Fidel
Fidel, auch Fiedel (althochdeutsch fidula, mittelhochdeutsch fidel, fyddel, videl), ist ein Oberbegriff für zahlreiche mit dem Bogen gestrichene Lauteninstrumente, die nicht notwendig in der Form, aber in ihrer Spieltechnik und Haltung der Violine ähneln. Hierzu gehören zu den Sattelknopfinstrumenten gerechnete Streichinstrumente, die im Mittelalter von der Rebec oder Rotta unterschieden wurden. Darüber hinaus werden weltweit in der Volksmusik oder traditionellen Musik verwendete kleine Streichinstrumente unspezifisch als Fidel bezeichnet. Englisch Fiddle steht für nicht-klassische Spielweisen der Violine in zeitgenössischen populären und ethnischen Traditionsmusiken, wie dem Folk.
Schreibweise und verwandte Wörter
Vor dem 19. Jahrhundert war die Schreibweise nicht vereinheitlicht. Es finden sich neben fidel, fiedel auch Schreibweisen mit beginnendem v. Die Wortherkunft kann bis zum Altprovenzalischen zurückverfolgt werden. Eine Verwandtschaft mit Viola (italienisch viola) ist wahrscheinlich, die Details sind jedoch umstritten. Ein Zusammenhang mit italienisch viella, spanisch vihuela, franz. vièle, vielle ist dagegen nicht herzustellen.
Die Musikwissenschaft[1] hat sich weitgehend auf die Schreibweise Fidel für historische Streichinstrumente festgelegt, so das Lexikon Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG).[2] Ebenso die Basler Hochschule Schola Cantorum Basiliensis,[3] wahrscheinlich die weltweit einzige Musikhochschule, an der man Fidel als Hauptfach studieren kann.
Die Schreibweise Fiedel wird ebenso wie Fidel für violinenähnliche Streichinstrumente von Volksmusikstilen und außereuropäische Streichinstrumente unabhängig von ihrer Bauart verwendet. Das englische Wort Fiddle steht besonders für eine Streichlaute, die in der Country- und Folk-Musik anstelle der modernen Geige verwendet wird. Namensverwandte Streichinstrumente sind Vihuela, Schlüsselfidel und Fiðla.
Historische Fideln
Als Streichinstrument der Mittelalter- und Renaissancemusik war neben der Fidel vor allem die Rebec von Bedeutung. Während die mittelalterliche Fidel einen flachen Boden und ein Wirbelbrett mit senkrecht vorn oder hinten aufgesetzten Stimmwirbeln hatte, besaß die Rebec einen gewölbten Rücken und zur Seite abstehende Stimmwirbel. Der Bogen bestand aus einem gebogenen Stab, der die Rosshaarbespannung straff hielt.
Die historische Fidel (genannt auch Fidula)[4] ist schon im 11. Jahrhundert nachweisbar; im 12. Jahrhundert tauchen Fideln häufig in Portaltympana als Instrumente der 24 Ältesten der Apokalypse auf. Fideln besaßen meist fünf bis sieben Saiten in Quint- und Quartstimmung (sowohl mit als auch – als Vorläufer der Großgeigen – ohne Bordunsaiten), von vorne oder hinten gesteckte Wirbel und einen ovalen oder taillierten Korpus. Die Fidel war das wichtigste Instrument der Troubadoure und Minnesänger, Hieronymus von Moravia überliefert im 13. Jahrhundert die meistverbreiteten Stimmungen der Fidel, beginnend (eingeklammert) mit dem Bordun:
- (d-)G-g-d'-d'
- (d-)G-g-d'-g'
- (G-)G-d-c'-c'
Die Stimmungen 1 und 3 scheinen darauf hinzuweisen, dass die Fidel mitunter Doppelsaiten verwendete, somit rein musikalisch gesehen manchmal nur über drei Spielsaiten verfügte, ähnlich wie das Rebec. Im 15. Jahrhundert entwickelte sich aus der Fidel die Lira da braccio, die zusätzlich zu den fünf Spielsaiten zwei neben dem Griffbrett befindliche Bordunsaiten hatte. Die Stimmung dieses Instrumentes war d-d′-g-g′-d′-a′-e″.
Aus Fidel und Rebec entwickelten sich die Streichinstrumente. Die Viola da braccio des 15. Jahrhunderts war der heutigen Violine schon sehr ähnlich. Zu Nachfahren mittelalterlicher Fideln in der osteuropäischen Volksmusik siehe: Husle. Eine bis Ende des 19. Jahrhunderts in Polen gespielte, alte Form einer Fidel ist die Suka. Seit den 1990er Jahren wird der in Zeichnungen überlieferte Typ der Suka wieder hergestellt.
Zu den Herstellern von Fideln im 20. Jahrhundert gehörten beispielsweise die Werkstatt für Historische Musikinstrumente und Fidelbau von Emmo Koch in Bremen und in Mittenwald Karl Frank (sechssaitige, in Quarten gestimmten und im Schoß zu spielende Mittenwalder Fideln).[5]
Moderne Fideln
Gebräuchlich ist der Name Fidel, früher auch Neue Fidel[6] genannt, auch für ein Streichinstrument, das erst im 20. Jahrhundert aufkam. Es handelt sich um eine modernisierte Form der Viola da Gamba, eines historischen Streichinstrumentes, welches im Zuge der historische Aufführungspraxis im 20. Jahrhundert wiederentdeckt wurde. Die Fidel entspricht ihrer historischen Vorlage in Spielweise und Stimmung. Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelten Geigenbauer mit der Fidel eine robustere, kostengünstigere Form der Gambe, um Anfängern den Zugang zu diesem Instrument zu erleichtern. An einigen Musikschulen wird sie noch als Einstiegsinstrument unterrichtet.
Fideln gibt es in verschiedenen Tonlagen, am meisten verbreitet ist sie in der hohen Diskantlage. Im Unterschied zur Gambe wird die Fidel mit Stahlsaiten bespannt. Viele Fideln werden über Mechaniken statt über Wirbel gestimmt, es gibt aber auch Varianten mit Wirbeln und Feinstimmern, ähnlich wie bei Geigen. Gespielt wird sie wie die Diskantgambe zwischen den Beinen gehalten oder mit dem Korpus auf den Schoß gestellt. Der Hals ragt dabei nach oben. Fideln haben fünf bis sechs Saiten in Quart-Terz-Stimmung und ein mit Bünden versehenes Griffbrett.
Übliche Stimmung:
- 5-saitig: g-c′-e′-a′-d″
- 6-saitig: d-g-c′-e′-a′-d″
Literatur
- Rainer Ullreich: Fidel. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Sachteil, Band 3 (Engelberg – Hamburg). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1995, ISBN 3-7618-1104-7 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Beispielsweise:
- Alec Robertson, Denis Stevens: Geschichte der Musik in drei Bänden. Bd. 1. München 1965, S. 197 ff.
- Musikinstrumente der Welt. Prisma, Gütersloh 1981, S. 202 ff.
- Taschenbuch der Musikinstrumente. Humboldt TB 1973, S. 36: „DIE FIDEL (fidule, vielle), das wichtigste mittelalterliche Streichinstrument …“
- David Reck: Musik der Welt. Hamburg 1991, S. 119: „Gestrichene Lauten (Gattungsbezeichnung: Fidel) sind in ebenso verblüffender Vielfalt wie die gezupften Langhals- und Kurzhalslauten anzutreffen.“
- Eberhard Thiel: Sachwörterbuch der Musik (= Kröners Taschenausgabe. Band 210). 3., verbesserte Auflage. Kröner, Stuttgart 1977, ISBN 3-520-21003-7, S. 153: „Fidel“
- ↑ Rainer Ullreich: Fidel. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Sachteil, Band 3 (Engelberg – Hamburg). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1995, ISBN 3-7618-1104-7 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
- ↑ Liste der Instrumente, die an der Schola Cantorum Basiliensis unterrichtet werden (Memento des vom 18. Oktober 2008 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Erich Valentin: Handbuch der Musikinstrumentenkunde. Gustav Bosse, Regensburg 1954, S. 427.
- ↑ Erich Valentin: Handbuch der Musikinstrumentenkunde. Gustav Bosse, Regensburg 1954, S. 455 ff. (Instrumentenbauer).
- ↑ Erich Valentin: Handbuch der Musikinstrumentenkunde. Gustav Bosse, Regensburg 1954, S. 426.
Auf dieser Seite verwendete Medien
Rekonstruktion einer Memling-Fidel.
Someone playing the vielle. Cantigas de Santa Maria, about 1300.
German specialists answer about the origin:
"Was das Bild angeht: es stammt aus einer der Handschriften der Cantigas de Santa Maria. Ich müßte genau nachschlagen aus welcher und wie die genau datiert wird... (entweder spätes 13. Jh. oder frühes 14. Jh. - mit Gerard David (15. Jh.) hat das so überhaupt gar nix zutun). OK, ich habe zwar die Faksimiles von 2 der Hauptcodices, aber nicht vom 3., der am reichsten illuminiert ist (das Faksimile kosten diverse Tausend Euro) - ohne jetzt in die Musikwissenschaft Basel zu gehen und dort den Mikrofilm durchzusehen oder zu schauen ob die das Fakimile haben, könnte ich jetzt nur indirekt erschließen: aufgrund stilistischer Vergleiche, würde ich mit 95%iger Sicherheit sagen: es handelt sich um eine Abbildung aus dem Codex E2, auch Codex T genannt - der hat über 1200 Miniaturen und ist der am reichsten geschmückte der Cantiga Codices. Datiert wird er auf das Ende des 13. Jh.: San Lorenzo de El Escorial, Biblioteca del Real Monasterio, T.I.1 (also known as T.j.1) [e; E²; T]. 256 parchment leaves, 49 × 33 cm. Modern arabic foliation in pencil; songs numbered with illuminated Roman numerals on both leaves, top centre. Layout: normally 2 columns, 44 lines or 11 staves a page; red and blue illuminated capitals; each song headed in red. Illuminations: 1264 magnificent miniatures, normally grouped by 6 (1 full page corresponding to a song) or 12 (2 full pages, singling out the fifth song in each group of 10). Scribes: no detailed study; seemingly uniform French gothic hand. Notation: proto-mensural, based on, but not identical to French pre-Franconian practice (Ferreira, 1987, 1993). Date: ?1280–84 (Ferreira, 1994) Contents: on f.4, after the surviving folios of the index, a fragmentary cantiga without music forms an ‘appendix’; on f.4v the main collection begins, with 194 cantigas (including 3 fragmentary, of which 2 without music, and 1 more with empty staves). This is the first volume of a set of 2; the second, incomplete volume, containing 104 songs with empty staves, is now in Florence, Biblioteca Nazionale Centrale, B.R.20 [F]. Facs.: El ‘Códice Rico’ de las Cantigas de Alfonso el Sabio: Ms. T.I.1 de la Biblioteca de El Escorial (Madrid, 1979)
Also: ich konnte das Bild direkt nicht finden - dazu müßte man das Faksimile durchsehen und nach diesem Ausschnitt suchen - aber stilistisch ist ziemlich eindeutig, daß es eine Cantiga-Abbildung sein muß (und selbst wenn nicht, dann ist es ziemlich eindeutig 13. Jh., bzw. um 1300, keinesfalls 15. Jh.) - ich habe die Art der Abbildung mit anderen aus dem T-Codex verglichen und sie scheint aus diesem oben genannten Codex zu kommen (u.a. habe ich dort in anderen Abbildungen, die ich habe, die Säulenkapitelle wiedergefunden)."Autor/Urheber: MOSSOT, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Saint-Denis - Basilique Saint-Denis - Portail central restauré par le sculpteurJoseph Brun - Voussure avec un vieillard de l'Apocalypse avec une tête refaite par Joseph Brun