Flee

Film
TitelFlee
OriginaltitelFlugt
ProduktionslandDänemark, Frankreich, Schweden, Norwegen
OriginalspracheDänisch, Englisch, Dari, Russisch, Französisch[1]
Erscheinungsjahr2021
Länge90 Minuten
Stab
RegieJonas Poher Rasmussen
DrehbuchJonas Poher Rasmussen,
Amin Nawabi
ProduktionMonica Hellström,
Signe Byrge Sørensen,
Charlotte de La Gournerie
MusikUno Helmersson
SchnittJanus Billeskov Jansen
Besetzung
Als sie selbst:
  • Jonas Poher Rasmussen
  • Amin Nawabi

Flee (dt.: „Fliehen“, dänisch: Flugt[2]) ist ein animierter Dokumentarfilm von Jonas Poher Rasmussen aus dem Jahr 2021. Im Mittelpunkt steht das wahre Schicksal eines afghanischen Flüchtlings, der unter Angabe falscher Tatsachen Asyl in Europa erhalten und sich in Dänemark erfolgreich ein neues Leben aufgebaut hat. Um seine Vergangenheit zurückzugewinnen und mit sich selbst ins Reine zu kommen, vertraut er seine wahre Lebensgeschichte einem Freund an.

Die Weltpremiere des Films war ursprünglich im Mai 2020 bei den 73. Internationalen Filmfestspielen von Cannes geplant, die aber aufgrund der COVID-19-Pandemie abgesagt werden mussten.[3] Daraufhin wurde die europäische Koproduktion ab 29. Januar 2021 im Wettbewerb des hybrid veranstalteten 37. Sundance Film Festivals uraufgeführt und in der Folge mit einer Reihe internationaler Film- und Festivalpreise ausgezeichnet. Im Jahr 2022 wurde Flee in drei Kategorien (bester internationaler Film, bester Dokumentarfilm und bester animierter Spielfilm) für den Oscar nominiert.

Inhalt

Der 36-jährige[4] Amin lebt als erfolgreicher Akademiker in Kopenhagen. Er ist offen homosexuell und plant die Hochzeit mit seinem langjährigen Lebensgefährten. Seine wahre Lebensgeschichte hat er aber 25 Jahre lang geheim gehalten. Amin flüchtete als Kind aus seinem Heimatland Afghanistan nach Russland. In der Zeit des Postkommunismus hielt er sich dort fünf Jahre lang versteckt. Im Alter von 16 Jahren erreichte er schließlich als unbegleiteter Minderjähriger das sichere Dänemark. Aus Angst, seine tatsächliche Lebensgeschichte preisgeben zu müssen, hielt sich Amin an die gefälschten Angaben, die ihm die Menschenschmuggler eingebläut hatten.[3]

Kurz vor der Hochzeit sehnt sich Amin nach einem ehrlichen Leben. Er sieht den Zeitpunkt als letzte Chance an, von seiner wahren Identität zu berichten, die er so lange vor seinem Umfeld verheimlicht hat. Amin befürchtet, dass sein wahres Ich sonst vollständig verblasst und sich in sein falsches Selbst integriert. Er entscheidet sich, seine wahre Lebensgeschichte Tobias, einem engen Freund, anzuvertrauen.[5] Amin hofft, auf diese Weise seine Vergangenheit zurückzugewinnen und wieder zu sich selbst zu finden.[3]

Entstehungsgeschichte

Für Jonas Poher Rasmussen ist die Dokumentation der vierte Langfilm, bei dem er für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnete. Amin ist ein alter Schulfreund von ihm, dessen Geschichte er auf die Leinwand bannte.[2] Die Bedingung war, dass seine Identität nicht preisgegeben wird. Daraufhin entschied sich Poher Rasmussen dafür, Amins Odyssee in handgezeichneten, animierten Sequenzen aufzuarbeiten. Daneben verwendete der Filmemacher Archivmaterial sowie Popmusik der 1980er-Jahre.[6]

Das Projekt brachte Poher Rasmussen 2016 auf dem Filmmarkt beim Festival d’Animation Annecy den „Disney Channel Award“ für den besten Pitch ein.[7] Auch war er damit bei Berlinale Talents vertreten.[8] Weitere Unterstützung erhielt Flee u. a. vom Dänischen, Schwedischen und Norwegischen Filminstitut, Creative Europe MEDIA, Centre national du cinéma et de l’image animée, DR, Sveriges Television, Yleisradio, Eesti Rahvusringhääling und Radiotelevizija Slovenija.[1]

Flee wurde von den dänischen Firmen Final Cut for Real und Sun Creature Studio produziert. Als Koproduzenten traten Vivement lundi aus Frankreich, Mostfilm aus Schweden und Mer Film aus Norwegen in Erscheinung.[5] Arte France wird als ein weiterer Koproduzent genannt.[1] Der französische Teil entstand über zwölf Monate in den Filmstudios Personne n’est parfait! in Rennes (u. a. Executive Production, Erstellung des Szenenbilds) und Train-Train in Hauts-de-France (Produktion einer fünfminütigen Animationssquenz, Kolorierung der gesamten Animationssequenzen und der Spezialeffekte). Flee war im Frühjahr 2020 fertiggestellt.[5]

Rezeption

Noch vor der Uraufführung wurde Poher Rasmussens angekündigter Film von der Fachkritik sehr wohlwollend aufgenommen. Bei Bekanntgabe der Filmauswahl des abgesagten Festivals von Cannes stufte Eric Kohn vom amerikanischen Branchendienst IndieWire Flee als ambitioniertesten der vier eingeladenen Animationsfilme ein und zog Vergleiche zum Überraschungshit Waltz with Bashir (2008) von Ari Folman, der ebenfalls auf dem französischen Filmfestival seine Premiere erlebt hatte.[9] Später setzte Kohn den Film auf seine Wunschliste für das Sundance Film Festival 2021. „Es ist eine starke Kombination, die die Gespräche über die anhaltende Flüchtlingskrise erneuern wird“, so Kohn über den Film.[10]

Jacob Ludvigsen (Soundvenue) zählte Flee zu den 15 am meisten erwarteten dänischen Filmen des Kinojahres 2021 und zog ebenfalls Vergleiche zu den preisgekrönten Filmen Waltz with Bashir sowie Tower von Keith Maitland. Aus der „Verbindung zwischen der Realitätsgrundlage des Dokumentarfilms und der Symbolik der Animation“ könne „etwas ganz Besonderes entstehen“. Flee vermittle „ein einzigartiges Erlebnis“ und werde Poher Rasmussens „großer Durchbruch“ sein, so Ludvigsen.[2]

Das Sundance Film Festival pries Flee als „ein Triumph des Erzählens und des Einfallsreichtums des Filmemachens“ an. „Größtes Kapital“ sei aber „das Einfühlungsvermögen und das Vertrauen, das Rasmussen dem Protagonisten des Films entgegenbringt, dessen Klarheit und Verletzlichkeit uns Zugang zu einer einzigartigen Flüchtlingsgeschichte gewähren“, so das Festival im offiziellen Online-Katalog.[6]

Der reguläre Kinostart in Dänemark erfolgte am 17. Juni 2021.[11] In Deutschland wurde das Werk erstmals Ende Oktober 2021 beim Dokumentar- und Animationsfilmfestival DOK Leipzig gezeigt.[12]

Auszeichnungen

Flee gewann in den Jahren 2021/22 über 60 internationale Film- bzw. Festivalpreise und wurde für mehr als 120 weitere nominiert.[13] Zu den erhaltenen Auszeichnungen gehören u. a. die Hauptpreise des Festival d’Animation Annecy und des Sundance Film Festivals sowie drei Europäische Filmpreise.

Im Oktober 2021 setzte sich das Werk gegen die Historiendramen Die Königin des Nordens (Margrete den første, Regie: Charlotte Sieling) und Shadows in My Eyes (Regie: Ole Bornedal) durch und wird Dänemark als Kandidat für den besten internationalen Film bei der Oscarverleihung 2022 vertreten.[14] Bei der Oscarverleihung folgten drei Nominierungen.[15]

Filmpreis
(Auswahl)
KategoriePreisträger/
Nominierte
Resultat
Festival d’Animation Annecy 2021Cristal – Bester LangfilmJonas Poher RasmussenGewonnen
Gan Foundation Award for DistributionJonas Poher RasmussenGewonnen
Beste Filmmusik – LangfilmUno HelmerssonGewonnen
Boston Society of Film Critics Awards 2021[16]Bester AnimationsfilmK/AGewonnen
British Academy Film Awards 2022Bester AnimationsfilmJonas Poher Rasmussen,
Monica Hellstrøm
Nominiert
Bester DokumentarfilmJonas Poher Rasmussen,
Monica Hellstrøm
Nominiert
British Independent Film Awards 2021Bester internationaler Independent-FilmJonas Poher Rasmussen,
Monica Hellstrøm,
Signe Byrge Sørensen
Gewonnen
Chicago Film Critics Association Awards 2021Bester AnimationsfilmK/AGewonnen
Critics’ Choice Movie Awards 2022Bester AnimationsfilmK/ANominiert
Bester fremdsprachiger FilmK/ANominiert
Europäischer Filmpreis 2021Bester DokumentarfilmJonas Poher RasmussenGewonnen
Bester AnimationsfilmJonas Poher RasmussenGewonnen
European University Film AwardJonas Poher RasmussenGewonnen
Golden Globe Awards 2022Bester AnimationsfilmNeon, ParticipantNominiert
Gotham Awards 2021Bester DokumentarfilmJonas Poher Rasmussen,
Monica Hellstrøm,
Signe Byrge Sørensen,
Charlotte de La Gournerie
Gewonnen
Göteborg International Film Festival 2021Dragon Award – Bester nordischer DokumentarfilmJonas Poher RasmussenGewonnen
Independent Spirit Awards 2022Bester DokumentarfilmJonas Poher Rasmussen,
Monica Hellstrøm,
Signe Byrge Sørensen
Nominiert
Jerusalem Film Festival 2021Lobende Erwähnung – Bester internationaler FilmJonas Poher RasmussenGewonnen
DOK Leipzig 2021Publikumspreis – Bester DokumentarfilmJonas Poher RasmussenNominiert
Los Angeles Film Critics Association Awards 2021Bester AnimationsfilmJonas Poher RasmussenGewonnen
National Board of Review Awards 2021Preis für MeinungsfreiheitK/AGewonnen
National Society of Film Critics Awards 2022Bester DokumentarfilmK/AGewonnen
New York Film Critics Circle Awards 2021Bester DokumentarfilmJonas Poher RasmussenGewonnen
Filmpreis des Nordischen Rates 2021Bester FilmJonas Poher Rasmussen,
Monica Hellstrøm,
Signe Byrge Sørensen,
Charlotte de La Gournerie,
Final Cut for Real
Gewonnen
Oscarverleihung 2022Bester DokumentarfilmJonas Poher Rasmussen,
Monica Hellstrøm,
Signe Byrge Sørensen,
Charlotte de La Gournerie
Nominiert
Bester AnimationsfilmJonas Poher Rasmussen,
Monica Hellstrøm,
Signe Byrge Sørensen,
Charlotte de La Gournerie
Nominiert
Bester internationaler FilmDänemarkNominiert
Producers Guild of America Awards 2022Bester Produzent – DokumentarfilmK/ANominiert
Satellite Awards 2021Bester internationaler FilmDänemarkNominiert
Bester DokumentarfilmNeonNominiert
Bester AnimationsfilmNeonNominiert
Sundance Film Festival 2021Preis der Jury – Bester ausländischer DokumentarfilmJonas Poher RasmussenGewonnen

Synchronisation

Die deutschsprachige Synchronisation entstand nach einem Dialogbuch und unter der Dialogregie von Masen Abou-Dakn bei der DMT in Hamburg.

RolleDarstellerSynchronsprecher[17]
AminAmin NawabiAltamasch Noor
JonasJonas Poher RasmussenHardy Krüger Jr
KasperJonas Minthe

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Flee. In: mostalice.se (abgerufen am 10. Januar 2021).
  2. a b c Jacob Ludvigsen: 15 danske film, vi slet ikke kan vente med at se i 2021. In: soundvenue.com, 9. Januar 2021 (abgerufen am 10. Januar 2021).
  3. a b c Flee. In: cannes2020.festival-cannes.com (abgerufen am 9. Januar 2021).
  4. Flee. In: cineuropa.org (abgerufen am 10. Januar 2021).
  5. a b c Rennes. Le film « FLEE », coproduit par une société rennaise, en compétition au Sundance Festival !. In: ouest-france.fr, 16. Dezember 2020 (abgerufen am 10. Januar 2021).
  6. a b Flee (Memento desOriginals vom 7. März 2021 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/fpg.festival.sundance.org In: fpg.festival.sundance.org (abgerufen am 10. Januar 2021).
  7. ‘Flee‘ wins Best Pitch Award at Annecy Animation Festival. In: finalcutforreal.dk, 22. Juni 2016 (abgerufen am 10. Januar 2021).
  8. Flee. In: berlinale-talents.de (abgerufen am 10. Januar 2021).
  9. Eric Kohn: Cannes 2020: Here’s What the Official Selection Tells Us About the Year in Cinema. In: indiewire.com, 3. Juni 2020 (abgerufen am 10. Januar 2021).
  10. Eric Kohn, Kate Erbland, David Ehrlich, Chris O’Falt, Zack Sharf, Ryan Lattanzio, Chris Lindahl, Jude Dry: Sundance Wish List: 50 Films We Hope Will Premiere at the Festival in 2021. In: indiewire.com, 24. November 2020 (abgerufen am 10. Januar 2021).
  11. Flee – Release Infos. In: imdb.com (abgerufen am 29. Oktober 2021).
  12. Flee. In: dok-leipzig.de (abgerufen am 29. Oktober 2021).
  13. Flee. In: imdb.com (abgerufen am 8. Februar 2022).
  14. Scott Roxborough: Oscars: Denmark Selects Animated Doc ‘Flee’ in Best International Feature Category. In: hollywoodreporter.com, 26. Oktober 2021 (abgerufen am 29. Oktober 2021).
  15. Steve Dove: Oscar Nominations 2022 List: Nominees by Category. In: abc.com, 8. Februar 2022 (abgerufen am 8. Februar 2022).
  16. Current Winners – 2021 Awards. In: bostonfilmcritics.org (abgerufen am 18. Dezember 2021).
  17. Flee. In: synchronkartei.de. Deutsche Synchronkartei, abgerufen am 14. November 2021.