Etrich Taube

Etrich II Taube
Etrich II (Original) im Technischen Museum Wien
TypSchul- und Aufklärungsflugzeug
Entwurfsland

Osterreich-Ungarn Österreich-Ungarn

HerstellerIgo Etrich
Erstflug6. April 1910
Indienststellung1910
Produktionszeit

1910 bis 1918

Stückzahl246 (genaue Zahl unbekannt, wahrscheinlich deutlich mehr)
Etrich-Rumpler Taube
Beschreibung
VerwendungSchul-, Aufklärungs- und Bombenflugzeug
Besatzung2
Allgemeine Daten
Länge33,5 ft9,9 m
Spannweite45,83 ft14,3 m
Höhe10,5 ft3,2 m
Flügelfläche280 ft²32,5 m²
Gewicht
Leermasse950 lb650 kg
max. Startmasse1200 lb850 kg
Motor
Motor4-Zylinder Argus
oder 6-Zylinder Mercedes Typ E4F
Leistung74 kW100 PS
Leistung
Höchstgeschwindigkeit60 mph100 km/h
Dienstgipfelhöhe10,000 ft3000 m
Reichweite140 km
Bewaffnung
BewaffnungGewehre und Pistolen
BombenBomben von Hand abgeworfen (2 kg)
Risszeichnung der Taube
Flugsamen der Zanonia

Die Etrich Taube, in der Literatur häufig auch Etrich II Taube genannt, ist ein vom österreichischen Flugpionier Igo Etrich entwickeltes Flugzeug. Die von den Rumpler-Werken in Berlin gebauten Flugzeuge dieses Typs wurden auch unter dem Namen Rumpler-Taube vermarktet. Sie ist einer der ersten in größerer Stückzahl gebauten Flugzeugtypen.

Geschichte

Nach mehrjähriger Entwicklung hatte Etrich im Jahre 1909 die Etrich I fertiggestellt. Sie war durch Umbau eines schwanz- und rumpflosen Gleiters entstanden und „flog am 29. November 1909 über die gesamte Länge des Flugfeldes in Wiener Neustadt“.[1] Im Winter 1909/1910 entstand dann aus der Summe seiner Erfahrungen als Neukonstruktion die Etrich II Taube, ein Motorflugzeug mit Rumpf, die ihren Erstflug am 6. April 1910 absolvierte.[1]

Karl Illner, ein Mitarbeiter Etrichs, gewann auf einer Taube im Oktober 1910 den Preis für den ersten Flug von Wien nach Horn und zurück.

Etrich gründete in Lubawka (damals Liebau in Schlesien) am 28. Februar 1912[2] die Etrich-Flieger-Werke, wo auch Heinkel als Konstrukteur angestellt war[3]. Am 24. August 1913 überflog eine Taube erstmals das Riesengebirge – Etrich flog mit seinem Piloten von Liebau im Bogen über die Berge nach Ober Altstadt (heute Horní Staré Město, ein Stadtteil von Trutnov), wo er herstammte, und sogleich zurück nach Liebau[2].

Das Flugzeug wurde später von den Rumpler-Werken in Deutschland in Lizenz unter dem Namen Rumpler-Taube gebaut. Die Rumpler-Werke stellten aber nach kurzer Zeit die Lizenzzahlungen ein. Igo Etrich erwog eine Klage, die er aber wegen der zu erwartenden Länge des Verfahrens und des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges fallen ließ. Er gab das Baumuster frei, woraufhin mehr als 40 Firmen Varianten dieses Typs unter eigenem Namen fertigten. Die Taube wurde in Deutschland, Italien und Österreich-Ungarn eingesetzt.

Technik

Das Flugzeug war ein Eindecker mit außenliegender Drahtverspannung und einem unter der Tragfläche verlaufenden Hilfsholm („Brücke“).[4] Es besaß keine Querruder und keine Flügelklappen. Es war in allen drei Achsen durch Flächenverwindung steuerbar. Das Fahrwerk war lenkbar und hatte an der Mittelkufe eine Boden-Bremse.[4]

Die Taube flog durch die auf der Form von Flugsamen der Zanonia-Rankpflanze basierende Tragflächenform äußerst eigenstabil. Eine Anweisung der Fluglehrer in Wiener Neustadt an ihre Schüler lautete, dass diese, sollten sie in schwierige Fluglagen kommen, das Steuer einfach loslassen sollen, bis die Taube wieder von selbst stabil flog. In einer Anekdote wird berichtet, dass ein Mechaniker bei Startvorbereitungen den Gashebel einer Taube unabsichtlich auf Vollgas schob und dabei aus dem Flugzeug fiel. Das Flugzeug hob ohne Pilot selbsttätig ab und landete, nachdem der Treibstoff aufgebraucht war, nach 200 km glatt auf einer Wiese.

Trotzdem galt die Maschine als schwer zu fliegen und zu landen, weil große körperliche Anstrengung für den Kurvenflug und damit für das Manövrieren notwendig war.[5]

Die für den militärischen Einsatz ab 1912 entwickelte und gebaute Stahltaube hatte einen aus Stahlrohren gefertigten Rumpf. Diese Version war die einzige, die den 1913 eingeführten Belastungsproben für Militärflugzeuge standhielt.[5]

Konstruktion

Der Rumpf war in Holzbauweise mit Stoffbespannung ausgeführt.

Das Flugzeug war ein verspannter Schulterdecker. Die Verspannung erfolgte über Spanntürme, die oberhalb und unterhalb der Tragfläche angebracht waren. Die Tragflächen waren stoffbespannte Bambusrahmen. Die Quersteuerung erfolgte durch Verwinden der Tragflügelenden.

Das Leitwerk bestand ebenfalls aus Bambus mit Stoffbespannung.

Das Flugzeug besaß ein starres Fahrwerk mit durchgehender Achse und einen Hecksporn. Die Räder waren abgefedert.

Verwendung

Die Etrich Taube, auch als Etrich Monoplan bezeichnet, war auf vielen Flugschauen und Schauflügen ihrer Zeit zu sehen[6].

Wegen ihrer stabilen Flugeigenschaften war die Taube ein Übungsflugzeug und wurde privat genutzt.

Die Taube war als Aufklärer gut geeignet – die Flügel waren weitgehend transparent, sodass die Flugzeuge über 400 m Höhe nur schwer vom Boden aus sichtbar waren. Die Franzosen nannten das Flugzeugmodell das „unsichtbare Flugzeug“.

Am 1. November 1911 fand in Libyen der erste militärische Einsatz einer italienischen Taube statt, bei dem eine Pistole und 2-kg-Bomben benutzt wurden. Die Bomben wurden durch den Piloten Giulio Gavotti per Hand abgeworfen.[7][8] Am Anfang des Ersten Weltkrieges wurde die Taube ebenfalls eingesetzt. Während der Schlacht bei Tannenberg klärten Piloten mit Hilfe von Tauben die Lage der russischen Armee auf. 1914 wurde sie auch genutzt, um Bomben und Propaganda-Material über Paris abzuwerfen.

Am 9. Juli 1914 stellte der 23-jährige Rumpler-Werkspilot Guido Linnekogel einen neuen Höhenweltrekord für Flugzeuge auf. Er erreichte mit seiner Taube eine Höhe von 6570 m.[9]

Am 25. August 1914 wurde eine Taube von einer britischen Maschine zur Landung gezwungen. Dies stellte den ersten Luftsieg des Royal Flying Corps dar.

Da die Taube langsam und schlecht zu wenden war, und der Flugzeugbau rasant voranschritt, wurde sie sechs Monate nach Beginn des Ersten Weltkrieges von der Front abgezogen und diente nur noch als Ausbildungsflugzeug.

Berühmt wurde Gunther Plüschow 1914 mit einer Taube in der deutschen Kolonie Kiautschou in China. Über zwei Monate flog er Aufklärungsflüge während der Belagerung von Tsingtau über der Stadt, bis die Japaner die Stadt im November 1914 einnahmen. Man nannte ihn „Das Auge von Tsingtau“. Mit der Maschine floh er nach China und erreichte nach neunmonatiger abenteuerlicher Flucht 1915 wieder Deutschland.

Etrich Taube auf der ILA 2004
Briefmarke 1978
Jeannin Stahltaube im Technikmuseum Berlin

Produktion

Da das Baumuster ohne Abgabe von Lizenzgebühren nachgebaut werden konnte, fertigten mehr als 40 Unternehmen diesen Typ, die ihn im Lauf der Zeit mehr oder weniger veränderten. Die Konstruktionsänderungen betrafen alle Komponenten der Maschine: Die Motorisierung, den Rahmen (die Stahltaube hatte einen Stahlrahmen), die Tragfläche und die Steuerung, die statt Verwindungsmechanismen durch „normale“ Ruder realisiert wurde.

Alphabetische, unvollständige Liste:

(Sortierung frei wählbar)
HerstellerStückzahlAnmerkungen
Rumpler-Flugzeugwerke, Johannisthal bei Berlin200
Emile Jeannin37Jeannin Stahltaube 1913/1914
Wiener Aeroplan und Carrosseriewerke
Jacob Lohner & Co.
(Lohnerwerke), Wien-Donaustadt
36
Gothaer Waggonfabrik, Gotha10LE.1, LE.2, LE.3 (Land Eindecker)
Igo Etrich, Wiener Neustadt?
Deutsche Flugzeug-Werke, Lindenthal bei Leipzig?
Halberstädter Flugzeugwerke, Halberstadt?Halberstadt Taube III
Hannoversche Flugzeugwerke, Hannover (Vahrenwalder Heide)> 3Jatho Stahltaube

Technische Daten

KenngrößeEtrich A.IIJeannin A[10]LFG ADFW A[10]Germania A.IGotha A.I[11]Gotha A.II[12]
Erstflug191419131914
geliefert2261261
Besatzung2
Länge9,85 m9,69 m11,50 m10,20 m10,00 m8,50 m
Spannweite14,35 m13,87 m14,00 m14,50 m14,00 m
Höhe3,15 m2,97 m3,20 m3,15 m2,80 m
Flügelfläche28,00 m²36,00 m²30,00 m²33,50 m²28,00 m²
Flügelstreckung7,45,36,56,37,0
Leermasse565 kg600 kg690 kg
Startmasse950 kg850 kg860 kg1062 kg
wassergekühlter ReihenmotorAustro-Daimler, 120 PSOpel Argus As.I, 100 PSMercedes G4F, 95 PSMercedes D.I, 105 PS
Höchstgeschwindigkeit115 km/h109 km/h96 km/h120 km/h
Steigzeit auf 800 m12 min
Gipfelhöhe3000 m
Reichweite300 km380 km385 km600 km
Flugdauer4 h

Erhaltene Flugzeuge

Siehe auch

Literatur

  • Karlhein Kens, Hanns Müller: Die Flugzeuge des Ersten Weltkriegs 1914–1918, München 1973, ISBN 3-453-00404-3
  • Karl Pawlas: Deutsche Flugzeuge 1914–1918, Nürnberg 1976, S. 63–65, ISBN 3-88088-209-6
  • Günter Kroschel, Helmut Stützer: Die deutschen Militärflugzeuge 1910–1918, Wilhelmshaven 1977
  • Heinz Linner: Konstruktionspläne Etrich-Taube Typ NM, Wien 1995, Pl.Nr. 01–67
  • Igo Etrich: Die Taube. (Memoiren d. Flugpioniers). Waldheim-Eberle, Wien 1963, DNB 573931119.
  • Heinz Linner: Konstruktionspläne Etrich-Zanonia, Wien 2003, Pl.Nr. 01–12
  • Enzo Angelucci, Paolo Matricardi: Flugzeuge von den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg, Wiesbaden 1976, ISBN 3-8068-0391-9
  • Heinz Nowarra: Die Entwicklung der Flugzeuge 1914–1918, München 1959
  • Kennth Munson: Kampfflugzeuge 1914–1919, Orell Füssli Verlag, Zürich (1968),
  • Heinz Linner: Konstruktionspläne Etrich-Taube Typ F, Wien 1973, Pl.Nr. 01–27
  • Bruno Lange: Das Buch der deutschen Luftfahrttechnik. Mainz 1970

Weblinks

Commons: Etrich Taube – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise/Anmerkungen

  1. a b Technisches Museum Wien
  2. a b http://www.kerstinullrich.de/Fam1-Geschichte/Schlesien/Geschichte-Etrich-Taube.html Kerstin Ullrich: „Die Etrich-Fliegerwerke und die Etrich-Taube in Liebau i. Schl.“, Website von Kerstin Ullrich, abgerufen am 4. Dez. 2017
  3. https://www.amateurflugzeugbau.at/club/igoetr.html „IGO ETRICH (1879–1967) Etrich Taube“ auf der Website des ETRICH CLUB Austria
  4. a b Deutsches Museum. Aufgerufen am 27. Mai 2014.
  5. a b Lexikon der Flugzeuge
  6. http://www.muzeum-zacler.cz/ Foto- und Plakateausstellung des Museums Žacléř vom 14. Okt. bis 30. Nov. 2017
  7. Alan Johnston: Libya 1911: How an Italian pilot began the air war era, BBC News Europe, 10. Mai 2011
  8. Armin M. Brandt: Die „Taube“ warf die Bombe ab, Kalenderblatt vom 1. November 2011, Deutschlandfunk
  9. Linnekogel flog so hoch wie kein anderer. 8. Juli 2015, abgerufen am 18. Juni 2022.
  10. a b „Stahltaube“
  11. Werksbezeichnung LE3
  12. „Rösner-Taube“, Werksbezeichnung LE4
  13. Bild von Johnny Comstedt,
  14. Beschreibung der norwegischen Wasserflugzeug-Version vom Forsvaret Museum Trondheim

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Etrich II im Technischen Museum Wien
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Jeannin Stahltaube, Baujahr 1914, Emil Jeannin Flugzeugbau GmbH, Johannisthal
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RumplerTaubeDesign1911
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Kebun Raya, Bogor, Indonesia.

A bit of flowery prose from an essay that I wrote in 2001 on wind-dispersed seeds & fruits:

"Every now and then, field botanists are treated to transcendental moments when the light is golden, the air is fresh, interesting plants are at hand, and the hardships of field work just melt away. During those times, scientific insights arrive with astonishing clarity and grace. One such moment for me came on a sunny afternoon in the Kebun Raya Botanic Garden, in Bogor, Indonesia, some years ago. On that memorable day, I was transfixed as I watched dozens of winged seeds of Alsomitra macrocarpa (Cucurbitaceae, the squash family) glide to the ground in broad, lazy spirals. The seeds spilled out from a fruit hanging on the liana climbing on one of the enormous old trees in the garden. All the principles of aerodynamics as they relate to seed dispersal were manifest in that one lovely moment.

"The gliding seeds of Alsomitra exhibit two kinds of motion: The forward gliding motion, which takes the seed on a helical, downward path, and phugoid oscillations, in which the gliding seed gains lift, stalls, drops briefly until it accelerates enough to generate lift, starting the process over again. Phugoid oscillations are well known to aviation engineers and model airplane fliers, because they can destabilize mechanized flight, but in the seeds of Alsomitra, phugoid oscillations add a graceful rhythm to the descent, and more importantly, slow the descent of the seeds giving them more time aloft. Time aloft is the sine qua non of successful dispersal by wind."