Fraternities und Sororities
Die Fraternities und Sororities sind Typen studentischer Zusammenschlüsse angloamerikanischer Tradition. Ihre Verbreitung konzentriert sich auf Nordamerika. Die klassischen Bruderschaften bzw. Schwesternschaften sind nahezu immer nach Geschlechtern getrennt und bezeichnen ihre Verbindungen meist mit griechischen Buchstaben. Umgangssprachlich werden Fraternities als Frats bezeichnet, entsprechend ihre Mitglieder als Frat boys und das Verbindungshaus als Frat house.[1]
Ihren geschichtlichen Ursprung haben die Fraternities und Sororities, ebenso wie die Studentenorden in Europa, in den Freimaurerlogen des 18. Jahrhunderts.[2]
In erster Linie bezeichnet der Begriff Fraternity eine College Fraternity, also eine Bruderschaft von Studenten. Daneben existieren aber auch weitere so bezeichnete Verbindungsformen wie etwa Honor Fraternities, auch Honor Societies genannt (Ehrenverbindungen), die eher Stubengesellschaften zur Unterstützung von Absolventen im weiteren Karriereweg sind. Besondere Bedeutung für das Universitätsleben haben auch die Professional Fraternities (Berufsverbindungen), deren Aufnahme ohne Initiationsritus auskommt und deren Mitgliedsanforderungen meist nur an definierte Fachqualifikationen gebunden sind. Diese freien Berufsverbände unterhalten oft Verbindungshäuser an Universitäten mit entsprechenden Berufsbildungsgängen, jedoch werden nur selten Studenten vor dem Abschluss aufgenommen.
Allgemeines
Die fraternity (englisch für Bruderschaft, Plural fraternities) ist die angloamerikanische Form der Studentenverbindung, während sich Studentinnen in einer sorority (engl. für Schwesternschaft, Plural sororities) organisieren können. Als feststehende übergeordnete Bezeichnung werden diese beiden Bezeichnungen zusammen genannt (fraternities and sororities), die in deutscher Sprache auf das gemeinsame Wort Studentenverbindungen reduziert sind.
Einige fraternities kennen das Farbentragen in Form eines Couleurbandes, welches aber nur bei den eigenen Veranstaltungen getragen werden darf. In praktisch allen fraternities und sororities gibt es den dem Fuchsen entsprechenden Status des pledge. In amerikanischen Verbindungen gibt es eine recht extreme Behandlung des pledge mit diversen mehr oder weniger demütigenden Ritualen. Das sogenannte hazing beschränkt sich aber meist auf eine einzige „hell week“ (Höllenwoche). Es gibt aber auch wesentliche Unterschiede zu europäischen Studentenverbindungen, insbesondere den deutschsprachigen: fraternities und sororities kennen keine Mensur und keinen, beziehungsweise nur einen rudimentär vorhandenen Comment.
Die Mitgliedsbeiträge werden im Unterschied zu manchen europäischen Verbindungen von den studierenden Mitgliedern erbracht. Viele Verbindungen unterhalten Wohnhäuser für ihre Mitglieder, die sich, anders als die Korporationshäuser in Deutschland, meist direkt auf dem Campus befinden.
Eine einzelne Verbindung unterhält meist Vertretungen, sogenannte chapters an mehreren, teilweise sogar sehr vielen Hochschulorten. Die Namen der Verbindungen setzen sich gewöhnlich aus den Bezeichnungen dreier griechischer Buchstaben zusammen, zudem hat jedes chapter einen aus meist zwei griechischen Buchstaben zusammengesetzten Namen als Zusatz zum Verbindungsnamen. Diese Form des Verbindungswesens wird daher auch als Greek system bezeichnet.
Mitgliedschaften in fraternities oder sororities sind in den USA verbreiteter als in Deutschland. Sie gelten in der Regel nicht als „konservativ“, haben stattdessen jedoch den Ruf, viele und zum Teil exzessive Partys zu veranstalten, wofür sich der Begriff „Greek life“ eingebürgert hat. Der Ruf hängt zum Teil mit einer anderen Partykultur als an deutschen Hochschulen zusammen, die vor allem in den USA durch das höhere Mindestalter für legalen Alkoholkonsum mitgeprägt ist: Der Genuss von Alkohol (einschließlich Bier) ist erst mit 21 Jahren erlaubt, wohingegen US-amerikanische Bachelorstudenten ihre vierjährige Studienzeit normalerweise mit 18 bis 22 Jahren absolvieren. Dadurch ist Alkohol für die meisten Bachelorstudenten tabu; trinken sie ihn dennoch auf einer Party, wird die Veranstaltung illegal. Dazu kommt, dass amerikanische Studenten aufgrund der Gesetzeslage in der Regel mit keinen oder nur wenig Alkohol-Erfahrungen an die Universitäten kommen. Schon allein dadurch stehen fraternities und sororities als häufige Partyveranstalter in einem anderen Spannungsfeld als entsprechende deutsche Verbindungen, was sich wiederum auf das Publikum auswirkt, das sie anziehen.
Nicht von der Hand zu weisen ist ein politischer Einfluss bestimmter Verbindungen, zumindest der Mitglieder (siehe insbesondere Skull and Bones). Eine nationale Ausrichtung ist die Norm, diese ist aber – wie auch sonst der amerikanische Nationalismus – fast immer stark freiheitlich und antitotalitär gefärbt. Die meisten amerikanischen Verbindungen sehen sich nicht als elitär, auch wenn einige es de facto sind.
Geschichtliche Entwicklung
Es gibt heute eine sehr große Anzahl verschiedener Verbindungen, obwohl die Ausrichtung der meisten Verbindungen auch international ist, so gibt es oft einzelne Verbindungshäuser mit eigener Ausrichtung. Die meisten nationalen Verbindungen sind aus solch einzelnen Verbindungsorden entstanden, spätere Verbindungen haben sich oft aus älteren Verbindungen abgespalten.
Die Verbreitung der Verbindungen an den Universitäten führte zu Widerständen, um deren Einfluss zu begrenzen, und zu Anfang des 20. Jahrhunderts blieb den meisten Verbindungen kaum mehr als den Unterhalt der Verbindungshäuser zu organisieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten die Verbindungen einen neuen Höhepunkt, wurden jedoch von den in den 1960er und 1970er Jahren existierenden Alternativkulturen wieder ins Abseits gedrängt. Seit den 1980er Jahren erholen sich die Verbindungen und erhalten neuen Zulauf.
Jahr | Verbindung | Entwicklung |
---|---|---|
1780 | Phi Beta Kappa | Geheimbund, noch nach Art der Freimaurerlogen aufgebaut. |
1825 | Kappa Alpha | Studentenbund, Einführungszeremonie knüpft an Freimaurer an |
1831 | Sigma Phi | Erste hochschulübergreifende Verbindung |
1831 | Alpha Delta Phi | Erste mit erweiterter Betreuung, „for the whole man“ |
1833 | Skull and Bones | Erste Verbindung mit jährlich neugebildetem Jahrgangsgeheimbund. |
1837 | Mystical Seven | Erste Verbindung mit Verbindungshaus auf dem Campus |
1839 | Beta Theta Pi | Erste Verbindung mit Massenausrichtung. |
1857 | Sigma Phi | Erste Verbindung mit eigenen Wohnheimen.[3] |
1870 | Kappa Alpha Theta | Erste weibliche Verbindung |
1899 | Delta Sigma Phi | Erste Verbindung, die gleichermaßen Christen und Juden zulässt. |
1899 | Tau Kappa Epsilon | Erste Verbindung, die 1928 die hell week abgeschafft hatte. |
1904 | Alpha Kappa Psi | Erste Verbindung mit Fokus auf Professionalität und Wirtschaft. |
1906 | Alpha Phi Alpha | Erste afroamerikanische Verbindung. |
1931 | Phi Iota Alpha | Erste Latino-Verbindung. |
2013 | Alif Laam Meem – Alpha Lambda Mu | Erste Muslimische Verbindung. |
Dachorganisationen
Die Dachorganisationen wurden vor allem zur besseren Außendarstellung gegründet, bieten jedoch auch weitere Dienste zur Heranbildung von Betreuern und zum Austausch verschiedener Verbindungen. Einzelverbindungen werden unabhängig von ihrem Namen auf einem Campus oft einer bestimmten Gruppe zugeordnet (etwa nach ethnischen Gesichtspunkten), die dann einer entsprechenden Dachorganisation angehören.
- Association of College Honor Societies – Dachorganisation von 65 Ordensverbindungen.
- Concilio Interfraternitario Puertorriqueño de la Florida (CIPFI) – Dachorganisation der fünf Verbindungen Floridas mit puerto-ricanischem Hintergrund
- Fraternity Leadership Association – Dachorganisation von Verbindungen, die aus der North-American Interfraternity Conference ausgetreten sind.
- National APIA Panhellenic Association (NAPA) – Dachorganisation von 10 Verbindungen mit hauptsächlich asiatischem Hintergrund
- National Association of Latino Fraternal Organizations (NALFO) – Dachorganisation von 23 Verbindungen mit lateinamerikanischem Hintergrund
- National Multicultural Greek Council (NMGC) – Dachorganisation von 13 Verbindungen mit definiert multikultureller Ausrichtung (bekannt als „Multicultural Councils“ oder „Unified Greek Councils“)
- National Pan-Hellenic Council (NPHC) – Dachorganisation von neun historischen afroamerikanischen Verbindungen (bekannt als „Pan-Hellenic Councils“)
- National Panhellenic Conference (NPC) – Dachorganisation mit 26 (weiblichen) Verbindungen (bekannt als „Panhellenic Councils“)
- North-American Interfraternity Conference (NIC) – Dachorganisation mit 68 (männlichen) Verbindungen (bekannt als „Interfraternity Councils“)
- Professional Fraternity Association (PFA) – Dachorganisation von 26 Verbindung für bestimmte Berufsgruppen
- United Council of Christian Fraternities & Sororities – Dachorganisation von Verbindungen mit christlicher Ausrichtung
Hinzu kommen Organisationen, die sich der Unterstützung bestimmter Funktionen verschrieben haben.
- Association of Fraternity Advisors – Organisation der Fraternity Advisors der Verbindungen auf dem Campus
- College Fraternity Editors Association – Organisation der Pressevertreter der Dachorganisationen
- Fraternity Executives Association – Organisation für Verwaltungsvertreter der Verbindungen
Rezeption in den Medien (Auswahl)
Filme
- Ich glaub’, mich tritt ein Pferd, US-Komödie, 1978
- Das sexte Semester, US-Komödie, 2002
- Old School – Wir lassen absolut nichts anbrennen, US-Komödie. 2003
- Sydney White – Campus Queen, US-Komödie, 2007
- American Pie präsentiert: Die College-Clique, US-Komödie, 2007
- House Bunny, US-Komödie, 2008
- Die Monster Uni, US-Animationsfilm, 2013
- Bad Neighbors, US-Komödie, 2014
- Burning Sands, US-Dokumentarfilm, 2017
Serien
- Greek, US-Fernsehserie, 2007–2011
- Scream Queens, US-Horror-Comedy-Fernsehserie, 2015–2016
Bücher
- Spicker Paul: Liberty, equality, fraternity. Policy Press, 2006, ISBN 978-1-84742-164-7 (englisch, 208 S.).
- Tamara L. Brown, Gregory S. Parks, Clarenda M. Phillips: African American Fraternities and Sororities: The Legacy and the Vision. University Press of Kentucky, 2012, ISBN 978-0-8131-3662-2 (englisch, 525 S.).
- Nathan Holic: American Fraternity Man. Beating Windward Press, 2013, ISBN 978-0-9838252-8-9 (englisch, 424 S.).
- Benjamin Nugent: Fraternity: Stories. Macmillan + ORM, 2020, ISBN 978-0-374-71642-4 (161 S.).
- Tristen A. Taylor: The Silent Fraternity: Code of Silence. Page Publishing Inc, 2022, ISBN 978-1-66245-162-1 (englisch, 350 S.).
Siehe auch
Weblinks
- Spiegel online (Unispiegel) über geheime Verbindungen an angelsächsischen Universitäten
- greekpages.com: The History of College Fraternities
- A List Of Every U.S. President Who Was In A Fraternity
Literatur
- o. A.: Fraternities in Canada. In: W. Stewart Wallace (Hrsg.): The Encyclopedia of Canada, Bd. 2, University Associates of Canada, Toronto 1948, S. 393f. (online)
- Jack Anson & Robert Marchesani jr. (Hrsg.): Baird’s Manual of American College Fraternities, 20. Aufl. Indianapolis 1991, ISBN 0-9637159-0-9.
- Clifton L. Hall & Edward Alcey: Fraternities and Sororities. In: Encyclopedia Americana, Bd. 12, Danbury CT 1996, S. 20–22.
- Gerhard Habermehl: Zur Frage gemeinsamer Wurzeln deutscher Studentenverbindungen und amerikanischer Fraternities. In: Einst und Jetzt, Bd. 49 (2004), S. 149–63.
- Nicholas E. Berkholtz: American Fraternities in the Last 200 Years. In: Einst und Jetzt, Bd. 51 (2006), S. 15–25.
- Craig Torbenson & Gregory Parks (Hrsg.): Brothers and Sisters: Diversity in College Fraternities and Sororities. Associated University Presses, Cranbury 2009, ISBN 978-0-8386-4194-1.
- Jared S. Sunshine: The Fraternity as Franchise: A Conceptual Framework. In: Journal of College and University Law, Bd. 42, H. 2 (2016), S. 375–437.
Einzelnachweise
- ↑ frat — Englisch » Deutsch — PONS. In: de.pons.com. Abgerufen am 3. Oktober 2017.
- ↑ Peter Kaupp: Freimaurerei und Burschenbrauch. Kontinuität von Ordenstraditionen im Korporationsstudententum. In: Einst und Jetzt, Bd. 46 (2001). S. 33–68, hier: S. 68.
- ↑ Sawyer Library
Auf dieser Seite verwendete Medien
Bowling Green State University Students and Members of the Kappa Alpha Order and Tau Kappa Epsilon at their joint philanthropy
Picture of Dartmouth College's AXA house
Autor/Urheber: Alpha Kappa Psi Business Fraternity, Lizenz: CC BY 3.0
Wappen der Alpha Kappa Psi Fraternity
Autor/Urheber: Dori, Lizenz: CC BY-SA 3.0 us
Sigma Pi house, Urbana, IL
Autor/Urheber: Unbekannter Fotograf, Lizenz: CC BY 3.0
Group photo of Tau Mu Tau's charter members. Included are the following women. Back Row: Ruth Cassel, Xeni Mellgren, and Ruth E. Anderson. Middle Row: Dena Asplund, Anna Haglund, Hazel Carlson, and Edith Malmstrom. Bottom Row: Dorothy Nystrom, Minnie Almen, Frances Carlson, Mabel Lucken, and Margaret Nystrom.
Purdue University students line up to rush the Alpha Eta (ΑΗ) chapter of the Alpha Xi Delta (ΑΞΔ) sorority during Purdue's Panhellenic Association Sorority Formal Recruitment. Photo looks northwest from University Street.
The Phi Kappa Sigma fraternity at Washington & Jefferson College in 1870s.