Fidesz – Ungarischer Bürgerbund

Fidesz – Magyar Polgári Szövetség
Fidesz – Ungarischer Bürgerbund
Partei­vorsitzenderViktor Orbán
General­sekretärGábor Kubatov
Stellvertretender VorsitzenderGábor Kubatov
Kinga Gál
Lajos Kósa
Szilárd Németh
Gründung30. März 1988
GründungsortBudapest, Ungarn
HauptsitzLendvay utca 28.
1062 Budapest
AusrichtungChristdemokratie
Nationalkonservatismus
Nationalismus
Rechtspopulismus
EU-Skepsis
Illiberalismus[1]
Farbe(n)orange
JugendorganisationFidelitas
Sitze Parlament
116 / 199 (58,3 %)
Internationale VerbindungenChristlich Demokratische Internationale (CDI-IDC)
Internationale Demokratische Union (IDU)
Sitze EU-Parlament
10 / 21 (47,6 %)
EuropaparteiEVP (2004–2021), Patriots.eu (2024–)
EP-FraktionEVP (2004–2021), fraktionslos (2021–2024)[2], Patrioten für Europa (2024–)
Parteiflagge
Websitewww.fidesz.hu

Fidesz – Ungarischer Bürgerbund (ungarisch Fidesz – Magyar Polgári Szövetség), kurz Fidesz [ˈfidɛs] oder Fidesz-MPSZ, ist eine politische Partei Ungarns, deren Ausrichtung als rechtsextrem[3][4][5][6][7][8], rechtspopulistisch[9], autoritär[10][11][12] und nationalkonservativ eingestuft wird. Sie wurde ursprünglich als liberale Protestorganisation junger Intellektueller gegründet und entwickelte sich später zur größten bürgerlichen Partei des Landes. Parteivorsitzender ist Viktor Orbán. Fidesz vertritt die Idee einer illiberalen Demokratie.[13][14][15]

Geschichte

Gründung

Unter dem Namen „Bund Junger Demokraten“ (ungarisch Fiatal Demokraták Szövetsége, daraus das Akronym Fidesz, Backronym für lateinisch fides, „Treue, Glaube“[16]) wurde die Partei am 30. März 1988 von 37 jungen Intellektuellen in Budapest im Studentenheim Bibó István gegründet. Der Vorstand bestand am Anfang aus sechs Personen.

Von 1988 bis zu den ersten freien Wahlen nach der Wende konnte man die Partei als radikale Partei der jungen Leute definieren. Mitglied konnte ursprünglich nur werden, wer nicht älter als 35 Jahre war.[17] Sie nahmen aktiv an Demonstrationen teil und wurden nach der feierlichen Umbettung von Imre Nagy durch eine Rede von Viktor Orbán, die schließlich auch zum Fall des kommunistischen Regimes beitrug, im ganzen Land bekannt. Die Partei spielte eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen am „Runden Tisch“ vor der Wende, wo sie damals von Viktor Orbán, László Kövér und Gábor Fodor vertreten wurde.

Opposition und erste Regierungsbeteiligung (1990–2010)

Bei der ersten freien Wahl 1990 erhielt die Partei rund 9 % der Stimmen und setzte ihre politische Tätigkeit anschließend mit 21 Abgeordneten im Parlament fort. 1992 wurde Fidesz in die Liberale Internationale aufgenommen (deren Mitglied die Partei bis 2000 blieb). Im Verlauf der Legislaturperiode nahm die Popularität von Fidesz stark zu, wobei sie von der Unzufriedenheit mit dem unsteten Regierungskurs der bürgerlich-konservativen MDF profitieren konnte. In Umfragen im Jahr 1993 lag Fidesz auf dem ersten Platz.[18] Im selben Jahr verließ eine Gruppe (unter ihnen Gábor Fodor) die Partei und trat der liberalen Partei SZDSZ bei. Das zeitweilige Umfragehoch hielt jedoch nicht bis zum nächsten Wahltermin 1994 an. Im Gegenteil: Die Partei fiel auf 7 % und 20 Sitze zurück.

FiDeSz benannte sich 1996 in „Fidesz – Ungarische Bürgerliche Partei“ (Fidesz – Magyar Polgári Párt, Fidesz-MPP) um und nahm in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre Positionen der konservativ-wirtschaftsliberalen Partei Ungarisches Demokratisches Forum (Magyar Demokrata Fórum, MDF) auf, die in dieser Zeit an Stimmen verlor. In dieser Zeit betonte Fidesz immer weniger ihre ursprüngliche Jugendlichkeit. Fidesz wurde nur noch als losgelöstes Akronym verwendet und nicht mehr als Abkürzung für „Bund Junger Demokraten“. Vielmehr wollte sie nun als seriöse Regierungspartei wahrgenommen werden.[19]

Nach den Wahlen von 1998 konnte Fidesz gemeinsam mit dem MDF und der Unabhängigen Partei der Kleinlandwirte, der Landarbeiter und des Bürgertums (Független Kisgazdapárt, FKGP) eine Koalitionsregierung bilden. Ministerpräsident wurde Viktor Orbán.

Bei den Wahlen von 2002 reichten die von Fidesz erzielten Stimmen nicht zur Regierungsbildung. Daher wurde der Kandidat der Ungarischen Sozialistischen Partei (Magyar Szocialista Párt, MSZP), Péter Medgyessy, mit der Regierungsbildung beauftragt. Im Frühjahr 2003 nahm Fidesz den heutigen Namen Fidesz-MPSZ an. Nach einem Erfolg bei der Europawahl 2004 bildete Fidesz 2005 eine Allianz mit der Christlich-Demokratischen Volkspartei (Kereszténydemokrata Néppárt, KDNP), musste sich jedoch bei den Parlamentswahlen 2006 dem sozialistisch-liberalen Bündnis von MSZP und SZDSZ geschlagen geben.

Im Sommer 2007 geriet Fidesz in die Kritik, nachdem die Partei die Gründung der rechtsextremen paramilitärischen Organisation Ungarische Garde nicht verurteilt hatte. Die Ungarische Garde strebte – auch mit militärischen Mitteln – die „Beseitigung“ der als korrupt geltenden Regierung Gyurcsány an. Fidesz-Vorstand Viktor Orbán sprach sich gegen die Anwendung von Gewalt aus und wurde dafür von den Rechtsextremen kritisiert.

An der Regierung (seit 2010)

Bei der Parlamentswahl in Ungarn 2010 siegte Fidesz (im Bündnis mit der KDNP) im ersten Durchgang mit 52,7 Prozent der Stimmen, ein Zugewinn von mehr als 10 Prozentpunkten, während die bislang regierende sozialdemokratische MSZP mehr als die Hälfte ihres Stimmenanteils verloren und ihr Koalitionspartner, die liberale SzDSz, gar nicht mehr im Parlament vertreten war. Die größten Zugewinne hatte jedoch die rechtsextreme Jobbik, die auf den dritten Platz kam. Im zweiten Wahlgang baute Fidesz ihren Vorsprung mit Direktmandaten aus und erreichte damit eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Die Wahl wurde aufgrund der massiven Verschiebung der Kräfteverhältnisse und der Parteienlandschaft insgesamt als „Erdrutsch“ bezeichnet. Daraufhin wurde Viktor Orbán zum zweiten Mal zum Ministerpräsidenten und Pál Schmitt (ebenfalls ein Fidesz-Mitglied) zum Staatspräsidenten gewählt.

Fidesz und KDNP nutzten ihre Zwei-Drittel-Mehrheit zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die im April 2011 – genau ein Jahr nach dem Wahlsieg von Fidesz – beschlossen wurde und zum darauffolgenden Jahreswechsel in Kraft trat. Die Staatsbezeichnung wurde dadurch von „Ungarische Republik“ schlicht in „Ungarn“ geändert. Die als „Nationales Bekenntnis“ überschriebene Präambel enthält nun einen Gottesbezug (Invocatio Dei). Zudem werden der Heilige Stephan, der erste König von Ungarn, und die heilige Stephanskrone angeführt und Ungarn als Teil des „christlichen Europas“ bezeichnet. Die ungarische Nation wird ethnisch-kulturell definiert, die ethnischen Minderheiten sind kein Teil der Nation, sondern werden als „die mit uns zusammenlebenden Nationalitäten“ bezeichnet. Zudem wurde das Parlament von 386 auf 199 Sitze verkleinert.

Aufgrund einer Plagiatsaffäre trat Staatspräsident Schmitt am 2. Mai 2012 zurück, an seine Stelle trat ein weiteres Fidesz-Mitglied, János Áder.[20] Bei der Parlamentswahl 2014 musste Fidesz (abermals mit KDNP angetreten) merkliche Stimmenverluste hinnehmen, wurde aber mit 44,9 % wieder stärkste Partei. Fidesz und KDNP behielten sogar ihre Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament, da nach dem neuen Wahlrecht mehr als die Hälfte der Sitze direkt in den Wahlkreisen, unabhängig vom landesweiten Stimmenanteil der Parteien, vergeben werden und Fidesz in 96 der 106 Wahlkreise siegte.

Während der Flüchtlingskrise in Europa ab 2015 setzte sich die Fidesz-Regierung entschieden gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus islamischen und afrikanischen Ländern und vor allem gegen die Einführung EU-weiter Flüchtlingsquoten ein. Ein gegen die EU-Flüchtlingspolitik gerichtetes Referendum scheiterte jedoch an zu geringer Beteiligung der Stimmberechtigten. Bei der Parlamentswahl 2018 nahm der Stimmenanteil von Fidesz+KDNP auf 49,3 % zu. Die Regierungsparteien erhielten erneut 133 der 199 Sitze, was einer Zwei-Drittel-Mehrheit entspricht.

Nach Einschätzung von Nichtregierungsorganisationen hat sich die Lage der politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten in Ungarn unter Führung der Fidesz merklich verschlechtert. Beispielsweise bewertete die Organisation Freedom House Ungarn 2010 mit der Note 1,0, im Jahr 2015 nur noch mit 2,0 und 2019 mit 3,0.[21] Ungarn ist in dieser Hinsicht das Land mit der negativsten Entwicklungskurve in Europa und nach dieser Skala das am wenigsten freie Land in der Europäischen Union. Besonders macht sich dies im Bereich der Pressefreiheit bemerkbar, die Freedom House 2010 noch mit dem Wert 23 bewertete (wobei 0 vollkommen frei und 100 überhaupt nicht frei ist), 2017 hingegen mit 44, was nicht mehr in die Kategorie „frei“, sondern nur „teilweise frei“ fällt. Beispielsweise wurde die größte unabhängige Tageszeitung des Landes, Népszabadság, 2016 eingestellt.[22] Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International ist Ungarn zwischen 2010 und 2018 vom 50. auf den 64. Platz abgerutscht – vor Bulgarien der zweitschlechteste Wert in der Europäischen Union.[23]

Im März 2019 wurde die Mitgliedschaft von Fidesz in der Europäischen Volkspartei (EVP) suspendiert. Für einen Ausschluss von Fidesz, wie sie von EVP-Chef Donald Tusk befürwortet wurde, gab es im Februar 2020 keine Mehrheit innerhalb der Mitgliedsparteien der EVP. Vor allem die deutsche CDU und CSU sprachen sich dagegen aus.[24] Nachdem die Abgeordneten der EVP am 3. März 2021 eine Änderung der Geschäftsordnung beschlossen hatten, durch die eine Suspendierung der Mitgliedschaft der Fidesz oder auch ein Ausschluss möglich wurden, erklärte Orbán noch am selben Tag den Austritt der Abgeordneten seiner Partei aus der EVP-Fraktion. Die Änderung der Geschäftsordnung wurde von 148 EVP-Delegierten angenommen, 28 stimmten dagegen, darunter sechs der sieben ÖVP-Abgeordneten (die Ausnahme bildete Othmar Karas).[25][26][27] Am 18. März 2021 verließ die Partei auch die Europäische Volkspartei.[28]

Alleine bis zur erneuten Wiederwahl im Jahr 2022 wurden unter Viktor Orbans Regierungszeit nach Aussage von Katarina Barley 700 Änderungen des Wahlrechts in Ungarn zum Vorteil der Fidesz vorgenommen.[29]

Im Vorfeld und nach der Wahl zum Europäischen Parlament 2024 wurde vielfach gemutmaßt, dass sich die neugewählten Abgeordneten des Fidesz der gemäßigt EU-kritischen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) anschließen würden, anstatt wie seit 2021 weiterhin fraktionslos zu bleiben. Fidesz verzichtete allerdings auf einen Beitritt, nachdem die sechs Abgeordneten der rumänischen Partei Allianz für die Vereinigung der Rumänen in die EKR-Fraktion aufgenommen worden waren. Fidesz und die ungarische Regierung werfen der rumänischen Partei eine „extreme anti-ungarische“ Haltung vor und verweigern eine Zusammenarbeit.[30] Stattdessen verkündeten Viktor Orbán, Andrej Babis und Herbert Kickl am 30. Juni 2024 die Gründung eines neuen Fraktionsprojekts namens Patrioten für Europa durch unter anderem Fidesz, die tschechische ANO und die österreichische FPÖ.[31] Im September 2024 trat Fidesz auch der Partei Patriots.eu bei.

Inhaltliches Profil

Die ideologische Ausrichtung von Fidesz hat sich nach Einschätzung verschiedener Politikwissenschaftler im Laufe ihrer Geschichte mehrmals verschoben. In ihrer Gründungsphase in der Wendezeit bis Mitte der 1990er-Jahre galt sie als radikal-liberale Partei, die sich für Menschenrechte und freie Marktwirtschaft einsetzte. Damit sprach sie vor allem junge, liberale Intellektuelle an, die weder Teil der kommunistischen Nomenklatura noch kirchlich gebunden waren (die christlich orientierte Mittelschicht wählte damals noch das MDF).[32] Im Vergleich mit der ähnlich positionierten SzDSz wurde der Liberalismus von Fidesz sogar als noch radikaler wahrgenommen.[33] Anfang der 1990er-Jahre kritisierten Fidesz-Abgeordnete – darunter auch Orbán – scharf die nationalistischen Tendenzen der MDF-Regierung, die sie für rückwärtsgewandt hielten. Der ideologische Wandel von Fidesz begann laut Jürgen Dieringer um 1993, als die Partei eine nationalliberale Richtung annahm. Sie hatte dadurch eine Zwischenposition zwischen dem westlich-liberalen SzDSz und dem national-konservativen MDF. Dies wurde jedoch als „weder Fisch noch Fleisch“ wahrgenommen und vom Wähler nicht honoriert.[18]

Nach dem Bruch mit der SzDSz 1994 wandelte sich Fidesz in der Mitte und zweiten Hälfte der 1990er-Jahre weiter zu einer konservativen bis nationalkonservativen Partei.[32] Manifestiert wurde der Wandel vom liberalen zum konservativen Lager 2000 mit dem Austritt aus der Liberalen Internationale und Beitritt zur Europäischen Volkspartei.[18] In den 2000er-Jahren wurde die einst säkulare und antiklerikale Fidesz – unter Einschluss ihrer Dauerpartnerin, der kleinen christlichen KDNP – zur am stärksten religiösen und kirchentreuen Kraft im ungarischen Parteiensystem.[34] Der ungarische Politikwissenschaftler Attila Ágh hält die ideologische Ausrichtung in diesen drei Phasen für so unterschiedlich, dass er von einer „ersten“, „zweiten“ und „dritten Fidesz“ spricht.[19] Hingegen weist Jürgen Dieringer darauf hin, dass auch schon die frühen, vermeintlich liberale, Fidesz die nationale Selbstbestimmung und die Lage der magyarischen Minderheiten in den Nachbarländern thematisierte sowie Verbindungen ins populistisch-nationale Lager hatte.[17]

Heute vertritt Fidesz in gesellschaftlichen Fragen rechtskonservative Positionen. Er betont dabei insbesondere pro-kirchliche und traditionelle „Familienwerte“. Autoritarismus und Nationalismus sind in der Rhetorik und Politik von Fidesz sehr stark verankert; aufgrund der EU-Mitgliedschaft Ungarns rechneten Beobachter nach den Wahlen 2010 jedoch mit einer Mäßigung des Nationalismus der Partei in Regierungsverantwortung.[35] Diese Erwartung hat sich seit dem Regierungsantritt der Partei im Mai 2010 nicht bestätigt, zahlreiche Maßnahmen der Regierung lösten heftige europäische Kritik wegen eines wahrgenommenen Abbaus von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit aus.

Laut den ungarischen Politologen Attila Juhász, Péter Krekó und Krisztián Szabados entwickelte Orbán seine Politik auf dem Fundament einer Ideologie, die sich in ihren wesentlichen Bestandteilen fast vollständig mit einer Art Putinismus deckt: Nationalismus, Religion, Sozialkonservativismus, Staatskapitalismus und staatliche Kontrolle der Medien. Der „Orbánismus“, der das Putin-Modell mit einer ungarischen Nationalideologie anreichere, definiere Nation, Volk, Regierung und Staat als ein einheitliches Konzept, während er für sämtliche Probleme den Liberalismus und die freiheitliche Demokratie verantwortlich mache.[36]

Verglichen mit der wirtschaftsliberalen SZDSZ und ihrer ersten Regierungszeit von 1998 bis 2002 befindet sich die Partei – aufgrund der äußerst schlechten wirtschaftlichen Lage in Ungarn – ökonomisch mittlerweile auf einem leicht veränderten Kurs.[37] Im Kontext zahlreicher Deregulierungen in den letzten Jahren, die Ungarn zu einem der europäischen Länder mit der höchsten Privatisierungsquote gemacht haben, forderte Fidesz zum Beispiel im Wahlkampf 2006, den privatisierten Flughafen Budapest wieder zu verstaatlichen.[38] Ebenso trat Fidesz für ein Gesundheitssystem ein, das für alle ohne Zusatzkosten verfügbar sein soll, und wandte sich gegen eine Privatisierung des Gesundheitssektors.

Anders als viele andere rechtskonservative und -populistische Parteien in Europa erkennt die Fidesz unter Orbán den menschenverursachten Klimawandel und dessen Gefahren an und unterstützte bislang fast jede Klimaschutz-Resolution im EU-Parlament. Der Energiemix des Landes solle langfristig aus Atomenergie und Solarenergie bestehen; Orbán plädiert für eine Erweiterung des Kernkraftwerks Paks (Paks II).[39][40]

Für die Zeit nach der Wahl 2010 kündigte die Partei Steuersenkungen als wesentliches Ziel an. Bislang wurde das Thema nicht angegangen; begründet wurde es mit der Staatsverschuldung. Ebenso wenig wurden bislang Deregulierungen rückgängig gemacht. Schwerpunkt der bisherigen Regierungsarbeit war die Umgestaltung des Beamtenapparates, einhergehend mit zahlreichen Entlassungen, und eine Umgestaltung des Mediensektors, was von der Europäischen Union als Gefährdung für Presse- und Meinungsfreiheit kritisiert wurde.[41][42] Der private Mediensektor untersteht überwiegend Personen aus Orbáns Umfeld.[43] Seit der Einstellung der Magyar Nemzet stellt Népszava die einzige regierungsunabhängige Tageszeitung in Ungarn dar.[44] In der Rangliste zur Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen fiel Ungarn innerhalb von elf Jahren um 70 Plätze und rangiert (Stand 2021) mittlerweile auf Rang 92[45] von 180.[46] Seitens des, im Jahre 2010 neu geschaffenen, Medienrates wurden Einschränkungen in der Berichterstattung beispielsweise gegen die später von einem Orbán-Vertrauten aufgekaufte und unmittelbar danach geschlossene oppositionelle Zeitung Népszabadság erlassen, welche sich nicht mehr ausführlich mit politisch heiklen Themen befassen durfte.[47] Aufgrund antisemitischer Publikationen musste ein ehemaliges Fidesz-Mitglied, der Journalist Zsolt Bayer, 2013 erstmals ein Bußgeld entrichten, 2016 erhielt er jedoch eine hohe staatliche Auszeichnung, das Ritterkreuz des ungarischen Verdienstordens, was mehrere Publizisten, Künstler und Personen des öffentlichen Lebens heftig kritisierten, da Bayer rassistische, antisemitische und antiziganistische Texte verfasse.[48] Die rechtsextreme Partei Jobbik wurde wegen rassistischer Äußerungen ebenfalls mit Geldstrafen belegt.[42]

Von westlichen Medien wird der Fidesz-Regierung das Schüren oder zumindest Duldung von Antisemitismus vorgeworfen. Die von Fidesz/KDNP gestellte Regierung Orbán hat zwar als erste Regierung Ungarns eine Mitverantwortung des Landes am Holocaust eingestanden und dafür um Entschuldigung gebeten,[49][50] gleichwohl nehmen Fidesz-Politiker regelmäßig an Gedenkveranstaltungen für Miklós Horthy teil, den autoritär regierenden Reichsverweser, dem Historiker eine Mitverantwortung für den Holocaust an den ungarischen Juden zuschreiben und den Orbán 2017 einen „Ausnahmestaatsmann“ nannte. Der Vizepräsident des Parlaments Sándor Lezsák würdigte 2018 Iván Héjjas, einen erklärten Antisemiten und nach dem Ersten Weltkrieg Anführer einer Freischärler-Miliz, der 1947 in Abwesenheit wegen Folter und Mordes zum Tod verurteilt wurde, als Helden und Freiheitskämpfer.[51] 2017 startete die Fidesz gegen den ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros eine Plakatkampagne, die von einer ungarischen jüdischen Gemeinde kritisiert wurde, da sie antisemitische Untertöne enthalte. Eine weitere ungarische jüdische Organisation widersprach dieser Auffassung, bezeichnete ein solches Vorgehen der Regierung jedoch als „nicht gut und nicht nützlich“.[52]

„In Europa läuft gerade ein Bevölkerungswechsel. Teilweise deswegen, damit Spekulanten, wie Soros selbst einer ist, viel Geld verdienen können. Sie möchten Europa zerstören, weil sie sich davon große Profite erhoffen. Anderseits haben sie auch ideologische Motive. Sie glauben an ein multikulturelles Europa, sie mögen das christliche Europa nicht, sie mögen die christlichen Traditionen Europas nicht, und sie mögen Christen nicht.“

Viktor Orbán, Juli 2018[53]

Vorstand

László Kövér, 2000
  • 1988–1993 Gremium von 6 Mitgliedern
  • 1993–2000 Viktor Orbán
  • 2000–2001 László Kövér
  • 2001–2002 Zoltán Pokorni
  • 2002–2003 (amtsführend) János Áder
  • seit 2003 Viktor Orbán

Wahlergebnisse

Parlamentswahlen

Wahlergebnisse der Parlamentswahlen[54]
JahrStimmenanzahlStimmenanteilSitze
1990439.4818,95 %21
1994379.2957,02 %20
19981.153.21728,37 %148
Fidesz-MDF
20022.306.76341,07 %188
Fidesz-KDNP
20062.272.97942,03 %164
20102.706.29252,73 %263
20142.264.78044,87 %133[55]
20182.603.54749,23 %133
20223.060.70654,13 %135[56]

Kommunalwahlen

  • 1990: 792 Abgeordnete, 33 Bürgermeister
  • 1994: selbständig 284, in Koalition 370 Mandate; 30 Bürgermeister
  • 1998: 189 Bürgermeister

Europawahlen

  • 2004: 47,4 Prozent, 12 Abgeordnete
  • 2009: 56,36 Prozent, 14 Abgeordnete
  • 2014: 51,48 Prozent, 12 Abgeordnete
  • 2019: 52,56 Prozent, 13 Abgeordnete
  • 2024: 44,82 Prozent, 11 Abgeordnete

Literatur

  • Attila Juhász, Péter Krekó, Krisztián Szabados: Fidesz und der Nationalpopulismus in Ungarn. In: Ernst Hillebrand (Hrsg.): Rechtspopulismus in Europa: Gefahr für die Demokratie? Dietz, Bonn 2015, ISBN 978-3-8012-0467-9, S. 96 ff.
  • Peter Krekó, Gregor Mayer: Transforming Hungary – together? An analysis of the Fidesz-Jobbik relationship. In: Michael Minkenberg (Hrsg.): Transforming the Transformation? The East European radical right in the political process. Routledge, New York u. a. 2015, ISBN 978-1-138-83183-4, S. 183 ff.
Commons: Fidesz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Garry Hindle, Staffan Lindberg: New Global Data on Political Parties: V-Party. V-Dem Institute, 2020, archiviert vom Original am 24. Oktober 2021; abgerufen am 22. März 2024.
  2. Der Standard: Orbáns Fidesz verlässt Europäische Volkspartei. Abgerufen am 3. März 2021.
  3. Cathrin Kahlweit: Österreich: Viktor Orbán und seine Freunde von der FPÖ. 31. Oktober 2024, abgerufen am 12. November 2024.
  4. Kickls Traum und Ungarns Wirklichkeit. Abgerufen am 12. November 2024 (österreichisches Deutsch).
  5. Daniel Imwinkelried: Viktor Orban empört mit Warnung vor einer «gemischtrassigen Welt». In: Neue Zürcher Zeitung. 28. Juli 2022, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 12. November 2024]).
  6. Morgan Rimmer: Despite Trump’s embrace of Orbán, Senate Republicans sound alarms over Hungary’s democratic backsliding | CNN Politics. 11. Oktober 2024, abgerufen am 12. November 2024 (englisch).
  7. Trump welcomes Hungary's far-right nationalist to the White House. Abgerufen am 12. November 2024 (englisch).
  8. Hungary’s far-right PM calls for Trump’s return: ‘Come back, Mr President’ | Viktor Orbán | The Guardian. Abgerufen am 12. November 2024.
  9. Bundeszentrale für politische Bildung: Make Hungary great again. 15. Oktober 2024, abgerufen am 12. November 2024.
  10. Lynsey Chutel: Who Is Viktor Orban, Hungary’s Authoritarian Leader and Friend of Trump? In: www.nytimes.com. The New York Times, 8. November 2024, abgerufen am 12. November 2024 (englisch).
  11. Jan Puhl, Walter Mayr: (S+) Viktor Orbán und der Demokratiezerfall: Der Staat? Bin ich (S+). In: Der Spiegel. 5. Dezember 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 12. November 2024]).
  12. Richard Swartz: Orban - der talentierteste europäische Politiker. In: Neue Zürcher Zeitung. 10. Februar 2024, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 12. November 2024]).
  13. 26 07 2024 um 20:05 von unserem Korrespondenten Peter Bognar: So funktioniert Orbáns „illiberale Demokratie“. 26. Juli 2024, abgerufen am 29. Oktober 2024.
  14. Meret Baumann: Viktor Orban: Eine Anleitung zum Illiberalismus. In: Neue Zürcher Zeitung. 15. März 2019, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 29. Oktober 2024]).
  15. Illiberalismus von rechts: Eine neue Dynamik in Ostmitteleuropa? Abgerufen am 29. Oktober 2024 (österreichisches Deutsch).
  16. Florian Hartleb: Die Stunde der Populisten: Wie sich unsere Politik trumpetisiert und was wir dagegen tun können. Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts. 2017, S. 24.
  17. a b Jürgen Dieringer: Das politische System der Republik Ungarn. Genese – Entwicklung – Europäisierung. Verlag Barbara Budrich, Opladen/Farmington Hills (MI) 2009, S. 78.
  18. a b c Jürgen Dieringer: Das politische System der Republik Ungarn. Genese – Entwicklung – Europäisierung. Verlag Barbara Budrich, Opladen/Farmington Hills (MI) 2009, S. 79.
  19. a b Attila Ágh: Ungarn zwischen zentralistischer Mehrheitsdemokratie und europäischer Mehrebenendemokratie. Friedrich-Ebert-Stiftung, 2002.
  20. János Áder: Orbáns Vertrauer ist Ungarns neuer Präsident. Spiegel Online, 2. Mai 2012, abgerufen am 14. Mai 2014.
  21. Freedom in the World 2019 (Memento vom 26. Februar 2020 im Internet Archive)
  22. Freedom of the Press 2017 – Hungary Profile (Memento vom 19. Mai 2018 im Internet Archive), Freedom House.
  23. Corruption Perceptions Index 2018, Transparency International.
  24. Markus Becker, Peter Müller: Orbán, der Corona-Gewinnler www.spiegel.de, 1. April 2020
  25. Der Standard: Orbáns Fidesz verlässt Europäische Volkspartei, 3. März 2021
  26. Sueddeutsche.de: Ungarn und EVP: Wie bewerten Sie den Fidesz-Austritt?, 3. März 2021
  27. Frankfurter Rundschau.de: Orban zieht Fidesz Partei aus EVP ab, 3. März 2021
  28. Fidesz verlässt endgültig Europäische Volkspartei. In: Die Zeit. 18. März 2021, abgerufen am 18. März 2021.
  29. Ralf Neukirch: (S+) EU-Parlamentsvize Barley über Orbáns Wahlsieg in Ungarn: »Die EU hat ihn zu lange gewähren lassen«. In: Der Spiegel. 4. April 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 7. April 2022]).
  30. Aurélie Pugnet, Magnus Lund Nielsen: Rechtskonservative steigen zur drittgrößten Fraktion im EU-Parlament auf. 20. Juni 2024, abgerufen am 21. Juni 2024 (deutsch).
  31. deutschlandfunk.de: "Patrioten für Europa" - Fidesz, FPÖ und ANO wollen neue rechte Fraktion im EU-Parlament gründen. Abgerufen am 3. Juli 2024.
  32. a b András Körösényi: Government and Politics in Hungary. CEU Press, Budapest/New York 1999, S. 32.
  33. Monika Nalepa: Skeletons in the Closet. Transitional Justice in Post-Communist Europe. Cambridge University Press, Cambridge/New York 2010, S. 111.
  34. Andrea L. P. Pirro: The Populist Radical Right in Central and Eastern Europe: Ideology, impact, and electoral performance. Routledge, Abingdon (Oxon)/New York 2015, S. 154.
  35. Viktor Orban, Populist und Alleinherrscher? (Memento vom 29. April 2010 im Internet Archive). In: Tagesschau.de, 26. April 2010.
  36. Attila Juhász, Péter Krekó, Krisztián Szabados: Fidesz und der Nationalpopulismus in Ungarn. In: Ernst Hildebrand: Rechtspopulismus in Europa. Gefahr für die Demokratie? Dietz Verlag, Bonn 2015, S. 96–104, hier S. 99.
  37. Ungarn im Griff der Rechten. In: Uni Kassel AG Friedensforschung, 13. April 2010.
  38. Renationalisierung in Ungarn? In: FAZ.net, 16. September 2005.
  39. Joshua Beer: Europäische Studie: Wie Rechtspopulisten den Klimaschutz bekämpfen. www.faz.net, 26. Februar 2019
  40. Opposition befragte Orbán. (Memento vom 3. September 2019 im Internet Archive) www.budapester.hu, 17. Juni 2019
  41. EU-Ratspräsidentschaft. Ungarn deutet Einlenken beim Mediengesetz an. In: Spiegel Online, 7. Januar 2011, abgerufen am 20. Januar 2011.
  42. a b Ungarn in den Medien 2010–2014: Kritische Reflexionen über die Presseberichterstattung Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, 2015.
  43. Keno Verseck: Ungarn: "Es gibt freie Presse, aber keine Pressefreiheit". In: dw.com. 30. April 2021, abgerufen am 18. Februar 2024.
  44. Meret Baumann, Wien: Ungarns letzte oppositionelle Zeitung ist am Ende. In: nzz.ch. 10. April 2018, abgerufen am 29. Januar 2024.
  45. Reporter ohne Grenzen e.V: Ungarn. In: Reporter ohne Grenzen für Informationsfreiheit.
  46. Peter Münch: Journalismus ist nichts für Optimisten in Ungarn. Süddeutsche Zeitung, 27. Oktober 2018, abgerufen am 14. August 2020.
  47. Stephan Ozsváth: Pressefreiheit in Ungarn - Eine Frage der Macht. In: deutschlandfunk.de. 18. Februar 2017, abgerufen am 17. Februar 2024.
  48. Ein Ritterkreuz für den Menschenfeind In: Spiegel Online, 22. August 2016, abgerufen am 21. Mai 2019.
  49. Ungarn relativiert seine Holocaust-Mitverantwortung. 28. Januar 2014, abgerufen am 2. Februar 2014.
  50. Schuldeingeständnis und Opferrolle. 30. Januar 2014, abgerufen am 3. Februar 2014.
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  52. A Mazsihisz a Soros-féle plakátkampány leállítását kérte Orbántól. In: 24.hu. 6. Juli 2017 (24.hu [abgerufen am 20. Dezember 2017]).
  53. Kampagne in Ungarn: Soros-Verschwörung als Staatsräson. Abgerufen am 30. Juli 2019.
  54. National Election Office - Parlamentary elections. In: valasztas.hu. (englisch).
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  56. Nemzeti Választási Iroda - Országgyűlési Választás 2022. Abgerufen am 4. April 2022 (ungarisch).

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Die Europaflagge besteht aus einem Kranz aus zwölf goldenen, fünfzackigen, sich nicht berührenden Sternen auf azurblauem Hintergrund.

Sie wurde 1955 vom Europarat als dessen Flagge eingeführt und erst 1986 von der Europäischen Gemeinschaft übernommen.

Die Zahl der Sterne, zwölf, ist traditionell das Symbol der Vollkommenheit, Vollständigkeit und Einheit. Nur rein zufällig stimmte sie zwischen der Adoption der Flagge durch die EG 1986 bis zur Erweiterung 1995 mit der Zahl der Mitgliedstaaten der EG überein und blieb daher auch danach unverändert.
Flag of Portugal.svg
Flagge Portugals, entworfen von Columbano Bordalo Pinheiro (1857-1929), offiziell von der portugiesischen Regierung am 30. Juni 1911 als Staatsflagge angenommen (in Verwendung bereits seit ungefähr November 1910).
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EPP Summit, Brussels, December 2018 (cropped)
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en:László Kövér is hungarian politic, 2000. My own picture.

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