Fetales Tabaksyndrom

Klassifikation nach ICD-10
P04.2Schädigung des Fetus und Neugeborenen durch Tabakkonsum der Mutter
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das Fetale Tabaksyndrom (FTS) bezeichnet die vorgeburtlich entstandene Schädigung eines Kindes durch Tabakrauchen oder Passivrauchen der Mutter während der Schwangerschaft.

Definition

Wird ein Embryo (bis zur neunten Schwangerschaftswoche) oder Fetus (ab der neunten Schwangerschaftswoche) während seiner Entwicklung Nikotin und anderen im Tabakrauch enthaltenen Giften ausgesetzt, so kann er in seiner Entwicklung beeinträchtigt werden und bestimmte Schädigungen erfahren, die sich im späteren Leben negativ bemerkbar machen können. Auch kann es zu Früh- oder Fehlgeburt kommen. Nachgeburtlich diagnostizierbare Schäden fasst man unter dem Begriff Fetales Tabaksyndrom zusammen.

Geschichte

Im Jahr 1957 erschien die erste Studie, die ein verringertes Geburtsgewicht bei Kindern rauchender Mütter nachwies. In den folgenden Jahrzehnten erschienen weitere medizinische Publikationen, die den Zusammenhang zwischen dem Rauchen und fetalem Wachstum und der weiteren kindlichen Entwicklung beschreiben. Jüngere Studien zeigen auch Verbindungen zwischen Tabakkonsum während der Schwangerschaft und Atemwegserkrankungen, Mittelohrentzündungen, Übergewicht, sowie Problemverhalten und Sozialisierungsprobleme auf, zu denen auch Depressionen, Alkoholmissbrauch und Missbrauch anderer Substanzen zählen. Das Rauchen ist ebenfalls eine der Ursachen für Frühgeburten und Fehlgeburten, perinatale Sterblichkeit und plötzlichen Kindstod.

In einer 1985 erschienenen wissenschaftlichen Veröffentlichung erwähnten die Autoren Nieburg et al. erstmals einen neuen Oberbegriff für die vielfältigen Krankheitsbilder, die als gemeinsame Ursache das Rauchen während der Schwangerschaft aufweisen. Unter dem Begriff „Fetales Tabaksyndrom“ (FTS) gaben sie den vielfältigen Symptomen, die durch schwangerschaftlichen Tabakkonsum hervorgerufen werden, einen Namen.[1]

Prävention

Die Vermeidung von tabakbedingten Schädigungen des ungeborenen Kindes ist der Verzicht auf den aktiven und passiven Konsum von Tabak durch die Schwangere während der gesamten Dauer der Schwangerschaft.

Eine Studie der Universität Greifswald ermittelte, dass jede fünfte Schwangere in Deutschland bis zur Geburt raucht.[2]

Gesundheitliche Gefährdungen

In einer 2011 veröffentlichten Studie des University College London wurden 172 Forschungsarbeiten der letzten 50 Jahre analysiert. Dabei wurden 174.000 Fehlbildungen mit 11,7 Millionen Kontrollen verglichen. Das Ergebnis war, dass Rauchen in der Schwangerschaft das Risiko von Hand- und Fußfehlbildungen, von Klumpfüßen und Gastrointestinale Fehlbildungen, Gastroschisis, Fehlbildungen des Schädels (Kraniosynostose), Spaltbildung an Lippe, Kiefer oder Gaumen und Fehlbildungen an den Augen erhöht. Für andere Fehlbildungen wie einen angeborenen Herzfehler wurde kein erhöhtes Risiko gefunden.[3][4]

In einer 2009 veröffentlichten gemeinsamen Studie mehrerer deutscher Universitäten, Krankenhäuser und Institute konnte anhand einer Gruppe von fast 6000 Kindern bis zum Alter von zehn Jahren nachgewiesen werden, dass Passivrauchen während der Schwangerschaft mit einer signifikant erhöhten Rate von Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsdefiziten und anderen Verhaltensauffälligkeiten einhergeht.[5][6]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Journal of the American Medical Association: Nieburg, Marks, McLaren, Remington: "The Fetal Tobacco Syndrome" (Vol. 253, No. 20, 24. Mai 1985)
  2. Die Welt: Jede fünfte Schwangere raucht
  3. @1@2Vorlage:Toter Link/www.aerzteblatt.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im September 2019. Suche in Webarchiven.)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  4. http://humupd.oxfordjournals.org/content/early/2011/07/09/humupd.dmr022
  5. Tabakqualm macht Kinder hyperaktiv. (Memento desOriginals vom 7. Januar 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sueddeutsche.de In: sueddeutsche.de, 3. Dezember 2009, abgerufen am 26. Januar 2010
  6. S. Rückinger, P. Rzehak, C. M. Chen, S. Sausenthaler, S. Koletzko, C. P. Bauer, U. Hoffmann, U. Kramer, D. Berdel, A. von Berg, O. Bayer, H. E. Wichmann, R. von Kries, J. Heinrich: Prenatal and postnatal tobacco exposure and behavioral problems in 10-year-old children: results from the GINI-plus prospective birth cohort study. In: Environmental health perspectives. Band 118, Nummer 1, Januar 2010, S. 150–154, ISSN 1552-9924. doi:10.1289/ehp.0901209. PMID 20056582. PMC 2831960 (freier Volltext).