Falcidisches Gesetz

Das Falcidische Gesetz (Lex Falcidia de Legatis) war ein römisches Gesetz aus dem Jahre 41 v. Chr.,[1] das auf Antrag des Volkstribuns Publius Falcidius durch ein Plebiszit zustande gekommen war. Es war ein Schutzgesetz des Erben und regelte die Höhe seines Mindesterbteils.

Das Gesetz ordnete an, dass niemand über mehr als drei Viertel seines Vermögens mittels Vermächtnissen verfügen durfte. Dem Erben sollte wenigstens ein von einem Legat befreites Viertel des Nachlasses verbleiben. Dem Bericht des Gaius nach,[2] wollte das Gesetz der Ausschlagung von belasteten Erbschaften durch faktisch enterbte Erben vorbeugen. Bis zum Erlass der Falcidia hatten es vorangegangene gesetzliche Regelungen, etwa die lex Cincia, die lex Furia testamentaria oder die lex Voconia nicht vermocht ihren Zweck, luxusorientierte Lebensweisen einzudämmen, zu erfüllen. Mit juristischen Finessen waren sie im Kern ausgehöhlt worden und fanden zudem keine Anerkennung in der Breite.[3]

Ein Recht auf die Quart hatte jeder Erbe, sowohl der testamentarisch als auch der gesetzlich bedachte. Da ab der Kaiserzeit auch der übergangene Erbe geschützt werden sollte, wurde parallel ein Noterberecht (querela inofficiosi testamenti) – vergleichbar dem Pflichtteilsrecht – entwickelt, das dem unberücksichtigten Erben wenigstens ein Viertel des Erbes sicherte.[4] Waren mehrere Miterben vorhanden, so musste für jeden nach Abzug der Vermächtnisse mindestens ein Viertel seines Erbteils verbleiben. Dem Abzug der Quart waren alle Rechtsgeschäfte von Todes wegen unterworfen, so Vermächtnisse, Stiftungen und Schenkungen auf den Todesfall. Nicht darunter fielen Schenkungen unter Lebenden.

Hinsichtlich der Berechnung der Quart war Folgendes zu beachten:

  1. um zu bestimmen, ob die Erbschaft durch Vermächtnisse soweit überlastet ist, dass der Abzug der Quart stattfinden müsse, ist die Größe der Erbschaft, wie sie zur Zeit des Todes des Erblassers sich darstellt, in Betracht zu ziehen;
  2. die Quart ist vom reinen Vermögen des Erblassers, also nach Abzug der Schulden, zu berechnen;
  3. der Erbe braucht sich in seine Quart nur das anrechnen zu lassen, was er als Erbe, nicht auch, was er als Vermächtnisnehmer aus dem Nachlass erhält.

Das Recht des Abzugs erlosch, wenn der Erblasser ihre Auszahlung ausdrücklich untersagte oder wenn der Erbe darauf verzichtete. Auf Vermächtnisse zugunsten wohltätiger Stiftungen und beim Soldatentestament[5] kam das Gesetz nicht zur Anwendung. Hier wurde dem Erblasser eine größere Testierfreiheit gewährt.

Das Falcidische Gesetz fand Eingang in das spätantike Corpus iuris civilis des oströmischen Kaisers Justinian. Seitdem war der Erbe berechtigt, von jedem Vermächtnisnehmer eine Aufstockung des Pflichtteils zu verlangen. Beschwerungen des Mindesterbteils waren unwirksam, so dass ein unbeschwertes Viertel sichergestellt war. Dieses legatfreie Viertel wurde im mittelalterlichen Pflichteilsrecht falzidische Quart (Quarta Falcidia) genannt.

Das Rechtsinstitut der falzidischen Quart war dem preußischen Landrecht, dem österreichischen und dem sächsischen Zivilgesetzbuch sowie dem französischen Recht unbekannt. Nur das Zürcher Privatrechtliche Gesetzbuch (PBG) aus dem Jahre 1855 von Johann Caspar Bluntschli hatte daran festgehalten.

In das Bürgerliche Gesetzbuch wurde es ausdrücklich nicht übernommen.

Literatur

  • Michael Henning: Die lex Falcidia und das Erbrecht des BGB. Eine kritische Würdigung der Entscheidung des historischen Gesetzgebers, das Rechtsinstitut der falcidischen Quart aufzugeben (= Schriften zur Rechtsgeschichte. 78). Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-09520-0 (Zugleich: Köln, Universität, Dissertation, 1997; Buchbesprechung: Gerhard Otte in: Archiv für die civilistische Praxis. Bd. 202, Nr. 4/5, 2002, S. 885–887, JSTOR:40995816).
  • Fritz Schwarz: Die Rechtswirkungen der Lex Falcidia. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung. Band 63, 1943, S. 314–367, doi:10.7767/zrgra.1943.63.1.314.
  • Herwig Stiegler: Dietmar Schanbacher, Ratio legis Falcidiae. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung). Band 115, Heft 1, 1998. S. 580–584.
  • Heinrich Honsell: Römisches Recht. 5., ergänzte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2001, ISBN 3-540-42455-5, S. 197–198.
  • Bernhard Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts. Band 3. 6., verbesserte und vermehrte Auflage. Rütten & Loening, Frankfurt am Main 1887, S. 370 ff.
  • Andreas Wacke: Die Rechtswirkungen der lex Falcidia. In: Dieter Medicus, Hans Hermann Seiler (Hrsg.): Studien im römischen Recht, gewidmet Max Kaser zum 65. Geburtstag (= Hamburger Rechtsstudien. 65, ISSN 0072-9590). Duncker & Humblot, Berlin 1973, S. 209–251
  • Annemarie Dilger: Die Anwendung der Lex Falcidia in Württemberg. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung. Band 99, 1982, S. 332–342, doi:10.7767/zrgra.1982.99.1.332.
  • Carl Ed. Otto, Bruno Schilling, Carl Friedrich Ferdinand Sintenis (Hrsg.): Das Corpus Iuris Civilis in’s Deutsche übersetzt von einem Vereine Rechtsgelehrter. Band 3. Focke, Leipzig 1831, (Digitalisat).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ulrich Manthe: Das senatus consultum Pegasianum (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen. Neue Folge 12). Duncker & Humblot, Berlin 1989, ISBN 3-428-06637-5, S. 16, hier FN 11, (Zugleich: Freiburg (Breisgau), Universität, Habilitationsschrift, 1985).
  2. Gaius 2, 227.
  3. Heinrich Honsell: Römisches Recht. 5., ergänzte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2001, ISBN 3-540-42455-5, S. 197–198.
  4. Uwe Wesel: Geschichte des Rechts. Von den Frühformen bis zur Gegenwart. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. C. H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-47543-4, S. 204–206 (205).
  5. Jakob Fortunat Stagl: Das „testamentum militare“ in seiner Eigenschaft als „ius singulare“. In: Revista de estudios histórico-jurídicos. Nr. 36, 2014, ISSN 0716-5455, S. 129–157, doi:10.4067/S0716-54552014000100004.