Extrablatt (Presse)

Extrablatt des Cöpenicker Dampfboot vom Abend des 16. Oktober 1906 mit einer Darstellung der „Köpenickiade

Ein Extrablatt ist eine Sonderausgabe einer (Tages-)Zeitung über ein besonderes, aktuelles Ereignis. Typischerweise sind diese Ausgaben von geringerem Umfang als die regulären und werden durch Ausrufer an öffentlichen Orten verkauft. Allerdings kann der Begriff Extrablatt auch eine kostenfreie Zeitung bezeichnen.

Durch die elektronischen Medien hat diese Form der Nachrichtenverbreitung stark an Bedeutung verloren. Sie wird aber gelegentlich noch eingesetzt, etwa im Jahr des Rücktritts von Erich Honecker 1989[1] oder in Japan bei der Geburt eines Thronfolgers 2006.

Literatur

Weblinks

Commons: Extrablatt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Christoph Dieckmann: Deutschlands Jubel, Conny Kind. Große und kleine Herbstgeschichte 1989. In: EAST. Zu Protokoll. For the record. Steidl, Göttingen 2009, ISBN 978-3-86521-929-9.

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Autor/Urheber:

Cöpenicker Dampfboot (Redaktion)

, Lizenz: Bild-PD-alt

Köpenicker Extrablatt

Faksimile-Nachdruck einer Zeitungsseite vom 16. Oktober 1906

Transkription:

[Zitat:]

Extrablatt
des
Cöpenicker Dampfboot.
Cöpenick, den 16. Oktober 1906.

Seit 4 Uhr nachmittags befindet sich unsere Bürgerschaft in grösster Aufregung. Mit dem Vorortzuge 2.46 Uhr traf von Berlin eine 20 Mann[1] starke Abteilung Soldaten unter Führung eines Hauptmanns auf dem Cöpenicker Bahnhof ein, marschierte nach der Stadt und besetzte das Rathaus. Vor dem Hauptportal nahm ein Doppelposten mit aufgepflanztem Bajonett Aufstellung, während die beiden anderen Eingänge – in der Böttcherstraße und am Rathauskeller – mit einfachen Posten besetzt wurden. Jeder Verkehr nach innen und außen wurde sofort unterbrochen, die Beamten erhielten Anweisung, sich in ihren Bureaus aufzuhalten und auch der Rathauskeller wurde für den Verkehr gesperrt; einige Gäste wurden dort sogar zurückgehalten. Selbst den Mitgliedern der städtischen Behörden verweigerten die Soldaten den Zutritt zum Rathause mit der Erklärung: „Auf Befehl Sr. Majestät ist das Rathaus besetzt.“

Inzwischen hatte sich, da die Sensationsnachricht sich mit Windeseile in der Stadt verbreitete, vor dem Rathause eine nach Hunderten zählende Menschenmenge angesammelt, die von Minute zu Minute anschwoll, sodaß einige hinzugezogene Gendarmen den Straßenverkehr regeln mußten. Das Publikum erging sich natürlich in den mannigfachsten Vermutungen über die Ursache dieses ungeheures Aufsehen erregenden militärischen Einschreitens, und fand hierzu umsomehr Grund, als aus dem Rathause selbst keinerlei Kunde darüber verlautete. Die Aufregung stieg natürlich aufs höchste, als plötzlich die Herren

Bürgermeister Dr. Langerhans und Hauptkassenrendant v. Wiltberg[2]
als Arrestanten

abgeführt und in Droschken nach Berlin geschafft wurden.

Außer den Genannten war auch der Herr Oberstadtsekretär Rosenkreuz[3] für verhaftet erklärt, von seiner Fortschaffung aber schließlich Abstand genommen worden.

Soweit wir uns über den Verlauf der Sache informieren konnten, hat der Hauptmann erklärt, daß er in höherem Auftrage das Rathaus und die Kasse zu besetzen habe. Er ließ sich dann die Kasse aufzählen – rund 4000 Mark – und verließ mit dem Auftrage, nach einer halben Stunde die Wachen einzuziehen und nach Berlin zurückzukehren, mit dem Gelde das Rathaus.

Dies der Sachverhalt. Unseres Erachtens kann es sich hier wohl nur um

die Tat eines Wahnsinnigen oder Betrügers

handeln, da die Soldaten erklärt haben sollen, daß der ihnen unbekannte Hauptmann sie auf dem Marsche getroffen und sie zur Ausführung eines höheren Befehls mit nach Cöpenick genommen habe. Der Magistrat hat durch telegraphische Anfrage beim Landrat sofortige Aufklärung erbeten, die bis zu dieser Minute noch aussteht. Man ist bis jetzt also lediglich auf Vermutungen angewiesen.

Nachschrift: Um 7 Uhr lief vom Landratsamt die telephonische Nachricht ein, daß man dort keine Ahnung von der Sache habe und Gründe für den rätselhaften Vorgang nicht angeben könne. [Zitat Ende]

Anmerkung des Transkriptors

Die Quelle enthält eine Reihe kleiner sachlicher Fehler. Sie werden hier richtiggestellt, um keine Missverständnisse hervorzurufen:

  1. Die von Voigt befehligte Truppe war in Wirklichkeit nicht „20 Mann“ stark, sondern umfasste nur 10 Mann.
  2. Der Rendant der Gemeinde hieß nicht „v. Wiltberg“, sondern v. Wiltburg.
  3. Der von Voigt in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkte Oberstadtsekretär hieß nicht „Rosenkreuz“, sondern Rosenkranz.

Die korrekten Angaben sind anderen historischen Quellen zu entnehmen, insbesondere dem Protokoll der Gerichtsverhandlung.