Fabrice Leggeri

Fabrice Leggeri (2018)

Fabrice Joêl Roger Leggeri[1] (* 28. März 1968 in Mülhausen) ist ein französischer Verwaltungsbeamter und war von Januar 2015 bis April 2022[2] Direktor der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex. Ihm wird vorgeworfen, illegale Pushbacks der griechischen Küstenwache vertuscht zu haben.
Im Dezember 2022 wurde Hans Leijtens, bislang Kommandeur der niederländischen Militärpolizei, als sein Nachfolger ausgewählt.[3]

Werdegang

Fabrice Leggeri erhielt 1989/1990 einen ersten Abschluss in Geschichte an der Universität von Paris. Im Folgejahr erwarb er an der gleichen Universität einen Master’s Degree und wiederum ein Jahr später ein Postgraduierten-Diplom in Zeitgeschichte. Von 1990 bis 1992 war er Student am Institut d’études politiques de Paris. Zwischen 1989 und 1993 studierte er an der École normale supérieure (ENS) und von 1994 bis 1996 an der École nationale d’administration (ENA).

Nach einer ersten beruflichen Station im französischen Innenministerium diente er ab 2001 als nationaler Experte der EU-Kommission, ab 2002 im Projektbereich „Management der EU-Außengrenzen“, der die Gründung von Frontex empfahl. 2003 bis 2007 füllte er in zwei französischen Regionen die Position eines Vize-Präfekten aus. 2007–2011 gehörte er dem französischen Ministère de la Défense in der Abteilung für Internationales und Europäisches Recht an. 2011 ging er als Gesandter an die Französische Botschaft in Seoul. Im August 2013 kehrte er ins Französische Innenministerium zurück und leitete die Abteilung „Irreguläre Migration“ mit Bezug zum Schengener Abkommen und dem Problembereich illegaler Einwanderung.

Am 16. Januar 2015[4] trat er bei der in Warschau angesiedelten Frontex als Direktor die Nachfolge des Finnen Ilkka Laitinen an. Leggeri spricht fließend Deutsch.

Ende April 2022 bot er seinen Rücktritt an.[5]

Illegale Pushbacks durch Frontex

Ende November 2020 veröffentlichten mehrere Zeitungen Beiträge, die nahelegten, dass Frontex-Mitarbeiter mehrfach sogenannte Pushbacks durchgeführt haben. In mindestens einem Fall wird vermutet, dass Leggeri über diese Praxis informiert war. Im Serious Incident Report Nummer 11095 dokumentierten Frontex-Beamte, wie rund 30 Flüchtlinge in der Nacht vom 18. auf den 19. April 2020 von griechischen Grenzschützern illegal aus griechischen in türkische Gewässer geschleppt wurden. Ein Frontex-Aufklärungsflugzeug beobachtete den Vorgang nahe der Insel Lesbos aus der Luft.[6]

Vorwürfe der „Belästigung, des Fehlverhaltens und der Zurückdrängung von Migranten“

Am 7. Dezember 2020 führte das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) eine Razzia in den Büros des Frontex-Exekutivdirektors Fabrice Leggeri sowie seines Kabinettschefs Thibauld de La Haye Jousselin durch – als Teil einer Untersuchung zu Vorwürfen von „Belästigung, Fehlverhalten und Zurückdrängung von Migranten“.[7][8] Laut einem internen Dokument, das von Journalisten der griechischen Zeitung Ekathimerini eingesehen wurde, hatte sich Leggeri der Einstellung der erforderlichen 40 Grundrechtsbeauftragten, die in der Verordnung der neuen Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache vorgesehen sind, „aktiv widersetzt“ und auf häufige Fragen von Mitarbeitern der Agentur Anfang 2020 geantwortet, dass „es keine Priorität ist“. Auch beschuldigte der Autor des Artikel Yannis Palaiologos, Leggeri für eine „komisch inkompetente“ Personalabteilung verantwortlich zu sein.[9] Mehrere Parteien im EU-Parlament forderten Leggeris Rücktritt.[10] Am 29. April 2022 trat er von seinen seinem Amt zurück.[11] Der Schritt soll nur indirekt mit den Pushback-Vorwürfen zu tun haben.[12]

Weblinks

Commons: Fabrice Leggeri – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Frontex: Vertrag von Frontex mit dem polnischen Außenministerium. Abgerufen am 17. September 2018 (englisch).
  2. tagesschau.de 29. April 2022: Frontex-Chef Leggeri zurückgetreten
  3. tagesschau.de 20. Dezember 2022: Niederländer wird neuer Frontex-Chef
  4. European Agency for the Management of Operational Cooperation at the External Borders of the Member States of the European Union: Fabrice Leggeri takes the helm at Frontex (Memento vom 4. Oktober 2015 im Internet Archive).
  5. Thomas Gutschker, Brüssel: Nach internen Vorwürfen: Frontex-Chef Leggeri tritt zurück. In: faz.net. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 29. April 2022]).
  6. Giorgos Christides, Steffen Lüdke, Maximilian Popp: Wie Frontex-Chef Leggeri die Öffentlichkeit getäuscht hat. In: Spiegel.de. Spiegel Politik, abgerufen am 6. November 2020.
  7. Giorgos Christides, Steffen Lüdke, Maximilian Popp: Frontex-Skandal: Antibetrugsbehörde ermittelt gegen EU-Grenzschutzagentur. In: Der Spiegel. 11. Januar 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 29. April 2022]).
  8. Nikolaj Nielsen: EU anti-fraud office launches probe into Frontex. In: euobserver. 11. Januar 2021, abgerufen am 29. April 2022 (englisch).
  9. Yannis Palaiologos: OLAF raided EU border chief’s office over migrant pushback claims | eKathimerini.com. Abgerufen am 29. April 2022 (englisch).
  10. Sebastian Ramspeck, Christina Brun: Umstrittene Praktiken – Festung Europa: Frontex in der Kritik. In: SRF. 3. Juni 2021, abgerufen am 3. Juni 2021.
  11. Frontex-Chef Leggeri zurückgetreten. In: tagesschau.de. 29. April 2022, abgerufen am 30. April 2022.
  12. Thomas Gutschker, Brüssel: Nach internen Vorwürfen: Frontex-Chef Leggeri tritt zurück. In: faz.net. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 29. April 2022]).

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Konferenzdiskussion zur `ZUKUNFT DER EU` (42034581655).jpg
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© photonews.at/Georges Schneider - Wien 21.06.2018 - Das österreichische Ausseministerium (BMEIA) lud heute in der Österreichischen Nationalbank (ÖNB) zu einer hochkarätig besetzten Konferenzdiskussion mit dem Thema: `ZUKUNFT DER EUROPÄISCHEN UNION` ein. PHOTO: erstes Panel mit Gernot Blümel (2vR/ÖVP), Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien, . Nathalie Loiseau (3vR), die französische Ministerin für Europäische Angelegenheiten, . Fabrice Leggeri (2vL), Direktor der Europäischen Agentur für die Grenz– und Küstenwache / FRONTEX, . Michael Spindelegger (L), Generaldirektor des International Centre for Migration Policy Development,.

Moderator Rainer Nowak (R).