Feldbahn
Eine Feldbahn, auch als Lorenbahn oder in Österreich und der Schweiz[1][2] als Rollbahn bezeichnet, ist eine – in der Regel nichtöffentliche – Schmalspurbahn in einfachster Bauform zum Transport landwirtschaftlicher, forstwirtschaftlicher (Waldbahn) und anderer Rohstoffe wie Lehm, Torf (Moorbahn), Gestein und Sand. Für deren Bau und Betrieb finden weitgehend standardmäßige Bauelemente Verwendung, die aus umfangreichen Katalogen der einschlägigen Hersteller ausgewählt werden können, so zum Beispiel vormontierte Gleisroste und Weichen, aber auch Lokomotiven und Wagen. Der Materialtransport erfolgt oft mittels offener Loren. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt in der Regel nicht mehr als 10 km/h.
Eine Variante der Feldbahn war die Heeresfeldbahn. Solche Feldbahnen wurden hinter Frontabschnitten gebaut, an die große Mengen Munition, Waffen und auch Soldaten transportiert werden sollten. Eisenbahntruppen bauten und betrieben diese Bahnen. Im Ersten Weltkrieg gab es wohl die meisten Feldbahnen. Eine von Hand betriebene militärische Feldbahn wurde Förderbahn genannt.
Einsatz und Betrieb
In der weiterverarbeitenden Industrie spielten diese Schmalspurbahnen einst eine bedeutende Rolle. So fanden sich Feldbahnen häufig assoziiert bei Schamottefabriken, Ziegeleibetrieben und Zuckerfabriken. Auch in den Untertagegruben wurden feldbahnähnliche Bahnen eingesetzt. Ferner wurden Feldbahnen verwendet zum Ziehen von Schiffen in Kanälen und Schleusen (Treidelbahn), zum militärischen Material- und Personaltransport (Heeresfeldbahn), zur Anbindung von Hinterhäusern (Hausrollbahnen), zum Materialtransport auf Großbaustellen, in Torfstichen sowie zur Versorgung von Inseln.
In der Eisen- und Stahlindustrie, in Kokereien sowie bei den Tagebaugruben wurden bzw. werden in der Regel regelspurige Werksbahnen eingesetzt, da hier größere Massen zu bewegen waren. Teilweise kamen bzw. kommen im Tagebau auch Bahnen mit „rückbaren Gleisen“ zum Einsatz, bei denen die Gleise mit verhältnismäßig geringem Aufwand seitlich verschoben werden können um jeweils dem Abbau bzw. der Innenkippe „hinterher zu wandern“. Die Verschiebung der Gleise kann teilweise mittels Rückmaschinen erfolgen.
Eine besondere Entwicklung nahmen Feldbahnen nach dem Zweiten Weltkrieg, als in den deutschen Großstädten nach Flächenbombardements die Schäden beseitigt werden mussten. Hierbei wurden oft Trümmerbahnen angelegt, die den Schutt aus den Innenstädten zu den Trümmerhalden oder Verarbeitungsstätten fuhren. Wenn eine Fläche freigeräumt war, konnte schnell eine neue Strecke gebaut werden.
Die Spurweiten einer Feldbahn liegen zwischen 400 und 1000 mm. Der Oberbau (Gleise und Schwellen) reicht von leichten Gleisrahmen, die von zwei Personen getragen und verlegt werden können und oft ohne Unterbau provisorisch auf der freigeräumten Bodenoberfläche liegen (Bauart Decauville oder Spalding), bis hin zu festverlegten, eingeschotterten Strecken für schwere Lasten und längeren Gebrauch. Enge Radien ermöglichen eine günstige Streckenverlegung auch in schwierigem Gelände weitgehend ohne Kunstbauten. Die provisorische Verlegung (sogenannte fliegende Gleise) entlang vorrückender Grubenkanten auf oft weichem Untergrund führt gelegentlich zu Entgleisungen von Fahrzeugen, weswegen bei vielen Feldbahnen Holzbohlen und andere Hebewerkzeuge zum Wiedereingleisen mitgeführt werden. Drehscheiben mussten in der Regel von Hand betrieben werden.
Einfache und robuste Fahrzeuge bestimmten den Betriebsalltag, und nicht immer waren Lokomotiven vor Ort. Es war durchaus üblich, einzelne Loren und Flachwagen – auch beladen – nur mit menschlicher Muskelkraft oder mit Pferden zu bewegen. In schwer zugänglichen bzw. engen Bereichen wurden früher auch Kinder und Jugendliche zum Schieben von Loren herangezogen. Meist waren keine Signalanlagen an den Bahnstrecken installiert, die niedrigen Geschwindigkeiten erlaubten das Fahren auf Sicht. An Bahnübergängen, die größere Straßen querten, fanden sich gelegentlich Läutewerke oder Lichtzeichenanlagen, die den Feldbahnzügen eine sichere Überquerung der Straße ermöglichten.
In den Munitionsdepots der Bundesmarine verkehrten Schmalspurbahnen mit einer Spurweite von 600 mm zum Munitions- und Materialtransport. Im Depot Laboe waren Schienenprofile vom Typ S 14 verlegt, die später gegen neue S-20-Schienen ausgewechselt wurden. Eingesetzt wurden dort eine Lok vom Typ DS 60 und elf Lokomotiven vom Typ DIEMA DS 90. Zum Bestand der Bahn gehörten auch ein Feuerlöschzug und eine Schneefräse sowie eine Schneeschleuder. Für Streckenbereisungen waren drei Sitzwagen vorhanden. Die Bahn im Depot Schweinebrück wurde schon 1972 geschlossen und die Bahn in Aurich mit sieben DS 90 1982. Die letzten Fahrten in Laboe erfolgten 1993. Endgültig eingestellt wurde die Bahn im Dezember 1996. Die Streckenlänge betrug über 25 km. In dem Depot Laboe wurde die 1996 als Denkmal aufgestellte Diema DS 90, Lok Nr. 9 entfernt.
Gegen Ende der Feldbahnzeit wurden noch führerlose Triebwagen (wie der DIEMA GT 10/2) entwickelt, die einen halbautomatischen Betrieb ermöglichten. Jedoch konnten sich diese nicht mehr durchsetzen, da es einerseits billiger war, bereits vorhandene Lokomotiven mit Hydraulik für die Selbstentlader nachzurüsten, andererseits gleislose Fördermittel wie LKW oder Förderband zunehmend Konkurrenz darstellten.[3]
Feld- und Industriebahnen in Preußen, 1883
Im Jahr 1883 gab es in Preußen folgende transportablen, schmalspurigen Feld- und Industriebahnen:[4]
Provinzen | Zahl der Bahnen | Gleislänge km | Zahl der Wagen |
---|---|---|---|
Ostpreußen | 25 | 22,965 | 378 |
Westpreußen | 28 | 61,998 | 913 |
Brandenburg | 49 | 61,994 | 973 |
Pommern | 43 | 51,907 | 539 |
Posen | 34 | 33,826 | 429 |
Schlesien | 24 | 17,222 | 275 |
Sachsen | 57 | 81,982 | 1.131 |
Schleswig-Holstein | 23 | 22,706 | 523 |
Hannover | 54 | 53,220 | 848 |
Westfalen | 6 | 2,890 | 105 |
Hessen-Nassau | 6 | 5,000 | 58 |
Rheinland | 32 | 19,794 | 44 |
Gesamt | 381 | 435,500 | 6.616 |
Bei der Erstellung dieser Liste wurden 57 verschiedene Spurweiten von 335 bis 1000 mm ermittelt. Neben den aufgelisteten beweglichen Bahnen waren 1883 noch weitere 334 festverlegte, schmalspurige Feld- und Industriebahnen mit einer Gleislänge von 580 km und 6190 Wagen bekannt.[4]
Heutige Situation
Der Einsatz und die wirtschaftliche Bedeutung von Feldbahnen haben ab der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts sehr stark abgenommen, da ihre Aufgaben im Laufe der Zeit zunehmend von LKW und elektrisch angetriebenen Förderbändern übernommen wurden. Sie werden meist nur noch eingesetzt, wo die Bodenbeschaffenheit (Moor) oder der zur Verfügung stehende Platz (Bergbau, Erzbahnen) einen geregelten Betrieb anderer Beförderungsmittel unmöglich machen. Weitverbreitet sind in Deutschland noch Feldbahnen im industriellen Torfabbau, vor allem in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Das größte Torfbahnnetz in Europa wird in Irland vom halbstaatlichen Unternehmen Bord na Móna betrieben. Doch der Torfbau in Irland endete im Jahr 2020. Daneben werden Feldbahnen ganz vereinzelt auch noch in Ziegeleien (Tonbahn) und anderen Betrieben eingesetzt.
Zunehmend widmen sich Museen wie das Frankfurter Feldbahnmuseum und Vereine dem Schutz und Erhalt historischer Feldbahnfahrzeuge. Im Rahmen dieser Bemühungen werden an zahlreichen Plätzen bereits stillgelegte Feldbahnanlagen wieder restauriert und für den Museumsbetrieb oder als Gartenbahn eingerichtet oder in veränderter Form in Betrieb genommen, etwa als Parkeisenbahn.
Auf der Insel Java sind noch in den etwa 25 Zuckerfabriken zahlreiche Feldbahnen im Einsatz, bei etwa 20 nur noch im Verschub auf dem Werksgelände; Von nur vier Fabriken fahren noch immer Züge auf die Felder. Das größte Netzwerk besteht zwischen den Fabriken Jatiroto und Semboro. Zum Einsatz kommen bei den meisten javanischen Feldbahnen (mit diversen Spurweiten zwischen 600 und 750 mm) hauptsächlich Diesellokomotiven von Schöma, Diema und LKM Babelsberg, jedoch setzen einige Fabriken während der Erntesaison (Juni bis Oktober) immer noch Dampflokomotiven ein, die hauptsächlich von O&K geliefert wurden.
In Australien, vor allem im Bundesstaat Queensland, ist es ein ausgedehntes Netz von Feldbahnen mit Spurweite von meist 610 mm zum Transport von Zuckerrohr (Sugar cane tramways). Viele davon sind, auf den heutigen Stand der Technik gebracht, noch in Betrieb.
Drei Halligen im nordfriesischen Wattenmeer (Oland, Langeneß und Nordstrandischmoor) sind durch die Halligbahnen Dagebüll–Oland-Langeneß und Lüttmoorsiel–Nordstrandischmoor über einen Lorendamm mit dem Festland verbunden. Sie dienen dem Material- und Personaltransport im Küstenschutz. Die Halligbewohner dürfen mit ihren eigenen Loren den Damm nutzen, um beispielsweise Besorgungen auf dem Festland zu erledigen.
Bei großen Tunnelbaustellen sind schienengebundene Transportmittel immer noch weit verbreitet. So wurde z. B. beim Bau des Boßlertunnels der Eisenbahn-Neubaustrecke Wendlingen–Ulm 2014 eine Feldbahn aufgebaut, um Tübbinge von einer Fabrik zur Einsatzstelle zu bringen.[5]
Feldbahnmuseen und Feldbahnen mit Fahrbetrieb
In zahlreichen Ländern existieren Feldbahnmuseen und Feldbahnen mit Fahrbetrieb.
Siehe auch
- Gartenbahnen finden sich unter Liste von Gartenbahnanlagen,
- Parkeisenbahnen finden sich unter Liste von Parkeisenbahnen,
- Wegebahnen, d. h. Straßenzüge in eisenbahnähnlichem Aussehen siehe dort.
- Für eisenbahnähnliche Fahrgeschäfte siehe Kindereisenbahn
- Decauville: Beispiele handbetriebener Bahnen
- Spaldingbahn
- Heeresfeldbahn als Strategische Bahn
Literatur
- Freiherr von Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 42–54. (Digitalisat)
- Knebel-Doeberitz: Die Feldbahn im landwirthschaftlichen Betrieb. In: Mitteilungen des Vereins zur Förderung der Moorkultur im Deutschen Reiche: gleichzeitig Verbandsorgan des Reichsverbandes der Torfwirtschaft e.V., Berlin, hrsg. v. Verein zur Förderung der Moorkultur im Deutschen Reiche, Band 10 (1892) S. 170 (S. 198 in der PDF-Datei).
- E. A. Ziffer: Ueber Feldeisenbahnen. In: E. Schrödter und W. Beumer: Stahl und Eisen. Zeitschrift für das Eisenhüttenwesen. 12. Jahrgang, Nr. 8, Commissionsverlag von A. Bagel, Düsseldorf 15. April 1892, S. 353–358.
- Dierk Lawrenz: Feldbahnen in Deutschland. Die schmalspurigen Industriebahnen und ihre Fahrzeuge. Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart 1982, ISBN 3-440-05114-5.
- Dierk Lawrenz: Ein Jahrhundert Feldbahnen. Franckh’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1985, ISBN 3-440-05567-1.
- Claus Schubert: Feldbahnen in Süddeutschland. Klaus Rabe, Köln 1989, ISBN 3-926071-03-6.
- Andreas Christopher: Die Feldbahn. [Band 1]. Ingrid Zeunert, Gifhorn 1989, ISBN 3-924335-11-7 (Geschichte, Fahrzeuge, Feldbahnbetriebe in Deutschland, heutiger Einsatz, Museen).
- Andreas Christopher: Die Feldbahn. Band 2: Österreich. Ingrid Zeunert, Gifhorn 1990, ISBN 3-924335-13-3 (Feldbahnbetriebe in Österreich, Feldbahnsammlungen).
- Winfried Barth, Andreas Christopher: Feldbahnen in Hessen (= Drehscheibe / Sonderheft. Nr. 22). 2. Auflage. Arbeitsgemeinschaft Drehscheibe, Köln 2002, ISBN 3-929082-22-5 (Industriebetriebe, Sammlungen, Denkmäler).
- Harald Becher: Feldbahnen in Thüringen. Band 1: Bad Langensalza, Erfurt-Gispersleben, Gotha, Höngeda/Seebach, Laucha, Straussfurt und Stregda. Rockstuhl, Bad Langensalza 2002, ISBN 3-934748-96-1.
- Frank Harding, Andreas Christopher: Die Feldbahn. Band 9: Ehemalige DDR. Überarb., erg. Neuausgabe. Zeunert, Gifhorn 2007, ISBN 978-3-924335-54-0.
- Andreas Christopher, Ulrich Völz: Torfbahnen in Deutschland. Arbeitsgemeinschaft Drehscheibe, Köln 2009, ISBN 978-3-929082-28-9 (sämtliche Torfbahnen in Deutschland nach 2000, Fahrzeuglisten, Karten).
- Andreas Christopher: Die Feldbahn. Band 12: Typenbuch Feldbahn-Motorlokomotiven. Zeunert, Gifhorn 2011, ISBN 978-3-924335-79-3.
- Ferrovie portatili della Prima Guerra Mondiale, Mauro Bottegal, 2019, www.lulu.com, ISBN 978-0-244-15427-1.
- Oskar Dost: Feldbahn-Lokomotiven. In: Die Lokomotive, Jahrgang 1943, S. 186–188 (online bei ANNO).
Weblinks
- Von der Landwirtschafts-Feldbahn zur Kleinbahn auf Feldbahn-ffm.de
- Geheimnisvolle Moorbahnen Bernhard Foos in Eisenbahn-Romantik
- Umfangreiche Linkliste
Einzelnachweise
- ↑ Rollbahn Trientgletscher auf eingestellte-bahnen.ch
- ↑ Verordnung über die Strassensignalisation vom 31. Mai 1963 (PDF; 4,4 MB), Seite 32
- ↑ Lok 54: Diema GT 10/2. In: feldbahn-fortuna.de. 12. Februar 2008, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 1. Mai 2013; abgerufen am 11. Februar 2013.
- ↑ a b Die beweglichen Industrie- und Feldeisenbahnen in Preußen. Thonindustrie-Zeitung, Jahrgang 11, Nr. 8, Berlin, 19. Februar 1887, S. 73 und 74.
- ↑ Jürgen Schäfer: Tunnelbohrmaschine geht an den Start. (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Oktober 2022. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: swp.de. Südwest Presse/Göppinger Kreiszeitung. 27. Dezember 2014, abgerufen am 13. August 2018.
Auf dieser Seite verwendete Medien
(c) Paul Schulze, Humboldt-Universität zu Berlin, CC BY 4.0
Torfförderung im Huvenhoopsmoor; Schmalspurbahn
Autor/Urheber: Michael Linnenbach, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Feldbahnlok, Deutz, 600 mm
Die beweglichen Industrie- und Feldeisenbahnen in Preußen. Thonindustrie-Zeitung, Jahrgang 11, No. 8, Berlin, 19. Februar 1887, S. 73 und 74.
Die beweglichen Induſtrie- und Feld-Eiſenbahnen in Preußen.
Wie hohe Bedeutung die von dem Franzosen Decauville erfundenen sogenannten transportablen Industrie- und Feld-Eisenbahnen seit dem Anfange dieses Jahrzehntes für den Betrieb der Landwirthschaft und ihrer Nebengewerbe , für die Forstwirthschaft, den Bergbau und die Hüttenindustrie auch in Deutschland und Preußen gewannen , so lagen doch über die Zahl und den Umfang der bezüglichen Anlagen in den einzelnen Provinzen u . s . w. des preußischen Staates, über die Beschaffenheit des Oberbaues und rollenden Materials derselben, über die Bezugsorte und Herstellungskosten , sowie über die Betriebskräfte u. s. w. bis vor Kurzem nur höchst dürftige, in der Fachliteratur zerstreute Nachrichten vor. In Anerkennung des unbestrittenen Bedürfniſſes ordnete daher der Minister des Innern im Jahre 1884 eine Aufnahme der in Preußen vorhandenen beweglichen Schmalspurbahnen an , und zwar auf Grund einer Zählkarte, deren Ausfüllung den Kgl. Landräthen u . s . w. , erforderlichenfalls unter Heranziehung technischer Beamter, oblag . Das Ergebniß dieser sich auf das Jahr 1883 beziehenden Aufnahme kann, wie folgt, zusammengefaßt werden. Im Berichtsjahre wurden im gesammten preußischen Staatsgebiete überhaupt 381 tragbare Bahnen fraglicher Art mit einer Gesammtgleiselänge von etwa 435,5 km und einem rollendenden Material von 6616 Wagen verschiedener Art gezählt. Neben diesen eigentlichen transportablen Schmalspurbahnen fanden sich noch im damaligen Landdrosteibezirke Stade 1205 kurze, gleichfalls verlegbare schmalspurige Bahnanlagen mit einer Gesammtlänge von 46,5 km und 1212 Transportwagen vor , deren Konstruktionsverhältnisse jedoch so einfach waren, daß sie mit den transportablen schmalspurigen Eisenbahnen im gewöhnlichen Sinne nicht zusammengeworfen werden können. Die eigentlichen beweglichen Schmalspurbahnen waren 1883 im Staate sehr ungleich vertheilt; die größte Zahl davon besaß die die Provinz Sachsen, welcher die Provinzen Hannover und Brandenburg folgten. In Bezug auf die Gleislänge trat die Provinz Westpreußen, betreffs der Wagenzahl die Provinz Brandenburg direkt hinter Sachsen. Im Stadtkreise Berlin und in den Hohenzollernschen Landen wurden transportable schmaispurige Bahnen überhaupt nicht ermittelt. Im Uebrigen war die Zahl derselben am kleinsten in den Provinzen Westfalen und Hessen- Naſſau, wo entsprechend dem induſtriellen Charakter mehr festliegende bezw . Drahtseilbahnen gebraucht werden. Nachstehende Uebersicht zeigt die Vertheilung der verlegbaren Schmalspurbahnen auf die einzelnen Provinzen
Provinzen - Zahl der Bahnen - Gleiselänge m - Zahl der Wagen
Ostpreußen - 25 - 22.965 - 378
Westpreußen - 28 - 61.998 - 913
Brandenburg - 49 - 61.994 - 973
Pommern - 43 - 51.907 - 539
Posen - 34 - 33.826 - 429
Schlesien - 24 - 17.222 - 275
Sachsen - 57 - 81.982 - 1131
Schl-Holst - 23 - 22.706 - 523
Hannover - 54 - 53.220 - 848
Westfalen - 6 - 2.890 - 105
Hessen-Nass - 6 - 5.000 - 58
Rheinland - 32 - 19.794 - 444
Von diesen Bahnen ist der größere Theil (69 %) nach einem der bekannteren, zur Zeit herrschenden Systeme angelegt, der kleinere Theil nach eigenem Ermeſſen der Beſizer konſtruirt. Unter jenen Systemen treten als oft angewendete neben Decauville namentlich hervor: Orenstein u. Koppel (Berlin), Gebr. Koppe u. Co. (Alfeld in Hannover) , Spalding (Pommern), -- Hoffmann (Berlin) , Dr. Müller (Berlin und Inowrazlaw), Dolberg (Rostock und Berlin) und Dietrich (Berlin). Bei der Vertheilung der einzelnen Systeme auf den Staat macht sich neben deren Alter und besonderen Vorzügen ihre lokale Bedeutung geltend. Als Schienenform findet sich fast ausschließlich die Vignolschiene, nur bei Hoffmann die dieſem eigenthümliche Spitschiene. Das Schienenmaterial besteht der Regel nach aus Eisen oder Stahl; Holzſchienen aus Langholz mit Beschlag von Bandeisen sind , abgesehen von jenen Schmalspurbahnen im Stader Bezirke, nur bei 6 Bahnen ermittelt. Als rollendes Material finden sich, entsprechend dem Gebrauchszwecke, Plattform-, Kipp-, Etagen- und Kastenwagen, sowie solche mit Faßlagern. Erstere machen 66 % sämmtlicher Wagen aus. die Entgleisungen möglichst zu verhindern, ist man neuerdings mehr und mehr zur Anwendung der Rillenräder übergegangen. Die Bezugsquellen des liegenden und rollenden Materials hängen von den Systemen ab. Um Was den Betriebszweck der beweglichen Schmalspurbahnen anlangt, so bediente sich ihrer in hervorragender Weise die Landwirthschaft , weniger die Industrie. Bei der Landwirthschaft waren es an erster Stelle die Zuckerfabriken, welche namentlich im Interesse des Rübentransportes auf die Benuzung dieser Bahnen hindrängten. Von sämmtlichen 381 be weglichen Schmalspurbahnen wurden 1883 bereits über 58 % für landwirthschaftliche Zwecke und davon 4/7 zum Rübentransport bezw. bei der Zuckerfabrikation verwendet. Von den übrigen Bahnen erschienen 22 beim Bauwesen, 58 bei Ziegeleien, 73 bei industriellen Unternehmungen und je 2 bei Handelszwecken bezw. dem Forstbetriebe. Die bewegende Kraft wurde bei den transportablen Schmalspurbahnen fast ausschließlich durch Menschen oder Thiere gestellt ; nur eine Bahn im Regierungsbezirke Münster wurde durch eine Lokomotive von 40 Pferdest. betrieben. Außerdem trat die Dampfkraft aber noch als stehender Motor bei neun Bahnen auf, wo die Betriebskraft durch 15 Dampfmaschinen von im Ganzen 219 Pferdekräften erzeugt wurde. Die Spurweite der Bahnen war eine außerordentlich verschiedene ; wurden doch bei der fraglichen Erhebung nicht weniger als 57 Spur weiten ermittelt, aufsteigend von 335 bis 1000 mm. meisten zur Anwendung gelangte die Spurweite von 500, sodann die von 600 bezw. 400 mm. Die Betriebszeit der Schmalspurbahnen hängt naturgemäß von dem Zwecke ab, dem fie dienen ; während des ganzen Jahres stehen sie faſt nur bei e nzelnen Induſtriezweigen im Betriebe. Am Neben den vorgeschilderten beweglichen Bahnen sind bei der bezüglichen Erhebung noch eine Anzahl von 334 festliegenden Schmalspurbohnen mit einer Gleiselänge von 580 km und 6190 Wagen ermittelt worden ; dieser Theil der Ermittelung erscheint jedoch lückenhaft. Betreffs der Vertheilung dieser festliegenden Bahnen auf die Provinzen u . s. w wiederholt sich annähernd das bei den beweglicheu Bahnen Gesagte, desgleichen bezüglich des Schienenmaterials und der Wagen. Als bewegende Kraft erscheinen hier bei 14 Bahnen Lokomotiven, bei 17 stehende Dampfmotoren und beim Reste Menschen- und Thierkraft. Es dienen von diesen Bahnanlagen nur 7,5 % der Landwirthschaft, dagegegen 8,7 % industriellen Zwecken, 1 Bahn der Forstwirthschaft, der Reſt dem Bauwesen und sonstigen Zwecken. Die Spurweiten der festliegenden Schmalspurbahnen bewegen sich der Regel nach in den Grenzen von 300 bis 1000 mm, gehen in einigen wenigen Fällen aber noch über dieſe Maximalspurweite hinaus und nähern sich mit 1,25 m derjenigen der Vollbahnen. Endlich ist die 1883er Erhebung auch noch auf die Drahtseilbahnen ausgedehnt worden , welche bei außerordentlichen Terrainschwierigkeiten zur Ergänzung der beweglichen und festliegenden Industrie- und Feld- Eisenbahnen dienen, insbesondere bei tiefen Schluchten und Flußthälern. Solcher Drahtseilbahnen wurden in Preußen damals 69 mit einer Gesammtdrahtseillänge von 92643 m ermittelt. Diese Bahnen sind mit einer Ausnahme sämmtlich festliegend ; sie kommen nur in 9 Provinzen vor. Die meisten Drahtseilbahnen haben die Provinzen Westfalen, Rheinland und Sachsen. Die Verwendung der Drahtseilbahnen fand ausschließlich in der Industrie statt ; bei 90 Proz. derselben diente der Dampf als bewegende Kraft, bei dem Rest die Schwerkraft (schiefe Ebene). -- Nach dem Angeführten stellte sich die Gesammtlänge der 1883 erfaßten beweglichen und festliegenden Schmalspurbahnen, abgesehen wiederum von jenen kleinen Schmalspurbahnen im Regierungsbezirke Stade, auf 1024,9 km mit einem rollenden Material von 12806 Wagen, welche Zahlen sich nach Ausgleichung der hervorgehobenen Lücke durch Schäßung bei insgesammt 860 Schmalspurbahnen auf 1300 km Gleise und 15600 Wagen erhöhen mögen. Seitdem haben die der Land- und Forstwirthschaft bezw. der Industrie dienenden Schmalspur und Seilbahnen auf Grund verbesserter Systeme und erweiterter Heranziehung der Dampfkraft einen derartigen Aufschwung genommen, daß jene Zahlen von 1883 zur Zeit vorwiegend nur noch historisch von Interesse sind. Hoffen wir daher von einer Wiederholung der Aufnahme in der einen oder anderen Weise eine Ergänzung jenes Bildes , sowie dessen Ausdehnung auf das gesammte deutsche Reich. (Stat. Corr. )
--(c) Deutsche Fotothek, CC BY-SA 3.0 de
Autor/Urheber: Hugh Llewelyn , Lizenz: CC BY-SA 2.0
MPSB (Mecklenberg & Pomerania Narrow Gauge Railway) 600 mm 0-6-2 No. Lok 14 "Jacobi", Jung No.989 of 1906, at the Franfurter Feldbahn, 6/11.
Autor/Urheber: NearEMPTiness, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Mühlhäuser Schmalspurbahn an der Baustelle am Westportal des Boßlertunnnels