Figur-Grund-Wahrnehmung
Figur-Grund-Wahrnehmung ist ein Fachausdruck aus dem Bereich der Sinneswahrnehmung. Er beschreibt die Unterscheidung von Vordergrund (Figur) und Hintergrund (Grund) bei der Gewichtung von wahrgenommenen Reizen/Sinneseindrücken. Die Untersuchung von Figur-Grund-Prozessen, und speziell von Eigenschaften der Figur im Vordergrund im Sinne einer Gestalt, bildet den Schwerpunkt der Forschung und der Theorie der Gestaltpsychologie.
Figur und Grund
Aus den vielen, unterschiedlichen Sinneseindrücken einer Situation, die gleichzeitig auf den Menschen einströmen, kann das Gehirn die Eindrücke ausfiltern, die es zu diesem Zeitpunkt als die Wichtigsten erachtet. Diese Eindrücke werden zum Vordergrund, zur „Figur“. Sie werden bewusst und differenziert wahrgenommen und bilden das Zentrum der Aufmerksamkeit. Die übrigen Sinneseindrücke, die als unwichtig erkannt werden, treten in den Hintergrund und bilden den „Grund“.
Sinnesleistung
Zur Figur-Grund-Wahrnehmung ist es erforderlich, die Aufmerksamkeit selektiv/herausfilternd zu lenken. Die betreffenden Sinnesleistungen sind dabei das Heraushören, -sehen, -riechen, -schmecken, -ertasten. Dabei müssen die einzelnen Sinnesreize unterschieden und wiedererkannt werden. Um diese Unterscheidung leisten zu können, ist es wesentlich, gut zu filtern und so Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Kann ein Mensch seine Sinneseindrücke nicht unterscheiden/filtern, wird er überschwemmt mit Sinneseindrücken aus allen Sinneskanälen.[2]
Siehe auch
- Edgar Rubin (1886–1951), ein dänischer Psychologe und Phänomenologe, gilt als der Pionier der Erforschung der Figur-Grund-Wahrnehmung („Rubinscher Becher“ bzw. „Rubinsche Vase“ – siehe Abbildung rechts oben).[3]
- Marianne Frostig entwickelte „Frostigs Entwicklungstest der visuellen Wahrnehmung“ (FEW) zur diagnostischen Differenzierung der visuellen Wahrnehmung für visuo-motorische Koordination, Figur-Grund-Wahrnehmung, Wahrnehmungskonstanz, Wahrnehmung der Raumlage und räumlicher Beziehungen.
- Multistabile Wahrnehmung beschreibt das Phänomen spontan wechselnder Interpretationen eines eingehenden Wahrnehmungssignales, also einen Gestaltwechsel oder Wahrnehmungswechsel. Dabei wird der „Vordergrund“ jeweils unterschiedlich definiert.
- Kippfigur ist eine Figur, die einen subjektiven Eindruck von Gestaltwechsel beim Betrachten hervorruft. Sie bietet dem Betrachter Alternativen der Wahrnehmung, wobei sich das Figur-Grund-Verhältnis immer wieder verändert.
- Meine Frau und meine Schwiegermutter ist eine Zeichnung des Cartoonisten William Ely Hill (1887–1962), die erstmals 1915 im Puck-Magazin, einem US-Satiremagazin, erschien und die eine der bekanntesten Kippfiguren ist.
- Gestalttheorie und Gestaltpsychologie beschreiben Einzelheiten bezüglich dieser Wahrnehmung.
Weiterführende Literatur
- Michael Junga: Training zur Förderung von Konzentration, Wahrnehmung und Gedächtnis. Band 4: Figur-Grund-Wahrnehmung. (= Bergerdorfer Wendekarten). Persen, Horneburg 2002, ISBN 3-89358-907-4.
- Klaus Fischer: Händigkeit als Basiskompetenz für den Schriftspracherwerb. In: Motorik. 29, 2006, 3, S. 95–101. ISSN 0170-5792 (Abstract)
- Marion Puttich-Becke: Wir ueben Woerter mit B/b gekoppelt mit Uebungen zur Figur-Grund-Wahrnehmung. In: Sonderschulmagazin. 15, 1993, 7–8, S. 15–16. ISSN 0724-5564
- Lars Tischler: Figur-Grund-Unterscheidung doi:10.13140/RG.2.1.2866.8007
Einzelnachweise
- ↑ John P. Frisby: Optische Täuschungen – Sehen, Wahrnehmen, Gedächtnis, Weltbild Verlag Augsburg, 1987, S. 127, ISBN 3-926187-24-7 (früher erschienen im Heinz Moos Verlag München, ISBN 3-7879-0176-0). Titel der englischen Originalausgabe: Seeing, Illusion, Brain and Mind, Oxford University Press, ISBN 0-19-217672-2
- ↑ Marianne Wiedenmann, Inge Holler-Zittlau (Hrsg.): Handbuch Sprachförderung: Basiswissen - integrative Ansätze - Praxishilfen - Spiel- und Übungsblätter für den Unterricht. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Beltz, 2007, ISBN 3-407-83157-9, S. 76.
- ↑ Visuell wahrgenommene Figuren. Studien in psychologischer Analyse. Aus dem Dänischen übersetzt nach „Synsoplevede Figurer“. Gyldendalske Boghandel, Kopenhagen/ Berlin/ London 1921.
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