Forschungsstelle Glücksspiel

In der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim werden Spiele und Wetten zum Gegenstand interdisziplinärer Forschung. Der Begriff Glücksspiel ist dabei weit gefasst und reicht von Lotto, Roulette, Karten- und Automatenspielen, Sport- und anderen Wetten über Gewinnspiele bis hin zu Gesellschaftsspielen.

Geschichte

Die Forschungsstelle besteht seit 2004 an der Universität Hohenheim; geschäftsführender Leiter ist der Agrarökonom Tilman Becker[1]. Die Mitglieder der Forschungsstelle setzen sich aus Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachbereiche zusammen, die das Glücksspiel als Schwerpunktthema haben. 2016 waren mehr als 20 Professoren Mitglied in der Forschungsstelle. Sie kommen aus den Bereichen Ordnungs- und Verbraucherpolitik, der Verbraucherforschung, der Mathematik und Statistik, der Finanzwissenschaft, Öffentlichem und Bürgerlichem Recht, Wirtschaftstheorie, Kommunikations- und Informationswissenschaften, Haushalts- und Genderökonomik, Marketing, Spieltheorie und Ökonometrie sowie Psychologie und Medizin.

Ziele

Ziel ist es, die Bereiche Glücksspiele und Wetten unter rechtlichen, ökonomischen, mathematischen, sozialen, medizinischen und psychologischen Fragestellungen systematisch wissenschaftlich zu untersuchen.

In der Praxis hat es sich gezeigt, dass die einzelnen Disziplinen zu unterschiedlichen Schlüssen kommen, solange sie ihre Forschungsergebnisse nicht in Beziehung setzen. Solch widersprüchliche Einschätzungen und Haltungen werden von der Forschungsstelle untersucht.

Symposien

Glücksspiel-Symposium 2019: Podiumsdiskussion: Josha Frey, Nico Weinmann, Tilmann Becker, Rainer Stickelberger, Fabian Gramling

Jährlich werden Symposien zum Thema Glücksspiel veranstaltet. Dabei werden unter anderem die rechtliche Seite sowie die Suchtprävention und die wirtschaftlichen Auswirkungen des Glücksspiels betrachtet. Über 200 Vertreter aus allen Bereichen, inklusive der Psychologie und der Medizin, nehmen an der ein- bis zweitägigen Veranstaltung der Universität Hohenheim teil.[2]

Beirat

Der Forschungsstelle Glücksspiel zugeordnet ist ein Beirat, der u. a. die Aufgabe hat, die wissenschaftliche Leitung der Forschungsstelle zu beraten und Forschungsprojekte anzuregen. Neben vier Vertretern der Universität Hohenheim werden weitere fünf Mitglieder von Unternehmen und Institutionen gestellt, welche die Forschungsstelle unterstützen, darunter ein Mitarbeiter und ein ehemaliger Geschäftsführer der Staatlichen Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg, ein Vertreter der Baden-Württembergischen Spielbanken sowie je ein Vertreter aus dem Bereich der Landesministerien und der evangelischen Kirche.[3][4]

Forschungsbedarf

Aus Sicht der interdisziplinären Forschungsstelle Glücksspiels besteht insbesondere in folgenden Bereichen Forschungsbedarf (Stand November 2013):

Regulierung

  • Politökonomische Analyse des Glücksspielmarkts
  • Regulierung des Glücksspielmarktes aus Sicht der ökonomischen Theorie
  • Auswirkungen von Regulierungsmaßnahmen auf das Spielverhalten
  • Gesellschaftlicher Nutzen und Kosten einzelner Regulierungsmaßnahmen
  • Anwendung der Werberichtlinie und Auswirkungen auf die jeweiligen Glücksspielformen
  • Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit von Glücksspielen und einem problematischen oder pathologischem Spielverhalten
  • Aufgaben und Befugnisse von Glücksspielkommissionen in anderen Ländern Europas
  • Aufgaben und Befugnisse einer zu schaffenden deutschen Glücksspielkommission

Prävalenzen

  • Häufigkeit des Glücksspiels bei Kindern und Jugendlichen und alters- bzw. geschlechtsspezifische Besonderheiten
  • Analyse des Internetangebots von Glücksspielen
  • Online oder „terrestrisch“ – wer spielt wo und wann?
  • Verschuldung problematischer/pathologischer Spieler
  • Glücksspiel und Straftaten bei Jugendlichen und Erwachsenen
  • Glücksspiel und Geldwäsche

Prävention und Therapie

  • Präventionsmaßnahmen und deren Evidenzbasierung
  • Gründe für die Teilnahme an Glücksspielen für Spieler mit und ohne problematischem Spielverhalten
  • Substitution und Komplementaritätsbeziehungen zwischen Glücksspielformen
  • Beziehung pathologischer Spieler zu Geld
  • Risikobereitschaft pathologischer Spieler
  • Kognitive Irrtümer und pathologisches Spielverhalten
  • Die Spielersperre als Instrument des Spielerschutzes
  • Definition und Untersuchung der Risikogruppen (unter Berücksichtigung von Migrationshintergrund, Genderaspekten usw.)

Ökonomie

  • Besteuerung von Glücksspielen
  • Betrugs-, Manipulations- und Kriminalitätsgefährdungspotential einzelner Glücksspielangebote
  • Anbieter von Internet-Glücksspiel: Spezialisten und Full-Liner
  • Konkurrenzverhältnisse auf dem Glücksspielmarkt
  • Mergers und Acquisitions bei Anbietern von Glücksspielen
  • Analyse des Konsums von Glücksspielen

Publikationen (Auszüge)

  • Singer, J., Kufenko, V., Wöhr, A., Wuketich, M., & Otterbach, S. (2022). How do Gambling Providers Use the Social Network Twitter in Germany? An Explorative Mixed-Methods Topic Modeling Approach. Journal of Gambling Studies, 1-28. DOI
  • Wöhr, A., & Wuketich, M. (2021). Perception of Gamblers: A Systematic Review. Journal of Gambling Studies, 37(3), 795-816. DOI
  • Wöhr, A., & Wuketich, M. (2019). Stigmatisierung von Glücksspielern als Zuschreibungsprozess. In: Multidisziplinäre Betrachtung des vielschichtigen Phänomens Glücksspiel (pp. 61-75). In: Wöhr, A., & Wuketich, M. (Eds.). (2019). Multidisziplinäre Betrachtung des vielschichtigen Phänomens Glücksspiel. Springer-Verlag. DOI
  • Brandt, L., & Wöhr, A. (2017). Factors Influencing Treatment-Seeking Behavior in Female Pathological Gamblers: A comparison of treatment centers in Austria and Germany. In Gambling Disorders in Women (pp. 99-111). Routledge. DOI

Schriftenreihe

In: Schriftenreihe zur Glücksspielforschung. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main

  • T. Becker (Hrsg.): Zwischenevaluierung des Glücksspielstaatsvertrags: Beiträge zu den Symposien 2014 und 2015 der Forschungsstelle Glücksspiel. Band 16, 2016.
  • T. Becker: Verfügbarkeit und Sucht beim Automatenspiel. Band 15, 2015.
  • C. Weinbuch: Verhinderung von Sportwettmanipulationen und Autonomie des Sports. Band 14, 2015.
  • T. Becker (Hrsg.): Sucht-, Betrugs- und Kriminalitätsgefährdungspotential von Glücksspielen: Beiträge zum Symposium 2013 der Forschungsstelle Glücksspiel. Band 13, 2015.
  • T. Becker (Hrsg.): Der neue Glücksspielstaatsvertrag: Beiträge zum Symposium 2012 der Forschungsstelle Glücksspiel. Band 12, 2014.
  • C. Brugger: Abbruch der Zahlungsströme als Mittel zur Bekämpfung unerlaubter Internetglücksspiele. Band 11, 2013.
  • T. Becker: Neueste Entwicklungen zum Glücksspielstaatsvertrag: Beiträge zum Symposium 2011 der Forschungsstelle Glücksspiel. Band 10, 2012.
  • T. Hayer: Jugendliche und glücksspielbezogene Probleme – Risikobedingungen, Entwicklungsmodelle und Implikationen für präventive Handlungsstrategien. Band 9. 2012.
  • T. Becker (Hrsg.): Zwischenbilanz zum Glücksspielstaatsvertrag für Lotterien und Sportwetten: Beiträge zum Symposium 2010 der Forschungsstelle Glücksspiel. Band 8. 2011.
  • T. Becker: Soziale Kosten des Glücksspiels in Deutschland. Band 7, 2011.
  • T. Becker (Hrsg.): Glücksspiel im Internet: Beiträge zum Symposium 2009 der Forschungsstelle Glücksspiel. Band 6, 2011.
  • T. Becker: Werbung für Produkte mit einem Suchtgefährdungspotential: Tabak-, Alkohol- und Glücksspielwerbung aus rechtlicher, ökonomischer und psychologischer Sicht. Band 5, 2010.
  • T. Becker: Glücksspielsucht in Deutschland – Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen. Band 4, 2009.
  • T. Becker (Hrsg.): Der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen und dessen Umsetzung: Beiträge zum Symposium 2007 und 2008 der Forschungsstelle Glücksspiel. Band 3, 2009.
  • T. Becker, C. Baumann (Hrsg.): Glücksspiel im Umbruch: Beiträge zum Symposium 2006 der Forschungsstelle Glücksspiel. Band 2, 2007.
  • T. Becker, C. Baumann (Hrsg.): Gesellschafts- und Glücksspiel: Staatliche Regulierung und Suchtprävention. Band 1, 2006.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ehrung für Professor Dr. Tilman Becker. In: Automaten MARKT, 13. März 2019.
  2. Symposien/Workshops, Homepage der Forschungsstelle Glücksspiel, abgerufen am 30. April 2016.
  3. Forschungsstelle Glücksspiel, Tätigkeitsbericht 2009 (Memento vom 2. Februar 2014 im Internet Archive).
  4. Mitglieder der Wissenschaftlichen Leitung und des Beirats (Memento des Originals vom 22. April 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/gluecksspiel.uni-hohenheim.de, Homepage der Forschungsstelle Glücksspiel, abgerufen am 27. Januar 2019.

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Uni Hohenheim Glücksspiel-Symposium 2019.jpg
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Podiumsdiskussion mit Vertretern der baden-württembergischen Landtagsfraktionen beim Glücksspiel-Symposium 2019 der Universität Hohenheim: Josha Frey, Nico Weinmann, Tilmann Becker, Rainer Stickelberger, Fabian Gramling