Fabrikstadt (Werefkin)

Fabrikstadt (Marianne von Werefkin)
Fabrikstadt
Marianne von Werefkin, 1912
Temperamalerei auf Karton
69,5 × 83 cm
Fondazione Marianne Werefkin, Ascona
(Inventarnummer 0-0-29)
Vorlage:Infobox Gemälde/Wartung/Museum

Fabrikstadt ist der Titel eines Gemäldes, das die russische Künstlerin Marianne von Werefkin 1912 malte. Das Werk gehört zum Bestand der Fondazione Marianne Werefkin in Ascona.

Ikonografie

Dargestellt ist ein von der Künstlerin gezielt gewählter Ausschnitt einer Fabrikstadt. Sie liegt im rechten dunklen Vordergrund des Bildes. Die eng aneinandergedrängten Häuser sind wie aus der Vogelperspektive gesehen, manche haben rot erleuchtete Fenster. Doch meist sind nur ihre Dächer zu erblicken. Nach links öffnet sich eine weite Landschaft im Morgenlicht. Den Hintergrund bilden hohe Berge.

In weitem Bogen tangiert das Stadtviertel ein Fluss, über den mehrere Brücken führen. Wie eine Landmarke ragt ein hoher Fabrikschornstein mit mächtiger Rauchwolke aus dem Häusergewirr. Größtenteils weisen diese Häuser Schornsteine auf, aus denen ebenfalls Rauch quillt. Ein einfacher schlanker Kirchturm mit spitzem Helm befindet sich in dem Stadtbezirk. Er gehört zur neugotischen Pfarrkirche von St. Johannes Baptist in Oberstdorf. Zu Werefkins Zeit galt der „Flecken“ als „Luftkurort in schöner und besuchter Alpengegend, im Quellgebiet der Iller.“[1]

Neben aufblühendem Tourismus nennt Meyers Konversations-Lexikon von 1908 als Erwerbsmöglichkeiten für die Bevölkerung an erster Stelle interessanterweise eine „mechanische Baumwollweberei“, gefolgt von „Viehzucht Algäuer Rasse, bedeutende Käserei und Butterbereitung.“[1]

Ab 1888 konnte man Oberstdorf mit einer „normalspurigen Lokalbahn“ via Sonthofen erreichen. „Schon 1909 gab es durchlaufende Wagen von München.“[2] Man kann davon ausgehen, dass Werefkin diese Annehmlichkeit nutzte, als sie 1912 mit Jawlensky, ihrer Köchin Helene und deren Sohn Andreas in die Sommerfrische fuhr.[3]

In ihrem Feriendomizil in Oberstdorf bekamen Jawlensky und Werefkin des Öfteren Besuch. Dorthin „kam auch der Maler Kardowsky mit seiner Familie“[3], erfährt man von Jawlensky. In seinen Lebenserinnerungen erwähnt Jawlensky fast beiläufig: „In Oberstdorf malte ich verschiedene Gebirgslandschaften.“[3] Sie unterscheiden sich von Werefkins Bildern sehr stark. Während Jawlensky Berge um ihrer selbst willen darstellte, ihnen etwas Wesenhaftes und Mystisches verlieh und auf Personendarstellungen verzichtete, spielen letztere in Werefkins Bildern eine wichtige Rolle. Denn sie „machte Täler, Höhen, Wälder, Wiesen zur wirkungsvollen Staffage für die sozialkritischen Elemente im Vordergrund ihrer Darstellungen. […] Sie brachte ihre Aversion gegen menschenverachtende Arbeitsbedingungen zum Ausdruck. In Oberstdorf malte sie die große Baumwollspinnerei am Ortsrand. Im frühmorgendlichen Licht sind Männer schleppenden Schrittes unterwegs zu zwölfstündiger Fabrikmonotonie. Keine Zweite, kein Zweiter aus ihrem Umfeld in der Neuen Künstlervereinigung München setzte sich künstlerisch eindeutiger und konsequenter mit dem Hauptproblem des ausgehenden neunzehnten und beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts auseinander: der Sozialen Frage“.[4]

Literatur

  • Bernd Fäthke: Marianne Werefkin. München 2001. ISBN 3-7774-9040-7
  • Clemens Weiler: Marianne von Werefkin. In Ausst. Kat.: Marianne Werefkin 1860–1938. Städtisches Museum Wiesbaden 1958
  • Bernd Fäthke: Marianne Werefkin: Clemens Weiler’s Legacy. In: Marianne Werefkin and the Women Artists in her Circle. (Tanja Malycheva und Isabel Wünsche Hrsg.), Leiden/Boston 2016 (englisch), S. 8–19, ISBN 978-9-0043-2897-6
  • Brigitte Roßbeck: Marianne von Werefkin, Die Russin aus dem Kreis des Blauen Reiters. München 2010.

Einzelnachweise

  1. a b Meyers: Großes Konversations-Lexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. Leipzig und Wien 1908, Bd. 14, S. 874.
  2. Hans Erb: 1888 – 1988, Hundert Jahre Bahnlinie Sonthofen – Oberstdorf. Hundert Jahre Bahnhof Oberstdorf. In: Unser Oberstdorf. Blätter zu Oberstdorfer Heimatgeschichte, Heft 13/Juni 1988, S. 249.
  3. a b c Alexej Jawlensky: Lebenserinnerungen. In: Clemens Weiler (Hrsg.), Alexej Jawlensky: Köpfe-Gesichte-Meditationen, Hanau 1970, S. 114
  4. Brigitte Roßbeck: Marianne von Werefkin, Die Russin aus dem Kreis des Blauen Reiters. München 2010, S. 168 f.

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