Fantômas

Fantômas ist die Hauptfigur einer französischen Serie von Kriminalromanen, die das Autorenduo Pierre Souvestre und Marcel Allain zwischen Februar 1911 und September 1913 bei Arthème Fayard im Monatstakt mit jeweils 400 Seiten Umfang veröffentlichte. Nach Souvestres Tod im Jahr 1914 schrieb Allain dann als Einzelautor zwischen 1926 und 1963 vierzehn weitere Fantômas-Abenteuer.

Entstehungsgeschichte

Buchcover des ersten Bandes der Fantômas-Serie (1911)

Die arbeitsteilig verfassten Romane wurden gleichzeitig, kapitelweise, in getrennten Zimmern auf Phonographenwalzen gesprochen und später von zwei Gruppen von Stenografinnen ausgewertet. Nur so war es möglich, das Pensum von einem Buch pro Monat zu bewältigen. In Vorgesprächen losten Souvestre und Allain die zu erstellenden Kapitel aus und verständigten sich auf Anschlussformulierungen zwischen den unterschiedlichen Arbeitspaketen, denn für das Gegenlesen und für Korrekturen fehlte den nach Zeilen bezahlten Autoren die Zeit.[1]

Der Name Fantômas geht auf einen Lesefehler der Verlegers Fayard zurück, als dieser den von Souvestre handschriftlich vorgelegten Titelvorschlag Fantomus entgegennahm.[2]

Die Fantômas-Figur ist ein skrupelloser und zugleich genialer Schurke. Seine Verbrechen zeichnen sich durch Brutalität und Einfallsreichtum aus. So füllt er Parfümflaschen in einem Kaufhaus in Paris mit Schwefelsäure, setzt pestverseuchte Ratten auf einem Passagierschiff aus oder zwingt ein Opfer, seine eigene Hinrichtung zu erleben, indem er es mit dem Gesicht nach oben in eine Guillotine schnallt. Faszinierend wird dieser „Meister des Verbrechens“ durch seinen Widerspruch zur geltenden Gesellschaftsordnung:

„Fantômas ist der schwarze Mann, der alle Ängste der Bürger zusammenfasst, besitzt aber auch eine Faszination, die ganz diffus ist: von der schwarzen Fahne der Anarchisten bis zum schwarzen Hemd der Faschisten. Ein Teil der Faszination von Fantômas liegt in dem Vorschein einer radikal anderen Sichtweise auf die kapitalistische Wirklichkeit. Was ist schon der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Und was ist schon ein kleiner Anarchoverbrecher gegen staatlichen Massenmord? Alle die Konsumterroristen und Wirtschaftsfaschisten, die uns beständig eine positive und einverständige Lebensweise einreden wollen, sind keine Freunde unserer Freiheit. Denn Freiheit heißt ganz wesentlich auch Neinsagen, Anderssein und auf Selbstbestimmung pochen. Für viele Intellektuelle war Fantômas deshalb die Vorahnung einer Freiheit ohne Relativierung, ohne Sachzwänge, ohne Staat.“[3]

Gerade der Umstand, dass die Figur auch als Prototyp des Faschismus interpretierbar war, dürfte zur Abkühlung der Fantômas-Begeisterung bei den europäischen Avantgarde-Bewegungen in den späten dreißiger und den vierziger Jahren geführt haben und mitverantwortlich dafür sein, dass die späteren populären Verfilmungen mit Louis de Funès und Jean Marais weitgehend entpolitisiert waren.

Liste der Fantômas-Romane

Von Allain und Souvestre
BandUntertitelErscheinungsjahr
1Fantômas1911
2Juve contre Fantômas1911
3Le Mort qui Tue1911
4L’Agent Secret1911
5Un Roi Prisonnier de Fantômas1911
6Le Policier Apache1911
7Le Pendu de Londres1911
8La Fille de Fantômas1911
9Le Fiacre de Nuit1911
10La Main Coupée1911
11L’Arrestation de Fantômas1912
12Le Magistrat Cambrioleur1912
13La Livrée du Crime1912
14La Mort de Juve1912
15L’Evadée de Saint-Lazare1912
16La Disparition de Fandor1912
17Le Mariage de Fantômas1912
18L’Assassin de Lady Beltham1912
19La Guêpe Rouge1912
20Les Souliers du Mort1912
21Le Train Perdu1912
22Les Amours d’un Prince1912
23Le Bouquet Tragique1912
24Le Jockey Masqué1913
25Le Cercueil Vide1913
26Le Faiseur de Reines1913
27Le Cadavre Géant1913
28Le Voleur d’Or1913
29La Série Rouge1913
30L’Hôtel du Crime1913
31La Cravate de Chanvre1913
32La Fin de Fantômas1913
Von Allain alleine
BandUntertitelErscheinungsjahr
33Fantômas est-il ressuscité?1925
34Fantômas, Roi des Recéleurs1926
35Fantômas en Danger1926
36Fantômas prend sa Revanche1926
37Fantômas Attaque Fandor1926
38Si c’était Fantômas?1933
39Oui, c’est Fantômas!1934
40Fantômas Joue et Gagne1935
41Fantômas Rencontre l’Amour1946
42Fantômas Vole des Blondes1948
43Fantômas Mène le Bal1963

Verfilmungen

Die Romanserie diente als Vorlage für zahlreiche Verfilmungen. Das fünfteilige Serial von Louis Feuillade mit René Navarre in der Titelrolle gehörte zu den größten Filmerfolgen ihrer Zeit.[4]

In den Jahren von 1916 bis 1920 wurden einige Romane auch in Deutschland mit Erich Kaiser-Titz, Rolf Loer und A. Lör in der Hauptrolle unter dem Namen Phantomas verfilmt. Es war eine mindestens 16-teilige Serie.

Die drei in den 1960er-Jahren von André Hunebelle inszenierten Fantômas-Filme mit Jean Marais in der Doppelrolle als Fantômas sowie als Reporter Jérôme Fandor, Louis de Funès als Kommissar Paul Juve und Mylène Demongeot als Reporterin Hélène waren ebenfalls sehr beliebt. Mit den Romanen von Souvestre und Allain haben diese Verfilmungen allerdings wenig zu tun.

Im Jahr 1980 drehten die Regisseure Juan Luis Buñuel (der Sohn von Luis Buñuel) und Claude Chabrol eine vierteilige Mini-Serie unter Beteiligung des ZDF, mit Helmut Berger als Fantômas, Jacques Dufilho als Inspektor Juve und Pierre Malet als Journalist Jérôme Fandor, die sich wieder enger an die Romanvorlage hielt.

  • 1913–1914: Französische Filmreihe, fünf Teile:
    • 1913: Fantômas – À l’ombre de la guillotine.
    • 1913: Juve contre Fantômas.[5]
    • 1913: Le mort qui tue.[6]
    • 1914: Fantômas contre Fantômas. (Fantomas. II)[7][8]
    • 1914: Le faux magistrat.
  • 1920: Fantomas . Zwanzigteilige US-Serie.
  • 1931/1932: Fantômas. (Regie: Paul Fejos)[9]
  • 1947: Fantômas.[10]
  • 1949: Fantômas contre Fantômas.[11]
  • 1964: Fantômas.[12]
  • 1965: Fantomas gegen Interpol (Fantômas se déchaîne).[13]
  • 1967: Fantomas bedroht die Welt (Fantômas contre Scotland Yard).[14]
  • 1980: Fantômas, französisch-deutscher Fernsehvierteiler.


Titel in der German Early Cinema Database
  • Fantomas. I (1913, Fantômas)[15]
  • Fantomas. II (1914, Fantômas contre Fantômas [Fraglich])[7]
  • Fantomas. III (1914, Le Mort qui tue)[6]
  • Fantomas. VI (1916)[16]


Titel im Filmportal
  • Fantomas: Verhängnisvolles Rendezvous (1979)[17]
  • Fantomas: Tödliche Umarmung (1979)[18]
  • Fantomas: Der rote Diamant (1979)[19]
  • Fantomas: Ein Toter mordet nicht (1979)[20]

Abgeleitete Auftritte

In der tschechischen Fernsehproduktion Die Märchenbraut erscheint Fantômas (dargestellt im Stil der Louis-de-Funès-Filme mit blauer Maske) als Herrscher der Märchenwelt der Erwachsenen. Er ist hier jedoch kein Gauner, sondern hilft den Protagonisten. In der Fortsetzung Die Rückkehr der Märchenbraut taucht Fantômas ebenfalls als Helfer auf.

Auch in der vom gleichen Produktionsteam erstellten deutsch/tschechischen Serie Luzie, der Schrecken der Straße hat Fantômas einen Auftritt: Während ein Fantômas-Film im Fernsehen läuft (außer einer Person in Maske und Zylinderhut, diversen „Fantômas“-Rufen und den Schreien einer Frau kann man kaum auf eine Handlung oder Besetzung schließen), verschaffen sich die Knetfiguren Friederich und Friederich einen Blick auf das Fernsehgerät, indem sie ein Loch durch die Wand bohren. Daraufhin verwandelt sich der orangefarbene Friederich mit Maske und Hut ebenfalls in Fantômas und der grüne schließlich in Batman.

Fantômas inspirierte die italienischen Zeichner der europäischen Donald Duck-Comics dazu, die Figur Paperinik (dt. Phantomias) zu erschaffen.

Literatur

  • Thomas Brandlmeier: Fantomas – Beiträge zur Panik des 20. Jahrhunderts. Verbrecher Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-935843-72-0.

Weblinks

Fantômas allgemein:

Commons: Fantômas – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Zur Stummfilmserie von Louis Feuillade:

Einzelnachweise

  1. Fantômas - Das grausame Genie. (Frankreich 2008) Siehe: arte TV-Programm (Memento vom 30. Oktober 2008 im Internet Archive)
  2. https://blog.montyarnold.de/2018/05/09/ein-schrecken-ohne-ende/
  3. Thomas Brandlmeier: Fantomas – Beiträge zur Panik des 20. Jahrhunderts. Verbrecher Verlag, Berlin 2007, S. 3.
  4. Patrice Gauthier, Francis Lacassin: Louis Feuillade. Maître du cinéma populaire. Gallimard, Paris 2006, S. 63.
  5. Juve gegen Fantômas in der Online-Filmdatenbank; abgerufen am 12. Juli 2021.
  6. a b Fantomas. III (1914) bei The German Early Cinema Database, DCH Cologne, abgerufen am 12. Juli 2021.Vorlage:GECD Titel/Wartung/ID fehlt in Wikidata
  7. a b Fantomas. II (1914) bei The German Early Cinema Database, DCH Cologne, abgerufen am 12. Juli 2021.Vorlage:GECD Titel/Wartung/ID fehlt in Wikidata
  8. Fantômas gegen Fantômas (1914) in der Online-Filmdatenbank; abgerufen am 12. Juli 2021.
  9. Ronald M. Hahn, Volker Jansen: Lexikon des Science Fiction-Films. Heyne, München 1997, ISBN 3-453-11860-X, S. 1074 und öfter.
  10. Fantomas gegen Fantomas (1947) in der Online-Filmdatenbank; abgerufen am 12. Juli 2021.
  11. Fantomas gegen Fantomas (1949) in der Online-Filmdatenbank; abgerufen am 12. Juli 2021.
  12. Fantomas in der Online-Filmdatenbank; abgerufen am 12. Juli 2021.
  13. Fantomas gegen Interpol in der Online-Filmdatenbank; abgerufen am 12. Juli 2021.
  14. Fantomas bedroht die Welt in der Online-Filmdatenbank; abgerufen am 12. Juli 2021.
  15. Fantomas. I (1913) bei The German Early Cinema Database, DCH Cologne, abgerufen am 12. Juli 2021.Vorlage:GECD Titel/Wartung/ID fehlt in Wikidata
  16. Fantomas. VI (1914) bei The German Early Cinema Database, DCH Cologne, abgerufen am 12. Juli 2021.Vorlage:GECD Titel/Wartung/ID fehlt in Wikidata
  17. Fantomas: Verhängnisvolles Rendezvous. In: filmportal.de. Deutsches Filminstitut, abgerufen am 12. Juli 2021.
  18. Fantomas: Tödliche Umarmung. In: filmportal.de. Deutsches Filminstitut, abgerufen am 12. Juli 2021.
  19. Fantomas: Der rote Diamant. In: filmportal.de. Deutsches Filminstitut, abgerufen am 12. Juli 2021.
  20. Fantomas: Ein Toter mordet nicht. In: filmportal.de. Deutsches Filminstitut, abgerufen am 12. Juli 2021.

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Fantomas 1911.jpg
Couverture du premier volume de la série Fantômas par Pierre Souvestre et Marcel Allain, Paris, éditions Fayard, 1911. Illustration anonyme.