Family-Office

Family-Office bezeichnet im englischen Sprachraum eine Gesellschaft, deren Zweck die Verwaltung des privaten Großvermögens einer Eigentümerfamilie ist. Die Aufgaben eines Family-Offices sind aber grundsätzlich nicht beschränkt. Typischerweise übernimmt es neben der reinen Vermögensverwaltung auch klassische Sekretariats-Dienstleistungen wie beispielsweise Mediation, Buchführung, Büroorganisation, Reiseplanung, Sicherheitsmanagement oder Controlling.[1][2]

Aufgaben und Abgrenzung

Der wesentliche Unterschied zwischen einem Family-Office und einem Vermögensverwalter ist die Tatsache, dass ersteres unter Kontrolle der Anlegerfamilie und letzterer unter Kontrolle eines Dritten steht. Entsprechend unterscheidet sich auch die Regulierung: Ein Vermögensverwalter benötigt die Erlaubnis der Regulierungsbehörde, während dies beim Family-Office nicht der Fall ist – zumindest wenn für die Gesellschafterversammlung das Einstimmigkeitsprinzip festgeschrieben ist.[3] Der Gesetzgeber geht hier durch die Identität von Anleger und Eigentümer des Family-Office davon aus, dass eine Schutzbedürftigkeit nicht besteht. Die Anlageentscheider sind Angestellte des Family-Office und damit Untergebene der Anleger.[4] Neben der Risikodiversifizierung[5] ist es den Eigentümerfamilien häufig auch wichtig, mit ihrem Family-Office das Unternehmertum innerhalb der Familie zu bewahren. An der obersten Stelle rangiert für die Family-Offices in der Regel der Kapitalerhalt,[6] hinter dem die absolute Rendite und der konstante Cashflow als Ziele folgen.[7]

Ähnlich wie Private-Equity-Firmen investieren auch Family-Offices via Direktbeteiligungen in etablierte Unternehmen und Startups. Die Haltedauer bei Direktinvestitionen ist bei Family-Offices mit durchschnittlich 19 Jahren jedoch deutlich höher als bei Private Equity.[8]

Der Hauptvorteil des Family-Office ist die hohe Kontrolle der Familie über das eigene Vermögen und die eigenen Investitionen.[9] Unter bestimmten Umständen kann Kostenersparnis einen weiteren Vorteil darstellen. Da Anleger und Eigentümer identisch sind, muss keine Verwaltungsgebühr abgeführt werden; nur Personal- und Fremdkosten fallen an. Der Nachteil besteht darin, dass ein Family-Office, das nur für eine Familie zuständig ist, sich erst ab einem Mindestvermögen von ca. 250 Millionen EUR lohnt.[10] Ein Family-Office rechnet sich erst dann, wenn die Verwaltungsgebühren einer externen Vermögensverwaltung spürbar höher sind als die Personalkosten, die man für ein minimales Family-Office aufwenden muss. Die Kosten für ein Family-Office mit Vollservice betragen mindestens eine Million EUR pro Jahr, von denen ca. 60 Prozent Personalkosten sind.[11] Geringere Kosten lassen sich über sehr schlank aufgestellte Strukturen, sogenannte virtuelle Family-Offices, erzielen.[12]

Neben dieser familieneigenen Organisationsform, die oft unter dem Begriff Single-Family-Office (SFO) spezifiziert wird, werden unter dem Begriff inzwischen jedoch auch Dienstleistungen von Gesellschaften oder Abteilungen von Banken beworben, die Finanzdienstleistungen für die gleiche Kundengruppe erbringen.[13] Für diese Tätigkeit ist eine Regulierung vorgeschrieben,[14] da es sich letztlich nur um ein werbewirksames Etikett für herkömmliche Bankdienstleistungen wie Finanzportfolioverwaltung und Anlageberatung handelt.

Hintergründe

Ursprünglich gründeten sehr vermögende Familien zur optimalen Bewirtschaftung ihrer privaten und unternehmerischen Vermögenswerte und Verpflichtungen eigene Familiengesellschaften. Das erste Family-Office war das 1838 gegründete House of Morgan der amerikanischen Unternehmerdynastie Morgan.[15] Im Jahre 1882 erfolgte die Gründung des Family-Office der Familie Rockefeller.[15]

Laut der US-amerikanischen Konsulentenfirma Celent gibt es in Europa über 4.000 Firmen, die Family-Office-Dienstleistungen erbringen, 750 davon widmen sich ausschließlich den Geschäften einer einzigen Familie,[16] beispielsweise die Jacobs Holding in der Schweiz. Jedes dieser Single Family Offices verwaltet Anlagevermögen von mindestens 100 Millionen US-Dollar, wobei die empfohlene Mindestgröße für ein Single Family Office bei mindestens 500 Millionen Schweizer Franken liegt. In Deutschland gibt es mindestens 300 Single-Family-Offices, von denen die meisten ab 1970 gegründet wurden.[17]

Sogenannte Multi Family Offices arbeiten für mehrere Familien und verwalten in der Regel kleinere Vermögen. In Europa soll es knapp 2.000 geben, die im Durchschnitt zehn bis 15 Kunden mit einem Portfolio von 25 bis 50 Millionen US-Dollar betreuen.

In der Schweiz, die in Europa als Zentrum für Family-Offices gilt, sollen zwischen 300 und 400 Family-Offices bestehen, die vor allem ausländische Klienten betreuen und im Durchschnitt 20 Mitarbeiter beschäftigen. Ein Dutzend davon verwalten jeweils Einzelvermögen von 10 bis 15 Milliarden US-Dollar. Die Swiss Single Family Association[18] vertritt in der Schweiz die Interessen der Single Family Offices.

Geschäfts- und Privatbanken haben vermehrt begonnen, mit hauseigenen Multi Family Offices um die Kundschaft zu werben. Die unabhängigen Family-Offices werfen diesen Bankgeschäftseinheiten vor, nicht die nötige Distanz bei Anlageentscheidungen zu haben und vor allem auf Kommissionen erpicht zu sein. Unabhängige Büros hingegen hätten andere Anreizsysteme und verrechneten strikter nach Aufwand, nicht in Prozenten auf das verwaltete Vermögens oder den erzielten Gewinn.[19]

Literatur

  • Felix Haupt, Thomas Hilger: Das Family Office: Integrierter Dienstleister oder strategischer Berater?. Forschungspapier Nr. 113, WHU – Otto Beisheim School of Management, 2006.
  • Philipp Bierl, Antonia Schickinger, Max Leitterstorf, Nadine Kammerlander: Family Office, Family Equity und Private Equity – Unternehmerisches Investieren und generationsübergreifendes Unternehmertum. Vallendar. 2018.
  • Kirby Rosplock: The Complete Family Office Handbook: A Guide for Affluent Families and the Advisors Who Serve Them. John Wiley & Sons, Inc., Hoboken, New Jersey. 2014.
  • Maximilian A. Werkmüller (Hrsg.): Family Office Management als (Bank-)Dienstleistung für vermögende Privatkunden. Heidelberg 2009. ISBN 978-3-936974-83-6.
  • Dirk Farkas-Richling, Thomas R. Fischer, Andreas Richter (Hrsg.): Private Banking und Family Office: Geschäftsmodelle – Produkte – Recht und Steuern. Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart. 2012.
  • Steen Ehlern: Global Private Wealth Management: An international study on Private Wealth Management and Family Office Services for Ultra-High Net Worth Individuals. London 2006.
  • Florian Richter, Jan Eiben: Der Family Office Manager – Anforderungsprofil und institutionenökonomische Betrachtung seiner Beziehung zur Eigentümerfamilie. Forschungspapier Nr. 123. WHU – Otto Beisheim School of Management, 2009.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Definition: Family Office. In: Gabler Wirtschaftslexikon Online. (gabler.de [abgerufen am 27. Juli 2018]).
  2. https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_140514_familyoffices.html Abschnitt 1
  3. https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_140514_familyoffices.html Abschnitt 4 b)
  4. https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_140514_familyoffices.html Abschnitt 4 a)
  5. Bernhard Raos: Auch Family Offices backen kleinere Brötchen. In: www.dpn-online.com. 19. Mai 2017, abgerufen am 4. November 2020.
  6. Michael Ferber: Family-Offices investieren stärker direkt in Unternehmen. In: Neue Zürcher Zeitung. 12. Mai 2017, abgerufen am 4. November 2020.
  7. Christian Nicolaisen: Studie des Bayerischen Finanz Zentrums. Investmentsteuerreform trifft jedes zweite Family-Office unvorbereitet. In: private-banking-magazin.de. 11. September 2017, abgerufen am 4. November 2020.
  8. Norbert Hofmann: Die guten Heuschrecken. In: sueddeutsche.de. 2018, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 28. Dezember 2018]).
  9. Norbert Hofmann: Exklusiv für die Familie. In: sueddeutsche.de. 2018, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 28. Dezember 2018]).
  10. Christina Anastassiou: Mittelstand im Fokus von Family-Office Vermögensverwaltungen. In: DIE WELT. 21. März 2017 (welt.de [abgerufen am 28. Dezember 2018]).
  11. Studie enthüllt: Was kostet ein Family Office? | private-banking-magazin.de. In: private-banking-magazin.de. (private-banking-magazin.de [abgerufen am 28. April 2018]).
  12. Family Office, Family Equity und Private Equity - Unternehmerisches Investieren und generationsübergreifendes Unternehmertum. Abgerufen am 28. Dezember 2018 (englisch).
  13. Die Geldmaschinen der Superreichen@1@2Vorlage:Toter Link/www.bilanz.ch (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Oktober 2022. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., Bilanz, 28. Juli 2004
  14. Hinweise zur Erlaubnispflicht gemäß KWG und KAGB von Family Offices. Abgerufen am 27. Juli 2018 (deutsch).
  15. a b Julia Böhme: Der Königsweg. Family Office. In: Cash. Investieren wie die Profis, Nr. 11/2017, S. 84–88, hier S. 85.
  16. Von unserem Wirtschaftskorrespondenten in der Westschweiz: Das Family-Office als Butler der Reichen | NZZ. In: Neue Zürcher Zeitung. 8. Januar 2009, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 27. Juli 2018]).
  17. Heterogenität von Single Family Offices - Unternehmeredition.de. Abgerufen am 28. Dezember 2018.
  18. Home. Abgerufen am 30. Oktober 2023 (englisch).
  19. Das Family-Office als Butler der Reichen – Diskretes Geschäft mit Milliardenvermögen, Neue Zürcher Zeitung, 9. Januar 2009