Ethnophaulismen für Deutsche

Kanadisches Wahlplakat aus der Zeit des Ersten Weltkrieges

Ethnophaulismen für Deutsche sind abwertende Bezeichnungen für Deutsche und teilweise Österreicher, Deutschschweizer oder für deutschsprachige Minderheiten in anderen Ländern. Viele dieser Begriffe stammen aus den beiden Weltkriegen, wo Deutsche als feindliche Soldaten oder Besatzer erlebt wurden. Während deren Bedeutung heute eher zurückgegangen ist, haben sich, etwa durch Migranten in deutschsprachigen Ländern oder gegenüber deutschsprachigen Migranten, auch neue Ethnophaulismen etabliert. Bei einigen der Begriffe gibt es neben beleidigenden auch humorvolle oder selbstironische Verwendungsmöglichkeiten.

BezeichnungHerkunftBedeutung
AlmanDeutschlandÄhnlich wie Kartoffel handelt es sich auch hier um eine Bezeichnung, die im deutschsprachigen Raum in der migrantisch geprägten Jugendsprache für Deutsche ohne offensichtlichen Migrationshintergrund genutzt wird. Herleitung ist die türkische Bezeichnung Alman für Deutsche. Auch bei Alman ist in der Verwendung eine Bandbreite zwischen sarkastisch-humorvoller, neutraler und abwertender Konnotation für den Begriff möglich. Auch eine selbstironische Verwendung ist durchaus üblich. Verbreitet sind Bezüge zu Klischees des Deutschseins, etwa zu Kleingeist, „deutschem“ Aussehen, deutscher Kultur und Brauchtum, Sprache, Humor, Ess- und Trinkgewohnheiten, deutschem Verhalten und Spießbürgerlichkeit und allgemein zu deutscher Lebens- und Arbeitsmoral.[1][2] Aufgegriffen wurde der Ausdruck auch in der Netzkultur, wo eine Reihe von Memes zu Almans verbreitet sind.[3]
BocheFrankreichDie Bezeichnung stammt aus Frankreich und ist seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in etwa zeitgleich mit dem erneuten Aufkeimen des deutsch-französischen Konflikts in Verwendung. Auch in den beiden Weltkriegen wurden Deutsche vermehrt so bezeichnet. Ursprünglich ist der Begriff wahrscheinlich zurückzuführen auf alboche, einer Zusammensetzung aus dem Präfix al- – abkürzend für allemand „deutsch“ – und boche aus caboche („Dickschädel, Kraut“). Mit boche wurde auch eine Holzkugel, vergleichbar einer Kegelkugel, bezeichnet.[4]
CruccoItalienDer Begriff ist vom kroatischen/slowenischen kruh für Brot abgeleitet. Als Schimpfwort kam er im Ersten Weltkrieg für die österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenen kroatischer oder slowenischer Herkunft auf, die bei den italienischen Soldaten um Brot bettelten. Später bezog es sich auf feindliche Soldaten allgemein und schließlich auf Deutsche.[5][6]
FritzUSA, Vereinigtes Königreich, RusslandAls typischer deutscher Name schlechthin stand Fritz vor allem im Zweiten Weltkrieg mit abwertender Konnotation für Deutsche.[7] Der Name Friedrich und seine Kurzform Fritz waren tatsächlich noch häufig vorkommende Vornamen dieser Zeit.[8] Im Russischen wird alternativ auch der Name „Hans“ verwendet, der sich im Wort gans (Plural gansy) eingebürgert hat,[9] etwa bei Joseph Brodsky.[10]
GummihalsSchweizDer Ausdruck stammt aus den späten 1970er Jahren und bezieht sich heute auch auf deutschstämmige Migranten in der Schweiz. Mehrere Herleitungen sind möglich. Deutsche redeten permanent (im Gegensatz zu zurückhaltenden Schweizern), selbst „wenn du ihnen den Hals umdrehen könntest, sie würden immer noch unaufhörlich weiterreden.“ Oder sie nickten unentwegt, wenn der Chef etwas sagt.[11][12]
HunAngelsächsischer SprachraumAufgrund der sogenannten Hunnenrede Kaiser Wilhelms II. vom 27. Juli 1900 wird der Begriff Hunne (engl. hun) im englischen Sprachraum als herabsetzend für Deutsche benutzt.[13] In dieser Rede hatte der Kaiser seine Truppen zu besonders rücksichtslosem Vorgehen gegen die chinesischen Gegner im Boxeraufstand aufgefordert und dabei einen Vergleich zur bei Feinden gefürchteten Kriegsführung der Hunnen gezogen. Die Bezeichnung stand daher im Ersten und auch im Zweiten Weltkrieg für den deutschen Kriegsgegner.[14]

Von Großbritannien requirierte deutsche Handelsdampfer zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurden als „Hunnendampfer“ bezeichnet.

JerryAngelsächsischer SprachraumAngelsächsische Bezeichnung, die im Zweiten Weltkrieg für deutsche Soldaten, die deutschen Streitkräfte oder Deutschland als Ganzes gebraucht wurde. Die Bezeichnung wurde bereits im Ersten Weltkrieg verwendet, größere Verbreitung erfuhr sie aber erst im Zweiten Weltkrieg.[15]
KartoffelDeutschlandIm 19. Jahrhundert waren Kartoffelsachsen oder Kartoffelwänste Schimpfworte für Bewohner bestimmter Regionen (Erzgebirge, Sachsen), die sich angeblich vorwiegend von Kartoffeln ernährten.[16] In den 1960er Jahren bezeichneten italienische Einwanderer Deutsche als „Kartoffelfresser“, Pendant zum deutschen Schimpfwort Spaghettifresser.[17] Kartoffel für Deutsche wurde ab den 2000er Jahren als Schimpfwort in der migrantisch geprägten Jugendsprache, später aber auch als ironische Fremd- und Selbstbezeichnung, etwa im deutschsprachigen Hip-Hop, verwendet.[1][18][19][20]
KolbasnikRusslandEin veralteter (meist vor den 1940er Jahren verwendeter) russischer abwertender Begriff für Deutsche, der wörtlich „Wurstmacher“ bedeutet.[21]
KrautVereinigtes Königreich, USAAbwertende Bezeichnung, aus dem Ersten Weltkrieg stammend, die vor allem während des Zweiten Weltkrieges in den USA gebräuchlich war. Sie bezieht sich auf das Stereotyp des deutschen Sauerkrautessers.[22] In der Nachkriegszeit gab es auch selbstironische Verwendungen des Begriffs, wie beispielsweise in Krautrock.
Mof (Plural moffen)NiederlandeWurde ursprünglich in der Zeit der Republik in den Niederlanden verwendet für deutsche Einwanderer (Hollandgänger) und ist seit dem 16. Jahrhundert belegt, unter anderem bei Isaac Vos. Das Wort geht vermutlich auf die deutschen Wörter Muff und muffig zurück[23] oder ist eine Onomatopoesie der deutschen Sprache.[24] Das Wort war ursprünglich kein Pejorativ, wurde aber seit dem Zweiten Weltkrieg als Schimpfwort für „Deutscher“, „Nazi“ verwendet.[25][26]
PiefkeÖsterreichUmgangssprachlich verwendete, meist abwertend gemeinte Bezeichnung. Als Familienname wurde Piefke aus dem Slawischen[27] von Piwka von Ostsiedlern eingedeutscht.[28][29] Die Verwendung für Deutsche könnte sich auf den bekannten preußischen Militärmusiker Johann Gottfried Piefke beziehen. Dieser dirigierte nach dem preußisch-österreichischen Kriege im Marchfeld ca. 20 km vor Wien in einer großen Parade ein Musikkorps. Unter den Wienern soll sich der Ruf „Die Piefke kommen“ verbreitet haben und zum Sinnbild für 50.000 marschierende Preußen geworden sein.
pølsetyskerDänemarkDas Kompositum aus den Substantiven pølse („Wurstbzw. „Würstchen“) und tysker („Deutscher“) bezeichnet ursprünglich einen sparsamen deutschen Touristen, der hauptsächlich von seinen selbst mitgebrachten Würstchen lebt.[30]

Der Begriff ist abwertend konnotiert und kann auf deutsche Urlauber verweisen, die nicht nur ihr Essen, sondern auch ihre Lebensart und ihre Einstellung mitbringen und diese „ignorant, arrogant und selbstgefällig“ ebenfalls vom Gastland erwarten.[31][32]

SchwaboKroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, MontenegroSchwabo (serbokroatisch ŠvaboШвабо, in Serbien Švaba) umgangssprachlich eine Bezeichnung für alle Deutschsprachigen. Sie leitet sich aus der früheren Bezeichnung für Donauschwaben ab und wird heute von Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien für Österreicher, Deutsche oder Deutschschweizer verwendet. Die Bedeutung kann heiter-ironisch, aber auch abwertend sein.[33][34]
SchwobDeutschschweizSchwob ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für alle Deutschen mit abwertender Konnotation. Findet vor allem im nördlichen Teil der Schweiz Anwendung, wo viele Schwaben als Grenzgänger arbeiten. Die Ableitung von Schwabe scheint naheliegend zu sein.
Skopčák (Plural skopčáci)TschechienAbwertende Bezeichnung für Deutsche, ursprünglich für die Angehörigen der deutschen Minderheit auf dem heutigen tschechischen Staatsgebiet (Sudetendeutsche). Sie geht zurück auf die Wendung z kopců (deutsch von den Hügeln), verbunden mit dem Derivationssuffix -ák. Die Kennzeichnung der Deutschen als Hügelbewohner geht auf die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zurück, als die deutsche Bevölkerungsgruppe das bergige Grenzland bewohnte, während die Tschechen im ebeneren Gebiet in der Mitte des Landes lebten.[35]
SzwabPolenDie Bezeichnung entstammt der polnischen Bezeichnung für Schwaben, die im Zweiten Weltkrieg zugleich eine Bedeutungsverschlechterung ins Verächtliche und eine Ausweitung auf Deutsche im Allgemeinen erfahren hat.[36]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Ursula Bertels, Claudia Bußmann: Handbuch interkulturelle Didaktik. Hrsg.: Ethnologie in Schule und Erwachsenenbildung e. V. Waxmann, Münster / New York / München / Berlin 2013, ISBN 978-3-8309-7889-3, S. 23.
  2. Marlen Hobrack: „Alman“-Beleidigungen: Ist es Rassismus, Deutsche als Kartoffeln zu bezeichnen? 24. Juli 2018 (welt.de [abgerufen am 12. August 2019]).
  3. Bayerischer Rundfunk Conny Neumeyer: Interview mit den Machern von Alman Memes 2.0: Was Alman Memes mit Loriot und Harald Schmidt zu tun haben. 11. Juli 2019 (br.de [abgerufen am 4. Februar 2020]).
  4. Wortbedeutung und Etymologie von „alboche“ und „boche“ im Trésor de la française.
  5. Il Vocabolario Treccani. 2. Ausgabe. Istituto della Enciclopedia Italiana, 1997.
  6. crucco in Vocabolario – Treccani. Abgerufen am 23. April 2019 (italienisch).
  7. Irving L. Allen: The language of ethnic conflict : social organization and lexical culture. Columbia University Press, New York 1983, ISBN 0-231-05556-0, S. 57.
  8. Vorname Friedrich * Statistik und Bedeutung. Abgerufen am 28. Juli 2020 (deutsch).
  9. Russkoe iazykoznanie. Vishcha shkola, 1984, S. 84 (google.de [abgerufen am 14. März 2022]).
  10. Ольга Игоревна Глазунова: Иосиф Бродский: американский дневник : о стихотворениях, написанных в эмиграции. Изд-во СПбИИ РАН "Нестор-История", 2005, ISBN 978-5-98187-092-7, S. 316 (google.de [abgerufen am 14. März 2022]).
  11. Marc Heinrich: Die Schweizer und ihre Deutschen: Gorillas first. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 23. April 2019]).
  12. Bruno Ziauddin: Grüezi Gummihälse – warum uns die Deutschen manchmal auf die Nerven gehen. Originalausg Auflage. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2008, ISBN 978-3-499-62403-2.
  13. Die Bezeichnung „Hun“ für Deutsche allgemein findet sich in der britischen Tagespresse bis ins 21. Jahrhundert, siehe Michael Stürmer: „Hitler war böse. Unsere Bomben nicht“. Die Welt, 3. November 2004.
  14. John Man: Attila the Hun: a barbarian king and the fall of Rome. Bantam Books, London 2006, ISBN 978-0-553-81658-7, S. 303–307.
  15. Jerry, Verwendungen des Wortes Jerry bei etymonline.com.
  16. Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Hrsg.: Jacob und Wilhelm Grimm. Band 11. Leipzig 1854, S. Spalte 244–245 (woerterbuchnetz.de).
  17. Maria Paola Tenchini: Zur Semantik der ethnischen Schimpfnamen. In: Lingue e Linguaggi. Band 10, 2013, ISSN 2239-0367, S. 125–136, insbesondere S. 127 f. (core.ac.uk [PDF]).
  18. Cordula Weißköppel: Ausländer und Kartoffeldeutsche: Identitätsperformanz im Alltag einer ethnisch gemischten Realschulklasse. Juventa, Weinheim/München 2001, S. 148 f.
  19. Frédéric Schwilden: Hip-Hop: Erklären Sie das Ihrem Nachbarn mal auf Kanakisch. 18. März 2014 (welt.de [abgerufen am 19. April 2019]).
  20. Hengameh Yaghoobifarah: Kolumne Habibitus: Welche Kartoffel bist du? Der Test. In: Die Tageszeitung: taz. 11. November 2017, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 19. April 2019]).
  21. Kolbasnik im Russischen akademischen Online-Wörterbuch, siehe Asb. 1 p. 2., Uschakov D.N. 1935-1940
  22. Goethe-Institut – Die Legende der Krauts. Abgerufen am 21. Mai 2019.
  23. Helmut Glück: Deutsch als Fremdsprache in Europa vom Mittelalter bis zur Barockzeit. de Gruyter, 2002, ISBN 3-11-017084-1, S. 31.
  24. M. Philippa, F. Debrabandere, A. Quak, T. Schoonheim en N. van der Sijs: Etymologisch Woordenboek van het Nederlands, 4 delen, Amsterdam 2003–2009.
  25. Niederlande: Kuscheln mit den Moffen. In: Spiegel Online. Band 45, 7. November 1994 (spiegel.de [abgerufen am 21. Mai 2019]).
  26. Kerstin Schweighöfer: Ziemlich anziehend: Die neue Liebe der Niederländer zum deutschen Nachbarn. In: deutschlandfunk.de. Deutschlandfunk, 3. November 2012, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 21. Mai 2019.@1@2Vorlage:Toter Link/www.deutschlandfunk.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  27. Wie Pifky oder Pifkowski; Hans Bahlow: Deutsches Namenlexikon.
  28. Anton Karl Mally: Piefke. Nachträge. In: Muttersprache. Zeitschrift zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache. Band 94, Jg. 1983/84, 3–4, Wiesbaden, April 1984, S. 313–327, hier: S. 314f.
  29. Konrad Kunze: dtv-Atlas Namenkunde. 1998, S. 170: Mit Bier wird der Name auch hier in Zusammenhang gebracht.
  30. Ordbog over det danske Sprog: „Pølse-tysker
  31. Pølsetysker – das dänische Schimpfwort für Deutsche (Memento desOriginals vom 10. August 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/loseblattsammlung.eu
  32. Wiktionary: pølsetysker
  33. Danièle Hollick: Informelles Lernen von Lehrerinnen und Lehrern im Kontext Schule und Migration – eine explorative Studie über Subjektive Theorien von Lehrerinnen und Lehrer. Kassel University Press, Kassel 2013, ISBN 978-3-86219-601-2, S. 188.
  34. Die Kunst, alle zu beleidigen – abseits vom Piefke und Tschuschen | dasbiber. Abgerufen am 21. Mai 2019.
  35. Wiktionary: skopčák
  36. Klaus Stierstorfer: Deutschlandbilder – im Spiegel anderer Nationen; Literatur – Presse – Film – Funk – Fernsehen. Rowohlt Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2003, ISBN 3-499-55657-X, S. 271.

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