Farbwahrnehmung

Ishihara-Farbtafel 7: Normalsichtige lesen hier eine 74, Rot-Grün-Sehschwache eine 21, Monochromaten erkennen keine Zahl[1]

Die Farbwahrnehmung ist als Teilbereich des Sehens die Fähigkeit, Unterschiede in der spektralen Zusammensetzung des Lichts wahrzunehmen. Sie beruht darauf, dass das Auge über verschiedene Rezeptortypen verfügt, die jeweils für bestimmte Bereiche des Lichtspektrums empfindlich sind. Die Erregungsmuster dieser Rezeptorzellen bilden die Grundlage für die komplexe Weiterverarbeitung in Netzhaut und Gehirn, die schließlich zur Farbempfindung führt.

Dabei können unterschiedliche spektrale Zusammensetzungen des Farbreizes zur gleichen Farbwahrnehmung führen. Allein aus der wahrgenommenen Farbe kann daher nicht auf die Zusammensetzung des Farbreizes geschlossen werden. Ausschließlich Reize durch monochromatisches Licht einer bestimmten Wellenlänge sind auch charakterisierbar durch die wahrgenommene Farbe, als dessen Spektralfarbe.

Gegenstand des Artikels ist die naturwissenschaftliche Beschreibung der Farbwahrnehmung.

Systeme der Ordnung von Farben werden im Artikel Farbenlehre und die Messung von Farben im Artikel Farbmetrik beschrieben. Weitere Aspekte (z. B. auch psychologische Aspekte und philosophische Aspekte) finden sich im Artikel Farbe.

Geschichte der Erforschung

  • 1672: Isaac Newton entdeckt, dass Licht aus verschiedenen Farbanteilen zusammengesetzt ist, und beschreibt das Phänomen der Metamerie (unterschiedlich zusammengesetztes Licht kann denselben Farbeindruck hervorrufen).[2]
  • 1794: John Dalton berichtet über seine Farbsehschwäche. Etwas für andere Rotes sah er als Verschattung und er nahm Orange, Gelb und Grün nur als verschiedene Abstufungen von Gelb wahr. Die Rot-Grün-Blindheit wird daher auch als „Daltonismus“ bezeichnet. Dies ist nicht mit Rot-Grün-Sehschwäche zu verwechseln, wo Rot, Grün, Orange und Gelb unterscheidbar sind, aber nicht alle ihre Schattierungen.
  • 1801: Thomas Young vermutet, dass die Möglichkeit, alle Farben aus drei Primärfarben zusammenzusetzen, auf physiologischen Vorgängen in der Netzhaut beruht, und schlägt drei Rezeptortypen vor, die zu den Primärfarben passen.[3] Dieses Modell wurde um 1850 von Hermann von Helmholtz zur Dreifarbentheorie ausgebaut.
  • 1855: James Clerk Maxwell identifiziert zwei Typen des „Daltonismus“ und erklärt sie mit Hilfe seiner Drei-Rezeptoren-Theorie.[4]
  • 1874: Der Physiologe Ewald Hering veröffentlicht seine Vierfarbentheorie als Gegenthese. Die Lösung des Widerspruchs und eine Weiterentwicklung der Sicht gelingt von Kries Ende des 19. Jahrhunderts mit der Kries-Zonentheorie.

Farbreiz, Farbvalenz und Farbwahrnehmung

Beispiel für die Kontraste Gelb-Blau, Rot-Grün und Hell-Dunkel
Derselbe Sonnenschirm ohne Farbe
Der Zusammenhang der Begriffe Farbreiz, Farbvalenz und Farbwahrnehmung
BegriffWirkortWirkartFachgebiet
FarbreizLichtstrahlungErzeugung, Transport, Reflexion, Absorption von PhotonenPhysik (Elektrodynamik, Optik)
FarbvalenzAuge (Zapfen)spektrale Absorptionskurve der S-, M- und L-ZapfenPhysiologie, Psychophysik
Farbwahr­nehmungNetzhautZentral­nerven­system, Gehirn, Bewusst­seinerfassen, filtern, verarbeiten, merken, erkennen, bewerten, klassifizieren, wiedererkennen, benennen, assoziieren, reagierenPhysiologie, Psychologie, Neurobiologie, Linguistik, Philosophie des Geistes
  • Der Farbreiz ist die spektrale Verteilung jener Strahlungsleistung, für die die Zapfen der Netzhaut des Auges empfindlich sind. Dieser adäquate Reiz ist die physikalische Ursache von Farbvalenz und Farbempfindung. Der Farbreiz selbst ergibt sich aus den spektralen (und richtungsabhängigen) Reflexionscharakteristika des betrachteten Objektes, modifiziert durch die spektrale Zusammensetzung des einfallenden Lichtes.
  • Die Farbvalenz ist die spektralspezifische physiologische Wirkung einer Strahlung. Sie ist charakterisiert durch die jeweiligen Erregungszustände der drei Zapfenarten des menschlichen Auges, die vom (physikalischen) Farbreiz abhängen.
  • Die Farbwahrnehmung entsteht durch ein Zusammenwirken der eintreffenden „mittleren“ Gesamthelligkeit und von abgleichenden Farbkonstanzleistungen des Gehirns. Die rezeptorbezogene trichromatische Reaktion – als unmittelbare Reizantwort der drei Zapfenarten – erreicht nicht das Bewusstsein. Entlang der Stationen der Signalverarbeitung von den Sinneszellen zum Großhirn werden die Parameterpaare Schwarz/Weiß (Hellwert), sowie Rot/Grün, Blau/Gelb (zwei konträre Buntpaare) geformt.
  • Eine Spektralfarbe ist die Farbempfindung, die durch monochromatische Strahlung ausgelöst wird. Die durch Lichtbrechung an einem Prisma erzeugten Farben sind Spektralfarben.

Sichtbares Licht

Das menschliche Auge nimmt etwa den Spektralbereich wahr, in dem die Intensität der Sonnenstrahlung am größten ist.
Menschen nehmen einen Teil des elektromagnetischen Spektrums als Licht und Licht einer bestimmten Wellenlänge als Spektralfarbe wahr.

Menschen können elektromagnetische Strahlung nur in dem Bereich visuell wahrnehmen, in dem das Sonnenspektrum den überwiegenden Anteil seiner Energie enthält. Der wahrnehmbare Bereich beginnt bei ca. 360 nm und endet bei etwa 830 nm.[5] Da die Bezeichnung „Licht“ in der Physik gelegentlich auch für andere Abschnitte des elektromagnetischen Spektrums verwendet wird, hat sich für den sichtbaren Spektralbereich der Ausdruck „sichtbares Licht“ eingebürgert. Er umfasst die Farben von Blau-Violett über Grün und Gelb bis Dunkelrot. Sie können z. B. durch ein Prisma sichtbar gemacht werden. Einige Tiere können über den für Menschen sichtbaren Bereich hinaus sehen, beispielsweise Bienen, die auch das angrenzende nahe UV-Licht sehen. Unter optimalen Bedingungen und sehr hoher Lichtstärke können die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung 310 nm (UV) bis 1100 nm (NIR) betragen.[6][7]

In der Regel setzt sich Licht aus Lichtwellen unterschiedlicher Wellenlängen zusammen. Wenn alle Wellenlängen so vertreten sind, wie es näherungsweise für das Sonnenlicht gilt, spricht man von „weißem Licht“. Hingegen wird Licht, das nur aus Strahlung einer bestimmten Wellenlänge besteht, monochromatisch genannt. Lichtquellen, die monochromatisches Licht aussenden, kommen in der Natur praktisch nicht vor. Der Regenbogen gilt nicht als Lichtquelle, da die Wassertropfen das Sonnenlicht reflektieren, wobei infolge der Lichtbrechung unter anderem auch monochromatische Farben entstehen.[8] Technisch lassen sich monochromatische Lichtquellen jedoch realisieren, z. B. mit Natriumdampflampen oder Lasern. Der Mensch kann mit seinen Augen allerdings nicht unterscheiden, ob es sich bei Licht einer gewissen Farbe um ein monochromatisches Licht oder um ein (gleichwirkendes) „Gemisch“ von Licht unterschiedlicher Spektralbereiche handelt. Deswegen ist es wichtig, die physikalischen Eigenschaften des Lichts von der Farbempfindung begrifflich zu trennen.

Physiologie

Grundlagen

Das Wahrnehmungssystem muss mindestens zwei unterschiedliche Typen von „Lichtrezeptoren“ haben, um unterschiedliche Zusammensetzungen des Lichts feststellen zu können. Mit nur einer Art von Rezeptor sind Unterscheidungen nach der Wellenlänge nicht möglich, was W. Rushton 1970[9] das Prinzip der Univarianz nannte.

Der Mensch besitzt zwei verschiedene Systeme von visuellen Rezeptoren. Die Stäbchen sind zwar empfindlicher, aber es gibt davon nur einen Typ. Allein mit diesen Rezeptoren können folglich keine Farben unterschieden werden.[10] Das zweite System besteht aus den Zapfen, den Rezeptoren des Farbsehens. Davon gibt es beim Menschen drei Typen mit unterschiedlicher spektraler Empfindlichkeit. Sie sind für das Tagessehen (Photopisches Sehen) verantwortlich. Ihre Reizantwort braucht eine Leuchtdichte von mindestens ca. 3 cd/m².[11] Unterhalb dieser Schwelle sind ausschließlich Hell-Dunkel-Unterschiede durch die Stäbchen-Rezeptoren wahrnehmbar (skotopisches oder Nachtsehen). Für die Wahrnehmung in der Fovea centralis spielen allein Zapfen eine Rolle. Die extrafoveale Farbwahrnehmung kann unter bestimmten Dämmerungsbedingungen auch durch die Stäbchen beeinflusst werden, bei vollem Tageslicht sind diese jedoch durch die hohe Lichtintensität gesättigt und tragen nicht zur Farbwahrnehmung bei.[12]

Sehpigmente

11-cis-Retinal nimmt ein Lichtquant auf und lagert sich zum all-trans-Isomer um.

Möglich wird die Empfindlichkeit der Sinneszellen für verschiedene Wellenlängenbereiche durch die in ihrer Membran enthaltenen Moleküle spezifischer Sehpigmente. Diese bestehen aus einem Proteinanteil, Opsin genannt, und dem daran gebundenen Retinal-Molekül, das den lichtempfindlichen Anteil bildet. Letzteres ist als Ligand an Opsin kovalent gebunden.[13] Trifft ein Photon mit passender Energie auf das Retinal-Molekül, so ändert es seine räumliche Struktur, und zwar vom gewinkelten 11-cis- zum gestreckten all-trans-Isomer des Moleküls. Diese Strukturveränderung wird als primäre photochemische Reaktion bezeichnet. Sie dauert etwa 2·10−14 sec und löst mehrere nachgeordnete Prozesse in der Sinneszelle aus, die das Signal erheblich verstärken und schließlich in einer Veränderung ihres Membranpotentials münden (Rezeptorpotential, hier durch Hyperpolarisation), welches dann eine nervliche Signalkette auslöst.

Die Sehpigmente der Stäbchen werden Rhodopsin genannt und bestehen aus Skotopsin und Retinal. Die Sehpigmente der drei Zapfenarten werden Iodopsine genannt. Sie bestehen jeweils aus einer der drei Arten von Photopsin und Retinal, die durch ihren leicht unterschiedlichen Aufbau unterschiedliche Reaktionsmaxima ergeben. Dies ist die Ursache für die unterschiedliche spektrale Empfindlichkeit der drei Typen von Zapfen (S-, M- und L-Typ).

Daneben finden sich beim Menschen auch photosensitive Ganglienzellen in der Netzhaut, die durch das Photopigment Melanopsin lichtempfindlich sind und ihre Signale an Neurone der Epiphyse und solche des Nucleus suprachiasmaticus im Hypothalamus weiterleiten, wo sie als Zeitgeber für die circadiane Rhythmik bestimmend werden.

Sinneszellen der Netzhaut

Normierte Pigmentabsorption der menschlichen Fotorezeptoren in Stäbchen (schwarz gestrichelt) und den drei Zapfenarten (blau, grün, rot).[14]

Photonen können also in den Sinneszellen der äußeren Schicht der Netzhaut, den Photorezeptoren, eine Verformung des Sehpigments bewirken und durch die anschließenden Prozesse Phototransduktion ein Rezeptorpotential auslösen. Dieses wiederum löst ein Signal aus für ein komplexes Netzwerk von Neuronen, das zwischen den Sinneszellen und den retinalen Ganglienzellen liegt, die die innerste Schicht der Netzhaut bilden. Nach massiver Querverarbeitung in diesem Netzwerk gehen Signale dann an die Ganglienzellen und werden von dort aus über die Neuriten des Sehnervs an das Gehirn weitergeleitet. Hier schließlich tragen sie, nach weiteren Prozessen, zur Wahrnehmung der erlebten Farbeindrücke bei.

Für die visuelle Wahrnehmung beim Menschen sind dabei, wie schon erwähnt, zwei Systeme von Photorezeptoren zu unterscheiden:

  • Die Stäbchen sind noch bei geringer Lichtintensität unter 0,1 cd/cm² aktiv und für das Nachtsehen verantwortlich.
  • Die drei verschiedenen Arten von Zapfen registrieren unterschiedliche Farbvalenzen. Jede Zapfenart hat einen spezifischen spektralen Empfindlichkeitsbereich.
    • S-Zapfen (S für Short) sind empfindlich für kürzere Wellenlängen (etwa 400–500 nm). Das Absorptionsmaximum liegt bei etwa 420 nm, was einem violettgetönten Blau entspricht. S-Zapfen werden auch Blau-Zapfen genannt und sind beim Menschen nur mit einem Anteil von zwölf Prozent aller Zapfen vertreten.
    • M-Zapfen (M für Medium) sind empfindlich für mittlere Wellenlängen (etwa 450–630 nm). Das Absorptionsmaximum liegt bei etwa 530 nm, was einem türkisgetönten Grün entspricht. M-Zapfen werden auch Grün-Zapfen genannt.
    • L-Zapfen (L für Long) sind empfindlich für längere Wellenlängen (etwa 500–700 nm). Das Absorptionsmaximum liegt etwa bei 560 nm, was einem grünlichen Gelb entspricht. L-Zapfen werden auch Rot-Zapfen genannt.

Zudem hat ein kleiner Prozentanteil mehr als diese 3 Zapfen. Manche Menschen können dadurch noch „mehr farben sehen“ (echte Tetrachromasie). Diese Menschen sind nach dem heutigen wissenschaftlichen Stand alle Frauen.

Die unterschiedlichen Absorptionsspektren kommen dadurch zustande, dass die drei Zapfentypen jeweils eine andere Unterform des Sehpigments enthalten. Deren Proteinanteil – das so genannte Opsin – wird von Genen codiert, die sich auf dem 7. Chromosom (im Falle von S-Opsin) und auf dem X-Chromosom (im Falle von L- und M-Opsin) befinden. Da für die Rot-Grün-Schwäche ein mutiertes L- oder M-Opsin-Gen verantwortlich ist, führt deren gonosomale Vererbung dazu, dass die Rot-Grün-Schwäche bei Männern sehr viel häufiger ist als bei Frauen.

Die Absorptionskurven aller drei Zapfenarten sind verhältnismäßig breit und überlappen stark. Allein ein Zapfentyp liefert keine hinreichende Information für Farbensehen. Dies wird erst möglich durch die neuronale Weiterverarbeitung der Erregungsmuster von mindestens zwei verschiedenen Zapfentypen.[10]

Die Zapfendichte ist ungefähr in der Netzhautmitte, am Punkt des schärfsten Sehens (Fovea centralis), am größten. Die Dichte nimmt nach außen hin ab, und am Rand des Gesichtsfeldes sind kaum noch Zapfen vorhanden, dafür viele Stäbchen. In der Fovea centralis gibt es wiederum keine Stäbchen. Beispielsweise kann man schwach leuchtende Sterne nachts nur sehen, wenn man etwas an ihnen „vorbeischaut“, und dann ohne Farbe.

Neuronale Verarbeitung von Farbreizen

Schichten und Zelltypen der Säugetier-Retina
links:
  ▪ RPE retinales Pigmentepithel
  ▪ OS Außensegmente der Photorezeptorzellen
  ▪ IS Innensegmente der Photorezeptorzellen
  ▪ ONL äußere nukleäre Schicht
  ▪ OPL äußere plexiforme Schicht
  ▪ INL innere nukleäre Schicht
  ▪ IPL innere plexiforme Schicht
  ▪ GC Ganglienzellschicht
rechts:
  ▪ BM Bruch-Membran, P Pigmentepithelzelle
  ▪ R Stäbchen, C Zapfen
  ▪ Membrana limitans externa
  ▪ H Horizontalzelle, Bi Bipolarzelle
  ▪ M Müllerzelle, A Amakrinzelle
  ▪ G Ganglienzelle, Ax Axone

Bereits in der Retina, die aus dem Augenbecher entstanden embryologisch ein Teil des Hirns ist, finden erste Schritte der Informationsverarbeitung statt. Je eine Gruppe von Sinneszellen (Zapfen oder Stäbchen) konvergiert über zwischengeschaltete Nervenzellen (Bipolare Zellen, Horizontalzellen, und Amakrinzellen) auf jeweils eine retinale Ganglienzelle, das 3. Neuron. Eine solche Gruppe von Sinneszellen bildet ein rezeptives Feld, und man unterscheidet darin ein Zentrum und dessen Peripherie. Die Photorezeptoren des Zentrums wirken gegensinnig zu denen der Peripherie auf die nachgeschaltete Ganglienzelle. Ist das Zentrum erregend und die Peripherie hemmend, so spricht man von einer On-Zentrum-Ganglienzelle, im umgekehrten Fall von einer Off-Zentrum-Ganglienzelle. Diese Art der Verschaltung dient der Kontrastverstärkung.

Im Wesentlichen lassen sich drei Teilsysteme unterscheiden.

  • Diffuse Bipolarzellen geben sowohl Signale von L- als auch von M-Zapfen auf sogenannte parasol-Ganglienzellen (auch M-Zellen genannt) weiter, deren Axone in die magnozellulären Schichten des Corpus geniculatum laterale (CGL) ziehen. Sie zeigen eine breite spektrale Ansprechbarkeit. Die Information, die sie weiterleiten, ist also achromatisch und dient vermutlich vor allem der Unterscheidung von Hell und Dunkel.
  • Die sogenannten midget-Ganglienzellen (auch P-Zellen genannt) empfangen hingegen Signale (über midget-Bipolarzellen) von lediglich einem L-Zapfen oder einem M-Zapfen im Zentrum. Die rezeptiven Felder dieser Zellen sind sehr klein und reagieren unterschiedlich auf langwelliges und mittelwelliges Licht. Die Axone der midget-Ganglienzellen ziehen in die parvozellulären Schichten des CGL. Sie verarbeiten vor allem den Rot/Grün-Kontrast. Evolutionsgeschichtlich handelt es sich hierbei um das jüngste Teilsystem, erst bei den Primaten sind die Opsine der L- und M-Zapfen durch eine Genduplikation entstanden.
  • Auf die bistratified-Ganglienzellen konvergieren blue-Bipolarzellen und bilden ein On-Zentrum von S-Zapfen aus, diffuse Bipolarzellen leiten Signale von L- und M-Zapfen, die hemmend wirken (off). Damit können vor allem Blau/Gelb-Kontraste hervorgehoben werden. Die Axone dieser retinalen Ganglienzellen projizieren auf die koniozellulären (Unter-)Schichten des CGL.

In allen drei Fällen wirken Horizontalzellen bei der Ausbildung der rezeptiven Felder mit[15] und Amakrinzellen modulieren den Signalfluss zu den Ganglienzellen.

Neben der Differenzierung der Farbqualitäten sind weitere Aufarbeitungsprozesse bekannt.

  • Das schnell arbeitende Rot-Grün-System der stammesgeschichtlich gemeinsam entwickelten M- und L-Zapfen dient auch der Hervorhebung von Kanten im Bildmuster. Dabei wird die Differenz von L-(Rot) und M-(Grün)Signalen mit der Summe beider verglichen. Wenn unter Laborbedingungen beide Zapfentypen mit rotem und grünem Licht gleicher Stärke gereizt werden (Isoluminanz), nimmt das Wahrnehmungsvermögen für scharfe Kanten stark ab (minimally distinct border-Phänomen).
  • Das weniger rasch arbeitende Blau-Gelb-System ist darüber hinaus noch für die Farbkonstanz zuständig.
  • Das Signal des Rotzapfens alleine wird vermutlich zur Bewegungsdetektion insbesondere bei langsamen Abläufen verwendet.

Spezielle Besonderheiten der Farbwahrnehmung

Metamere Farbgleichheit

Farbreize werden durch Kombinationen verschiedener Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums erzeugt. Derselbe Farbreiz kann durch unterschiedliche Kombinationen erzeugt werden. Dieser Effekt wird Metamerie genannt. Zwei Farbproben können daher (unter gleicher Beleuchtung) völlig identisch aussehen, obwohl sie unterschiedlich spektrale Anteile des Lichtes absorbieren. Wenn man die Farbproben mit farbigem Licht beleuchtet – also mit Licht, in dem Spektralanteile fehlen –, kann der Unterschied sichtbar werden, sofern der fehlende Spektralanteil in der einen Farbprobe mehr zu ihrem Aussehen beiträgt als in der anderen. Dies ist ein Problem bei der Herstellung von Dingen und Gegenständen aus unterschiedlichen Materialien, welche auch unter unterschiedlichen Beleuchtungsverhältnissen gleichfarbig aussehen sollen.

Farbkonstanz

Die Farbkonstanz zählt zur Gruppe der sogenannten Konstanzphänomene der menschlichen Wahrnehmung, neben u. a. der Formkonstanz und der Größenkonstanz. Als Farbkonstanz bezeichnet man die Eigenschaft des Sehsinns, die Körperfarbe von Gegenständen als nahezu unabhängig von Veränderungen der Farbspektra natürlicher Beleuchtung wahrzunehmen. Derartige Veränderungen geschehen in Zeitabständen von Jahreszeiten, Tageszeiten, Bewölkungsänderungen und Schattenwurf bei Orts- oder Blickwechsel.

Farbkonstanz wurde auch bei Fischen[16] und Bienen[17] nachgewiesen. Hier wird der Vorteil der Fähigkeit besonders anschaulich, da die Farbe der Beleuchtung unter Wasser und im Bereich von Blüten schnell und intensiv wechseln kann. Die Nahrungssuche wird hier wesentlich vereinfacht oder überhaupt erst ermöglicht, wenn das Gesuchte immer in nahezu denselben Farben gesehen wird.

In der Fotografie kann man Effekte von Wechsel in natürlicher oder auch künstlicher Beleuchtung durch Aufnahmen mit Kunstlichtfilmen bei Tag oder Tageslichtfilmen bei Kunstlicht nachstellen. Mit einer Digitalkamera lassen sich solche Effekte bei Veränderungen des Weißabgleichs beobachten.

Neurophysiologie der Farbkonstanz

Die Aufklärung des Mechanismus der Farbkonstanz gilt als besondere Herausforderung innerhalb der Neurowissenschaft des Sehsinnes. Da die Fähigkeit darauf gründet, dass neuronale Repräsentationen von weit auseinander liegenden Bereichen des Gesichtsfeldes sich gegenseitig beeinflussen, müssen höhere kortikale Prozesse beteiligt sein. Eine nachweisliche Schlüsselrolle für den Mechanismus der Farbkonstanz spielt das visuelle Cortexareal V4. Doch sind auch Anpassungsprozesse auf tieferen Ebenen beteiligt, so schon innerhalb der Netzhaut.[18][19] Darüber hinaus ist bekannt, dass es beim Menschen interindividuelle Unterschiede in der Realisierung der Farbkonstanz gibt. Die Sichtweisen von Malern, beispielsweise impressionistischer wie Claude Monet bei seiner berühmten Bilderreihe mit Ansichten der Kathedrale von Rouen, verdeutlichen, dass hierbei sowohl Aufmerksamkeits- als auch Lernprozesse eine Rolle spielen.[20]

UV-Wahrnehmung beim Menschen

Das Rhodopsin der menschlichen Stäbchen hat zwei Absorptionsmaxima, eines im sichtbaren Bereich bei 500 nm (türkis) und ein Nebenmaximum im UV-Bereich bei 350 nm. Durch die Absorption von UV-Licht in der Augenlinse wird beim menschlichen Auge normalerweise ein Reiz im UV-Bereich weitgehend verhindert. Für die Netzhaut, die durch die energiereiche UV-Strahlung geschädigt werden kann, stellt dies eine Schutzfunktion dar. Menschen, denen die Linse entfernt wurde (z. B. wegen Grauen Stars), können UV-Lichtreize als hell wahrnehmen, ohne dies jedoch als Farbe zu sehen.[21]

Defekte der Farbwahrnehmung

Farbenfehlsichtigkeit, oft auch ungenau Farbenblindheit genannt, tritt in verschiedenen Formen auf:

  • Rotblinde ohne Rotrezeptoren werden als Protanope (gr. protos ‚erster‘, gr. an- ‚nicht‘, gr. ope ‚Blick‘) bezeichnet;
  • Grünblinde als Deuteranope (gr. deuteros ‚zweiter‘), sie weisen beide das Phänomen der Dichromasie auf, besitzen also nur zwei statt drei Zapfentypen.
  • Rotschwäche (Protanomalie) und Grünschwäche (Deuteranomalie) beruhen auf veränderten Empfindlichkeiten der entsprechenden Rezeptoren.
  • Völlige Farbenblindheit (Achromatopsie) liegt vor, wenn alle drei Zapfenarten versagen.

Diese Fehlsichtigkeiten treten bei Veränderungen der Opsin-Gene auf. Aber auch andere Defekte der Netzhaut, Linsenverfärbungen (Vergilbungen) und Störungen der neuronalen Verarbeitung von Farbreizen in Auge, Sehnerv und Gehirn können die Farbwahrnehmung beeinträchtigen. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, Defekte zu erkennen, etwa Ishihara-Farbtafel oder den Farnsworth-Test. Ob jemand für einen bestimmten Beruf (Pilot) geeignet ist, kann außerdem mit anderen speziellen Tests (Beyne-Lanterntest) ermittelt werden.

Farbwahrnehmung im Tierreich

Vergleich der Zapfen- und Stäbchen-Absorption von Mensch und Rhesusaffe (mikrophotometrisch von Bowmaker 1978 bzw. 1983 vermessen)

„Farbig“ sehen

Farbensehen unterscheidet sich beträchtlich zwischen den Tierarten. In der Evolutionsgeschichte hat sich das Sehen mehrfach und unabhängig voneinander entwickelt. Es gibt Unterschiede in der Anzahl der Rezeptortypen und in deren spektraler Empfindlichkeit. Die meisten Säugetiere haben zwei verschiedene Typen von Farbrezeptoren, einige Primaten drei, Reptilien und die in der Evolution aus diesen heraus entwickelten Vögel oft vier.[22]

Verbreitung im Tierreich

Wirbellose

Gliederfüßer
  • Bei Insekten wurde das Farbensehen insbesondere bei der Honigbiene untersucht. Karl von Frisch hat gezeigt, dass man Bienen nach ihren Farbempfindungen „fragen“ kann, indem man sie auf farbige Plättchen mit Futterbelohnung dressiert. Für den Nachweis echten Farbensehens reicht es dabei nicht aus, dass ein Tier immer wieder auf die einmal als futterträchtig erfahrene Farbe zurückkehrt, denn es könnte ja die Graustufe gelernt haben. Der Sinnesreiz Farbe wird nur dann erkannt, wenn sie unabhängig von der Helligkeit immer wieder gewählt wird. Von Frisch prüfte dies, indem er den Bienen Farbplättchen verschiedener Helligkeit der belohnten Farbe in Konkurrenz mit anderen Farben zur Auswahl anbot und feststellte, dass die Farbe bei der Entscheidung Priorität hat.
  • Der Fangschreckenkrebs Neogondodactylus oerstedii besitzt acht verschiedene Rezeptortypen im sichtbaren und vier im Ultraviolett-Bereich.[23]

Wirbeltiere

Niedere Wirbeltiere

Niedere Wirbeltiere und unter den Säugetieren die Beuteltiere verfügen meist über vier Zapfentypen. Sie werden daher Tetrachromaten genannt. Neben den L-, M- und S-Zapfen verfügen sie über einen Ultraviolett-Zapfen, der im Bereich von weniger als 380 nm reagiert. Da man dieses im Vergleich zum Menschen komplexere tetrachromatische Farbsystem bei Beuteltieren, Vögeln und Fischen findet, geht man davon aus, dass es einen evolutionär frühen Typus innerhalb der Wirbeltier-Farbsysteme darstellt.

Knochenfische

In Anpassung an die unterschiedlichen Beleuchtungsverhältnisse ihrer Lebensräume haben die verschiedenen Arten der Knochenfische unterschiedliche Systeme ausgebildet. Die meisten bisher darauf untersuchten Fische sind Tetrachromaten. Die Zahl der Zapfen und deren Absorptionsmaxima passen in der Regel zu ihrer Lebensweise: Mit zunehmender Tiefe in Gewässern ist auf Grund der stärkeren Absorption von lang- und kurzwelligem Licht die Beleuchtung zunehmend einfarbiger (monochromatisch). In klaren Meeren oder Seen erreicht der blaue Anteil des Lichtes Tiefen von über 60 Metern. In Süßwasserseen mit einer hohen Planktondichte herrscht in Tiefen von 25 Metern gelbgrünes Licht vor. In Schwarzwasserflüssen und Moorseen erreicht der Rotanteil des Lichtes höchstens eine Tiefe von drei Metern. Gleichzeitig nimmt bei allen Gewässern die Intensität des Lichtes mit der Tiefe ab. So besitzen dämmerungsaktive oder in dunklen Regionen lebende Fische vorwiegend im Rotbereich empfindliche Zapfen, während tagaktive, in den oberen, lichtdurchfluteten Regionen lebende Fische mehr Blau- und Grünzapfen aufweisen.

  • Stäbchenmonochromaten besitzen keine Zapfen. Sie können bei sehr geringen Lichtintensitäten sehen, dafür aber nur Graustufen. Das hellste Grau liefern Objekte in Grüntönen.
  • Dichromaten haben zusätzlich zwei verschiedene Zapfentypen. Beispiel: Gemeine Goldmakrele (Coryphaena hippurus).
  • Trichromaten besitzen ähnlich wie der Mensch drei Zapfentypen. Beispiel: Buntbarsch (Cichlasoma longinasus).

Ob Di- und Trichromaten auch unterschiedliche Farben wahrnehmen und unterscheiden können, hängt von der weiteren neuronalen Verarbeitung in Netzhaut und Gehirn ab.[24]

Vögel

Hühner besitzen neben dem Rhodopsin der Stäbchen vier Zapfenpigmente: Rot (Empfindlichkeitsmaximum bei ca. 570 nm), Grün (ca. 510 nm), Blau (ca. 450 nm) und Violett (ca. 420 nm). Zusätzlich befindet sich im Pinealorgan (Zirbeldrüse/Epiphyse) ein weiteres Pigment, das Pinopsin (ca. 460 nm).[25]

Vögel und ebenso Reptilien haben in ihren Zapfen mit Carotinoiden gefärbte und farblose Öltröpfchen, die als Farbfilter wirken. Diese Filter engen die Absorptionsspektren der Zapfen ein und verbessern damit die Unterscheidbarkeit von Farben. Säugetiere, und somit auch der Mensch, besitzen diese Farbfilter nicht.

Säuger
  • Mäuse haben neben dem Stäbchenpigment Rhodopsin nur zwei Zapfenpigmente für Grün (Absorptionsmaximum ca. 510 nm) und Ultraviolett (ca. 350 nm). Die Zapfenpigmente sind zudem ungleich verteit. In der oberen Hälfte der Netzhaut, die den Boden betrachtet, finden sich neben Stäbchen nur Grün-Zapfen, in der unteren Hälfte der Netzhaut, die den Himmel betrachtet, neben Stäbchen nur UV-Zapfen. Dies ist eine Anpassung zur Nahrungssuche bzw. zum leichteren Erkennen der UV-Muster in den Gefiedern von Beutegreifern.
  • Dass Hunde keinen Farbsinn haben, sie also Schwarz-Weiß sehen, wird selbst in populärwissenschaftlichen Beiträgen noch immer behauptet.[26] Doch auch der Haushund verfügt über zwei Zapfenarten mit Empfindlichkeiten im grünen und blauen Spektralbereich.
  • Primaten können farbig sehen. Wie Untersuchungen an Affen am japanischen Nationalen Forschungsinstitut in Tsukuba ergaben,[27] ist die Fähigkeit, Farbtöne unabhängig von der Helligkeit wahrzunehmen, nicht angeboren. Dies stellte man bei Affen fest, die in monochromatischem Licht aufgewachsen waren. Sie konnten ein farbiges Objekt immer dann nicht wiedererkennen, wenn dies bei abweichenden Beleuchtungsverhältnissen Licht unterschiedlicher Wellenlänge reflektierte.
Evolution der Zapfentypen bei Landwirbeltieren
Schema zur Evolution der Zapfentypen bei Wirbeltieren
Absorptionsmaxima verschiedener Rezeptortypen im Vergleich
ZapfentypenUVSMLStäbchen
Mensch[22]-424 nm530 nm560 nmk. A.
Mensch[28]-420 nm535 nm565 nmk. A.
Mensch[29]-420 nm530 nm560 nm500 nm
Rhesusaffe[30]-*540 nm565 nm505 nm
Pferd -428 nm539 nm - -
Vögel[22]370 nm445 nm508 nm565 nm-
Goldfisch[24]356 nm447 nm537 nm623 nm-

Anmerkungen

  • Absorption wird hier als Anzahl der von einem Zapfen pro Sekunde aufgenommenen Photonen bestimmt.
  • Die genannten Absorptionsmaxima sind nur Richtwerte; Unterschiede gibt es nicht nur zwischen den Arten, sondern auch von Individuum zu Individuum.

Vögel besitzen vier Zapfentypen, deren Absorptionsmaxima bei 370 nm (UV-Typ), 445 nm (S-Typ), 508 nm (M-Typ) und 565 nm (L-Typ) liegen. Vergleiche der Nukleotidsequenzen von Opsin-Genen verschiedener rezenter Tiere weisen darauf hin, dass auch die gemeinsamen Vorfahren der Vögel und Säuger vier Zapfentypen besaßen. In einer frühen Phase der Säugerevolution gingen die mittleren S- und M-Typen verloren. Es wird angenommen, dass diese Tiere nachtaktiv waren und deswegen diese Veränderung im Sehsystem tolerieren konnten. Wie eine Abschätzung der Evolutionsdauer mit Hilfe der molekularen Uhr ergab, entstand mit dem Übergang zur Tagaktivität vor 30 bis 40 Mio. Jahren bei den Vorfahren der Primaten der Alten Welt durch Genduplikation ein dritter Zapfentyp, so dass wieder ein M-Typ (530 nm) zur Verfügung stand, dessen Absorptionsmaximum sich aber nur wenig vom L-Typ (560 nm) unterscheidet.[31] Ein selektiver Vorteil bestand möglicherweise darin, dass sich mit drei Zapfentypen Früchte als Nahrungsquelle besser unterscheiden lassen als mit zwei.[22]

Ultraviolett-Wahrnehmung

Viele Insekten, Vögel, Eidechsen, Schildkröten und Fische haben Rezeptoren in ihrer Netzhaut, die auch bei Licht mit Wellenlängen kürzer als 400 nm – also durch Ultraviolett – gereizt werden.[22] Aber auch manche Wirbellose verfügen über Rezeptoren für UV: Sir John Lubbock, ein Freund und Nachbar von Charles Darwin, stellte schon vor 1882 fest, dass Ameisen unter Ultraviolett (UV) ihre Puppen aufnehmen und aus dem Strahlungsbereich tragen. Karl von Frisch erkannte in den 1950er Jahren, dass Bienen und Ameisen UV-Licht als Farbe wahrnehmen.

Farbtetraeder für die Schildkröte (Pseudomys scripta elegans)
W: Weißpunkt, Wellenlängen in nm

Auf Grund des vierten Zapfentyps, der im Ultraviolett (UV) oder Violett (V) sein Absorptionsmaximum hat, können bestimmte Tiere wie einige Insekten, nahezu alle Fische (Goldfisch), Reptilien, die Ursäuger Australiens und Vögel mehr Farben unterscheiden als der Mensch. Man spricht von Tetrachromasie. Untersuchungen am Wellensittich (Melapsittacus undulatus) ergaben, dass der Vogel nicht nur die Farben, die auch der Mensch unterscheidet, wahrnehmen kann, sondern darüber hinaus auch Mischungen mit unterschiedlichem UV-Anteil. So unterscheidet ein Vogel je nach UV-Anteil zum Beispiel bei einem bestimmten Blau verschiedene Farben, wo der Mensch nur eine einzige wahrnehmen kann.

Aus der Anzahl der Zapfentypen kann jedoch keineswegs geschlossen werden, welche Fähigkeiten der Farbunterscheidung ein Tier hat. Dies hängt sehr stark von der Weiterverarbeitung der Zapfenreaktionen in Netzhaut und Gehirn ab und kann erst durch Verhaltensexperimente untersucht werden.

Bedeutung

Die Fähigkeit, Ultraviolett wahrzunehmen, spielt für einige Vögel bei der Balz eine Rolle.

  • Messungen der UV-Reflexion ergaben, dass von 139 Arten, bei denen sich Männchen und Weibchen für das menschliche Auge nicht unterscheiden lassen, sich bei mehr als 90 % der Arten die Geschlechter im UV-Muster unterscheiden.[32]
  • Bei Männchen 108 australischer Vogelarten reflektieren diejenigen Stellen des Gefieders, die bei der Balz eine Rolle spielen, mehr UV als andere Gefiederareale.[33]
  • Bei der Blaumeise (Parus caeruleus) wählen die Weibchen bevorzugt diejenigen Männchen, die am stärksten im Ultraviolett-Bereich leuchten. Da die UV-Reflexion von der Mikrostruktur der Federn abhängt, kann sie Auskunft über die Gesundheit der Männchen geben.
  • Beim Azurbischof (Guiraca caerulea) besetzen die Männchen mit der höchsten UV-Reflexion die größten und ertragreichsten Reviere und füttern ihre Jungen am häufigsten.[34]

Aber auch beim Nahrungserwerb spielt die Wahrnehmung von Ultraviolett oder dessen jeweilige Ausprägung eine Rolle.

Die Oberfläche von vielen Früchten reflektiert Ultraviolett. Dadurch ist es für Tiere mit UV-Wahrnehmung leichter, solche Früchte zu finden[35] oder ihre jeweilige Qualität abzuschätzen.

Reife gelbe Bananen fluoreszieren in ultraviolettem Licht blau, im Gegensatz zu den Blättern dieser oder anderer Pflanzen. Das ist ein Hinweis darauf, dass manche Bananen fressenden Tiere diese Eigenschaft mit Hilfe ihrer UV-Wahrnehmung nutzen könnten, um die Reife der Früchte abzuschätzen.[36]

Die Gemälde der Serie Kathedrale von Rouen (1892–1894) von Claude Monet stellen seine Eindrücke der Wirkung des nach Tageszeit und Witterung wechselnden natürlichen Lichts dar, das von der Fassadenoberfläche reflektiert wird. Sie zeigen ein Spiel von Licht und Schatten am gleichen Objekt in verschiedenen Farben.

Kulturelle Einflüsse

Zwar sind die neuronalen Wege und Mechanismen der Verarbeitung von Farbinformationen beim Menschen im Prinzip bekannt, die Entstehung des Bewusstseins über Farbe ist jedoch – ähnlich wie die Entstehung des Bewusstseins über andere Dinge – von vielen weiteren, und oft unbekannten, Einflüssen abhängig. „Offenbar ist es nicht die primäre entwicklungsgeschichtliche Aufgabe des Sehsinnes, ästhetische Empfindungen hervorzubringen. Vielmehr scheint es seine wichtigste Aufgabe zu sein, dem Individuum durch sichere Orientierung und durch optimales Erkennen das Überleben zu gewährleisten. Deshalb hat sich der Sehsinn so herausgebildet, dass er sich an die Beleuchtungsumstände weitestgehend anpassen kann.“ (Harald Küppers[37]) Hinweise, dass auf dieser Stufe der Wahrnehmung kulturelle und damit durch Lernprozesse beeinflusste Unterschiede bestehen, gibt die Benennung von Farben und die Einteilung des Farbspektrums in Farbgruppen.

Farbnamen und Farbsortierungen

  • Empedokles fasst Weiß und Schwarz als Farben auf.
  • Aristoteles setzt in seinem Werk De sensu („Über die Sinne“) die Helligkeit der Luft der Farbe Weiß von Körpern gleich, Dunkelheit entspricht der Farbe Schwarz. So kommt er zu der Annahme, dass Farben sich aus unterschiedlichen Mischungen von Weiß und Schwarz zusammensetzen.

Nach diesen Vorstellungen wurden die Farben bis ins 17. Jahrhundert nach einer Helligkeitsskala angeordnet: Weiß – Gelb – Rot – Blau – Schwarz. Während heutzutage eine Farbe durch Farbton, Sättigung und Helligkeit definiert ist, sah man den Farbton bis dahin nur als Folge von Helligkeit an.[38] Goethe wurde noch von dieser Auffassung beeinflusst, als er Newtons Ergebnisse ablehnte und seine eigene Farbenlehre sogar noch höher als sein literarisches Schaffen einschätzte.

Die Sichtweise der Sortierung nach Helligkeit findet teilweise eine Entsprechung in der Etymologie des Begriffs Gelb, der auf eine indogermanische Wurzel mit der Bedeutung ›hell, glänzend‹ zurückgeht.

In sogenannten natürlichen Sprachen wird die riesige Anzahl unterscheidbarer Farbnuancen einigen wenigen Farbkategorien zugeordnet, zum Beispiel in europäischen Sprachen oft: Violett, Blau, Grün, Gelb, Orange, Rot, Rosa, Braun. Untersuchungen ergaben, dass die Berimos auf Papua-Neuguinea nur fünf Kategorien[39] verwendeten. So ordneten sie einen weiten Bereich an Farbnuancen, der von Europäern in die beiden Kategorien Grün und Blau eingeteilt wird, nur einem Begriff zu.[40]

Literatur

Bouma, P.J.: Farbe und Farbwahrnehmung: Einführung in das Studium der Farbreize und Farbempfindungen, Verlag: N.V. Philips’ Gloeilampenfarbrieken;, 1951

Einzelnachweise

  1. Ishihara Shinobu: Tests for Colour-Blindness. 24 Plates. Kanehara Shuppan Co., Ltd., Tokyo/Kyoto 1972, S. 4 (englisch).
  2. A Letter of Mr. Isaac Newton, Professor of the Mathematicks in the University of Cambridge; Containing His New Theory about Light and Colors: Sent by the Author to the Publisher from Cambridge, Febr. 6. 1671/72; In Order to be Communicated to the R. Society. In: Philosophical Transactions. Band 6, Nummer 80, 19. Februar 1672, S. 3075–3087, doi:10.1098/rstl.1671.0072.
  3. Young, T.: Bakerian Lecture: On the Theory of Light and Colours. In: Phil. Trans. R. Soc. Lond. 92. Jahrgang, 1802, S. 12–48, doi:10.1098/rstl.1802.0004.
  4. James Clerk Maxwell: Experiments on Colour, as Perceived by the Eye, with Remarks on Colour-Blindness. In: Transactions of the Royal Society of Edinburgh. 21. Jahrgang, Nr. 2, 1855, S. 275–298, doi:10.1017/S0080456800032117.
  5. Grenzen des sichtbaren Lichts für Menschen laut International Commission on Illumination, abgerufen am 9. März 2024.
  6. D. H. Sliney: What is light? The visible spectrum and beyond. In: Eye (London, England). Band 30, Nr. 2, Februar 2016, ISSN 1476-5454, S. 222–229, doi:10.1038/eye.2015.252, PMID 26768917, PMC 4763133 (freier Volltext).
  7. W. C. Livingston: Color and light in nature. 2nd ed Auflage. Cambridge University Press, Cambridge, UK 2001, ISBN 0-521-77284-2, S. 231 (google.com [abgerufen am 5. März 2021]).
  8. G. A. Agoston: Color Theory and its Application in Art and Design, Springer Verlag 1979, Seite 18
  9. Wiedergabe des Vortrags Pigments and signals in colour vision vom 17. April 1970 im The Journal of Physiology (1972), Seite 4, PMC 1331666 (freier Volltext).
  10. a b Josef Dudel, Randolf Menzel, Robert F. Schmidt: Neurowissenschaft: vom Molekül zur Kognition. Band (2.). Springer-Verlag, 2001, ISBN 3-540-41335-9, S. 400 f. (google.de).
  11. Blendung durch natürliche und neue künstliche Lichtquellen und ihre Gefahren. Empfehlung der Strahlenschutzkommission, S. 6 (im PDF S. 11)
  12. Lindsay Sharpe, Andrew Stockman, Herbert Jagle, Jeremy Nathans: Opsin genes, cone photopigments, color vision, and color blindness. In: Karl Gegenfurtner, Lindsay Sharpe (Hrsg.): Color Vision. From Genes to Perception. Cambridge University Press, Cambridge 1999, ISBN 0-521-59053-1 (S. 3).
  13. Püschel et al. Taschenlehrbuch Biochemie, Thieme-Verlag, 2011, S. 318 link
  14. Nach: J. K. Bowmaker, H. J. A. Dartnall: Visual pigments of rods and cones. (PDF) In: The Journal of Physiology, vol. 280. 1. Januar 1980, S. 505, abgerufen am 30. Juli 2013 (englisch).
  15. B.B.Lee, P.R.Martin, U.Grünert: Retinal connectivity and primate vision. In: Prog Retin Eye Res., 2010, 29(6), 622–639, PMID 20826226.
  16. C. Neumeyer, S. Dörr, J. Fritsch, C. Kardelky: Colour constancy in goldfish and man: influence of surround size and lightness. Perception 31(2), 2002: 171–187, PMID 11922131
  17. N. Hempel de Ibarra, M. Vorobyev, R. Menzel: Mechanisms, functions and ecology of colour vision in the honeybee. J Comp Physiol A Neuroethol Sens Neural Behav Physiol 200(6), 2014: 411–433, Review Article, Full Text Online: PMID 24828676
  18. H. E. Smithson: Sensory, computational and cognitive components of human colour constancy. Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci 360(1458), 2005: 1329–1346, Review Article, Full Text Online: PMID 16147525
  19. D. H. Foster: Color constancy. Vision Res 51(7), 2011: 674–700, Review Article, Full Text Online: PMID 20849875
  20. Anya Hurlbert: Colour vision: Is colour constancy real? Curr Biol. 9(15): 1999: R558–561, Review Article, Full Text Online: PMID 10469555
  21. G.Wald: Alleged effects of the near ultraviolet on human vision. In: J.Opt.Soc.Amer. 42, 171–177
  22. a b c d e Timothy H. Goldsmith: Vögel sehen die Welt bunter. In Spektrum der Wissenschaft, Januar 2007, S. 96–103; → Spektrum und (PDF)
  23. Die bunte Welt der Krebse. In: Spektrum der Wissenschaft. Januar 2000, S. 13, abgerufen am 27. November 2015.
  24. a b A.G. Palacios, F.J. Varela, R. Srivastava, T.H. Goldsmith: Vision Research. Volume 38, Number 14, July 1998, pp. 2135–2146(12)
    Goldfisch Carassius aureatus
  25. Jeremy M. Berg u. a.: Biochemie. Spektrum akademischer Verlag Heidelberg, 5. Auflage 2003, S. 1002, ISBN 3-8274-1303-6.
  26. ZDF, 29. Januar 2009, Quiz der Tiere
  27. In Current Biology Bd. 14, S. 1267, 2004
  28. Jeremy Nathans: Die Gene für das Farbensehen. In Spektrum der Wissenschaft, April 1989, S. 68 ff.
  29. Bowmaker & Mollon (1983): Human rods and cones. Wertetabelle auf Colour and Vision Research Labs
  30. Bowmaker et al., (1978): Rhesus monkey rods. Wertetabelle bei Colour and Vision Research Labs
  31. Shozo Yokoyama et al.: Epistatic Adaptive Evolution of Human Color Vision. In: PLoS Genetics. 10(12): e1004884. doi:10.1371/journal.pgen.1004884
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  33. F. Hausmann: The evolutionary significance of ultraviolet reflectance and florescence in birds. Honours Thesis (1997), sowie F. Hausmann u. a.: UV signals in birds are special. In Proc. R. Soc. Lond. B, 2002
  34. Lynn Siefferman, Geoffrey Hill (Department of Biological Sciences, Auburn University, Auburn): Journal of the Alabama Academy of Science. In: highbeam.com. 1. April 2001, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Februar 2013; abgerufen am 9. November 2023.
  35. Dietrich Burkhardt. In Die Naturwissenschaften, (April 1982) Vol. 69, No. 4, S. 153
  36. Bernhard Kräutler et al. Die blaue Lumineszenz reifender Bananen, Angewandte Chemie 2008, 120, No. 46. Blaue Bananen
  37. Harald Küppers: Harmonielehre der Farben. DuMont, Köln 1989. ISBN 3-7701-2192-9
  38. Georges Roque: Licht und Farbe. In Spektrum der Wissenschaft – Spezial 2004, Heft 5: Farbe, S. 10 ff.
  39. hierzu Prototypensemantik
  40. Jules Davidoff, Debi Roberson. In Nature, Band 398, S. 203 ff., 18. März 1999, nature (PDF; 687 kB)

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