Farben-Helligkeits-Diagramm

Farben-Helligkeits-Diagramm in der BV-Version
(Ia–V: Leuchtkraftklassen, B0–M0: Spektralklassen)

Als Farben-Helligkeits-Diagramm (kurz FHD) bezeichnet man in der Astrophysik ein zweidimensionales Diagramm, in dem die absoluten Helligkeiten[1][2] von Sternen gegen einen Farbindex aufgetragen werden.

Dagegen werden im Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD) die absoluten Helligkeiten über der Spektralklasse aufgetragen.

BV-Farben-Helligkeits-Diagramme

Größte Verbreitung hat das Farben-Helligkeits-Diagramm, bei dem die Helligkeiten des BV-Systems zugrunde gelegt werden (siehe Bild). Dabei wird die Gelb-Helligkeit V (für visuell, da das menschliche Auge bei 550 nm am empfindlichsten ist) aufgetragen über dem Farbindex B−V (Differenz der Blau-Helligkeit B bei 440 nm zur Gelb-Helligkeit V).

Dieses Farben-Helligkeits-Diagramm hat den Vorteil, dass seine Struktur derjenigen des Hertzsprung-Russell-Diagramms ähnelt; Insbesondere zeigt die Hauptreihe einen ähnlichen Verlauf, ist allerdings je nach Entfernung der Sternengruppe vertikal verschoben.

Zudem tauchen in einem FHD einer Sternengruppe nicht unbedingt alle Sterntypen auf, d. h. bestimmte Bereiche bleiben im Vergleich zum Standard-FHD leer.

Interpretation auf eine homogene Sterngruppe bezogen

Abzweigepunkt eines typischen
Farben-Helligkeits-Diagramms, das mit einem Standard-FHD übereinandergelegt wurde.

Der angesprochene Vergleich mit dem HRD zeigt, wie sich das FHD anwenden lässt. Für die nachstehend beschriebene Interpretation ist es notwendig, eine homogene Sternengruppe mit ähnlicher Entfernung zu analysieren, da ansonsten die Interpretation verfälscht werden kann:

  • Abschätzung der Entfernung: Legt man ein Standard-HRD zugrunde, bei dem anstelle der Spektraltypen der B−V-Farbindex als Ordinate benutzt wird, so ist die – zumeist einfach zu identifizierende – Hauptreihe des sich ergebenden FHD je nach Entfernung vertikal verschoben. Aus der Größe der Verschiebung (Entfernungsmodul) lässt sich die Entfernung der Sternengruppe ermitteln. Der Vorteil bei dieser Methode ist, dass man dadurch die Entfernung bereits mittels der einfach zu bestimmenden scheinbaren Helligkeit ermitteln kann und die absolute Helligkeit daraus ableiten kann:
mit
  • Altersbestimmung: Die Abwesenheit bestimmter Sterntypen in einem FHD deutet auf ein gewisses physikalisches Entwicklungsstadium der Sternengruppe hin. Insbesondere sieht man in einem FHD typischerweise, dass die Hauptreihe bei einem gewissen Farbindex abknickt, d. h. links von diesem Abzweigepunkt (oft auch englisch turn-off-point) gibt es keine Hauptreihensterne im Diagramm. Offensichtlicher Grund für dieses Fehlen heißer Hauptreihensterne ist das fortgeschrittene Alter der Sternengruppe, so dass sich Sterne links vom Abzweigepunkt bereits zu Riesensternen entwickelt haben.
Aus den Standard-Modellen der Sternentwicklung lässt sich damit anhand des Farbindizes (B−V)t des Abzweigepunktes das Alter a der Sternengruppe in Jahren abschätzen:

Farb-Exzess und Extinktion

Bei der beschriebenen Anwendung des FHD wird zugrunde gelegt, dass der B−V-Farbindex entfernungsunabhängig ist. Dies erscheint zunächst plausibel, da es sich um die Differenz zweier scheinbarer Helligkeiten handelt, die beim ersten Hinsehen tatsächlich entfernungsunabhängig sein sollte.

Aufgrund der interstellaren Extinktion, die wiederum auf der Rayleigh-Streuung beruht,[3] wird das kurzwellige Licht jedoch stärker absorbiert als das längerwellige, so dass der gemessene Farbindex größer ist als der tatsächliche.[4] Die Differenz zwischen dem gemessenen B−V-Farbindex und dem tatsächlichen nennt man Farb-Exzess:

Da der Farb-Exzess recht unabhängig von der Wellenlänge ist, bewirkt er im Wesentlichen eine horizontale Verschiebung der (B−V)-Achse des Diagramms. Da die Hauptreihe im FHD fast linear verläuft, lässt sich diese Verschiebung allerdings nicht an der Geometrie des Diagramms ablesen, denn es bleibt zunächst unklar, ob das Diagramm durch den Farb-Exzess nach rechts oder entfernungsabhängig nach oben verschoben worden ist.

Der Farb-Exzess lässt sich allerdings bestimmen durch zusätzliche Auswertung eines Farben-Farben-Diagramms, bei dem der U-B-Farbindex über dem B−V-Farbindex aufgezeichnet wird. Der typische Verlauf der Hauptreihe in diesem Diagramm ist eine stark gewellte Linie. Die Wellen entstehen durch die Abweichung von der Schwarzkörperstrahlung, insbesondere durch den Balmer-Sprung. Daher lässt sich in diesem Diagramm der Farb-Exzess ermitteln, wobei für die beiden Exzesse E(B−V ) und E(U-B) näherungsweise gilt:

Ebenso lässt sich die interstellare Extinktion AV, die die Verdunklung der Sterne durch den interstellaren Staub beschreibt, als Funktion des Farb-Exzesses schreiben:

mit der richtungsabhängigen Größe und somit aus dem FHD eliminieren.

Farben-Helligkeits-Diagramme bei der Gaia-Mission

(c) ESA/Gaia/DPAC, CC BY-SA 3.0 igo
Darstellung aller Sterne des Gaia-DR2-Katalogs in einem Farben-Helligkeitsdiagramm

Die gewonnenen Daten der Gaia-Sonde lassen sich ebenfalls als Farben-Helligkeitsdiagramm darstellen. Hierzu wird das sondeneigene photometrische System basierend auf der G-Band-Magnitude verwendet. Durch Vergleich vom roten und vom blauen Photometer lässt sich ebenfalls ein Farbindex bestimmen, welcher gegen die gemessene Absolute Helligkeit im G-Band verglichen werden kann. Bei Gaia kann die Absolute Helligkeit für die meisten Sterne direkt aus der scheinbaren Helligkeit und der Entfernungsbestimmung via Parallaxe ermittelt werden. Dies ermöglicht Farben-Helligkeitsdiagramme mit einer deutlich höheren Anzahl Sternen als bei älteren astrometrischen Datensammlungen.

Einzelnachweise

  1. Joachim Krautter et al.: Meyers Handbuch Weltall, Meyers Lexikonverlag. 7. Auflage 1994, ISBN 3-411-07757-3, S. 250 ff
  2. Arnold Hanslmeier: Einführung in Astronomie und Astrophysik, Spektrum akademischer Verlag. 2. Auflage 2007, ISBN 978-3-8274-1846-3, S. 273
  3. Arnold Hanslmeier, Einführung in die Astronomie und Astrophysik, Spektrum Akademischer Verlag, 2. Auflage 2007, ISBN 978-3-8274-1846-3, S. 385ff.
  4. Arnold Hanslmeier, Einführung in die Astronomie und Astrophysik, Spektrum Akademischer Verlag, 2. Auflage 2007, ISBN 978-3-8274-1846-3, S. 383ff.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Farbenhelligkeitsdiagramm.svg
Autor/Urheber: Srbauer, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Farben-Helligkeits-Diagramm
Abzweigepunkt im FHD.svg
Autor/Urheber: CWitte, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Qualitatives Farben-Helligkeits-Diagramm mit turn-off-point
Gaia’s Hertzsprung-Russell diagram ESA393151.jpg
(c) ESA/Gaia/DPAC, CC BY-SA 3.0 igo
More than four million stars within five thousand light-years from the Sun are plotted on this diagram using information about their brightness, colour and distance from the second data release from ESA’s Gaia satellite. It is known as a Hertzsprung-Russell diagram after the astronomers who devised it in the early 20th century, and it is a fundamental tool to study populations of stars and their evolution.

This Hertzsprung-Russell diagram, obtained by a selection of stars in Gaia’s second release catalogue, is the most detailed to date made by mapping stars over the entire sky, containing roughly a hundred times more stars thanthe one obtained using data from ESA’s Hipparcos mission, the predecessor of Gaia, in the 1990s. This new diagram contains so much highly accurate information that astronomers have been able to identify fine details that were never before seen. The Hertzsprung-Russell diagram can be imagined as a stellar family portrait: stars are plotted according to their colour (on the horizontal axis) and brightness (on the vertical axis) and are grouped in different regions of the diagram depending mainly on their masses, chemical composition, ages, and stages in the stellar life cycle. Information about stellar distances is fundamental to calculate the true brightness, or absolute magnitude, of stars. Brighter stars are shown in the top part of the diagram, while fainter stars are in the lower part. Bluer stars, which have hotter surfaces, are on the left, and redder stars, with cooler surfaces, on the right. The colour scale in this image does not represent the colour of stars but is a representation of how many stars are plotted in each portion of the diagram: black represents lower numbers of stars, while red, orange and yellow correspond to increasingly higher numbers of stars. The large diagonal stripe across the centre of the graph is known as the main sequence. This is where fully-fledged stars that are generating energy by fusing hydrogen into helium are found. Massive stars, which have bluer or whiter colours, are found in the upper left end of the main sequence, while intermediate-mass stars like our Sun, characterised by yellow colours, are located mid-way. Redder, low-mass stars are found towards the lower right. As stars age they swell up, becoming brighter and redder. Stars experiencing this are shown on the diagram as the vertical arm leading off the main sequence and turning to the right. This is known as the red giant branch. While the most massive stars swell into red giants and explode as powerful supernovae, stars like our Sun end their days in a less spectacular fashion, eventually turning into white dwarfs – the hot cores of dead stars. These are found in the lower left of the diagram. The huge leap forward from Hipparcos to Gaia is especially visible in thewhite dwarf region of the diagram. While Hipparcos had obtained reliable distance measurements to only a handful of white dwarfs, more than 35 000 such objects are included in this diagram based on Gaia data. This allows astronomers to see the signature of different types of white dwarfs such that a differentiation can be made between those with hydrogen-rich cores and those dominated by helium.

Acknowledgement: Gaia Data Processing and Analysis Consortium (DPAC); Carine Babusiaux, IPAG – Université Grenoble Alpes, GEPI – Observatoire de Paris, France.