Erwin Payr

Erwin Payr

Erwin Payr (* 17. Februar 1871 in Innsbruck; † 6. April 1946 in Leipzig) war ein österreichischer Chirurg und Hochschullehrer.

Leben

Erwin Payr war der Sohn von Karl Payr (1836–1907), einem Beamten der Handels- und Gewerbekammer sowie Professor für Staatsrechnungswissenschaften an der Leipziger Universität, und Anna Sauter, die aus einer Literaten- und Botanikerfamilie stammte. Er heiratete 1901 Helene Steiner (1876–1952). Das Paar hatte die Tochter Anna Maria Payr (1902–1979) und den Sohn Bernhard Payr (1903–1945).

Werdegang

Nach dem Abitur am Akademischen Gymnasium Innsbruck studierte Payr an der Universität Innsbruck Medizin. 1894 wurde er in Innsbruck zum Dr. med. promoviert.[1] Danach arbeitete er in Wien zunächst in der Pathologie und der Inneren Medizin, dann beim Chirurgen Eduard Albert. Anschließend ging er nach Graz, wo er sich 1899 für Chirurgie habilitierte.

Bis 1906 arbeitete Payr als Primararzt am Städtischen Krankenhaus Graz in der chirurgisch-gynäkologischen Abteilung. 1907 wurde er auf den chirurgischen Lehrstuhl der Königlichen Universität zu Greifswald berufen. Drei Jahre später wechselte er an die Albertus-Universität Königsberg. 1911 folgte die Berufung an die Universität Leipzig. 1929 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. 1937 wurde er emeritiert.

Arbeit

Privatstation (nach Erwin Payr auch Payrs Kilinik genannt) des Städtischen Krankenhausese St. Jacob in Leipzig

In Allgemeiner Chirurgie befasste sich Payr unter anderem mit Techniken zur Blutgefäß- und Nervennaht, der Therapie von Wunden, Schussverletzungen und Amputationen. Die orthopädisch orientierte Pathologie und Chirurgie von Gelenkerkrankungen war ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit. Darüber hinaus arbeitete er auf den Gebieten der Magenchirurgie (Magen- und Duodenalgeschwüre), Schädel-Hirn-Chirurgie, der Organtransplantation, Trigeminusneuralgie, Schilddrüsenchirurgie, Bauchchirurgie (Bauchfellverwachsungen, Obstipation, Appendizitis, Leber, Gallenwege, Bauchspeicheldrüse) und der Therapie bösartiger Geschwülste sowie der Chirurgie des Urogenitaltrakts.

Als leitender Oberarzt des Krankenhauses St. Jakob war Payr an Zwangssterilisationen beteiligt, die zur Durchsetzung der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ 1933 im „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ legitimiert worden waren.[2]

Payr entwickelte zahlreiche chirurgische Instrumente (Darmklemme, Bauchdeckenhaken, Rillensonde, Quetschzange, Nadeln), verschiedene plastisch-chirurgische Operationsverfahren (Arthroplastik, Sichelschnitt) und beschrieb diagnostische Zeichen wie die verschiedenen Payr-Zeichen. Als Hauptwerk gilt seine Monographie über Gelenksteife und Gelenkplastik. Nach Payr ist ein Zugang zum Innenmeniskus des Kniegelenks benannt.

Er publizierte mehr als 320 Zeitschriften- und 30 Kongressbeiträge sowie Beiträge zu chirurgischen und therapeutischen Lehrwerken, war Mitherausgeber der Ergebnisse der Chirurgie und Orthopädie und Empfänger verschiedener Titel und Auszeichnungen.

Ehrungen

Schriften

  • Beiträge zur Technik der der Blutgefäß- und Nervennaht nebst Mitteilungen über die Verwendung eines resorbierbaren Metalles in der Chirurgie. Archiv für klinische Chirurgie 62 (1900), 64 (1901), 72 (1904).
  • Transplantation von Schilddrüsengewebe in die Milz. Arch Klin Chir 80 (1906), 106 (1915).
  • Die Erkrankungen der Knochen und Gelenke. In: Wilms/Wullstein (Hrsg.): Lehrbuch der Chirurgie, Bd. 3, 1912/1918.
  • Chirurgische Behandlung der Verletzungen und Erkrankungen des Halses, in: Pentzoldt/Stintzing (Hrsg.): Handbuch der gesamten Therapie, Bd. 6, 5. Aufl., Jena 1914.
  • Lehrbuch der speziellen Chirurgie (m. J. Hochenegg). Berlin 1918/1927.
  • mit Josef Hohlbaum: Geschwülste des Magens als Gegenstand chirurgischer Behandlung, in: Kraus/Brugsch (Hrsg.): Spezielle Pathologie u. Therapie innerer Krankheiten, Bd. 5/1, 1921.
  • mit Erich Sonntag: Allgemeine chirurgische Pathologie des Schädels und seines Inhaltes. 1926.
  • mit Paul Zweifel: Klinik der bösartigen Geschwülste. Leipzig 1924/1925/1927.
  • Gelenksteifen und Gelenkplastik. Berlin 1934.

Siehe auch

Literatur

  • Hans Killian: Meister der Chirurgie. Stuttgart 1980, S. 141.
  • M. Jantsch: Payr Erwin. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 7, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1978, ISBN 3-7001-0187-2, S. 377.
  • Louis Ruyter Radcliffe Grote (Hrsg.): Die Medizin der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Erwin Payr. Leipzig 1924, S. 120–164.
  • Eberhard J. WormerPayr, Erwin. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 148 f. (Digitalisat).
  • K. Kuhnel, V. Seifert: Erwin Payr und sein Beitrag zur Neurochirurgie. Zentralbl Neurochir 59 (1998), S. 27–35.
  • Christian Schwokowski: Zum 50. Todestag von Erwin Payr. Zentralbl Chir 121 (1996), S. 335–339.
  • U. Paul: Chirurgisches Erbe. Erwin Payr. Zentralbl Chir 99 (1974), S. 1172–1174.
  • August Borchard, Walter von Brunn: Deutsches Chirurgenverzeichnis. Berlin 1938, S. 493–497.
  • Erwin Payr: Am Wege: Erinnerungen und Betrachtungen eines Chirurgen. Aus dem Nachlass hrsg. von Joachim Krebs. Barth, Leipzig 1994.
  • Isidor Fischer (Hrsg.): Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre, Bd. 2. Berlin 1932, S. 1184–1185.

Weblinks

Commons: Erwin Payr – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Dissertation: Pathologie und Therapie des Hallux valgus.
  2. Ingrid Kästner: Die Auswirkungen der nationalsozialistischen Personalpolitik auf die Medizinische Fakultät der Leipziger Universität. In: Günter Grau, Peter Schneck (Hrsg.): Akademische Karrieren im Dritten Reich : Beiträge zur Personal- und Berufungspolitik an Medizinischen Fakultäten. Institut für Geschichte der Medizin an der Charitè, Berlin 1993, ISBN 978-3-9803520-0-0, S. 47 (archive.org [abgerufen am 17. Dezember 2021]).

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Siegel der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 1896 gestochenes Siegel, zurückgehend auf das ursprüngliche Universitätssiegel von 1456
St Jakob Privatstation (Payrs Klinik) AK 1911.tif
Städtisches Krankenhaus St. Jacob, Privatstation, auch Payrs Klinik genannt, nach dem Ordinarius für Chirurgie, Erwin Payr