Feldarmeekorps 4

FAK-Räume 1992
Festung Heldsberg, Grenzbrigade 8

Das Feldarmeekorps 4 (FAK 4) der Schweizer Armee war eine Heereseinheit aus mehreren Divisionen, Brigaden und direktunterstellten Korpstruppen, der von einem Korpskommandanten (vor Armee 61 Oberstkorpskommandant) geführt wurde. Das Ostschweizer 4. Armeekorps (seit 1961 Feldarmeekorps 4) bestand von 1891 bis 2003, mit einem Unterbruch von 1911 bis 1940.

Vorgeschichte

Fast alle grossen Armeen Europas folgten dem Beispiel Napoleons I. und teilten im 19. Jahrhundert ihre Streitkräfte in Armeekorps ein. Seit der Totalrevision der Bundesverfassung 1874 war der Bundesrat ermächtigt, militärpolitische Entscheide über die Souveränität der Kantone hinweg zu fällen. 1891 teilte er die Schweizer Armee erstmals in vier Armeekorps ein.

Das 4. Armeekorps bestand 1902 aus der 4. und 8. Division. Mit der Truppenordnung von 1911 wurde die Zahl der Armeekorps von vier auf drei und der Divisionen von acht auf sechs herabgesetzt.

Erster Weltkrieg

In der Ordre de bataille von 1917 wurde die Armee in 6 Divisionen gegliedert[1]:

DivisionBrigadenRegimenterBataillone der Infanterie
1 GE VD1, 2, 31+2, 3+4, 5+61 2 3, S1 S2[2] S7, 4 5 6, 10 13, 8 9, 11 12 88
2 FR NE JU[3] SO4, 5, 67+8, 9+10, 11+1214 15 16, 18 19 20, 21 22 24, 17 23 90, 49 50 51, S3 S4 S5
3 BE VS7, 8, 913+14, 15+16, 17+1825 26 27, 28 29 30, 31 32 33, 37 38 39, 34 35 36, 40 89
4 BS BL AG LU10, 11, 1219+20, 21+22, 23+2441 42 43, 44 45 48, 46 52 53, 54 97 99[4], 55 56 57, 58 59 60
5 ZH SH NW OW TI13, 14, 1525+26, 27+28, 29+3061 62 98 S6[5], 63 64 65, 67 68 69, 66 70[6] 71, 47 72 86, 94 95 96
6 SG TG AR AI GR GL16, 17, 1831+32, 33+34, 35+3673 74 75, 79 80 85, 78 81 82, 83 84 S7, 76 77 S8, 91 92 93

Zweiter Weltkrieg

Nach der Kriegsmobilmachung im Zweiten Weltkrieg vom 1./2. September 1939 bezog die Armee eine Bereitschaftsaufstellung im Mittelland, mit der bei einem Überfall nach allen Richtungen hätte Front gemacht werden können. Aufgrund des Operationsbefehles Nr. 2 vom 4. Oktober 1939 besetzte die Schweizer Armee die Limmatstellung, um einen Angriff aus dem Norden und eine Umgehung der französischen Maginot-Linie durch die Schweiz aufhalten zu können. Das 4. Armeekorps hatte mit der Division 7, der Gebirgsbrigade 12 und der Leichten Brigade 1 den Abschnitt rechts der Armeestellung (Limmatstellung) von Sargans bis Bendlikon/Kilchberg zu halten und den Flügel der Armee in Graubünden zu decken.[7][8] Nachdem im Reduit Festungen gebaut und für sechs Monate Vorräte für die Truppe und die dortige Bevölkerung angelegt waren, wurden mit dem Operationsbefehl Nr. 13 vom 24. Mai 1941 die restlichen Divisionen 2, 4, 5, die bisher in der vorgeschobenen Stellung eingesetzt waren, in den Zentralraum verlegt.[9]

Mit der Truppenordnung 1938 (TO 38) waren die Grenztruppen reorganisiert, 11 Grenzbrigaden (Gz Br) neu geschaffen und Wehrmänner mit Wohnsitz im Einsatzraum zugeteilt worden. Während des ganzen Zweiten Weltkrieges blieben die Grenzbrigaden in ihrer Stammregion, Einsatzraum und Unterstellung wurden oft angepasst. Dem 4. Armeekorps waren die Grenzbrigaden 6, 7 und 8 unterstellt.

Aufträge und Einsatzräume des 4. Armeekorps im Reduit (Op Bef Nr. 13)

Mit dem Operationsbefehl Nr. 13 vom 24. Mai 1941 erhielt das 4. Armeekorps unter Jakob Labhardt den Auftrag das Reduit mit Nordfront im Einsatzraum Bürgenstock bis Linthebene zu verteidigen und den Zugang zum Gotthard von Norden zu sperren. Dem 4. Armeekorps wurde zeitweise die 5. Division unterstellt. Der Stab des 4. Armeekorps baute 1941/1942 den unterirdischen, geschützten Kommandoposten Selgis A 7444 am Eingang des Muotathals.

EinheitKommandantTruppenstärke (TO38[10])AuftragEinsatzraum
5. DivisionEugen Bircher/Rudolf von Erlach22'000 Bürgenstock bis Rigi
6. DivisionHerbert Constam/Corbat26'000Sperrt Zugänge zum Talkessel von SchwyzRigi – ZugerbergEtzel
7. DivisionHermann Flückiger/Hans Frick22'000Sperrt Zugang Wägital, Sihlseeraum, hält Oberegg, Etzel, verzögert Vordringen in LinthebeneEtzel – Stöcklichrüz – Linthebene
3. Leichte BrigadeWirth10'000Verzögerungskraft im MittellandNordostschweiz
Festungsgebiet SargansFritz Gubler  Sargans

Korpsabschnittgrenze Vierwaldstättersee

Die Aufstellung der Schweizer Armee wurde mit entsprechenden Operations- (Op Bf) und Ergänzungsbefehlen laufend und zeitweise in rascher Folge dem Verlauf des Kriegsgeschehens angepasst. Dabei wurden die Aufträge an die Armeekorps, Abwehrfront, Abschnittsgrenzen und Truppenunterstellungen geändert. Die Schlüsselstellung des Reduiteingangs Vierwaldstättersee war davon mehrfach betroffen[11]:

Einheit / Op Bf Nr.11 12. Juli 194012 17. Juli 194013 15. Mai 1941Div 19. März 194313 27. Dezember 1943
Armeekorps (Nord)24444
Division (Nord)76665
Korpsgrenze SeemitteSeemitteRigiSeemitte
Armeekorps (Süd)23222
Division (Süd)88554

Kalter Krieg und Armee 61

Armeekorps 2 im Grunddispositiv von 1992

Die Schweizer Armee hat aufgrund des Haager Abkommens[12] die Pflicht, ihr Territorium ab den Landesgrenzen nach dem Grundsatz der Bewaffneten Neutralität zu verteidigen. Deshalb konnten den Armeekorps feste Korpsräume zur Verteidigung zugeteilt werden.

Der Korpsraum des FAK 4 umfasste den Raum östlich der Walensee-Linth-Limmatlinie auf dem Gebiet der Kantone Zürich, Schaffhausen, Thurgau und St. Gallen oder Teilen davon. Er reichte von Schaffhauser Zipfel bis ins Rheintal und vom Boden- zum Zürichsee. Das grenznahe Gebiet verfügt über Fluss- und Seenhindernisse zur Verteidigung, während das Gebiet dahinter offen und manövrierbar ist. Strategisch sind in diesem Landesteil die hohe Bevölkerungsdichte und das bedeutende Industriepotential zu berücksichtigen. Um einen allfälligen gegnerischen Stoss durch das Mittelland weniger verlockend zu machen, war für das FAK 4 eine rasche Mobilmachung und sehr rasches Erstellen der Kampfbereitschaft wichtig.

Die Grenzbrigade 6 (Kaiserstuhl AG bis Eschenz TG, inklusive Schaffhauser Zipfel: Festung Ebersberg und 71 Sperren) Thurgauer Grenzbrigade 7 (Fänenbach/Mammern bis Steinachmündung/Bodensee: Festungsgürtel Kreuzlingen und 22 Sperren) und die St. Galler/Appenzeller Grenzbrigade 8 (Steinach bis Buchs im Rheintal und im oberen Toggenburg bis Starkenbach: Artilleriewerk Heldsberg und 32 Sperren) waren von 1945 bis 1994 (wie seit 1938) für den Grenzraum von Kaiserstuhl bis Sargans verantwortlich.

Der Einsatzraum der Felddivision 6 hatte eine Ausdehnung von 40 (Ost-West) auf 48 km (Süd-Nord) und umfasste das Engnis von Kemptthal, den Flughafen Kloten und das Furt- und Glatttal. In ihrem Einsatzraum befanden sich die Sperrstellen des Stadtkommandos Zürich, Bilten, Brüggen-Rorholz, Grynau, Grindbühl, Lidwil-Luegeten, Kaltbrunn, Mösli-Benken, Reichenburg, Schänis und Schmerikon.

Im Einsatzraum der Felddivision 7 befanden sich die Sperrstellen von Schönholzerswilen und Sittertobel.

Die Mechanisierte Division 11 war das bewegliche Element des Armeekorps 4. In ihrem Einsatzraum befanden sich die Sperrstellen Bichelsee, Guntershausen, Mülibach, Sennhof, Winterthur.

1961 gab es aufgrund der Truppenordnung 61 folgende Änderungen: Die 11. Division wurde in die Mechanisierte Division 11, die 6. Division in die Felddivision 6, die 7. Division in die Felddivision 7 umgewandelt.

Aufgrund des Grunddispositiv Zeus von 1992 umfasste das FAK 4 die Felddivisionen 6, 7 und die Mechanisierte Division 11, die Grenzbrigaden 6, 7 und 8.

Die Reform Armee 95 führte zur Auflösung der Grenzbrigaden 6, 7, 8 sowie der Mechanisierten Division 11.

Mit der Armeereform XXI wurden alle Armeekorps und Divisionen per Ende 2003 aufgelöst.

Literatur

  • Arthur Liener: Ostschweizer Korpsgeist, Ereignisse und Erlebnisse im Feldarmeekorps 4, 1891-2003. Thomas Sprecher und René Zeller (Hrsg.). Verlag NZZ, Zürich 2003, ISBN 978-3-03823-049-6.
  • Louis Geiger, Franz Felix Betschon: Erinnerungen an die Armee 61. Huber, Frauenfeld 2009, ISBN 3-7193-1513-4.

Weblinks

Commons: Feldarmeekorps 4 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gliederung der 6 Divisionen der Schweizer Armee, «Ordre de Bataille» von 1917
  2. VBS: Genfer Schützenbataillon 14 (Memento desOriginals vom 23. Januar 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.he.admin.ch
  3. «Jura bernois» (umfasst aus heutiger Sicht Berner Jura und Kanton Jura)
  4. Altbasel: Basler Füsilier Bataillon 97 und 99
  5. VBS: Zürcher Geb S Bat 6 - erstes und ältestes Schützenbataillon der Schweiz (Memento desOriginals vom 23. Januar 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.he.admin.ch
  6. Zürcher Infanteriebataillon 70 (Inf Bat 70) (Memento desOriginals vom 31. Januar 2022 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.infbat70.ch
  7. Schweiz 1940: Operationsbefehl Nr. 4 (Aufmarsch Nord) (Memento desOriginals vom 10. November 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.schweiz1940.ch
  8. Ordre de Bataille für den Operationsbefehl No 4 (Memento desOriginals vom 24. September 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.schweiz1940.ch
  9. Edgar Bonjour: Geschichte der schweizerischen Neutralität. Vier Jahrhunderte eidgenössischer Aussenpolitik. Band 9: Dokumente. 1939–1946. Helbing und Lichtenhahn, Basel u. a. 1976, ISBN 3-7190-0677-8.
  10. aufgrund der Truppenordnung 38, TO 38
  11. Hansjakob Burkhardt: Befestigung „Seesperre Nas“ und Schweizer Marine auf dem Vierwaldstättersee. Nidwaldner Museum, Stans 2005
  12. Abkommen betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkriegs Abgeschlossen in Den Haag am 18. Oktober 1907.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Vitznau AW Mühlefluh vom See.JPG
Autor/Urheber: Paebi, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Artilleriewerk Mühlefluh, Vitznau LU, Schweiz
Verwundetentransport - CH-BAR - 3236437.tif
Verwundetentransport
Darin: Division 6
Original: Negativ; Glasplatte; Silberbromid; 9x12cm
Signatur: CH-BAR#E27#1000/721#14093#225*
Beobachtungsturm an der Grenze - CH-BAR - 3236581.tif
Beobachtungsturm an der Grenze
Darin: Division 6
Original: Negativ; Glasplatte; Silberbromid; 9x12cm
Signatur: CH-BAR#E27#1000/721#14093#918*
FAK Räume 1992.png
Autor/Urheber: Paebi, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Räume der Armeekorps 1992, Schweiz
AW Spitz02.JPG
Autor/Urheber: Paebi, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Artilleriwerk Spitz, Sattel, Schweiz
Etzel Süd 2.jpg
Autor/Urheber: Paebi, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Etzel mountain fortress, Switzerland
Beobachtungsposten im Wald mit Feldtelefon - CH-BAR - 3236602.tif
Beobachtungsposten im Wald mit Feldtelefon
Darin: Division 6
Original: Negativ; Glasplatte; Silberbromid; 9x12cm
Signatur: CH-BAR#E27#1000/721#14093#935*
Einstau der Linthebene.jpg
Einstau der Linthebene, Plan vom 18. November 1939, Baubüro der 7. Division
Ebersberg A5441.JPG
Autor/Urheber: Paebi, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Infanteriewerk "Rüdlingen Brücke", Ebersberg, Schweiz
Kastels Turm 2 02.JPG
Autor/Urheber: Paebi, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Festung Castels, Mels SG, Schweiz
Heldsberg Bunker.jpg
Autor/Urheber: Benutzer:Stahlkocher, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Heldsberg Bunker
Tschingel Kanone.JPG
Autor/Urheber: Paebi, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Festung Tschingel, Fläsch GR, Schweiz
Geschütz Heldsberg.JPG
Autor/Urheber: Kreteglobi, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Scharte der Bunkerkanone 4 der Festung Heldsberg, St. Margrethen, Kanton St. Gallen
Bunker Bottighofen.JPG
Autor/Urheber: Dietrich Krieger, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Als Wohngebäude getarnter Bunker A 5701 in Bottighofen, Bezirk Kreuzlingen, Kanton, Thurgau, Schweiz
Grunddispositiv ZEUS 1992.png
Autor/Urheber: Paebi, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Divisions- und Brigaderäume 1992, Schweiz
Offiziere der Div 6 - CH-BAR - 3236523.tif
Offiziere der Div 6
Darin: Division 6
Original: Negativ; Glasplatte; Silberbromid; 9x12cm
Signatur: CH-BAR#E27#1000/721#14093#676*
Furggels zum Panzerturm.JPG
Autor/Urheber: Paebi, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Festung Furggels, Pfäfers SG, Schweiz
Grynau ArtBeob.jpg
Autor/Urheber: Paebi, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Artillery surveillance bunker, Grynau, Switzerland
KP Vild - Command Post (9261242289).jpg
Autor/Urheber: Kecko from Northeast corner of, Switzerland, Lizenz: CC BY 2.0
This is the heart of this small plant, the offices of the battalion command post. On the right side there is such a second office. A small military bunker from the time of World War II with two machine gun positions. This plant in the Réduit front sector Schollberg-Sarganserau-Tschingel was declassified as a last. Sargans, Switzerland, July 10, 2013.