Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in Wien-Liesing

Freiheitskämpferdenkmal am Friedhof Atzgersdorf, 1954

Die Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in Wien-Liesing sind Denkmäler, Gedenktafeln und -steine sowie Straßennamen im 23. Wiener Gemeindebezirk Liesing, die an Widerstandskämpfer und andere Opfer des Nationalsozialismus erinnern.

Dieser Artikel beschränkt sich auf das Gebiet des heutigen 23. Wiener Gemeindebezirks. Die Auflistung der folgenden Gedenkstätten erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Denkmäler und Gedenktafeln

In Liesing erinnern zumindest vier Denkmäler und zwei Gedenktafeln an Opfer des Nationalsozialismus:

  • Zu einem unbekannten Zeitpunkt nach 1945 wurde der vom NS-Regime geköpften Widerstandskämpferin Therese Klostermann (1913–1944) ein Denkmal am Anton-Heger-Platz in Liesing gesetzt. Auf diesem Denkmal wird ihr Vorname als Theresia geführt. Wer den Stein gestaltet hat, ist nicht bekannt.[1]
  • 1950 wurde zu Ehren zweier Mitglieder der antifaschistischen Widerstandsgruppe in der Akkumulatorenfabrik Varta (heute ÖFA-Akkumulatoren GmbH), die im Landesgericht Wien enthauptet wurden, ein Denkmal errichtet. Es ist Viktor Mrnustik (1902–1943) und Franz Heindl (1906–1944) gewidmet, trägt die Inschrift Niemals vergessen und zeigt zwei großformatige Porträts der Widerstandskämpfer. Das Denkmal befand sich einige Jahrzehnte in der Siebenhirtenstraße 12 in Liesing, rechts nach der Fabrikseinfahrt, und war nicht öffentlich zugänglich.[2] Nach dem Abriss des alten Fabrikgeländes wurde das Denkmal vor dem Eingang des Liesinger Friedhofes an der Siebenhirtenstraße neu aufgestellt, wo er nunmehr öffentlich zugänglich ist.
  • In der Volksschule Atzgersdorf erinnert seit 2002 eine Gedenktafel an Hedy Blum (1931–1942), die diese Schule nur wenige Wochen besuchen durfte. Im November 1938 wurde sie wegen ihrer jüdischen Herkunft der Schule verwiesen. Im August 1942 wurde die noch nicht Elfjährige gemeinsam mit ihrer Mutter in das Vernichtungslager Maly Trostinez deportiert und dort ermordet.

Ein Denkmal und eine Gedenktafel übersiedelten gemeinsam mit den Betriebsstätten, an denen sie aufgestellt bzw. angebracht waren, nach Liesing:

  • Neun Arbeiter der Österreichischen Automobil-Fabrik (damals: Austro-Fiat) in der Carlbergergasse 40–42, die sich im Widerstand engagierten, wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Ein nicht öffentlich zugängliches Denkmal, das von Leopold Grausam, sen. gestaltet wurde, erinnert an sie. Es wurde 1949 auf dem damaligen Werksgelände in Floridsdorf an der Brünner Straße 72 aufgestellt und 1988 nach der Übersiedlung der MAN-Nutzfahrzeuge nach Liesing in die Carlbergergasse transferiert.
  • Ebenfalls von Leopold Grausam sen. gestaltet wurde 1963 eine Gedenktafel für die Buchdrucker und Widerstandskämpfer Alois Hudec, Gustav Kiesel und Wilhelm Weixlbraun, die alle 1943 vom NS-Regime hingerichtet worden waren. Die Gedenkstätte übersiedelte aus der alten Staatsdruckerei am Rennweg in Wien-Landstraße in ein neues Betriebsgebäude in Wien-Liesing. An der Renovierung der Gedenktafel in den Jahren 2005 und 2006 war der Sohn des Künstlers, Leopold Grausam, jun., beteiligt.[6]

Benennung von Verkehrsflächen

Nach 1945 wurde eine Reihe öffentlicher Verkehrsflächen in Liesing nach Widerstandskämpfern und anderen Opfern des Nationalsozialismus umbenannt bzw. neu benannt, weiters auch nach Menschen, die von den Nationalsozialisten in die Emigration gezwungen oder mit Berufsverbot belegt wurden. Der Beschluss für Um- oder Neubenennung einer Gasse oder Straße erfolgt in Wien durch den Gemeinderatsausschuss für Kultur.

Straßennamebenannt nachDatumFrüherer Name
Alma-König-WegErioll world.svgAlma Johanna Koenig (1887–1942), Lyrikerin14. Februar 1977
AmstergasseErioll world.svgSamuel Amster (1867–1942), Kaufmann18. Dezember 1967
Bertha-Neumann-ParkErioll world.svgBertha Neumann (1893–1944), Staatswissenschaftlerin6. November 2017
Brüder-Heindl-GasseErioll world.svgFranz Heindl (1906–1944), Hilfsarbeiter
Michael Heindl (1901–1944), Eisenbahner
15. Februar 1949Sudetendeutschengasse
DrillgasseErioll world.svgWilhelm Drill (1873–1942), Arzt1954Türkengasse
Dr.-Neumann-GasseErioll world.svgKarl Neumann (1890–1944), Arzt und Zahnarzt15. Februar 1949Badhausgasse
Dr.-Rudolf-Hatschek-ParkErioll world.svgRudolf Hatschek (1874–1939), Arzt19. Mai 1954
GoldhammergasseErioll world.svgAlfred Goldhammer (1907–1942), Lederarbeiter6. Mai 1947[7]
Johann-Teufel-GasseErioll world.svgJohann Teufel (1896–1943), Tischler7. November 1956[8]Teil der Liesingstraße
KanitzgasseErioll world.svgOtto Felix Kanitz (1894–1940), Installateur, Pädagoge, Journalist und Politiker23. April 1966
KlingerstraßeErioll world.svgJulius Klinger (1876–1942), Maler und Grafiker7. Oktober 1982
KlostermanngasseErioll world.svgTherese Klostermann (1913–1944), Arbeiterin7. Dezember 1955Rittergasse
KripsgasseErioll world.svgJosef Krips (1902–1974), Dirigent11. März 1988
KronfeldgasseErioll world.svgRobert Kronfeld (1904–1948), Segelflugpionier2. September 1959
KunkegasseErioll world.svgHans Kunke (1906–1940), Versicherungsbeamter
Stefanie Kunke (1908–1943), Lehrerin
19. Mai 1954Mackgasse
SchmiedeckgasseErioll world.svgOtto Schmiedeck (1876–1954), Angestellter2. Oktober 1957Lammgasse
StipcakgasseErioll world.svgLeopold Stípčak (1909–1944), Tischlergehilfe19. Juni 1954Feldweg
ZemlinskygasseErioll world.svgAlexander von Zemlinsky (1871–1942), Komponist2. Oktober 1957Josef-Weber-Straße

Zwei Gassen, die Fröhlichgasse und die Lehmanngasse, wurden nach Widerstandskämpfern gegen den Austrofaschismus benannt, beide sind bereits 1934 erschossen worden und beider Namen sind auf dem Atzgersdorfer Freiheitskämpferdenkmal (siehe oben) eingraviert. Es wurde im Jahr 1967 allerdings auch die Meierhofgasse nach der Schriftstellerin Maria Grengg (1889–1963) umbenannt, die eine beliebte deutschnationale Autorin in der Zeit des Nationalsozialismus war; sie verfasste Heimatromane und illustrierte Kinderbücher.

Steine der Erinnerung

Ludwig Ordower - Gedenkstein.JPG
Gedenksteine für Familie Kunke.JPG
(c) Christian Michelides, CC BY-SA 4.0
Erinnerungsstein für Sidonie und Hedy Blum.JPG

Im September 2013 wurde der Verein Steine der Erinnerung in Liesing für die Opfer des Holocaust und des nationalsozialistischen Terrors gegründet, das fünfte Gedenksteinprojekt für die Opfer des NS-Regimes in Wien. Vereinsziel ist das Gedenken der Opfer des Holocaust und des nationalsozialistischen Terrors. Die Erinnerung soll an jenen Orten sichtbar werden, an denen die Menschen gelebt haben, die vom NS-Regime vertrieben, deportiert oder ermordet wurden. Die Steine der Erinnerung sollen vor den Häusern, aus denen diese Menschen vertrieben wurden, verlegt werden. Das Konzept beruht im Wesentlichen auf Gunter Demnigs Stolpersteinen, der jedoch alle fünf Wiener Initiativen als Plagiate ablehnt. Die Verankerung des Projektes in der Bevölkerung durch Patenschaften, Spenden und aktive Teilnahme ist für den Verein von zentraler Bedeutung. Bislang wurden Gedenksteine für folgende Personen verlegt:

Siehe auch

  • Stolper-, Gedenk- und Erinnerungssteine in Österreich

Weblinks

Commons: Gedenktafeln in Liesing – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. wien.at: Klostermann Theresia (+13.3.1944), Widerstandskämpferin – Denkmal, Kunstwerk im öffentlichen Raum, abgerufen am 18. Juni 2015
  2. Antifaschistische Denkmäler und Gedenkstätten. In: dasrotewien.at – Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie. SPÖ Wien (Hrsg.), mit Abbildungen des Varta- und des Freiheitskämpfer-Denkmals, abgerufen am 16. Mai 2015
  3. Mehrere Quellen geben fälschlicherweise den „Bildhauer Pfitzner“ als Gestalter des Freiheitskämpfer-Denkmal an, darunter: Freiheitskämpferdenkmal im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien und Friedhöfe Wien, beide abgerufen am 19. Dezember 2016. Keinen Künstler gibt das Onlineprojekt Gefallenendenkmäler an: Wien-Atzgersdorf (Friedhof, Freiheitskämpfer), Österreich, abgerufen am 19. Dezember 2016.
  4. Liesing: Gedenktafel für Synagoge. auf www.wien.gv.at
  5. Gedenktafel Synagoge Atzgersdorf. auf www.david.juden.at
  6. Camera Humana: Söhne des Weinviertels: Leopold F. Grausam, Deutsch-Wagram – Steine wider das Vergessen (Memento vom 21. Dezember 2016 im Internet Archive), 9. März 2013
  7. Am 10. Februar 1975 beschloss der Gemeinderatsausschuss für Kultur die Verlängerung dieser Gasse.
  8. Die Umbenennung erfolgte bereits 1949 in Teufelgasse, jedoch wurde die Widmung offenbar 1956 wegen besserer Erkennbarkeit des Widmungsträgers präzisiert, vgl. Johann-Teufel-Gasse im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien, Eintrag Johann-Teufel-Gasse, abgerufen am 5. Juni 2015

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Freiheitskämpferdenkmal am Friedhof Atzgersdorf für vom NS Regime ermordete Widerstandskämpfer
Synagoge Atzgersdorf, Gelände 2014 Gedenktafel.jpg
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Standort der ehemaligen Synagoge Atzgersdorf, Dirmhirngasse 112-114, Liesing, Wien 23, Österreich im Jahr 2014. Außer einer Gedenktafel erinnert nichts mehr an das 1938 zerstörte Gebäude
Erinnerungsstein für Sidonie und Hedy Blum.JPG
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Steine der Erinnerung Wien-Liesing, Sidonie und Hedy Blum, Breitenfurter Straße 316, 1230 Wien
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Steine der Erinnerung Wien-Liesing, Ludwig Ordower, Kaserngasse 22, 1230 Wien
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Dr. Rudolf Hatschek Park in Wien-Liesing
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Alma-König-Weg in Wien-Liesing
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Gedenktafel für Hedy Blum in der Volksschule Atzgersdorf / Wien
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Steine der Erinnerung in Wien-Liesing, Familie Kunke, Kroissberggasse 8, 1230 Wien
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Klostermanngasse in Wien-Liesing