Fatma Aydemir

Fatma Aydemir auf dem Erlanger Poetenfest 2017

Fatma Bahar Aydemir (* 1986 in Karlsruhe) ist eine deutsche Journalistin und Schriftstellerin.

Leben

Fatma Aydemir wuchs in einem Vorort von Karlsruhe auf. Ihre Großeltern kamen als türkische Gastarbeiter nach Deutschland, als ihre Eltern Teenager waren.[1] Sie studierte Germanistik und Amerikanistik in Frankfurt am Main. Seit 2012 lebt Aydemir in Berlin und arbeitet als Redakteurin bei der Tageszeitung taz,[2] wo sie sich mit den Themen Popkultur, Literatur und der Türkei beschäftigt. Sie initiierte das zweisprachige Webportal taz.gazete mit, als Reaktion auf die staatlichen Repressionen gegen die Pressefreiheit in der Türkei.[3] Als freie Autorin schreibt sie daneben für Spex und Missy Magazine.

Werk

Ihr 2017 erschienener Debütroman Ellbogen[4], der von einer Gewalteskalation in einer U-Bahn-Station handelt, spaltete die Kritik. Rezensent Philipp Bovermann schätzt in der Süddeutschen Zeitung Aydemirs klare Sprache und empfindet das Buch als zwei Tritte in den Magen: „Einer für die misogyne türkische Gesellschaft. Und einer für die Verlogenheit der ach so liberalen Deutschen.“[5] Andrea Diener von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung dagegen hätte sich differenziertere Beobachtungen der deutsch-türkischen Protagonistin Hazal gewünscht: „Die Autorin legt nicht besonders großen Wert darauf, dass uns diese Hazal im Laufe des Buches sympathisch wird, und so entgleitet sie dem Leser“.[6] Aydemirs 2022 erschienener zweiter Roman Dschinns lobte die Literaturkritikerin Meike Feßmann als „ein Wunderwerk an Präzision und Einfühlung.“[7] In der ZEIT kritisierte Iris Radisch dagegen, das Buch sei in einem „stereotypen, politaktivistischen Jargon“ geschrieben; „Literatur, auch überzeugende engagierte Literatur, die immer einen Sinn für die Form und die gesellschaftliche Dialektik hat, klingt anders“.[8]

Ehrungen

Für Ellbogen erhielt Aydemir 2017 den mit 10.000 Euro dotierten Klaus-Michael Kühne-Preis des Harbour-Front-Literaturfestivals für den besten Debütroman des Jahres[9] sowie als deutsche Preisträgerin den Franz-Hessel-Preis für 2017.[10] 2018 erhielt sie ein Jahresstipendium für Schriftsteller des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst des Landes Baden-Württemberg. 2019 war sie Stipendiatin der Villa Aurora in Los Angeles.[11] Für ihr Romanprojekt Dschinns wurde ihr 2020 ein Robert-Gernhardt-Preis zuerkannt.[12] Nach Veröffentlichung des Familienromans gelangte dieser auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2022.[13] Am 13. April 2023 wurde ihr der Preis der LiteraTour Nord[14] für ihren Roman Dschinns überreicht.

Veröffentlichungen

  • Ellbogen. Roman. Hanser, München 2017, ISBN 978-3-446-25441-1.
  • als Hrsg. mit Hengameh Yaghoobifarah: Eure Heimat ist unser Albtraum. Ullstein, Berlin 2019, ISBN 978-3-96101-036-3.
  • Dschinns. Roman. Hanser, München 2022, ISBN 978-3-446-26914-9.

Transfers in Theater und Verfilmungen

Ihr Roman Dschinns erlebte in einer Bühnenfassung von Regisseurin Selen Kara bereits am 8. Juli 2022 seine deutsche Uraufführung am Nationaltheater Mannheim.[15] Die Bühnenrechte für diesen und sechs weitere Romane auf der Longlist 2022 des Deutschen Buchpreises hatte sich der Rowohlt Theater Verlag gesichert.[16]

Ihr Roman Ellbogen wird von Regisseurin Asli Özarslan verfilmt.[17]

Weblinks

Commons: Fatma Aydemir – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Susanne Lenz: Roman „Ellbogen“: Wut, wie sie einem in der Literatur lange nicht begegnet ist. In: Berliner Zeitung. (berliner-zeitung.de [abgerufen am 2. April 2017]).
  2. taz. die tageszeitung: Artikel von Fatma Aydemir - taz.de. Abgerufen am 2. April 2017.
  3. Debütroman über junge Berliner Türkin: Kartoffeln kommen nur am Rande vor - SPIEGEL ONLINE - Kultur. Abgerufen am 2. April 2017.
  4. Fatma Aydemir - Autoren - Hanser Literaturverlage. Abgerufen am 2. April 2017.
  5. Philipp Bovermann: Diese Wut gehört ihr. In: sueddeutsche.de. ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 2. April 2017]).
  6. Andrea Diener: Roman „Ellbogen“: Ihr zügelloser Hass. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 26. März 2017, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 2. April 2017]).
  7. Meike Fessmann: Fatma Aydemirs zorniger Familienroman „Dschinns“. Rezension. In: Süddeutschen Zeitung. 16. Februar 2022, abgerufen am 17. Februar 2022.
  8. Iris Radisch: „Verficktes Land“ – Fatma Aydemir hat sich an einem Migrationsroman versucht. Ihre Ansichten sind ehrenwert, die literarische Qualität ist bedrückend. In: DIE ZEIT - Feuilleton. No. 9, 24. Februar 2022 (zeit.de).
  9. Kühne-Preis an Fatma Aydemir, boersenblatt.net, 20. September 2017, abgerufen am 21. September 2017.
  10. Kulturministerinnen Grütters und Nyssen verleihen Franz-Hessel-Preis am 1. Juni 2018 in Paris an Fatma Aydemir und Michel Jullien@1@2Vorlage:Toter Link/www.stiftung-genshagen.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2023. Suche in Webarchiven.)Dossier Franz-Hessel-Preis 2017 / 2018. (PDF; 0,3 MB) Stiftung Genshagen, S. 7, abgerufen am 12. Februar 2023.
  11. Villa Aurora: Stipendiaten 2019
  12. Robert Gernhardt Preis 2020 für drei Romanprojekte, wissenschaft.hessen.de, erschienen und abgerufen am 3. Juli 2020.
  13. 2022 Shortlist. In: deutsch-buchpreis.de. Abgerufen am 20. September 2022.
  14. LiteratourNord. 14. April 2023, abgerufen am 30. April 2023.
  15. „Dschinns“ Premiere: Freitag, 08. Juli 2022, Uraufführung, nationaltheater-mannheim.de, abgerufen am 29. September 2022
  16. Longlist für den Deutschen Buchpreis bekanntgegeben – darunter auch Bühnenstoffe, rowohlt-theaterverlag.de, abgerufen am 29. September 2022
  17. The German-French film funding commission grants €1.1 million to six German-French co-productions. Abgerufen am 8. Oktober 2022 (englisch).

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Die Schriftstellerin Fatma Aydemir auf dem Erlanger Poetenfest 2017