Fürstliche Grabstätte von Vix
Der Fund eines unberaubten Grabhügels mit einem reich ausgestatteten Fürstengrab der frühen Eisenzeit im Norden Burgunds – die Fürstliche Grabstätte von Vix – wird heute wegen der vielen wertvollen und seltenen Grabbeigaben, besonders auch wegen des gefundenen Schmucks einer Frau, der hypothetischen Fürstin von Vix (französisch princesse de Vix) zugeordnet. Das Grab gehört zu einer großen Ansiedlung am Übergang von der Späthallstatt- zur Frühlatènezeit und wird etwa um das Jahr 500 v. Chr. datiert.
Fundplatz
Der Fundplatz befindet sich etwa sechs Kilometer nördlich der Stadt Châtillon-sur-Seine. Die Anhöhe des Mont Lassois, eines Zeugenbergs, überragt hier das Dörfchen Vix. Südöstlich des Mont Lassois erstreckt sich auf einer Fläche von 42 Hektar eine große spätbronze-, hallstatt- und spätlatènezeitliche Nekropole. Die Funde deuten eine Besiedlung bis in die Spätantike an.
Die beginnende Eisenzeit führte zu Veränderungen der Gesellschaft und einer deutlichen Hierarchisierung. Sogenannte „Fürstensitze“ (nach Wolfgang Kimmig) oder Herrenhöfe, einer durch den Eisenhandel sich entwickelnden Oberschicht entstanden – im Gegensatz zu den bislang verbreiteten Großsiedlungen. Ob es sich dabei wirklich um „Fürsten“ – also weltliche oder geistliche Herren – oder um eine wirtschaftliche Oberschicht handelte, ist Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Die veränderten sozialen Gegebenheiten zeigten sich auch in den reich ausgestatteten Gräbern, die sich markant von den vorherigen, einheitlichen Urnengräbern unterscheiden.
Im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. scheint der Fürstensitz von Vix einen Verkehrsknotenpunkt kontrolliert zu haben, an dem sich die Seine als wichtiger Transportweg zu Wasser und eine Route vom Mittelmeer nach Norden trafen. Zudem liegt Vix mitten in einem landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebiet.
Fundgeschichte
Seit 1929 fanden sich, zunächst als Zufallsfunde eines dort ansässigen Botanikers, zunehmend auch auf gezielte Suche hin, am Mont Lassois tausende von Keramikscherben, Fibeln, Schmuck und andere Bronze- und Eisenobjekte. 1953 entdeckte ein Grabungsteam unter René Joffroy ein großes Objekt, das sich später als der spektakuläre Krater von Vix herausstellte. Einen Monat später wurde das Grab einer mit Schmuck bedeckten Frau entdeckt, die als Fürstin von Vix in die archäologische Nomenklatur einging. Seit Beginn der planmäßigen Ausgrabungen 1953 gab es immer wieder neue Grabungskampagnen und Entdeckungen rund um den Berg.
Funde auf und um den Mont Lassois
Die ersten Funde waren Keramikscherben, deren Zahl sich auf heute mehr als 40.000 verwertbare Stücke erhöht hat. Dekoriert waren sie mit geometrischen Motiven wie Schachbrettmustern, teilweise aber auch mit Tiermotiven. Daneben fand sich attische schwarzfigurige Ware. Einige der Amphoren und Schalen ließen sich genauer identifizieren: Sie stammten wohl aus dem damals griechischen Siedlungsgebiet in Südfrankreich.
An Schmuck fanden sich vor allem Fibeln, oft mit Bernstein oder Korallen verziert, aber auch Armreife aus Schiefer, Ohrringe, Perlen und Ringe. Neben Funden aus Metall wurde gläserner Schmuck entdeckt. Einzelfunde blieben kleine Bronzefiguren wahrscheinlich mediterraner Herkunft.
Waffen wurden nur wenige gefunden, meist handelte es sich um Wurfwaffen. Reste zweier Statuen fanden sich 1994, zum einen wohl eine weibliche Figur, zum anderen ein keltischer Krieger.
Auf dem Gipfel und den Hängen des Mont Lassois wurden Spuren einer Befestigung und mehrerer Gebäude entdeckt. Besiedlungsbefunde auf dem Plateau waren Grubenhäuser, Pfostenbauten, Feuerstellen und eine Pfostenschlitzmauer mit Murus-Gallicus-Nägeln. Aufwändige Graben-Mauer-Konstruktionen deuten auf die Bedeutung des Fürstensitzes hin. Die Burg war mit bis zu acht Meter breiten Mauern eingefasst und deutet nach der Definition von Kimmig auf einen bedeutenden Fürstensitz: Burg und Unterstadt waren vorhanden, seltene und teure Importwaren wurde gefunden und mehrere Grabhügel mit reichen Grabbeigaben lagen in der Nähe.
Geomagnetische Untersuchungen durch Harald von der Osten im Jahre 2003 zeigen einen planmäßig angelegten Siedlungsverlauf in Nord-Süd-Achse mit komplexer Bebauung in Holzbauweise. Überschneidungen der Grundrisse weisen auf mehrere Bauperioden hin.
Das Fürstinnengrab
Die Grablegung fand wohl etwa zwischen 500 und 450 v. Chr. statt. Der tatsächliche Status der gefundenen weiblichen Leiche ist bisher ungeklärt. Deshalb gibt es neben der Titulierung als Fürstin auch die Bezeichnungen Priesterin von Vix, Prinzessin von Vix oder Dame von Vix, unzweifelhaft ist jedoch wegen der reichen Grabbeigaben ihr herausgehobener Stand. Sie scheint bei ihrem Tod etwa 30 bis 35 Jahre alt gewesen zu sein.
Die Fürstin ruhte in einem frei stehenden Wagenkasten, von dem die Räder abmontiert waren, und war überreich mit Schmuck ausgestattet. Nur die metallischen Teile des Wagens und der Räder blieben erhalten. Auffälligster Schmuck ist ein Torques von 480 Gramm aus reinem, 24-karätigem Gold. Daneben fand sich ein zweiter Torques aus Bronze, sechs Fibeln, sechs Armreife aus lokal vorkommendem Schiefer, sowie ein Armreif aus Bernsteinperlen.
Neben dem zum Mischen von Wein mit Wasser benutzten Krater fand sich auch ein passendes Weinservice, bestehend aus einer silbernen Opferschale (Phiale), einem bronzenen, etruskischen Weinkrug (Oinochoe) und mehreren weiteren Schalen aus Attika und Etrurien. Diese größeren Fundstücke waren ursprünglich wohl auf Beistelltischen oder Bänken angeordnet, erhalten blieb davon allerdings nichts.
Der Krater von Vix
Der prächtigste und auch bekannteste Fund ist der eines reich verzierten, großen Weinmischgefäßes aus Bronze, eines Volutenkraters, mit einem Fassungsvermögen von 1100 Litern, einer Höhe von 1,64 Metern und einem Gesamtgewicht von 208 Kilogramm. Die Wandstärke beträgt dabei nur 1–1,5 Millimeter. Beim Fund war der Krater durch die aufliegende Erde zerdrückt, zur Bergung mussten die Henkel abmontiert werden. Sie allein wiegen schon 116 Kilogramm. Seitlich zieren Gorgonenhäupter die Henkel. Der ebenfalls gefundene Deckel des Kraters diente als Sieb, um den Wein zu reinigen. Darauf montiert war eine Frauenstatuette von 19 cm Höhe, in der Helmut Birkhan eine Druidin vermutet (Kelten. S. 811). Die Motivsprache des Kraters spricht eindeutig für eine Herstellung im griechischen Raum (wahrscheinlich Sybaris[1]). Nach der aufwändigen Rekonstruktion ist der Krater heute wieder vollständig hergestellt und im Museum zu besichtigen.
Die enorme Vielfalt von offensichtlich aus dem Mittelmeerraum stammenden Funden lässt weitreichende Handelsbeziehungen vermuten. Insbesondere die griechischen und etruskischen Funde waren wohl über etruskische Händler nach Vix gelangt. Der Reichtum der Funde, insbesondere auch der von weither importierten Luxusgüter, macht den Fund einzigartig. Die Grabbeigaben und eine Rekonstruktion des Grabes sind heute im archäologischen Museum in Châtillon-sur-Seine ausgestellt.
Weitere Grabhügel
Neben dem bekannten Fürstinnengrab fanden sich fünf weitere Hügelgräber in der näheren Umgebung des Mont Lassois, von denen bisher drei genauer untersucht wurden. Grabhügel II von Vix hatte einen Durchmesser von 33 Metern, in der zentralen Grabkammer fanden sich in einer als Urne verwendeten Schale die Reste einer Einäscherung. Anhand der Beifunde wird der Grabhügel auf etwa 850 v. Chr. datiert. Wie die Fürstin, in einem Wagen begraben wurde die Frau aus dem Grabhügel von La Butte, wohl Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. Neben zwei Eisenäxten fanden sich auch Armreife und Ohrringe aus Gold. Bereits 1846 abgetragen wurde der Grabhügel von La Garenne, der einen Grabwagen enthielt, in dem sich eine etruskische Bronzeschale mit vier Greifen als Henkel befand. Knochenreste sind hier nicht mehr erhalten.
Bedeutung der Grabstätte
In Europa finden sich mehrere dieser sogenannten Fürstensitze, zum Beispiel die Höhensiedlung Heuneburg und die Fürstengräber in Hochdorf und Magdalenenberg. Neuartig war in der frühen Eisenzeit um 700 bis 400 v. Chr. die entstehende Hierarchie in der Gesellschaft, die sich augenscheinlich in diesen Funden zeigt. Die wohl noch relativ egalitäre Gesellschaft der Bronzezeit wurde zugunsten einer Teilung in eine Oberschicht und den Rest der Bevölkerung aufgegeben.
Basis dieser Trennung waren wirtschaftliche Erfolge, einhergehend mit dem Handel von begehrten Rohstoffen wie Kupfer und besonders dem seltenen Zinn, die zur Bronzeherstellung benötigt wurden. Vor allem an den Wasserwegen zwischen der phokäischen Kolonie Massalia und dem Ärmelkanal konnte der Handel von Zinn und entsprechender Begleitfracht gut kontrolliert werden.[2] Nicht mehr der Besitz einer Lagerstätte war entscheidend, sondern die Infrastruktur und der Handel damit.
Der damit einhergehende zunehmende und schnell wachsende Reichtum führte zur Bildung der sogenannten Fürstensitze, von denen aus die Elite den Handel in ihrem Einflussbereich kontrollierte und förderte. Sogar nach dem Ende des Lebens gab es Veränderungen: Die Herren der Fürstensitze wurden nun, anders als ihre Mitmenschen, nicht egalitär und ohne große Beigaben in Flachgräbern beigesetzt, sondern bekamen eigene, aufwändig hergestellte Grabhügel. Ihre guten Handelskontakte und der damit einhergehende Einfluss manifestierte sich in den imposanten Grabbeigaben, die, wie hier in Vix, auch extrem prestigeträchtige Importe aus dem mediterranen Raum beinhalten konnten.
Die wenigen unberaubt gefundenen Fürstengräber zeigen also, neben den sicherlich oft beeindruckenden Fundstücken, vor allem einen gravierenden Wandel der Gesellschaftsstruktur an. Handel wurde zur Basis einer neuen Hierarchie der Gesellschaft und verschaffte den Nutznießern eine bisher nie gekannte Machtbasis.
Literatur
- René Joffroy: Le Trésor de Vix. Histoire et portée d’une grande découverte. Fayard, Paris 1962.
- Claude Rolley (Hrsg.): La tombe princière de Vix, Paris 2003, ISBN 2-7084-0697-3 [Endpublikation].
- Bruno Chaume: Tracking down the story of the discovery of the Vix princely burial. In: Germania. Band 96, 2018, S. 93–138, doi:10.11588/ger.2018.65797.
- Bruno Chaume, Walter Reinhard: Fürstensitze westlich des Rheins, in: Archäologie in Deutschland 1, 2002, S. 9–14.
- René Joffroy: Das Oppidum Mont Lassois, Gemeinde Vix, Dép Côte-d’Or. In: Germania 32, 1954, S. 59–65, doi:10.11588/ger.1954.45159.
- Bruno Chaume: Vix et son territoire à l’Age du fer: fouilles du mont Lassois et environnement du site princier. Montagnac 2001, ISBN 2-907303-47-3.
- René Joffroy: L’Oppidum de Vix et la civilisation Hallstattienne finale dans l’Est de la France. Paris 1960.
- René Joffroy: Vix et ses trésors. Tallandier, Paris 1979.
- Bruno Chaume/Tamara Grübel unter anderem: Vix/Le mont Lassois. Recherches récentes sur le complexe aristocratique. In: Bourgogne, du Paléolithique au Moyen Âge, Dossiers d’Archéologie N° Hors Série 11, Dijon 2004, S. 30–37.
- René Joffroy: Le Trésor de Vix (Côte d’Or). Presses Universitaires de France, Paris 1954.
- Franz Fischer: Frühkeltische Fürstengräber in Mitteleuropa. Antike Welt 13, Sondernummer. Raggi-Verl., Feldmeilen/Freiburg 1982.
- Vix, le cinquantenaire d’une découverte. Dossier d’Archéologie N° 284, Juin 2003.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Jean-Paul Morel: De Marseille à Velia : problèmes phocéens. In: Comptes-rendus des séances de l année - Académie des inscriptions et belles-lettres. Band 150, Nr. 4, 2006, ISSN 0065-0536, S. 1723–1783, doi:10.3406/crai.2006.88124 (doi.org [abgerufen am 18. September 2023]).
- ↑ S. Rieckhoff, J. Biel: Die Kelten in Deutschland, Stuttgart 2001, S. 40–53.
Koordinaten: 47° 54′ 25,4″ N, 4° 31′ 55,2″ O
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Autor/Urheber: Rosemania, Lizenz: CC BY 2.0
Vix, France.
This voluminous piece of jewellery, found in the grave of a powerful woman, is made of 40 individual parts. The two spheres at the extremities are held by lion paws. The two small winged horses are reminiscent of Pegasus from Greek mythology and bear witness to increased contact with the Mediterranean world.
Kunst der Kelten, Historisches Museum Bern.
Art of the Celts, Historic Museum of Bern.Autor/Urheber:
Exceptional for its size and its craftsmanship, the Vix Krater is made of several pieces, and weighs 208.6 kg in total. The vase is made of a single sheet of beaten bronze and weighs around 60 kg. The base is rounded, with a maximum diameter of 1.27 m. It has a capacity of 1100 litres. The thickness of the sides varies between 1 and 1.3 mm, and there is no sign of welding. The foot is cast, and has a diameter of 74 cm and weighs 20.2 kg. It is decorated with classical motifs and stylised vegetation. The handles are cast in bronze and weigh around 46 kg. The volutes (the spiral shapes on the top of the handles) are 55 cm high, and are richly decorated with grimacing gorgons. The neck of the vessel is decorated with images of soldiers in relief. Eight chariots driven by charioteers are each followed by an armed hoplite on foot. The lid, made of a sheet of beaten bronze weighing 13.8 kg, has an 18 cm-high statuette of a woman in the center.
Autor/Urheber: © Michael Greenhalgh, Lizenz: CC BY-SA 2.5
Photographie du cratère de Vix, un vase de bronze, du type cratère, découvert en 1953 dans la tombe d'une princesse celte à Vix (Côte-d'Or) datée vers 510 av. J.-C. Les cratères étaient, dans l'antiquité, destinés à opérer un mélange entre le vin, imbuvable seul, l'eau, et sans doute divers aromates.
C'est un objet exceptionnel de par sa taille (1,24 m) et sa facture. Il est constitué de l'assemblage de plusieurs pièces séparées, l'ensemble pèse 208,6 kg. Le vase est fait d'une seule pièce en feuille de bronze martelée et pèse environ 60 kg. Son fond est arrondi, son diamètre maximal est de 1,27 m. et sa capacité est de 1100 litres; l'épaisseur moyenne de la paroi varie entre 1 et 1,3 mm, et l'on n'arrive pas à déceler de soudure. Le pied est une pièce coulée d'un diamètre à la base de 74 cm et pèse 20,2 kg. Il est décoré de motifs classiques de végétaux stylisés. Les anses, fonte de bronze d'un poids de 46 kg chacune. En forme de volutes d'une hauteur de 55 cm, elles sont richement décorées de gorgones grimaçantes et tirant la langue. La frise des hoplites décore le tour du col. Huit quadriges conduit par un aurige de plus petite taille, suivant la règle d' isocéphalie nécessitée par la composition, sont suivit chacun par un hoplite à pieds en armes. Cette frise est un chef-d'œuvre du bas-relief grec. Le couvercle, feuille de bronze martelée de 13,8 kg, couvrait l'ouverture du cratère, et en son centre, s'élève une statuette en bronze de 19 cm de haut, représentant une femme.
Le cratère et la totalité des pièces retrouvées dans la sépulture de la tombe princière de Vix se trouvent aujourd'hui exposés au Musée du Châtillonnais, à Châtillon-sur-Seine.