Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Basisdaten
Titel:Fachkräfteeinwanderungsgesetz
Abkürzung:FachKrEG (nicht amtlich)
Art:Bundesgesetz
Geltungsbereich:Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie:Ausländerrecht, Arbeits- und Sozialrecht
Erlassen am:15. August 2019 (BGBl. I S. 1307)
Inkrafttreten am:überwiegend 1. März 2020 (Art. 54 G vom 15. August 2019)
Letzte Änderung durch:Art. 7a G vom 16. August 2023
(BGBl. I Nr. 217 vom 18. August 2023)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
19. August 2023
(Art. 12 Absatz 3 G vom 16. August 2023)
GESTA:B015
Weblink:Text des Gesetzes
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz vom 15. August 2019 ist ein 54 Artikel umfassendes Bundesgesetz, das Teil des sog. Migrationspakets der deutschen Bundesregierung ist und der Umsetzung verschiedener EU-Richtlinien über die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen dient.[1][2][3][4]

Das Gesetz will dem Fachkräftemangel vor allem in der Gesundheits- und Pflegebranche, in den sogenannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), aber auch im Handwerk begegnen, indem es die Zuwanderung derjenigen Fachkräfte, die die deutsche Wirtschaft benötigt, gezielt steuert und nachhaltig steigert.[5]

Durch das Gesetz ändert sich für EU-Bürger die bisherige Rechtslage nicht, es hat nur Auswirkungen auf Personen aus Staaten außerhalb der EU.[6]

Die umfangreichsten Änderungen betreffen das Aufenthaltsgesetz. Der Begriff der Fachkraft wird in § 18 Abs. 3 AufenthG n. F. erstmals legaldefiniert. Die Begriffsbestimmung unterscheidet nicht zwischen Akademikern und beruflich ausgebildeten Fachkräften. Fachkraft im Sinne des Aufenthaltsgesetzes ist danach ein Ausländer, der

  1. eine inländische qualifizierte Berufsausbildung oder eine mit einer inländischen qualifizierten Berufsausbildung gleichwertige ausländische Berufsqualifikation besitzt (Fachkraft mit Berufsausbildung) oder
  2. einen deutschen, einen anerkannten ausländischen oder einen einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzt (Fachkraft mit akademischer Ausbildung).

Der mit Artikel 1 FachKrEG neu eingeführte § 81a AufenthG definiert ein „Beschleunigtes Fachkräfteverfahren“. Bei diesem Verfahren werden die zur Erlangung eines Aufenthaltstitels notwendigen Schritte auf Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Ausländerbehörde und dem zukünftigen Arbeitgeber, der hierfür vom Ausländer bevollmächtigt wurde, unternommen.

Die Ampelkoalition hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, den Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten nach Deutschland zu vereinfachen. Unter anderem soll die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen vereinfacht werden.[7] Das Bundeskabinett beschloss am 30. November 2022 Eckpunkte für ein Gesetz, das es für Menschen aus Ländern außerhalb der Europäischen Union (EU) attraktiver machen soll, in Deutschland zu arbeiten.[8] Menschen, die bestimmte Kriterien erfüllen, sollen künftig mit einer „Chancenkarte“ zunächst für ein Jahr nach Deutschland kommen können.[9] Ausländische Fachkräfte sollen auch dann eine Stelle annehmen können, wenn ihr Berufsabschluss in Deutschland nicht anerkannt ist, sie aber über eine mindestens zweijährige Berufserfahrung verfügen. Es wäre dann möglich, die Anerkennung in Deutschland nachzuholen.[10][11] Ende 2022 wurde das Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts verkündet.

Gesetzesreform 2023

Am 29. März 2023 stimmte der Bundestag einem Referentenentwurf für ein Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung zu[12] und beschloss eine Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung.[13] Das Änderungsgesetz soll der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/1883 dienen.[14] Unter anderem soll es die Westbalkan-Regelung (§ 26) entfristen und von 25.000 auf 50.000 Personen erhöhen, Visa und Aufenthaltserlaubnisse für Fachkräfte und Akademiker erleichtern und die Vorrangprüfung für Drittstaater mit Daueraufenthaltsrecht in einem anderen EU-Staat aufheben.[15] Die Reform des Gesetzes, inklusive Punktesystem nach Vorbild Kanadas, wurde am 23. Juni 2023 vom Bundestag beschlossen. „Die Gesetzesreform soll es für qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland einfacher und attraktiver machen, eine Stelle in Deutschland anzunehmen.“[16] Der Bundesrat stimmte am 7. Juli 2023 dafür, nicht den Vermittlungsausschuss anzurufen, und billigte damit das Gesetz.[17][18] Es wurde am 18. August 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet.[19] Der Hessische Flüchtlingsrat kritisierte, die durch dieses Gesetz neu eingeführte Aufenthaltserlaubnis für die Ausbildung nach § 16g AufenthG bringe im Vergleich zur früheren Ausbildungsduldung indirekt „massive negative Folgen“ mit sich, insbesondere fehlten ein Anspruch auf BAföG und die Möglichkeit von Nebentätigkeiten.[20]

Punktesystem „Chancenkarte“

Anhand des Punktesystems können benötigte Auswahlkriterien mit den eigenen Voraussetzungen abgeglichen werden. Insgesamt müssen sechs Punkte erreicht werden, um die „Chancenkarte“ zu bekommen. Grundvoraussetzung sind Deutschkenntnisse auf dem Level A1 oder Englischkenntnisse auf dem Level B2 sowie eine (mindestens) zweijährige Berufsausbildung oder ein Hochschulabschluss, der im Herkunftsland anerkannt ist. Zusätzlich muss nachgewiesen werden, dass eine finanzielle Absicherung besteht, zum Beispiel über eine Nebenbeschäftigung (bis zu 20 Stunden in der Woche). Nachgewiesen kann das anhand eines Arbeitsvertrages.[21]

Punkteverteilung für die Chancenkarte auf einen Blick

PunkteverteilungAuswahlkriterien[21]
GrundvoraussetzungAusreichende Deutschkenntnisse auf dem Level A1 oder Englischkenntnisse auf dem Level B2 sowie eine mindestens zweijährige Berufsausbildung nach den Regeln des Herkunftslandes. Daneben müssen über ausreichende finanzielle Mittel verfügt werden. Der Nachweis darüber kann mithilfe eines Arbeitsvertrags für eine Nebenbeschäftigung (bis zu 20 Stunden pro Woche) erfolgen.
4 PunkteDie Teilanerkennung eines ausländischen Berufsabschlusses.
Die Erlaubnis, einen reglementierten Beruf auszuüben (z. B. Erzieher, Krankenpfleger oder Ingenieure). Diese Kriterien erfüllen die wenigsten Bewerber.
3 PunkteFünf Jahre Berufserfahrung (in den letzten sieben Jahren) im gelernten Beruf sowie einer vorausgehenden zweijährigen Berufsausbildung nach den Regeln des Herkunftslandes.
Gute Deutschkenntnisse auf dem Sprachniveau B2.
2 PunkteEine zweijährige Berufserfahrung mit vorausgehender Berufsausbildung (in den letzten fünf Jahren).
Das Alter von 35 Jahren wurde noch nicht überschritten.
Ausreichende Deutschkenntnisse auf dem Sprachniveau B1.
1 PunktBewerber, die nicht älter als 40 Jahre alt.
Vorausgegangener Aufenthalt in Deutschland (mindestens sechs Monate). Dieser muss anhand von Dokumenten nachgewiesen werden. Touristische Voraufenthalte zählen nicht dazu.
Sehr gute Englischkenntnisse (C1).
Hinreichende Deutschkenntnisse (A2).
Eine Ausbildung in einem Engpassberufen.
Gemeinsam mit einem Ehepartner / einer Ehepartnerin einen Antrag auf die „Chancenkarte“ stellen.

Literatur

  • Harald Dörig: Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz. In: juris – Die Monatszeitschrift. Nr. 3, 2020, ISSN 2197-5345, S. 108–117 (juris.de [PDF; 822 kB; abgerufen am 8. April 2020]).
  • Hans-Peter Welte: Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Leitfaden für die Praxis. Walhalla-Verlag, Regensburg 2019, ISBN 978-3-8029-3009-6.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Richtlinie 2009/50/EG (Hochqualifiziertenrichtlinie)
  2. Richtlinie 2014/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zwecks Beschäftigung als Saisonarbeitnehmer. In: ABl. L, Nr. 94, 28. März 2014, S. 375.
  3. Richtlinie 2014/66/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen eines unternehmensinternen Transfers. In: ABl. L, Nr. 157, 27. Mai 2014, S. 1.
  4. Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit. In: ABl. L, Nr. 132, 21. Mai 2016, S. 21.
  5. Entwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes BT-Drs. 19/8285 vom 13. März 2019, S. 71
  6. Michael Hördt: Ausgesuchte Regelungen des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes 4. Juli 2019
  7. Staatssekretär: Fachkräftestrategie der Regierung zu vage. In: Stern.de. 12. Oktober 2022, abgerufen am 31. Oktober 2022.
  8. Bundeskabinett beschließt Eckpunkte für Fachkräfteeinwanderung. In: mdr.de. 30. November 2022, abgerufen am 22. Mai 2023.
  9. Cordula Eubel: Was bringt die Chancenkarte? In: MDIntegration. 11. Januar 2023, abgerufen am 12. Januar 2023.
  10. epd/mig: Kabinett beschließt Gesetzes-Fahrplan zur Fachkräfteeinwanderung. In: MIGAZIN. 30. November 2022, abgerufen am 1. Dezember 2022.
  11. Eckpunkte zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten. In: Deutscher Bundestag, Parlamentsnachrichten. Abgerufen am 5. Januar 2023.
  12. Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung. In: bmas.de. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, abgerufen am 22. Mai 2023.
  13. Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung. In: bmas.de. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, abgerufen am 22. Mai 2023.
  14. Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung. In: bmas.de. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, abgerufen am 22. Mai 2023. Fußnote 1.
  15. Entwurf Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung – „FEG 2.0“ mit Änderungen BeschV und AufenthV. In: fluechtlingsrat-berlin.de. Flüchtlingsrat Berlin, abgerufen am 22. Mai 2023.
  16. Bundestag beschließt Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. In: zeit.de. 23. Juni 2023, abgerufen am 23. Juni 2023.
  17. Top 8a : Einwanderungsrecht. In: BundesratKOMPAKT. Bundesrat, 7. Juli 2023, abgerufen am 9. Juli 2023.
  18. Bundesrat stimmt für Fachkräfteeinwanderungsgesetz. In: t-online.de. 7. Juli 2023, abgerufen am 9. Juli 2023.
  19. Bundesgesetzblatt Teil I - Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung - Bundesgesetzblatt. Abgerufen am 20. August 2023.
  20. Claudius Voigt: Neue Aufenthaltserlaubnis § 16g AufenthG beschlossen – zahlreiche Mängel bei geplanter Ersetzung der Ausbildungsduldung. In: fr-hessen.de. 28. Juni 2023, abgerufen am 27. August 2023.
  21. a b Mit der Chancenkarte in Deutschland arbeiten. In: Chancenkarte Deutschland. Abgerufen am 29. September 2023 (deutsch).