Ferdinand Franz Wallraf

Ferdinand Franz Wallraf; Gemälde von Johann Anton de Peters, 1792

Ferdinand Franz Wallraf (* 20. Juli 1748 in Köln; † 18. März 1824 ebenda) war ein deutscher Kunstsammler, Priester, aufklärerischer Gelehrter (Botanik, Naturgeschichte und Ästhetik) und Rektor der alten Kölner Universität.

Biografie

Ferdinand Franz Wallraf war der Sohn eines Kölner Schneidermeisters. Er besuchte ab 1760 das Gymnasium Montanum und ab 1765 die Artistenfakultät, an der er 1767 mit dem Grad des Magister artium abschloss. Da er kein Geld für die höheren Studien (Theologie, Jura, Medizin) besaß, musste sich Wallraf, der 1763 die niederen Weihen empfangen hatte, als Lehrer verdingen.

Am 9. Dezember 1772 durch den Kölner Weihbischof Karl Aloys von Königsegg-Aulendorf zum Priester geweiht, ermöglichte ihm sein Freund Professor Johann Georg Menn ab 1776 das Studium der Medizin, worin er am 1. Juni 1778 das Baccalaureat und am 3. August 1780 den Magister erwarb. Dem eifrigen und erfolgreichen Pädagogen verlieh die alte Universität Köln am 18. August 1784 eine Professur und das Kanonikat an St. Maria im Kapitol. Kanonikat und Lehrstuhl waren miteinander verbunden. Bereits 1785 wurde er mit einer Ausarbeitung zur Verbesserung des Schul- und Universitätssystems der Stadt beauftragt, einem Reformversuch, der dann jedoch aufgrund der Stadtregierung im Sande verlief. 1788 zum Doktor der Medizin promoviert, war er auch Doktor der Philosophie, wurde Ende 1793 zum Rektor der Universität (bis 1796) gewählt und erwarb 1795 ein weiteres Kanonikat an St. Aposteln zu Köln. Aus eigenen Mitteln erneuerte er zu Studienzwecken den Botanischen Garten in der Zeughausstraße.[1]

Ferdinand Franz Wallraf inmitten seiner Sammlung, Lithografie nach einer Zeichnung von Nikolaus Salm, Wallraf-Richartz-Museum, Graphische Sammlung

Nachdem 1798 die Universität durch die französische Besatzung aufgehoben worden war, wurde Wallraf, welcher den Eid auf die Republik verweigert hatte, 1799 Lehrer der Zentralschule, der Universitätsnachfolgerin. Hierfür hatte er allerdings am 21. Januar des Jahres den Eid dann doch noch geleistet. Am 28. Oktober 1798 wurde er, der bis dahin Professor für Botanik und Naturgeschichte an der Medizinischen Fakultät war, Professor der schönen Wissenschaften.

1798 wurde Wallraf Conservateur des monuments,[2] ein Amt, welches 1807 im Rahmen der Bodendenkmalschutzverordnung der Unterpräfektur auf den damaligen Landkreis Köln erweitert wurde.[3] Seine eigene Sammlung dagegen sollte der Wiederherstellung der Universität dienen. So enthielt seine Sammlung römische Ausgrabungsstücke (diese teilweise aus der Sammlung der Grafen Sternberg-Manderscheid aus Blankenheim), verschiedenste mittelalterliche Gemälde, religiöse Kunstwerke, Handschriften und frühe Drucke, Münzen, Fossilien aber auch historische Waffen und Plastiken.

1809 wurde Ferdinand Franz Wallraf in seiner Eigenschaft als Conservateur mit der Gestaltung des neuen Melaten-Friedhofes in Köln beauftragt, wobei er sich den Pariser Friedhof Père Lachaise zum Vorbild nahm. Seine Pläne beschrieb er in der 1809 erschienenen Schrift „Über den neuen Stadtkölnischen Kirchhof zu Melaten“. Von Anfang an plante er den Friedhof auch als Erholungsstätte und als öffentliche Grünanlage.

Um 1809 gründete er gemeinsam mit dem Lehrer Johann Caspar Schug (1766–1818) in Köln die „Olympische Gesellschaft“. Diese Gesellschaft hatte sich der Pflege der Kunst und Literatur sowie des Kölner Humors und Dialekts verschrieben. Die Gesellschaft tagte wöchentlich im Winter in der Wohnung von Wallraf in der Dompropstei und im Sommer in einem hoch gelegenen Lokal am Bollwerk, welches die Mitglieder als Olymp begriffen und damit der Gesellschaft den Namen gab.[4]

Er trug auch besonders zur „Reform des Kölner Karnevals“ 1823 bei, die auch im gleichen Jahr zur Gründung der „Großen Carnevals-Gesellschaft“ (heutige: Die Grosse von 1823) führte. Die Initiative ging wohl neben ihm von weiteren Mitgliedern der Olympischen Gesellschaft Köln, Matthias Joseph de Noël und deren Freundeskreis[5] sowie Mitgliedern des Literaturkränzchens, die die Ideen für die Festgestaltung lieferten, aus. Hierzu gehörten u. a. Ernst Weyden, Christian Samuel Schier, Johann Baptist Rousseau, Wilhelm Smets, Johann Baptist Farina und Emanuel Ciolina Zanoli.[6][7] Ab dem Folgejahr trafen sich die Mitglieder der Grossen Carnevals-Gesellschaft jährlich um Neujahr zu einer Generalversammlung, um aus ihren Reihen ein „Festordnendes Comitée“ zu wählen, das die Organisation des folgenden Karnevalsfestes übernehmen sollte.[8]

Zu seinem 75. Geburtstag im Jahr 1823 wurde Wallraf vom Rat der Stadt Köln mit einem Eichenkranz als Bürgerkrone ausgezeichnet. Später prägte man für ihn den Begriff „Erzbürger“, was einer Vorform der Ehrenbürgerwürde gleichkommt.[9]

Wallraf gehörte auch zu den regelmäßigen Autoren der frühen Kölnischen Zeitung.[10]

Kölner Straßennamen in Französisch

Wallraf erhielt am 9. August 1812 während der Franzosenzeit von der französischen Verwaltung über Bürgermeister Johann Jakob von Wittgenstein den Auftrag, für die Kölner Straßen objektive, neue französische Straßennamen vorzuschlagen. Hierbei sollte nach Möglichkeit durch Wallraf der historische Hintergrund oder die Form der althochdeutschen, mittelhochdeutschen und altkölnischen Zusammenhänge und Überlieferungen geprüft werden und ihren Niederschlag in der Neubenennung finden.[11] Die offizielle Verordnung hierzu erging am 16. Dezember 1812. Wallraf konsultierte hierfür häufiger Theodor Franz Thiriart, der beispielsweise für die Olivengasse „rue des oliviers“ und nicht Wallrafs Vorschlag „rue des olives“ für richtiger hielt.[12] Für anstößige Namen gab es nun die Gelegenheit der Abschaffung: Aus „Pißgasse“ wurde „Passage de la Bourse“ (Börsengässchen), die Bus (en) gasse hieß nun „rue du buisson“ (Buschgasse). Hinsichtlich der Hausnummern baute es auf den durch Stadtkommandant Brigadegeneral Charles Daurier im November 1794 angeordneten Hausnummernsystem auf. Thiriart war am 18. Januar 1813 der Herausgeber dieses einzigen Kölner Adressbuchs in französischer Sprache, dem von Wallraf verfassten „Itinéraire de Cologne“ („Neue Benennung der Straßen, Plätze, Wälle und Gräben der Stadt Köln“) mit erstmals straßenweiser Häusernummerierung.[13]

Testament

In seinem dritten Testament vom 9. Mai 1818 setzte Wallraf nach langjährigen Verhandlungen und Ansätzen zur Ordnung der Bestände schließlich die Stadt Köln als Universalerbin seiner Sammlung ein.[14] Er formulierte dabei die Voraussetzung, dass sie „zu ewigen Tagen bey dieser Stadt und Gemeinde zum Nutzen der Kunst und Wissenschaft verbleiben, derselben erhalten und unter keinem erdenklichen Vorwande veräußert, anderswo verlegt, aufgestellt und derselben entzogen werden soll.“[15] Die Stadt nahm die Schenkung am 16. Mai 1818 an.

Ferdinand Franz Wallraf verstarb am 18. März 1824 und wurde auf dem Kölner Friedhof Melaten beigesetzt. Die Sichtung und Katalogisierung des Erbes dauerte fast zwei Jahre. Die Stadt stellte seine Sammlungen zuerst von 1827 bis 1860 im „Wallrafianum“ in der Trankgasse 7 aus. Aus diesem ersten Museum gingen viele Kölner Museen hervor. Der größte Teil der Sammlung befindet sich heute im Wallraf-Richartz-Museum. Die Handschriften von Wallraf befinden sich im Historischen Archiv der Stadt Köln (Bestand 7010). Sie konnten nach dem Einsturz des Archivgebäudes am 3. März 2009 nahezu vollständig geborgen und identifiziert werden. Wallrafs Bibliothek mit ca. 14.000 Drucken des 15. bis 19. Jhs. wurde 1824 ebenfalls der Stadt Köln vermacht und befindet sich heute in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln.[16]

Denkmäler

Bronze-Sitzbild von Ferdinand Franz Wallraf. (Wilhelm Alberman, 1900)
© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Bronze-Sitzbild von Ferdinand Franz Wallraf. (Wilhelm Alberman, 1900)
Gemeinsamer Grabstein von Ferdinand Franz Wallraf und Johann Heinrich Richartz
Gemeinsamer Grabstein von Ferdinand Franz Wallraf und Johann Heinrich Richartz

Benennungen

Im Jahr 1830 benannte die Stadt Köln den südwestlich vom Dom gelegenen Platz, auf dem die von Wallraf bewohnte Propstei gestanden hatte, „Wallrafplatz“. Weiterhin gibt es eine Wallraf-Straße in Bornheim, Kerpen und Neuss. Die Wallrafstraße in Bornheim ist allerdings nach Johann Wallraf benannt, dem ersten Lehrer in Bornheim.

1861 benannte die Stadt Köln das eigens für die Kunstsammlungen Wallrafs errichtete Museum nach dem Sammler und dem Museumsstifter „Wallraf-Richartz-Museum“.

Literatur

  • Wilhelm Smets: Ferdinand Franz Wallraf. Ein biographisch-panegyrischer Versuch. DuMont-Schauberg, Köln 1825 (Digitalisat)
  • Hermann Keussen: Wallraf, Ferd. Franz. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 40, Duncker & Humblot, Leipzig 1896, S. 764–766.
  • Gudrun GersmannWallraf, Ferdinand Franz. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 27, Duncker & Humblot, Berlin 2020, ISBN 978-3-428-11208-1, S. 341–343 (Digitalisat).
  • Joachim Deeters (Hrsg.): Franz Ferdinand Wallraf. Ausstellung des Historischen Archivs der Stadt Köln; 5. Dezember 1974 bis 31. Januar 1975. Historisches Archiv der Stadt Köln, Köln 1974.
  • Bianca Thierhoff: Ferdinand Franz Wallraf, 1748–1824. Eine Gemäldesammlung für Köln. Kölnisches Stadtmuseum, Köln 1997.
  • Götz Czymmek: Ferdinand Franz Wallraf im Bild. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 69, 2008, S. 271–302
  • Klaus Müller: Ferdinand Franz Wallraf. Gelehrter, Sammler, Kölner Ehrenbürger 1748–1824. Hg. Historische Gesellschaft Köln. Greven, Köln 2017, ISBN 978-3-7743-0680-6
  • Elisabeth Schläwe, Sebastian Schlinkheider: Letzter Wille mit großer Wirkung – Die Testamente Ferdinand Franz Wallrafs (1748–1824). In: mapublishing-lab. 2018, abgerufen am 3. Juli 2018 (Online-Publikation zu Wallrafs drei Testamenten mit umfangreichem Quellenmaterial).
  • Sebastian Schlinkheider: Das Echo des ,Erzbürgers‘. Eine wissensgeschichtliche Analyse der geschichtskulturellen Rezeption des Kölner Sammlers Ferdinand Franz Wallraf (1748–1824). Böhlau, Köln, Wien 2024 (Beiträge zur Geschichtskultur; 47), ISBN 978-3-412-53132-4.
  • Cornelius Steckner: Wallraf als Conservateur des Monumens de Cologne, Wallraf im Fokus. In: Wallrafs Erbe. Ein Bürger rettet Köln. Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln 2018, ISBN 978-3-9819709-0-6, S. 166–176 (258 S.).
  • Cornelius Steckner: Ferdinand Franz Wallraf. Domstadt Köln. Köln 2020, ISBN 978-3-9818922-9-1 (359 S.). Die quellentreue Darstellung zeigt, wie Wallraf als Conservateur des Monumens de Cologne den Dom vor dem Abriss rettete und mit dessen Vollendung der Domstadt ein Erneuerungsinstrument in die Hand gab
  • Johanna Schopenhauer: Ausflug an den Niederrhein und nach Belgien im Jahr 1828, im Kapitel „Wallraf und sein Museum“ findet man eine gute Zusammenfassung seines Lebens
  • Ferdinand Franz Wallraf. In: Neuer Nekrolog der Deutschen, 2. Jahrgang, 1824, 2. Teil. Ilmenau 1826. S. 588 f.
Commons: Ferdinand Franz Wallraf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. G. Quarg: F. F. Wallraf (1748-1824) und die Naturgeschichte an der alten Kölner Universität. In: Martin Schwarzbach (Hrsg.): Naturwissenschaften und Naturwissenschaftler in Köln zwischen der alten und der neuen Universität (1798-1919). Böhlau, Köln 1985, S. 7.
  2. Cornelius Steckner, „Wallraf als Conservateur des Monuments de Cologne“, In: Wallrafs Erbe. Ein Bürger rettet Köln, Köln 2018, S. 166–176.
  3. Cornelius Steckner, Museum und Bodendenkmalpflege im Arrondissement de Cologne vor 1814 und das Unterrichtswesen seit 1794, Kölner Jahrbuch 46, 2013, S. 335–368.
  4. Willi Spiertz: Eberhard von Groote: Leben und Werk eines Kölner Sozialpolitikers und Literaturwissenschaftlers (1789–1864), S. 125–129 Digitalisat
  5. Klersch 1961, S. 83
  6. Walter 1898, Nr. 2, Sp. 31.
  7. Nadine Beck, Christoph Laugs, Sören Riebenstahl, Christina Rosseaux, Lucia Seethaler, Joachim E. Zöller: 200 Jahre organisierter Kölner Karneval. Die Geschichte des Kölner Karnevals und der ersten Traditionsgesellschaft „Die Grosse von 1823 KG e. V. Köln“. Herausgegeben von Die Grosse von 1823 Karnevalsgesellschaft e. V. Köln, Jonas Verlag, Köln 2022, ISBN 978-3-89445-596-5.
  8. Neuhaus 1914, S. 12–15
  9. Robert Zahn: Ferdinand Franz Wallraf – Der einzige „Erzbürger Kölns“ in: Topographie: Geschichte Wallrafplatz, Website www.Campi-im-Funkhaus.de [1]; ebenso: Schwedt, Herbert: Der Prinz, der Rhein, der Karneval. Wege der bürgerlichen Fastnacht in: Fastnacht / Karneval im europäischen Vergleich, hrsg. von Michael Matheus, Stuttgart 1999, S. 65 [2] u. a.
  10. Der Hausbiograf des Verlags, in dem die Kölnische Zeitung erschien, Ernst von der Nahmer, schrieb Wallraf die Wiederentdeckung des später zum Kölner Karnevalsruf gewordenen „Alaaf“ zu. Ernst von der Nahmer: Die Geschichte der Kölnischen Zeitung, Band 1, M. Dumont Schauberg, Köln, 1920, S. ?.
  11. Adam Wrede, Neuer Kölnischer Sprachschatz, Band III, 1984, S. 5
  12. Johannes Kramer, Straßennamen in Köln zur Franzosenzeit, 1984, S. 113
  13. Franz Steiner Verlag, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Band 24, 1979, S. 15
  14. Elisabeth Schläwe, Sebastian Schlinkheider: Letzter Wille mit großer Wirkung – Die Testamente Ferdinand Franz Wallrafs (1748–1824). In: mapublishing-lab. 2018, abgerufen am 3. Juli 2018 (Online-Publikation zu Wallrafs drei Testamenten mit umfangreichem Quellenmaterial).
  15. Ferdinand Franz Wallrafs drittes Testament vom 9. Mai 1818, Historisches Archiv der Stadt Köln (HAStK), Best. 1105 (Ferdinand Franz Wallraf), A 27 (Letztwillige Verfügungen), fol. 27r-32v. Digitalisat und Transkription zu finden unter: Elisabeth Schläwe, Sebastian Schlinkheider: Letzter Wille mit großer Wirkung – Die Testamente Ferdinand Franz Wallrafs (1748–1824). In: mapublishing-lab. 2018, abgerufen am 3. Juli 2018 (online).
  16. Zwischen antiquarischer Gelehrsamkeit und Aufklärung. Die Bibliothek des Kölner Universitätsrektors Ferdinand Franz Wallraf (1748–1824) (= Kleine Schriften der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln 18). Universitäts- und Stadtbibliothek Köln 2006, ISBN 3-931596-34-6.

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