Festival Musikdorf Ernen

Ernen mit Kirche (2002)

Das Musikdorf Ernen ist ein internationales Festival mit einem Schwerpunkt auf klassische Musik und Literatur in der Schweizer Gemeinde Ernen. Seit 1974 findet das Festival jährlich statt und umfasst zwischen Juni und September ein Programm aus Konzerten, Lesungen und Workshops.

Geschichte und Leitung des Festivals

Gründer des Festivals war der ungarische Pianist und Musikpädagoge György Sebők, welcher in den frühen Jahren des Festivals während jeweils drei Wochen einen Meisterkurs gab und parallel dazu Konzerte organisierte. Mittlerweile hat sich das Programm des Festivals erweitert und zieht ein Publikum und Musiker aus der ganzen Welt an.

Die Idee einer kulturell-musikalischen Lehrstätte in dem schweizerisch-alpinen Bergdorf Ernen im Kanton Wallis kam György Sebők während eines Urlaubs 1972. Zwei Jahre darauf veranstaltete der Klavierpädagoge den ersten Meisterkurs für Klavier- und Kammermusik.[1] Mit wachsendem Publikum an den Konzerten im Rahmen des Meisterkurses entschieden die Verantwortlichen, ab 1987 im Anschluss an den Meisterkurs ein zweiwöchiges „Festival der Zukunft“ mit jeweils fünf Konzerten zu organisieren.[2]

1988 wurde zur Organisation und Veranstaltung des Festivals der Verein Musikdorf Ernen gegründet. Die künstlerische Leitung des Festivals hatte György Sebők bis zu seinem Tod 1999 inne. Mit dem Verlust des künstlerischen Leiters durchlebte das Festival eine Umbruchsphase bis zur Neuausrichtung 2004. Unter dem eingesetzten Intendanten Francesco Walter wurde das Programm umgestaltet, erweitert und in mehrere Sparten aufgeteilt. Neben den Kammermusik-, Klavier-, Barock- und Orchesterkonzerten wurden in den folgenden Jahren Literatur- und Schreibseminare, Tanzperformances und Jazzkonzerte ins Programm aufgenommen. Offiziell geändert wurde der Name des Festivals 2012, seitdem trägt es den heutigen Namen „Musikdorf Ernen“.

In den Jahren nach der Neuausrichtung konnte das Festival seinen Ruf und seine Bekanntheit in der Klassikszene ausbauen. Der Insider-Status wurde in dieser Zeit überwunden und das Festival setzt mittlerweile über 7000 Tickets pro Konzertsaison ab (Stand 2020).[3] 2013 wurde das Festival mit dem Prix Montagne ausgezeichnet[4] und 2015 erhielt das Musikdorf Ernen den Doron-Preis.[5] Vom Walliser Staatsrat erhielt das Festival 2019 den «Kultur- und Wirtschaftspreis Wallis 2019».[6]

2023 begeht das Festival seine 50. Konzertsaison.

Programmgestaltung und Struktur

Seit seiner Umgestaltung und Neuformierung im Jahr 2004 hat das Festival Musikdorf Ernen kontinuierlich das Programmspektrum erweitert. Regelmässige Bestandteile des Festivals, nach chronologischem Ablauf, sind:

  • Kammermusik kompakt
  • Klavier (seit 2013 mit Konzerteinführungen von Wolfgang Rathert)
  • Biographie-Werkstatt – seit 2012 geleitet von Brigitte Boothe (während der Klavierwoche)
  • Barock – kuratiert von Ada Pesch, 1. Konzertmeisterin der Philharmonia Zürich (vormals Orchester der Oper Zürich) und von der Bratschistin Deirdre Dowling
  • Kammermusik plus – kuratiert von dem Pianisten Alasdair Beatson. Ehemalige musikalische Leiter waren Xenia Jankovic und Paolo Giacometti
  • Klavier kompakt
  • Newcomers (seit 2018 in Kooperation mit der ORPHEUS Swiss Chamber Music Competition)

Jüngere Programmerweiterungen des Festivals liegen bei:

Ehemalige Programmsparten:

Das Musikdorf Ernen legt grossen Wert auf die Musikvermittlung und bietet vor vielen Konzerten Einführungen vor Ort oder als Podcast[8] an. Gelegentlich zählt das Festival auch Künstlergespräche und Hörwerkstätten zu seinem Angebot.

Eine Besonderheit ist das festivaleigene Ensemble Aernen Barock, ein orchestra-in-residence.

Die Programme am Festival Musikdorf Ernen beinhalten oft Musik von selten aufgeführten bzw. wenig bekannten Komponisten. Der Anspruch, weniger populäre Stücke zu Anerkennung unter Musikfreunden zu verhelfen, bezieht sich im Besonderen auf die Reihen Barock und Kammermusik plus. Darüber hinaus sieht es das Festival als seine Aufgabe, junge Musiker zu fördern. Regelmässig werden gemeinsame Auftritte von etablierten Musikern mit jungen Talenten ermöglicht.

Seit 1999 traten in der Klavierwoche regelmässig auch mit Finalisten des Concours Géza Anda auf.

In dem Bestreben, moderne und klassische Musik miteinander zu verbinden, vergibt das Festival regelmässig Kompositionsaufträge, in den letzten Jahren u. a. an Philip Glass, Alfred Zimmerlin, Ivan Jevtić, Violeta Dinescu, Helena Winkelman, Thomas Larcher, Tom Coult und Andreas Zurbriggen.

Veranstaltungsorte

Die zentralen Spiel- und Veranstaltungsorte des Festivals sind:

  • die Kirche St. Georg – eine Pfarrkirche, die zwischen 1510 und 1518 erbaut wurde
  • das Tellenhaus – ein Gemeinde- und Versammlungshaus aus dem Jahr 1578, benannt nach den Fresken an der Aussenfassade, die Szenen aus der Legende des schweizerischen Nationalhelden Wilhelm Tell zeigen.

Gastkonzerte gibt das Musikdorf Ernen in:

Filme und Radiosendungen von und über das Festival Musikdorf Ernen

  • György Sebők, la musique comme langue maternelle. Etienne Blanchon / altomedia (Frankreich 2010).
  • György Sebők, une leçon de musique. Etienne Blanchon / altomedia, Idéale Audience International (Frankreich 1998).
  • György Sebök, 20 ans déjà qu'il nous quittait. Catherine Buser / Radio Télévision Suisse (25. November 2019) (online abrufbar).
  • György Sebök, une leçon de musique et de vie. Catherine Buser / Radio Télévision Suisse (26. November 2019) (online abrufbar).

Literatur

  • Yves Fischer & Stephan Scheidegger: Vom Bergdorf zum Musikdorf. In: Bundesamt für Raumentwicklung ARE & Bundesamt für Kultur BAK (Hrsg.): Kultur und Kreativität für die nachhaltige Entwicklung. Gute Beispiele für die Gemeinwesen. Bern 2017, S. 22–23. (online abrufbar).
  • Verein Musikdorf Ernen: In Memoriam György Sebők (online abrufbar).
  • Verein Musikdorf Ernen: 50 Jahre Musikdorf Ernen. Klänge, Kunst und Käse. Ernen 2023.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Verein Musikdorf Ernen: In Memoriam György Sebök. Ernen, 2011, S. 7.
  2. Verein Musikdorf Ernen: In Memoriam György Sebök. Ernen, 2011, S. 7.
  3. Classique: Ernen et Crans-Montana ne baissent pas les bras. Abgerufen am 23. Juli 2023 (französisch).
  4. Das Festival steht für eine grosse Idee in einem kleinen Dorf, abgerufen am 12. Juli 2016.
  5. Preisträger, abgerufen am 12. Juli 2016.
  6. Der Staat Wallis vergibt den «Preis für Kultur und Wirtschaft» - Verein Musikdorf Ernen ist Preisträger 2019, abgerufen am 19. April 2019.
  7. Herpell, Gabriela: Schreiben mit Donna Leon. In: Süddeutsche Zeitung Magazin, Nr. 16 vom 17. Juli 2014, S. 10–13.
  8. Festival Musikdorf Ernen - Podcast. Abgerufen am 29. Juli 2023.

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Autor/Urheber: FestivalMusikdorfErnen, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Blick auf das Musikdorf Ernen mit der St. Georg Pfarrkirche im Hintergrund