Familie (Mathematik)

Der Begriff der Familie wird in der Mathematik unmittelbar aus dem Grundbegriff der Funktion abgeleitet, informell handelt es sich bei einer Familie um eine Sammlung von Objekten mit einem Index aus einer Indexmenge. Die Begriffe Familie und Funktion stimmen aus technischer Hinsicht überein. Eine Funktion

von einer Indexmenge in eine Menge wird zu einer Familie, wenn wir das Element mit notieren und die Funktion als notieren. Der Unterschied zwischen der Funktion und der Familie liegt dabei einerseits im Formalen, also in der Schreib- und Sprechweise, und andererseits in der Verwendung und der dadurch suggerierten Bedeutung.

Im Gegensatz zu einer Menge kann bei einer Familie dasselbe Element mehrmals an verschiedenen Positionen vorkommen, das heißt für . Besonders häufig ist die Darstellung der Familie als Menge von Wertepaaren, wobei die unabhängige(n) Variable(n) als Index (Indizes) der abhängigen Variable notiert sind. Wenn die so dargestellte Funktion nicht injektiv ist, enthält die Mengendarstellung Elemente, die sich paarweise nur durch den Index unterscheiden. Davon abweichend versteht man unter einer „Familie von Mengen“ oder „Mengenfamilie“ teilweise eine Menge von Mengen (ein sogenanntes Mengensystem), oder eine Mengenfamilie.

Definition

Eine Familie von Elementen einer Menge , welche durch indexiert werden, ist eine Funktion der Form mit .[1]

Eigenschaften

Die Schreibweise besteht aus

  • einem indizierten Elementsymbol in runden Klammern,
  • der Angabe des Definitionsbereiches des Index im Subskript (also rechts unten) dieses Klammerausdruckes und
  • der Angabe der Quellmenge der Elemente der Familie (informell im Kontext oder formal).

Beispiel: oder gleichwertig mit für alle . Sie entspricht der Funktion .

Die nennt man die Mitglieder oder die Terme der Familie und sie sind Elemente aus der Quellmenge oder der indizierten Menge , heißt Index und die Indexmenge oder der Indexbereich. Eine Sprechweise für dieses Beispiel wäre: Eine Familie von Elementen aus mit Index aus der Indexmenge . Die Angabe des Definitionsbereiches des Index wird, falls dieser keine Rolle spielt oder sich aus dem Zusammenhang ergibt, gelegentlich auch weggelassen:

Beispiel: .

Davon zu unterscheiden (was nicht immer gemacht wird) ist die Menge aller Mitglieder der Familie, die eine Teilmenge der Quellmenge ist und der Bildmenge entspricht:

Beispiel: .

Manche Autoren[2] schreiben Familien in der Form , was jedoch die Gefahr in sich birgt, dass der Leser dies mit der Menge verwechseln könnte.

Das Charakteristikum von Familien ist folgendes:

Zwei Familien und sind genau dann gleich, wenn und für jedes gilt.

Schematisch lassen sich die Schreibweisen für Funktionen und Familien so gegenüberstellen:

FunktionFamilie
   mit für alle
 Bild oder Wert  Term oder Mitglied mit Index
 Definitionsbereich  Indexmenge
 Bild- oder Wertebereich  Quellmenge oder indizierte Menge
 Einschränkung mit  Teilfamilie mit

Allgemeiner gesprochen gibt es drei Interpretationen von linkstotalen und rechtseindeutigen Relationen, nämlich als:

Eine Familie ist die Indizierungsinterpretation einer Funktion mit einer speziellen Notation, bei der kein spezielles Funktionssymbol wie bei der Abbildungsnotation benutzt wird.

Die Betonung liegt hier auf Interpretation. Es werden hier keine neuen mathematischen Begriffe eingeführt, sondern nur alternative Sichtweisen des gleichen formalen Sachverhalts gegeben. Der Sinn dieser alternativen Sichtweisen liegt in einer bequemeren Handhabbarkeit in speziellen Anwendungssituationen, insbesondere beim kalkülmäßigen Rechnen.

Für die Menge der mit der Indexmenge I indizierten Familien, deren Mitglieder alle in A liegen, schreibt man . Sind A und I endliche Mengen, dann gilt für ihre Mächtigkeit:

.

Beispiele für Familien und Anwendungssituationen

Beispiele und Fälle

  • Familien mit endlichen Indexmengen, meist oder , heißen Listen und die leere Familie leere Liste, dabei kann die jeweils indizierte Quellmenge jedoch beliebig sein. Eine Liste bezeichnet man auch als endliche Folge und für wird ebenso , oder das Tupel geschrieben, für die leere Folge . Eine Liste lässt sich außerdem als ein Wort über der jeweils indizierten Quellmenge auffassen.
  • Eine unendliche Folge, oft einfach nur Folge genannt, ist eine Familie, deren Indexmenge abzählbar unendlich ist, in der Regel die Menge der natürlichen Zahlen oder . Analog zu Listen können unendliche Folgen auch in der Form oder wie endlose Tupel geschrieben werden. Die Mitglieder von unendlichen und von endlichen Folgen heißen Glieder.
  • In der Topologie ist ein Netz eine Verallgemeinerung einer Folge, auch hier findet die Familienschreibweise Anwendung.
  • Matrizen sind Listen mit Indexmengen, die das kartesische Produkt zweier endlicher Mengen sind. Hat z. B. eine Liste die Indexmenge , so nennt man sie eine -Matrix und sie hat eine Darstellung , die Teillisten heißen dann Zeilen und die Teillisten Spalten der Matrix.

Typische Anwendung findet die Familien-Schreibweise bei:

Oftmals wird fälschlicherweise von einer Menge gesprochen, wenn eine Familie gemeint und erforderlich ist. Würde man etwa in der Theorie der Vektorräume den Begriff lineare Unabhängigkeit für Mengen statt Familien von Vektoren definieren, könnte man noch nicht einmal formulieren, dass zwei vom Nullvektor verschiedene Vektoren u. a. dann linear abhängig sind, wenn sie gleich sind. In dem Fall würden sie zusammen nämlich nur eine einelementige Menge bilden, die dann linear unabhängig ist. Umgekehrt kann man bei Bedarf eine Menge jederzeit als Familie auffassen, indem man sie durch sich selbst indiziert mittels , der identischen Abbildung auf :

.

Familien paarweise disjunkter Teilmengen

Wenn eine Familie von Mengen mit den Eigenschaften und sein soll, dann ist sie nach der in diesem Artikel vorgestellten Darstellung eine Funktion mit sehr speziellen Eigenschaften, und . Eine alternative Repräsentation von ist in diesem Fall eine Funktion . Hiermit ist und die paarweise Disjunktheit ergibt sich automatisch.

Literatur

  • Heinz-Dieter Ebbinghaus: Einführung in die Mengenlehre. 4. Auflage. Spektrum, Akademischer Verlag, Heidelberg u. a. 2003, ISBN 3-8274-1411-3.
  • Paul R. Halmos: Naive Mengenlehre (= Moderne Mathematik in elementarer Darstellung. Band 6). 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1994, ISBN 3-525-40527-8.
  • Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis. Band 1. 16., durchgesehene Auflage. B. G. Teubner, Stuttgart 2006, ISBN 3-8351-0131-5.

Einzelnachweise

  1. Nicolas Bourbaki: Théorie des Ensembles. In: Springer (Hrsg.): Eléments de Mathématiques. Berlin Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-34035-5, S. ER11.
  2. beispielsweise Serge Lang: Algebra. Addison-Wesley, 1965.