Franz Boll (Historiker)

Franz Boll. Gemälde von Bernhard Reinhold (um 1874)

Franz Christian Boll (* 17. Oktober 1805 in Neubrandenburg; † 20. März 1875 ebenda) war ein evangelisch-lutherischer Theologe, Pädagoge und Historiker.

Leben

Franz Boll war der älteste überlebende Sohn des namensgleichen Neubrandenburger Pastors Franz Christian Boll (1775–1818) und dessen Frau Friederike, geb. Brückner (1780–1839), einer Tochter des Neubrandenburger Arztes Adolf Brückner (1744–1823).

Boll war 12 Jahre alt, als sein Vater unverhofft starb und ihm damit die Rolle des Familienoberhauptes zufiel. Er besuchte die Neubrandenburger Gelehrtenschule, studierte anschließend von 1824 bis 1827 in Halle, Berlin und Rostock Evangelische Theologie, absolvierte eine Kandidatenzeit in Leizen und Dambeck und kehrte 1835 nach Neubrandenburg zurück. Hier wurde er 1836 Zweiter Pastor (zuständig für die Gemeinde von St. Johannis) und Erster Lehrer an der Neubrandenburger Bürgerschule, die zu dieser Zeit noch der Großen Stadtschule angeschlossen war. Seit 1839 wirkte er als Subrektor jener Schule. 1866 wählten ihn seine Amtsbrüder zum Praepositus der Neubrandenburger Synode.

Zusammen mit seinem Bruder Ernst Boll, der zeitlebens in seinem Haushalt wohnte, engagierte sich Franz Boll 1848 in der Neubrandenburger Reformbewegung. Zu seinem Freundeskreis gehörte in späteren Jahren Fritz Reuter, der ihm unter anderem in De Urgeschicht’ von Mecklenborg ein Denkmal setzte.

Franz Boll befasste sich mit der Geschichte von Mecklenburg und insbesondere der Herrschaft Stargard, wozu er mehr als 200 Urkunden aus verschiedenen Archiven auswertete, führte aber auch Studien zur Kirchen- und Heiligengeschichte durch. Er beteiligte sich an der archäologischen Untersuchung der Ravensburg, in Ihlenfeld sowie auf den Inseln Bacherswall und Hanfwerder in der Lieps und der Fischerinsel im Tollensesee. Er betrieb intensive Quellensammlungen zur Geschichte der Stadt Neubrandenburg und zum Kloster Broda. Um die Jahrhundertmitte galt Boll als die Kapazität für alle historischen Fragen der südostmecklenburgischen Region. Er war Mitglied im Verein für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, gehörte 1872 zu den Gründern des Neubrandenburger Museums und gilt als dessen geistiger Vater.

Nach einer längeren Phase anderweitiger Orientierung fand Boll schließlich unter dem Eindruck des wieder erwachenden deutschen Nationalgefühls nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 zu historischen Themen zurück und begann mit intensiven Vorbereitungen einer „Chronik der Vorderstadt Neubrandenburg“, an der er trotz nachlassender Kräfte und der nur teilweise erfolgten Genesung einer 1867 festgestellten schweren Typhuserkrankung fieberhaft arbeitete. Boll konnte zwar die ersten Lieferungen seiner Stadtchronik noch begleiten, erlebte jedoch die Vollendung des von seinem Sohn zum Abschluss gebrachten Druckwerkes nicht mehr.

Franz Boll war seit 1841 verheiratet mit der Neubrandenburger Kaufmannstochter Auguste (Johanna Wilhelmine) Krull (1821–1886) und hatte sechs Kinder, von denen die drei Töchter Friederike (1842–1908), Anna (1852–1887) und Luise (1853–1925) sowie ein Sohn, Franz Boll (1849–1879), den Vater überlebten. Von Friederike (gen. Friede) Boll, verh. Scheven, sind Lebenserinnerungen überliefert und inzwischen ediert,[1] welche ein farbenfrohes Bild ihres Neubrandenburger Elternhauses zeichnen.

Nachlass

Der überwiegende Teil des Nachlasses von Franz Boll verblieb in Familienbesitz und gilt heute als verschollen. Seine Materialsammlung und Abschriften oder Teile davon zu Themen Neubrandenburger Stadt- und Regionalgeschichte sowie einzelne Memorabile befinden sich heute in den Sammlungen des Regionalmuseums Neubrandenburg, durch beide Brüder empfangene Briefe von Fritz Reuter im Fritz-Reuter-Literaturmuseum in Stavenhagen, durch beide an Fritz Reuter gesandte Briefe im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar.

Werke (Auswahl)

  • Geschichte des Landes Stargard bis zum Jahre 1471. 2 Teile. Neustrelitz, 1846–1847 (Digitalisate: Teil 1, Teil 2).
  • Verfasste einzelne Kapitel für das historische Hauptwerk seines Bruders Ernst Boll: Die Geschichte Mecklenburgs, mit besonderer Berücksichtigung der Culturgeschichte. 2. Bände. 1855–1856 [Nachdruck 1995].
  • Chronik der Vorderstadt Neubrandenburg. Neubrandenburg, 1875 [Nachdrucke: Federchen-Verlag, Neubrandenburg 1991. ISBN 3-910170-04-8; Suum cuique, Reutlingen 1996. ISBN 3-927292-59-1].
  • „Freut euch, ihr Mecklenburger!“ Mecklenburg im Jahre 1848. Als Manuskript überliefert im Stadtarchiv Neustrelitz, 1998 durch Arnold Hückstädt erstediert. Federchen-Verlag, Neubrandenburg 1998. ISBN 3-910170-31-5.

Literatur

  • Ludwig Fromm: Boll, Franz Christian. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 3, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 108.
  • Peter Maubach: Neubrandenburg – so wie es war. Droste Verlag, Düsseldorf 1997. ISBN 3-7700-1083-3. S. 32–34.
  • Fritz Reuter. Briefe. Zusammengetragen und kommentiert von Arnold Hückstädt. 3 Bände. Hinstorff, Rostock 2009/2010. [Enthält alle Briefe von Reuter an Boll].
  • Peter Starsy: „Auch ich habe an Reuter geschrieben“ – die Briefe an Fritz Reuter aus Neubrandenburg und Umland. In: Stadt Neubrandenburg [Hrsg.]: »Ich werde nie die freundliche Vorderstadt Neubrandenburg vergessen«. Fritz Reuter zum 200. Geburtstag. Festschrift. Hinstorff, Rostock 2010. ISBN 978-3-356-01374-0. S. 43–120. [Enthält alle Briefe von Boll an Reuter].

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Arnold Hückstädt: Friederike Ernestine Scheven geb. Boll (1842–1908). Stationen ihres Lebens und autobiografische Beschreibungen ihrer Neubrandenburger Kindheit. In: Neubrandenburger Mosaik, Bd. 28 (2004), S. 15–42.

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Franz Boll (1805–1875)