Ferdinand von Westphalen

Ferdinand Otto Wilhelm Henning von Westphalen

Ferdinand Otto Wilhelm Henning von Westphalen (* 23. April 1799 in Lübeck; † 2. Juli 1876 in Berlin) war ein deutscher Politiker und preußischer Innenminister in der Reaktionsära 1850–1858.

Familie

Ferdinand von Westphalen war Sohn des Ludwig von Westphalen und dessen erster Frau Elisabeth (Lisette) von Veltheim (22. Juni 1778; † 22. August 1807). Seine Geschwister waren[1]

  • L[o]uise (Lisette) (* 5. Oktober 1800; † 1. August 1863), verheiratete von Krosigk
  • Franziska (* 7. Mai 1807; † 16. April 1896)
  • Carl Hans Werner (* 22. Juli 1803; † 8. März 1840), Landgerichtsrat

Aus der zweiten Ehe seines Vaters mit Caroline Heubel (* 20. Juni 1779; † 23. Juli 1856) stammen drei Halbgeschwister:

Ferdinand von Westphalen selbst war verheiratet mit Louise von Florencourt (* 1805; † 1861). Seine Kinder waren

  • Ferdinand (* 14. November 1836; † 10. September 1906), genannt Nando, Regierungsassessor
  • Louise Caroline Wilhelmine Francisca (* 16. Januar 1839; † 14. Januar 1928)
  • Anna Elisabeth Charlotte Jenny (* 22. September 1841)[2]

Leben

Seine Schulbildung erhielt er auf dem Gymnasium zu Salzwedel. Er studierte von 1816 bis 1819 an den Universitäten Halle, Göttingen und Berlin. Von 1826 bis 1830 war er Landrat des Kreises Bitburg, 1830 Regierungsrat bei der Erfurter Regierung und acht Jahre später Ober-Regierungsrat und Dirigent der Abteilung des Inneren der Regierung in Trier und 1843 Regierungs-Vizepräsident im Regierungsbezirk Liegnitz. 1844 wurde er Regierungs-Vizepräsident in Stettin und 1849 Regierungspräsident in Liegnitz.

Nach der deutschen Revolution 1848/1849 und dem überraschenden Tod von Friedrich Wilhelm von Brandenburg wurde Westphalen auf Vorschlag von Leopold von Gerlach von Friedrich Wilhelm IV. am 19. Dezember 1850 zum preußischen Innenminister und interimistisch auch Minister für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten ernannt.

Der König lobte ihn bei der ersten Audienz als „so vortrefflich, wie er es gar nicht erwartet hätte“. Ferdinand von Westphalen setzte die 1848 aufgehobenen Provinzialstände zur einstweiligen Wahrnehmung der Befugnisse der Provinzialversammlungen wieder ein. Allen Angriffen, dass dies eine Verletzung der Verfassung sei, trat er mit einer Denkschrift vom 16. Januar 1852 und mündlich entgegen und erstickte jede weitere öffentliche Diskussion darüber.

In der Folge entwickelte sich eine Gegnerschaft mit Otto Theodor von Manteuffel, dem Präsidenten des Staatsministeriums und Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der sich den restaurativen Ideen Westphalens nur zögerlich anschloss.

Nachdem Prinz Wilhelm von Preußen aufgrund der Erkrankung des Königs die Regentschaft übernommen hatte, bestand die Hoffnung auf eine „Neuen Ära“, einen nationalen und liberalen Politikwechsel.[3] Er übertrug Karl Anton Fürst von Hohenzollern am 5. November 1858 „das Präsidium des Staats-Ministeriums“ und ernannte Eduard von Flottwell zum Innenminister.

Seinem „wiederholten Antrage entsprechend“ war von Westphalen bereits mit allerhöchstem Erlass vom 7. Oktober 1858 „von der Leitung des Ministeriums des Innern, unter Belassung des Titels und Ranges eines Staatsministers und unter Bewilligung der gesetzlichen Pension“ entbunden.[4]

Ferdinand von Westphalen starb 1876 im Alter von 77 Jahren in Berlin und wurde auf dem St.-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg beigesetzt. Das Grab ist nicht erhalten geblieben.[5]

Urteile über Ferdinand von Westphalen

Oskar Meding vermerkte über ihn: „Persönlich hochehrenwerth, aber politisch völlig retrograde“.[6]

Karl Marx nannte seinen späteren Schwager 1842 in einem Brief an Arnold Ruge (über Bruno Bauer) einen mustergültigen Aristokraten: „Wie ich hier von meinem künftigen Schwager, einem Aristokraten comme il faut, erfahre, ärgert man sich in Berlin am meisten über Bauers bonne foi.“[7]

Hajo Holborn, ein Historiker mit Erfahrung in der Arbeit für das Office of Strategic Services, hielt Ferdinand von Westphalen für den Chefverschwörer der ganzen Kamarilla in der preußischen Regierung. Sein Spionagenetz habe Freunde und Feinde überwacht, sogar Prinz Wilhelm, den preußischen Thronerben, als dieser den Krimkrieg kritisierte[8].

Werke

  • Philipp von Westphalen: Geschichte der Feldzüge Herzog Ferdinands von Braunschweig-Lüneburg, hrsg. von Ferdinand von Westphalen. 6 Bände. Decker, Berlin 1859–1872 (Digitalisat: Band 1, Band 2, Band 3, Band 4, Band 5, Band 6)
  • Westphalen, der Secretär des Herzogs Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg. Decker, Berlin 1866 Digitalisat

Literatur

  • Friedrich ThimmeWestphalen, Ferdinand von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 42, Duncker & Humblot, Leipzig 1897, S. 221–226.
  • Heinrich Gemkow: Aus dem Leben einer rheinischen Familie im 19. Jahrhundert. Archivalische Funde zu den Familien von Westphalen und Marx. In: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte. 34. Jg. 2008 Sonderdruck, S. 497–524.
  • Rudolf Herrnstadt: Die erste Verschwörung gegen das internationale Proletariat. Zur Geschichte des Kölner Kommunistenprozesses 1852. Rütten & Loening, Berlin 1958.
  • Lagai: Westphalen, Ferdinand Otto Wilhelm Henning v. In: Pierers Universal – Conversations -Lexikon. Neuestes encyklopädisches Wörterbuch aller Wissenschaften Künste und Gewerbe. Sechste, vollständig umgearbeitete Aufl., Achtzehnter Band. Vacarins – Zywilst, Oberhausen und Leipzig 1879, S. 462.
  • Jürgen Reetz: Vier Briefe von Jenny Marx aus den Jahren 1856 – 1860. Trier 1970. (Schriften aus dem Karl-Marx-Haus Heft 3)
  • Ernst Block: Jurist, Beamter und Staatsminister in Preußen. Bedeutende altmärkische Persönlichkeiten: Leben und Wirken von Ferdinand Otto Wilhelm Henning von Westphalen. Geb. 23. April 1799 in Lübeck; gest. 2. Juli 1876 in Berlin. In: Gardelegener Volksstimme. Amtlicher Anzeiger des Altmarkkreises Salzwedel. Gardelegener Kreisanzeiger, Kalbe-Rundschau. Magdeburger Verlag, Magdeburg 25. April 2002.
  • Zur Persönlichkeit von Marx´ Schwiegervater Johann Ludwig von Westphalen. Heinz Monz, Politische Anschauung und gesellschaftliche Stellung von Johann Ludwig von Westphalen; Konrad von Krosigk, Ludwig von Westphalen und seine Kinder. Bruchstücke familiärer Überlieferungen. Georg Eckert, Jenny Marx und die Familie Florencourt. Zufallsfunde aus Braunschweiger Archiven. Trier 1973. (Schriften aus dem Karl-Marx-Haus Heft 9)
  • Horst Romeyk: Westphalen, Otto Wilhelm Henning Ferdinand v. In Heinz Monz (Hrsg.): Trierer biographisches Lexikon. Landesarchivverwaltung, Koblenz 2000, ISBN 3-931014-49-5, S. 504.

Einzelnachweise

  1. Heinrich Gemkow: Edgar von Westphalen. In: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte. 25. Jg., Koblenz 1999, S. 404. Manfred Schöncke: Karl und Heinrich Marx und ihre Geschwister, Köln 1993, S. 871–880.
  2. Heinrich Gemkow: Edgar von Westphalen. In: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte. 25. Jg., Koblenz 1999, S. 404. Manfred Schöncke: Karl und Heinrich Marx und ihre Geschwister, Köln 1993, S. 871–880.
  3. Michael Epkenhans: Die Reichsgründung 1870/71. Beck, München 2020, S. 21–22; Wilhelm Treue: Deutsche Geschichte von 1807–1890. Vom Ende des Alten bis zur Höhe des Neuen Reiches. De Gruyter, Nachdruck der Ausgabe von 1961, Berlin 2019, S. 71.
  4. GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 3693, fol. 90 r
  5. Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Grabstätten. Haude & Spener, Berlin 2006. S. 310.
  6. Friedrich Thimme, S. 225.
  7. MEGA, Dietz 1975, Dritte Abteilung Briefwechsel Band 1, S. 25
  8. Hajo Holborn: A History of Modern Germany 1840-1945, Princeton University Press 1982, S. 110

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