umgesetzt war, bleibt unklar, da der Erste Koalitionskrieg noch andauerte.

Mit dem Frieden von Campo Formio wurde die Annexion des Rheinlandes im Oktober 1797 auch von deutscher Seite anerkannt. Anschließend errichtete die französische Verwaltung in den annektierten Gebieten ihre Strukturen auf und richtete auch das „Friedensgericht Bechtheim“ ein, dessen örtliche Zuständigkeit sich auf den Kanton Bechtheim erstreckte.

Das Friedensgericht war dem Départementsgericht des Département du Mont-Tonnerre untergeordnet, das seinen Sitz in Mainz hatte. Oberstes Gericht war das Revisionsgericht in Trier.[3]

Weitere Entwicklung

Bereits 1804 wurde der Sitz des Gerichts nach Osthofen verlegt, wobei das Gericht Bezeichnung „Friedensgericht Bechtheim“ zunächst beibehielt.[4]

Nach der Rückeroberung in den Befreiungskriegen wurde die Region von 1814 bis 1816 von der österreichisch-baierischen Gemeinschaftlichen Landes-Administrations-Commission verwaltet. Diese ließ die vorgefundene Justizorganisation bestehen, ergänzte sie aber am 27. Juli 1815 um den Appellationshof in Kreuznach als Obergericht.

Auch das Großherzogtum Hessen, das Rheinhessen im Rahmen eines Gebietstausches 1816 erhielt und als Provinz Rheinhessen konstituierte, übernahm die bestehende Gerichtsverfassung. Allerdings wurde der Appellationshof in Kreuznach aufgelöst und mit einer „Provisorischen Appellations- und Kassationsgerichtsordnung für den großherzoglich hessischen Landesteil auf der linken Rheinseite“ ein Kreisgericht in Mainz geschaffen. Das Friedensgericht Bechtheim war nun eines von zwölf Friedensgerichten in der Provinz Rheinhessen. Sein Gerichtsbezirk blieb auch nach Auflösung des Kantons als Verwaltungsgebiet 1835 bis 1879 weitgehend unverändert bestehen, nur die Zuständigkeit für Heppenheim im Loch wurde 1836 an das Friedensgericht Alzey abgegeben.[5]

Zum 9. Dezember 1822 wurde der „Kanton Bechtheim“ in Kanton Osthofen umbenannt. Entsprechend wurde das „Friedensgericht Bechtheim“ in Friedensgericht Osthofen umbezeichnet.[6]

Nach der Teilung des Kreisgerichtes Mainz in die Kreisgerichte Mainz und Alzey zum 1. Dezember 1836 blieb das Friedensgericht Osthofen im Bezirk des Kreisgerichts Mainz, das am 24. Oktober 1852 in „Bezirksgericht Mainz“ umbenannt wurde.

Ende

Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 wurden Organisation und Bezeichnungen der Gerichte reichsweit vereinheitlicht. Zum 1. Oktober 1879 hob das Großherzogtum Hessen deshalb die Friedensgerichte auf. Funktional ersetzt wurden sie durch Amtsgerichte.[7] So ersetzte – bei geändertem Umfang des Gerichtsbezirks – das Amtsgericht Osthofen das Friedensgericht Osthofen. Das neue Amtsgericht war dem Landgericht Mainz und dem Oberlandesgericht Darmstadt untergeordnet.[8]

Bezirk

Der Gerichtsbezirk des Friedensgerichts Osthofen erstreckte sich (Ortsnamen nach heutiger Schreibung) auf:

Gemeinde[9]HerkunftZugangAbgangNach
AbenheimFreiherren von Dalberg[10]17971879Amtsgericht Osthofen
AlsheimKurpfalz[11], Oberamt Alzey17971879Amtsgericht Osthofen
BechtheimGrafschaft Leiningen-Hardenburg[12]17971879Amtsgericht Osthofen
Blödesheim[Anm. 1]Kurpfalz[13], Oberamt Alzey17971879Amtsgericht Alzey
DittelsheimKurpfalz[14], Oberamt Alzey17971879Amtsgericht Osthofen
Dorn-DürkheimKurpfalz[15], Oberamt Alzey17971879Amtsgericht Osthofen
EichKurpfalz[16], Oberamt Alzey17971879Amtsgericht Osthofen
EppelsheimKurpfalz[17], Oberamt Alzey17971879Amtsgericht Alzey
FrettenheimKurpfalz[18], Oberamt Alzey17971879Amtsgericht Osthofen
GimbsheimKurpfalz[19], Oberamt Alzey17971879Amtsgericht Oppenheim
HammKurpfalz[20], Oberamt Alzey17971879Amtsgericht Osthofen
Hangen-WahlheimKurpfalz[21], Oberamt Alzey17971879Amtsgericht Osthofen
Hangen-WeisheimKurpfalz[22], Oberamt Alzey17971879Amtsgericht Alzey
Heppenheim im Loch[Anm. 2]Kurpfalz[23], Oberamt Alzey17971836Friedensgericht Alzey
HeßlochFreiherren von Dalberg[24]17971879Amtsgericht Osthofen
IbersheimGrafschaft Falkenstein[25]
(Haus Habsburg-Lothringen)
17971879Amtsgericht Osthofen
MettenheimGrafen Kolb von Wartenberg[26]17971879Amtsgericht Osthofen
MonzernheimKurpfalz[27], Oberamt Alzey17971879Amtsgericht Osthofen
OsthofenKurpfalz[28], Oberamt Alzey17971879Amtsgericht Osthofen
RheindürkheimHochstift Worms[29]17971879Amtsgericht Osthofen
WesthofenKurpfalz[30], Oberamt Alzey17971879Amtsgericht Osthofen

Personal

  • Moritz Müller, Friedensrichter

Literatur

  • Eckhart G. Franz u. a.: Gerichtsorganisation in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im 19. und 20. Jahrhundert. 1989, ISBN 3-88838-224-6, S. 187–192.
  • Andrea Kraft: Ortsverzeichnis zur Historischen Karte der Pfalz und Rheinhessens 1789. Landesarchiv Speyer 2009
  • Heribert Reus: Gerichte und Gerichtsbezirke seit etwa 1816/1822 im Gebiete des heutigen Landes Hessen bis zum 1. Juli 1968. Hg.: Hessisches Ministerium der Justiz, Wiesbaden [1984], [ohne Seitenangebe].

Anmerkungen

  1. Seit 1971: Hochborn.
  2. Seit 1903: Gau-Heppenheim.

Einzelnachweise

  1. Kraft, Karte.
  2. Werner Schubert: Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts = Forschungen zur neueren Privatrechtsgeschichte 24. Böhlau, Köln 1977. ISBN 3-412-04976-X, S. 23, Anm. 60 (hier ist das Datum des Revolutionskalenders unzutreffend auf den 4. Dezember 1795 berechnet).
  3. Friedrich Lehne: Historisch-statistisches Jahrbuch des Departements vom Donnersberge für das Jahr 9 der fränkischen Republik. Pfeiffer, Mainz 1801, S. 170–174.
  4. Den Amtssitz des Friedensgericht des bisherigen Cantons Bechtheim betreffend vom 9. Dezember 1822. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 1 vom 10. Januar 1823, S. 11.
  5. Bekanntmachung die Zutheilung der Gemeinde Heppenheim im Loch zum Kreise und Canton Alzei betreffend vom 9. November 1835. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 50 vom 27. November 1835, S. 509.
  6. Den Amtssitz des Friedensgericht des bisherigen Cantons Bechtheim betreffend vom 9. Dezember 1822. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 1 vom 10. Januar 1823, S. 11.
  7. §§ 1, 3 Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 30. Mai 1879, S. 197f.
  8. Reus [ohne Seitenangabe], Abschnitt: „Friedensgericht Osthofen“.
  9. Reus [ohne Seitenangabe], Abschnitt: „Friedensgericht Osthofen“.
  10. Kraft, S. 3.
  11. Kraft, S. 3.
  12. Kraft, S. 4.
  13. Kraft, S. 5.
  14. Kraft, S. 6.
  15. Kraft, S. 6.
  16. Kraft, S. 6.
  17. Kraft, S. 7.
  18. Kraft, S. 7.
  19. Kraft, S. 8.
  20. Kraft, S. 9.
  21. Kraft, S. 9.
  22. Kraft, S. 9.
  23. Kraft, S. 8.
  24. Kraft, S. 9.
  25. Kraft, S. 10.
  26. Kraft, S. 12.
  27. Kraft, S. 13.
  28. Kraft, S. 14.
  29. Kraft, S. 15.
  30. Kraft, S. 18.

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Vermehrtes großes Staatswappen des Großherzogtums Hessen gem. Verordnung vom 09.12.1902. (1902–1918)