Flugphysiologie
Flugphysiologie (englisch flight physiology, auch aviation oder aerospace physiology) ist das Spezialgebiet der Physiologie, welches die Effekte der beim Fliegen auf einen Organismus einwirkenden Umgebungsbedingungen untersucht. Seit Beginn der bemannten Raumfahrt betrachtet die Flugphysiologie auch diese Sphäre. Flugphysiologie ist wesentlicher Teil der Luft- und Raumfahrtmedizin.
Beschreibung
Physiologie befasst sich mit den normalen Lebensvorgängen, insbesondere den physikalischen Funktionen im Organismus.[1]
Flugphysiologie ist der Spezialbereich der Physiologie, der sich mit den körperlichen und mentalen Auswirkungen des Fliegens auf fliegende Besatzungen und Passagiere befasst.[2] Primär sind dies
- Auswirkungen der Änderungen in der Atmosphäre in Relation zur Höhe, im Besonderen Änderungen von Luftdruck, Sauerstoffpartialdruck und Temperatur,
- die Wirkung von Beschleunigung oder Verzögerung auf einen Organismus,
- Schwerelosigkeit,
- extreme Temperaturen,
- Strahlung,
- Lärm und
- Vibrationen.
Betrachtet werden zudem
- Reise-/Bewegungskrankheit,
- räumliche Desorientierung,
- Stress,
- die Auswirkungen langdauernder erzwungener Inaktivität und
- Störungen des Biorhythmus, wie z. B. Jetlag.
Flugphysiologische Ausbildung
In der Europäischen Union müssen für den Erwerb von Pilotenlizenzen Kenntnisse flugphysiologischer Grundlagen im Rahmen des Prüfungsfachs menschliches Leistungsvermögen nachgewiesen werden.[3]
Für Militärpiloten ist eine flugphysiologische Ausbildung einschließlich eines Kammerfluges und ggf. auch einer rapiden Dekompression obligatorischer Bestandteil der fliegerischen Ausbildung. Darüber hinaus müssen diese Kenntnisse regelmäßig aufgefrischt werden. Ohne den gültigen Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an einer solchen Ausbildung (Blue Card / Red Card) darf nicht am Flugdienst teilgenommen werden.[4] Die Bundeswehr führt diese Ausbildung am Flugphysiologischen Trainingszentrum in Königsbrück durch. Bestandteil dieser Lehrgänge ist ein Aufstieg in einer Höhenkammer inklusive einer Sauerstoffmangeldemonstration. Jet-Piloten erhalten zudem eine Ausbildung in einer Zentrifuge.[5][6][7]
Die amerikanische Luftfahrtbehörde (englisch Federal Aviation Administration (FAA)) schreibt für Besatzungen von Flugzeugmustern mit einer Druckkabine und einer Flughöhe über 25.000 Fuß eine theoretische Einweisung in flugphysiologische Grundlagen vor. (14 CFR § 61.31)[8]
Fliegerärzte benötigen umfangreiche Kenntnisse über die Bedingungen, denen der menschliche Organismus während des Fluges ausgesetzt ist. Flugphysiologie ist daher ein wesentlicher Anteil der Ausbildung für flugmedizinische Sachverständige.[9][10]
Geschichte
Wesentliche – auch heute noch gültige – Erkenntnisse über die Wirkung der Umgebungsbedingungen großer Höhen auf den menschlichen Körper wurden bei Menschenversuchen im KZ Dachau gewonnen.[11][12]
Literatur
- Oberstarzt Hans Pongratz (Hrsg.): Kompendium der Flugmedizin. Generalarzt der Luftwaffe – Flugmedizinisches Institut der Luftwaffe, 2004, ISBN 3-00-016306-9 (Nachdruck April 2006).
- International Civil Aviation Organization (Hrsg.): Manual of Civil Aviation Medicine. 3. Auflage. 2012, 1 Physiological Factors of Relevance to Flight Safety (englisch, icao.int [PDF; abgerufen am 18. Januar 2021]).
- J. Hinkelbein, E. Glaser (Hrsg.): Flugmedizin. UniMed-Verlag, Bremen 2007. ISBN 978-3-89599-954-3.
Weblinks
- Federal Aviation Administration: Introduction to Aviation Physiology
- Airman Education Programs: Aerospace Physiology Training
- FAA: Aircrew Health and Safety Videos
Einzelnachweise
- ↑ Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 258. Auflage. de Gruyter, Berlin, New York 1998, ISBN 3-11-014824-2.
- ↑ Federal Aviation Administration (Hrsg.): Introduction to Aviation Physiology. (englisch, faa.gov [PDF; abgerufen am 17. Januar 2021]).
- ↑ Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt, abgerufen am 31. Januar 2021
- ↑ Bernd Brix: Flugphysiologische Ausbildung, Forschung und Erprobung – Ein wichtiger Baustein der Flugsicherheit. In: Wehrmedizinische Monatsschrift. Band 2011/5-6, 7. April 2011 (wehrmed.de [abgerufen am 1. Februar 2021]).
- ↑ NATO Standardization Office (Hrsg.): AAMedP-1.2 – Aeromedical Training of Flight Personnel (Edition A, Version 1). Februar 2018 (englisch, coemed.org [PDF]).
- ↑ US Air Force – AETC/A3FM (Hrsg.): AFI 11-403 – Aerospace Physiological Traning. 29. Mai 2015 (englisch, af.mil [PDF; abgerufen am 31. Januar 2021]).
- ↑ US Air Force – 19 AF/DOA (Hrsg.): AFI 11-404 – Fighter Aircrew Acceleration Training Program. 27. November 2019 (englisch, af.mil [PDF; abgerufen am 31. Januar 2021]).
- ↑ 14 CFR § 61.31 – Type rating requirements, additional training, and authorization requirements. Abgerufen am 31. Januar 2021 (§ 61.31 (g) – Additional training required for operating pressurized aircraft capable of operating at high altitudes).
- ↑ Wege in die Flugmedizin. Abgerufen am 20. Februar 2021.
- ↑ Durchführungsverordnung (EU) 2019/27 der Kommission vom 19. Dezember 2018 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EU) 2018/1139 des Europäischen Parlaments und des Rates, abgerufen am 20. Februar 2021
- ↑ Ruff unter Druck. Abgerufen am 20. Februar 2021.
- ↑ Die Perversion des Heilens. Abgerufen am 20. Februar 2021.
Auf dieser Seite verwendete Medien
Tech. Sgt. Hanna Ford, 82nd Aero Medical Dental Squadron hypobaric chamber operator, Aerospace and Operational Physiology, monitors air crew members in the hypobaric chamber at Sheppard Air Force Base, Texas, July 10. The air crew members are being familiarized with altitude and to educate them on how to counteract the threats. (U.S. Air Force photo/Danny Webb/Released)