Etruskische Zahlwörter

Etruskische Zahlwörter der etruskischen Sprache sind bis jetzt in vier grundlegenden Formen bekannt:

  1. Grundzahlen (Kardinalzahlen) (eins, zwei, drei, …)
  2. Ordnungszahlen (Ordinalzahlen) (der erste, der zweite, der dritte, …)
  3. Wiederholungszahlen (Iterativzahlen) (einmal, zweimal, dreimal, …)
  4. Gesellschaftszahlen (Soziativzahlen) (allein, zu zweit, zu dritt, …)

Von manchen Zahlwörtern sind einzelne Formen des Kasus bekannt.

Epigraphisch überliefert sind etwa 40 verschiedene Zahlwörter, dargestellt in Lautschrift mit etruskischen Buchstaben.

Die Zahlwörter sind im Folgenden mit lateinischen Buchstaben gemäß nebenstehender Tabelle wiedergegeben.

Etruskische Schriftzeichen

Die Auflistungen orientieren sich an Massimo Pittau (1997) und Bofante/Bofante (2002).

Zahlwörter von 1 bis 10

Die Zahlwörter für die Zahlen 4 und 6 sind nicht gesichert.

WertZahlzeichenKardinalzahlOrdinalzahlIterativzahlSoziativzahl
1𐌠thu(n), tu(n)thunśna, thuninathunzthunur
2𐌠𐌠zal, sal, esaleslzzelur
3𐌠𐌠𐌠ki, cikisne, ceanuciz, cizi
4𐌠𐌠𐌠𐌠huth, hut ?huthz ?
5𐌡mach, mac
6𐌠𐌡śa, sa ?
7𐌠𐌠𐌡semph
8𐌠𐌠𐌠𐌡 (𐌢𐌠𐌠)cezpcezpz
9𐌠𐌠𐌠𐌠𐌡 (𐌢𐌠)nurphnurphzi
10𐌢śar, sar, zarśarsnach

Etruskische Zahlenzeichen und Buchstaben wurden linksläufig, d. h. von rechts nach links geschrieben.

Eine Subtraktionsregel für I vor X ist belegt, kam aber nicht konsequent zur Anwendung.

WertZahlzeichenKardinalzahlGenitivDativAkkusativ
1𐌠thu(n), tu(n)thunś, thunsisunithun, thuni
2𐌠𐌠zal, sal, esalesalszal
3𐌠𐌠𐌠ki, cicis, ciści
4𐌠𐌠𐌠𐌠huth, hut ?huths, huthiś ?huti ?huth ?
5𐌡mach, macmachs, mathsmach
6𐌠𐌡śa, sa ?śas ?
7𐌠𐌠𐌡semphsemphśsemph
8𐌠𐌠𐌠𐌡 (𐌢𐌠𐌠)cezp
9𐌠𐌠𐌠𐌠𐌡 (𐌢𐌠)nurph
10𐌢śar, sar, zarśaris

Zahlwörter über 10

Aufgelistet sind ausschließlich epigraphisch belegte Zahlwörter.

Eine Subtraktionsregel für 𐌢 vor 𐌣 ist belegt, kam aber nicht konsequent zur Anwendung.

WertZahlzeichenKardinalzahlWortbildung
13𐌠𐌠𐌠𐌢ci śardrei (und) zehn
14𐌠𐌠𐌠𐌠𐌢huthzar ?vier (und) zehn ?
17𐌠𐌠𐌡𐌢ciem zathrumdrei weniger zwanzig
18𐌠𐌠𐌠𐌡𐌢 (𐌢𐌠𐌠𐌢)eslem zathrumzwei weniger zwanzig
19𐌠𐌠𐌠𐌠𐌡𐌢 (𐌢𐌠𐌢)thunem zathrumeins weniger zwanzig
20𐌢𐌢zathrumvon zal (zwei)
23𐌠𐌠𐌠𐌢𐌢ci zathrumdrei (und) zwanzig
24𐌠𐌠𐌠𐌠𐌢𐌢huth zathrum ?vier (und) zwanzig ?
25𐌡𐌢𐌢mach zathrumfünf (und) zwanzig
27𐌠𐌠𐌡𐌢𐌢ciem calch, ciem cealchdrei weniger dreißig
28𐌠𐌠𐌠𐌡𐌢𐌢 (𐌢𐌠𐌠𐌢𐌢, 𐌢𐌢𐌠𐌠𐌢)eslem cealchzwei weniger dreißig
29𐌠𐌠𐌠𐌠𐌡𐌢𐌢 (𐌢𐌠𐌢𐌢, 𐌢𐌢𐌠𐌢)thunem cialcheins weniger dreißig
30𐌢𐌢𐌢calch, cealch, cialch-alch entspricht -zig
33𐌠𐌠𐌠𐌢𐌢𐌢ci cealchdrei (und) dreißig
40𐌢𐌢𐌢𐌢huthalch ?vier-zig ?
49𐌠𐌠𐌠𐌠𐌡𐌢𐌢𐌢𐌢 (𐌢𐌢𐌢𐌢𐌠𐌢)thunem muvalcheins weniger fünfzig
50𐌣muvalch, machalchfünf-zig
53𐌠𐌠𐌠𐌣ci muvalchdrei (und) fünfzig
54𐌠𐌠𐌠𐌠𐌣huth muvalch ?vier (und) fünfzig ?
60𐌢𐌣sealch ?sechs-zig ?
65𐌡𐌢𐌣mach sealch ?fünf (und) sechzig ?
70𐌢𐌢𐌣semphalchsieben-zig
75𐌡𐌢𐌢𐌣mach semphalchfünf (und) siebzig
80𐌢𐌢𐌢𐌣cezpalchacht-zig
82𐌠𐌠𐌢𐌢𐌢𐌣esal cezpalchzwei (und) achtzig
85𐌡𐌢𐌢𐌢𐌣mach cezpalchfünf (und) achtzig
90𐌢𐌢𐌢𐌢𐌣nurphalchneun-zig

Die Zahlwörter für 18 und 19 werden im Lateinischen auf gleiche Weise wie im Etruskischen gebildet. XVIII ist duodeviginti und bedeutet zwei von zwanzig herab, XIX ist undeviginti und bedeutet eins von zwanzig herab. Dagegen wird 17 nur im Etruskischen subtraktiv gebildet. Die genaue Bedeutung der -de- entsprechenden etruskischen Endung -em ist nicht bekannt, dürfte aber eine subtraktive Bedeutung haben.

Von manchen Zahlwörtern über 10 ist der Genitiv-Kasus überliefert. Es wird entweder wie bei den Zahlwörtern bis 10 die Endung -(i)s angehängt oder die Endung -ch durch -th(a)ls ersetzt.

WertZahlzeichenKardinalzahlGenitiv
13𐌠𐌠𐌠𐌢ci śarciś śariś
14𐌠𐌠𐌠𐌠𐌢huthzar ?huthzars ?
18𐌠𐌠𐌠𐌡𐌢eslem zathrumeslem zathrumiś
20𐌢𐌢zathrumzathrm(i)s, zathrum(i)ś
23𐌠𐌠𐌠𐌢𐌢ci zathrumcis zathrmisc
24𐌠𐌠𐌠𐌠𐌢𐌢huth zathrum ?huthiś zathrumiś ?
27𐌠𐌠𐌡𐌢𐌢ciem calch, ciem cealchciem cealthls, ciem cealchus
29𐌠𐌠𐌠𐌠𐌡𐌢𐌢thunem cialchthunem cialchus
30𐌢𐌢𐌢calch, cealch, cialchcealth(u)s, cealthuś, cealthuz, cialthuś, cealthls
50𐌣muvalch, machalchmuvalthls
60𐌢𐌣sealch ?śealthls ?
65𐌡𐌢𐌣mach sealch ?machs śealchls ?
70𐌢𐌢𐌣semphalchsemphalthls
80𐌢𐌢𐌢𐌣cezpalchcezpalthals
82𐌠𐌠𐌢𐌢𐌢𐌣esal cezpalchesals cezpalchals

Bekannt ist offenbar nur eine Ordinalzahl über 10.

WertZahlzeichenKardinalzahlOrdinalzahl
20𐌢𐌢zathrumzathrumsne

Zuordnung der Zahlwörter

Bekannt sind ausgeschriebene Zahlwörter aus Altersangaben zu den Verstorbenen in Grabinschriften und aus Kalenderdaten in den Agramer Mumienbinden, dem umfangreichsten Text der etruskischen Sprache. Das Problem ist, welchen Zahlenwert die Zahlwörter angeben. Hans Lorenz Stoltenberg lieferte zu dieser Problemstellung einen maßgeblichen Beitrag und erkannte folgendes: Offensichtlich werden die Zehner mit der Endung -alch aus den Einern gebildet. Nur zu zal heißt der Zehner zathrum. Die Einer werden durch Voranstellung zu den Zehnern addiert oder sie werden durch -em abgezogen. Die drei abzuziehenden Zahlwörter müssen also den kleinsten Werten entsprechen. Von diesen drei Zahlen ist thu die 1, weil die beiden andern mit Hauptwörtern im Plural verbunden werden und von ihnen Zehnerzahlen gebildet werden, von thu nicht. Der Zehnername zathrum wird anders gebildet als alle anderen. Das spricht für 20, da eine bei 30 abweichende Form sehr ungewöhnlich wäre. In einem Kalendarium tritt huth, das größer als 3 ist, nur mit zathrum, nicht aber mit cialch auf, da eine Zahl größer als 33 nicht vorkommen kann. Also ist zal die 2 und ci die 3.

Einen Gesichtspunkt für die Ordnung der Zahlen von 4 bis 6 fand Stoltenberg in der Sterblichkeit der Jahrzehnte von 40 bis 60. Die Sterblichkeitskurve wurde mit Hilfe der Inschriften, auf denen das Lebensalter in Ziffern angegeben ist, ermittelt. Der Höhepunkt lag demnach in dem Jahrzehnt von 50 bis 60. Da in dem Jahrzehnt muvalch die meisten Sterbefälle auftraten, muss muvalch 50 bedeuten und demnach ist mach die 5. Aus der weiteren Verteilung der Sterbedaten schloss Stoltenberg, dass sealch 60 und huthalch 40 sein muss. Dementsprechend ist huth die 4 und śa die 6. Die Zahlwörter semph, cezp, nurph und śar identifizierte er mit 7, 8, 9 und 10. Hinsichtlich der Zuordnung der Zahlwörter herrscht heute weitest gehend Übereinstimmung. Die Identifizierung von 4 mit huth und 6 mit śa ist dagegen immer noch strittig.

Inschrift hut als Zahlwort für 4 oder 6 auf dem Cippus Perusinus
Zahl12345678910
Zahlwortthuzalcihuth ?machśa ?semphcezpnurphśar

Hauptargument für die Identifizierung von huth mit 6 und śa mit 4 sind die Inschriften auf den Würfeln von Tuscania, auf denen die Augenzahl nicht wie üblich mit Kreisen, sondern mit Zahlwörtern angegeben wird. Auf den Würfeln liegt huth jeweils thu, also 1 gegenüber, und śa jeweils ci, also 3. Die beiden häufigsten Anordnungen gegenüberliegender Augenzahlen sind (1–6, 2–5, 3–4) und (1–2, 3–4, 5–6) und folgen der Additionsregel „Die Augensumme ist 7“ bzw. der Subtraktionsregel „Die Augendifferenz ist 1“. Aufgrund der unstrittigen Identifizierung von thu mit 1, zal mit 2 und ci mit 3 scheidet die zweite Regel aus. Sofern die Inschriften der Summenregel folgen, ist huth mit 6 und śa mit 4 zu identifizieren.

Würfel von Tuscania: Netz mit Seitenflächen
Würfel von Tuscania: Netz mit Seitenflächen
Inschriften mit Zahlenwerten nach der Additionsregel
Inschriften mit Zahlenwerten nach der Additionsregel

Dagegen wird vorgebracht, dass nicht alle etruskischen Würfel nach der Additions- oder Subtraktionsregel angefertigt wurden. Außerdem nannten die Pelasger die attische Tetrapolis (Vierstadt) Huttenia oder Hyttenia. Die Pelasger, eine prähistorische nicht-griechischsprachige Volksgruppe in Griechenland, sprachen wahrscheinlich eine der ägäischen Sprachen, zu denen auch die etruskische Sprache zählen könnte. Die Silbe hut könnte demnach auch im Etruskischen für 4 stehen. Zudem sind in der Tomba dei Caronti in Tarquinia vier Abbildungen von Unterweltsdämonen (Charunen) zu sehen. Die vierte Abbildung von links gezählt hat die beigefügte Inschrift Charun huths, was man als der vierte Charun oder Charun (Nr.) 4 interpretieren kann. Das wohl wichtigste Argument ist die lautliche Ähnlichkeit von huth als 4 und śa als 6 zu entsprechenden Zahlwörtern aus verschiedenen indogermanischen Sprachen.

ZahlDeutschLateinGriechischSanskritEtruskisch
1einsunushenekathu
2zweiduodyodvizal
3dreitrestreistrici
4vierquattuortettarescaturhuth
5fünfquinquepentepancamach
6sechssexhexśatśa
7siebenseptemheptasaptasemph
8achtoctooktoaśtacezp
9neunnovemenneanavanurph
10zehndecemdekadaśaśar
20zwanziguigintiweikosivimśatizathrum
30dreißigtrigintitriakontatrimśatcialch

Quellen

  • ŚA ŚUTHI CERICHUNCE
Er hat vier (?) Gräber gebaut.
  • LARISAL LARISALIŚLA THANCHVILUS CALISNIAL CLAN AVILS HUTHZARS
(Grab) des Laris, Sohn des Laris und der Thanchvil Calisnia, (lebte) 16 (?) Jahre.
  • RAMTHA MATULNAI CI CLENAR ANAVENCE LUPUM AVILS MACHS ŚEALCHLS
Ramtha Matulnai hat drei Söhne geboren und verstorben mit 45 (?) Jahren.
  • VIPINANS ŚETHRE VELTHURS MECLASIAL THANCHVILU AVILS CIS CEALCHS
Sethre Vipinans, (Sohn des) Velthur Meclas (und der) Thanchvil, (lebte) 33 Jahre.
  • ARNTH APUNAS MACH CEZPALCH AVIL SVALCE
Arnth Apunas lebte 85 Jahre.
  • CELI HUTHIŚ ZATHRUMIŚ FLERCHVA NETHUNSL ŚUCRI THEZERIC
Am 26. (?) September sind die Opfer für (die Gottheit) Nethuns vorzubereiten und durchzuführen.
  • LARTH CEISINIS CIZI ZILACHNCE METHLUM NURPHZI CANTHCE
Larth Ceisinis hat dreimal das Amt eines Prätors im Distrikt ausgeübt, neunmal das eines Zensors.
  • LARTH ARNTHAL PLECUS CLAN RAMTHASC APATRUAL ESLZ ZILACHNTHAS AVILS THUNEM MUVALCHLS LUPU
Larth, des Arnth Plecu Sohn und der Ramtha Apatru, zweimal Prätor gewesen, mit 49 Jahren gestorben.

Literatur

  • Massimo Pittau: La Lingua Etrusca: Grammatica e Lessico. Insula Edizioni 1997, ISBN 9788886111072, S. 72–76.
  • Massimo Pallottino: Etruskologie: Geschichte und Kultur der Etrusker. Neuauflage, Springer, Basel 1984, ISBN 9783034860475, S. 461 f.
  • Helmut Rix: Schrift und Sprache. In: Mauro Cristofani (Hrsg.): Die Etrusker. Belser Verlag, Stuttgart 1985, S. 210–238.
  • Hans Lorenz Stoltenberg: Die Bedeutung der etruskischen Zahlnamen. In: Glotta. Zeitschrift für griechische und lateinische Sprache. Band 30, 1943, S. 234–244.
  • Ambros Josef Pfiffig: Die etruskische Sprache. Versuch einer Gesamtdarstellung. Akademische Druck- und Verlags-Anstalt, Graz 1969, S. 123 f.
  • Karl Olzscha: Schrift und Sprache der Etrusker. In: Historia. Zeitschrift für Alte Geschichte. Band 6, Heft 1, 1957, S. 34–52.
  • Giuliano Bonfante, Larissa Bonfante: The Etruscan Language: An Introduction. 2. Auflage. Manchester University Press, Manchester/New York 2002, ISBN 0719055407, S. 96–97.

Siehe auch

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Museo Archeologico Nazionale dell'Umbria - Cippo perugino - dettaglio - iscrizione hut = 4 ?
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Etruscan dice from Tuscania
Conserved at the Bibliothèque Nationale de France, Paris (inventory number Luynes 816)