Evangelische Superintendentur H. B. Böhmen

Evangelische Superintendentur H. B. Böhmen
GebietBöhmen
Pfarrgemeinden61 (Stand: 1913)
Filialgemeinden9 (Stand: 1913)
Predigtstationen56 (Stand: 1913)

Die Evangelische Superintendentur H. B. Böhmen war eine Superintendentur der Evangelischen Kirche H. B. in Österreich, die von 1785 bis 1918 bestand.

Organisation

Die Superintendentur umfasste 61 (Stand: 1913)[1] tschechischsprachige Pfarrgemeinden in Böhmen. Im Jahr 1913 gehörten ihr rund 80.000 Gläubige an.[2] Sie war in drei Seniorate gegliedert: das Chrudimer Seniorat, das Podiebrader Seniorat und das Prager Seniorat. Der Amtssitz des an ihrer Spitze stehenden Superintendenten war nicht festgelegt und hing davon ab, wo er jeweils als Gemeindepfarrer wirkte.

Geschichte

Gedenktafel für Jan Hus, angebracht 1915 an der Evangelischen Kirche in Libschitz

Die Evangelische Superintendentur H. B. Böhmen wurde wie die Evangelische Superintendentur H. B. Mähren 1785 unter Kaiser Joseph II. eingerichtet.

Die Superintendenten von Böhmen waren (Amtszeit in Klammern):

  • Ferenc Kovács (1785–1788)
  • Samuel Szücs (1788–1798)
  • György Fazekas (1798–1810)
  • László Baka (1810–1820)
  • Matěj Kubeš (1820–1855)
  • František Filipi (1857–1861)
  • Jan Veselý (1863–1889)[3]
  • Justus Emanuel Szalatnay (1889–1910)[4]
  • Čeněk Dušek (1910–1918)[5]

Mitte des 19. Jahrhunderts formierte sich in den böhmischen Ländern eine neo-hussitische Bewegung, die sich auf das Erbe der Confessio Bohemica berief. Ihre Anhänger betonten, im nationalen Sinn, dezidiert tschechische reformatorische Traditionen. Dies ging mit einer Abgrenzung zum politischen und kirchlichen Zentrum Wien einher. Die Veranstaltungen anlässlich des 500. Todestags von Jan Hus im Jahr 1905 bildeten einen ersten Höhepunkt im Bestreben, eine unierte „tschechische Nationalkirche“ zu schaffen, die auch die tschechischen Gemeinden der Evangelischen Kirche A. B. in Österreich umfassen sollte. Am 17. Dezember 1918 erklärten die tschechischen Gemeinden A. B. und H. B. auf einer Generalsynode in Prag ihre Loslösung von den Evangelischen Kirchen A. B. und H. B. in Österreich. Dies bedeutete das Ende der Evangelischen Superintendentur H. B. Böhmen. Ihre Gemeinden gehörten von da an zur unierten Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder.[2]

Gemeinden (Auswahl)

PfarrgemeindeGründungsjahrSenioratKirchengebäudeBild
Böhmisch-Rothwasser1782ChrudimEvangelische Kirche in Böhmisch-Rothwasser; Kapelle in Schwillbogen (Filialgemeinde), Toleranzbethaus in Tschenkowitz (Filialgemeinde)Evangelische Kirche in Böhmisch-Rothwasser
Borowá1784ChrudimToleranzbethaus in BorowáToleranzbethaus in Borowá
Boschin1783PodiebradEvangelische Kirche in BoschinEvangelische Kirche in Boschin
Bukowka1782PodiebradEvangelische Kirche in BukowkaEvangelische Kirche Bukowka
Butschina1784ChrudimToleranzbethaus in ButschinaEvangelische Kirche Butschina
Čáslau1784 (in Motschowitz, 1866 Verlegung nach Čáslau)ChrudimEvangelische Kirche in Čáslau; Friedhofskapelle in Zwiestowitz (Filialgemeinde; Gebäudenutzung gemeinsam mit der Gemeinde A. B. in Opatowitz)Evangelische Kirche Čáslau
Černilow1784PodiebradEvangelisch-reformierte Kirche in ČernilowEvangelisch-reformierte Kirche Černilow
Chleb1783PodiebradEvangelische Kirche in ChlebEvangelische Kirche Chleb
Chotzen1862Chrudim
Chwaletitz1783PodiebradEvangelische Kirche in ChwaletitzEvangelische Kirche Chwaletitz
Dwakatschowitz1783ChrudimEvangelische Kirche in DwakatschowitzEvangelische Kirche Dwakatschowitz
Horschatew1782PodiebradToleranzbethaus in Horschatew
Toleranzbethaus in Horschatew
(c) Pavel Hrdlička, Wikipedia, CC BY-SA 3.0
Hradischt1783ChrudimToleranzbethaus in HradischtToleranzbethaus in Hradischt
Kloster1783PodiebradEvangelische Kirche in KlosterEvangelische Kirche in Kloster
Kolin1867/1868Chrudim
Krabschitz1784PragEvangelische Kirche in KrabschitzEvangelische Kirche in Krabschitz
Krakowan1784PodiebradToleranzbethaus in KrakowanToleranzbethaus in Krakowan
Krauna1784ChrudimEvangelische Kirche in KraunaEvangelische Kirche in Krauna
Kschel1782PragEvangelische Kirche in KschelEvangelische Kirche in Kschel
Letschitz1785PragToleranzbethaus in LetschitzEhemaliges Toleranzbethaus in Letschitz
Libenitz1827ChrudimToleranzbethaus in LibenitzToleranzbethaus in Libenitz
Libisch1783PragToleranzbethaus in LibischToleranzbethaus in Libisch
Libitz1781PodiebradEvangelische Kirche in LibitzEvangelische Kirche in Libitz
Libschitz1899[6] (1833 als Filialgemeinde von Letschitz)PragEvangelische Kirche in LibschitzEvangelische Kirche in Libschitz
Liebstadtl1781PodiebradReformiertes Toleranzbethaus in LiebstadtlReformiertes Toleranzbethaus in Liebstadtl
Lissa1786PragToleranzbethaus in Lissa
Lositz1843 (zuvor Filialgemeinde von Dwakatschowitz)ChrudimEvangelische Kirche in LositzEvangelische Kirche in Lositz
Morawetsch1782PragEvangelische Kirche in MorawetschEvangelische Kirche in Morawetsch
Nebudschel1782PragEvangelische Kirche in NebudschelEvangelische Kirche in Nebudschel
Ober-Krauppen1868 (1827 als Filialgemeinde von Sazau)ChrudimEvangelische Kirche in Ober-KrauppenEvangelische Kirche in Ober-Krauppen
Opatau1861 (zuvor Filialgeinde von Morawetsch)PragEvangelische Kirche in OpatauEvangelische Kirche in Opatau
Prag1847PragClemenskirche in PragClemenskirche in Prag
Prosetsch1786ChrudimToleranzbethaus in ProsetschToleranzbethaus in Prosetsch
Sazau1785ChrudimEvangelische Kirche in SazauEvangelische Kirche in Sazau
Semonitz1867PodiebradEvangelische Kirche in SemonitzEvangelische Kirche in Semonitz
Semtesch1781/1782PodiebradEvangelische Kirche in SemteschEvangelische Kirche in Semtesch
Slaupnitz1783ChrudimToleranzbethaus in Slaupnitz; Toleranzbethaus in Dschbanow (Filialgemeinde)Toleranzbethaus in Slaupnitz
Sobiehrad1782PragEvangelische Kirche in SobiehradEvangelische Kirche in Sobiehrad
Stermjech1869 (1782 als Filialgemeinde von Morawetsch)PragToleranzbethaus in StermjechToleranzbethaus in Stermjech
Swratauch1781ChrudimToleranzbethaus in SwaratauchEvangelische Kirche in Svratouch
Telezi1782ChrudimEvangelische Kirche in TeleziEvangelische Kirche in Telezi
Welenitz1785PodiebradEvangelische Kirche in WelenitzEvangelische Kirche in Welenitz
Welimum 1781PragEvangelische Kirche in WelimEvangelische Kirche in Welim
Wtelno1783PragEvangelische Kirche in WtelnoEvangelische Kirche in Wtelno
Wyssoka1782PragToleranzbethaus in WyssokaToleranzbethaus in Wyssoka

Siehe auch

  • Evangelische Superintendentur A. B. Böhmen

Literatur

  • Julius A. Kolatschek: Die evangelische Kirche Oesterreichs in den deutsch-slavischen Ländern. Eine Darstellung des Arbeitsfeldes des evangelischen Vereins der Gustaf Adolf-Stiftung in den genannten Ländern und zugleich ein Beitrag zur Geschichte des österreichischen Protestantismus. Selbstverlag des Wiener Hauptvereins der Gustaf Adolf-Stiftung, Wien 1869, Kap. IX. Böhmen, S. 50–92.

Einzelnachweise

  1. Die Evangelische Kirche A. u. H. B. in Österreich im Jahr 1913. Johannes-Mathesius-Gesellschaft – Evangelische Sudetendeutsche e.V., 27. Mai 2011, abgerufen am 19. Oktober 2013.
  2. a b Karl W. Schwarz: „Entösterreichern!“ Der Protestantismus in Tschechien nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie. Vortrag auf der Jahrestagung der Johannes-Mathesius-Gesellschaft vom 1. bis zum 3. Mai 2009 in Herrnhut. Johannes-Mathesius-Gesellschaft – Evangelische Sudetendeutsche e.V., 27. Mai 2011, abgerufen am 16. Oktober 2013.
  3. Gustav Frank: Das Toleranz-Patent Kaiser Joseph II.: Urkundliche Geschichte seiner Entstehung und seiner Folgen. Säcular-Festschrift des k. k. evangelischen Oberkirchenrathes A. C. und H. C. in Wien. Wilhelm Braumüller, Wien 1882, S. 158.
  4. Barbara Schmid-Egger: Klerus und Politik in Böhmen um 1900 (= Wissenschaftliche Materialien und Beiträge zur Geschichte und Landeskunde der böhmischen Länder. Heft 21). Lerche, München 1974, S. 50.
  5. Michal Flegl: Čeněk Dušek – život a dílo. (PDF-Datei; 102 kB) In: Rodopisná revue on-line. Roč. 14, 3. 2012, S. 14–15, abgerufen am 16. Oktober 2013 (tschechisch).
  6. Sbor ČCE LIBČICE nad Vltavou. In: Evangnet. 13. August 2013, abgerufen am 16. Oktober 2013 (tschechisch).

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