Erste Vision

Glasdarstellung der ersten Vision von Joseph Smith, 1913, unbekannter Künstler (Museum für Kirchengeschichte in Salt Lake City)

Die erste Vision ist ein wichtiger Glaubensbestandteil der Mormonen. Die später in die offizielle Geschichte der Kirche in das Buch Köstliche Perle aufgenommene Fassung beschreibt, wie dem damals 14-jährigen späteren Gründer der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage Joseph Smith in einem Wald bei seinem Wohnort Palmyra im Bundesstaat New York im Jahr 1820 zwei Personen, Gott und Jesus Christus, erschienen seien.[1]

Smith stellt die Vision in den Zusammenhang seiner Suche nach der wahren Religion und will die Botschaft empfangen haben, dass alle existierenden Konfessionen das Evangelium Christi verfälscht hätten. Er solle sich keiner Religionsgemeinschaft anschließen.[2]

Die Interpretationen der ersten Vision unterscheiden sich unter den verschiedenen Strömungen innerhalb der Mormonischen Bewegung. Die zentrale Annahme ist, dass die erste Vision der Anfang der Kirche Jesu Christ HLT war, weil Smith darin aufgefordert wurde, den wahren Glauben zu suchen und mit Hilfe weiterer Offenbarungen die verlorengegangenen Dogmen des Urchristentums wiederherzustellen. Damit würde die „große Apostasie“ beendet.

Der frühere Präsident der Kirche Gordon B. Hinckley sagte dazu:[3]

„Unsere Sache, die Sache der Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, ruht darauf, ob diese herrliche erste Vision wirklich stattgefunden hat. Damit öffnete sich der Schleier für diese, die Evangeliumszeit der Fülle. Nichts, worauf wir unsere Lehre gründen, nichts, was wir lehren, nichts, wonach wir leben, ist wichtiger als diese erste Verkündigung. Ich behaupte: wenn Joseph Smith mit Gott dem Vater und mit seinem geliebten Sohn gesprochen hat, dann ist auch alles andere, wovon er gesprochen hat, wahr. Das ist das Scharniergelenk, an dem das Tor hängt, das zum Weg der Errettung und des ewigen Lebens führt.“

Gordon B. Hinckley: Was fragen die Menschen in bezug auf uns?

Versionen der Ersten Vision

Darstellung der ersten Vision von Joseph Smith aus dem Buch The Rocky Mountain Saints.

Die offizielle Fassung in der Geschichte der Kirche stammt von 1838. Sie bezieht sich auf das Jahr 1820 und spricht von einem Glaubensaufbruch mit Missionaren aller Konfessionen, der den jungen Joseph auf die Vielfalt der Religionen aufmerksam gemacht hat. Smith berichtet weiter, dass er für seine Entscheidung, keiner Kirche beizutreten, kritisiert und verfolgt worden wäre und drei Jahre später eine weitere Vision gehabt hätte. Darin wäre ihm der Fund von Goldenen Platten mit eingravierten schriftlichen Offenbarungen angekündigt worden.

Diese Version wurde kritisiert, weil ein Glaubensaufbruch für die Region zwar aus früheren Jahren und dem Jahr 1824 nachgewiesen ist, nicht aber für 1820. Außerdem kann die Ablehnung aller Kirchen entgegen seiner Aussage keinen besonderen Einfluss auf Smiths Familie gehabt haben, da seine Mutter und weitere Angehörige noch viele Jahre später aktive Presbyterianer waren und auch er selbst nachweislich noch mehrere Jahre nach dem offiziellen Datum der Ersten Vision an einem Kursus der Presbyterianischen Kirche teilgenommen hat.[4]

Weitere, teils erheblich davon abweichende Versionen sind aus den Jahren 1827 und 1830 erhalten, die allerdings erst wesentlich später als Erinnerungsberichte von Familienmitgliedern und frühen Chronisten Smiths veröffentlicht wurden.[5] Die erste Fassung aus Smiths eigener Hand stammt aus dem Jahr 1832 und wurde erst 1965 veröffentlicht: Hier ereignete sich die Vision im Jahr 1821 (Smith war bereits 15), er hatte sich seit Jahren mit der Lektüre der Bibel beschäftigt und war für sich selbst zum Schluss gekommen, dass alle Konfessionen vom wahren Christentum abgewichen waren. Ihm erschien hier nur Jesus Christus und vergab ihm die Sünden. Von einer Offenbarung über die Wahrheit der Konfessionen ist keine Rede. Die zweite Vision mit der Ankündigung der Goldenen Platten fand demnach zwei Jahre später statt.[6]

1859 berichtete ein zeitweilig naher Weggefährte Smiths in einem Interview seine Erinnerungen. Danach hätte die Vision erst 1827 stattgefunden (Smith war dann schon 21 Jahre alt) und sie hätte im Zusammenhang mit der Schatzsuche gestanden, die Smith auch zu den Goldenen Platten geführt hätte.[7] Diese Fassung stimmt nahezu vollständig mit den oben angeführten frühesten Berichten überein.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Andreas Grünschloss: Die „andere Bibel“ – Verdrängtes, Geheimes und neue Offenbarungen. In: Reinhard Feldmeier, Hermann Spieckermann (Hrsg.): Die Bibel. Entstehung – Botschaft – Wirkung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-53626-7, S. 148–170, hier S. 159 f.
  2. Joseph Smith: Geschichte der Kirche. Kapitel 1, Vers 19.
  3. Was fragen die Menschen in bezug auf uns?
  4. Wesley P. Walters: New Light on Joseph Smith's First Vision, 2005. Auf der Website des Institute of Religious Research - Project Mormons in Transition
  5. Die Versionen der Ersten Vision folgen: Institute of Religious Research - Project Mormons in Transition: Joseph Smith's Changing First Vision Accounts
  6. Institute of Religious Research - Project Mormons in Transition: 1832 First Vision Account mit Digitalisat und Transkription dieser Fassung
  7. Institute of Religious Research - Project Mormons in Transition: 1859 First Vision Account by Martin Harris

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Joseph Smith's First Vision (The Rocky Mountain Saints).jpg
Illustration of Joseph Smith's First Vision, from T. B. H. Stenhouse's The Rocky Mountain Saints.